Dierk Schaefers Blog

An die Brüder in leitenden Ämtern der katholischen Kirche

Posted in heimkinder, Kirche, News, Pädagogik, Theologie by dierkschaefer on 23. Februar 2010

An die Brüder in leitenden Ämtern der katholischen Kirche!

Schon die Adressierung wirft Probleme auf.

Die Bruderanrede ist in kirchlichen Hierarchien (auch im evangelischen Raum) eher von oben nach unten üblich.

Ob es mir, der ich ein einfacher Pfarrer bin und zudem einer in römischen Augen Nicht-Kirche angehöre, überhaupt gestattet ist, irgendwelche verwandtschaftliche Beziehungen in Anspruch zu nehmen, ist die nächste Frage.

Und schließlich ist mir in diesem Falle verwehrt, mich gemäß dem normalen Sprachgebrauch an die Brüder und Schwestern zu wenden.

Was ist mein Anliegen?

Prinzipiell geht es mich nichts an, wie Sie Ihre Kirche führen. Das wäre Einmischung in innere Angelegenheiten.

Nun weiß ich jedoch aus einer selbst durchgeführten Kirchenaustrittsuntersuchung, daß Menschen aus der evangelischen Kirche austreten, weil sie die Ansichten des Papstes skandalös oder hinterwäldlerisch finden. Mit anderen Worten: Die römisch-katholische Theologie und Führungspraxis beschädigt unsere evangelischen Interessen. Da ist ein Wort unter Brüdern angebracht.

Zudem treten Sie mit Argumenten an die Öffentlichkeit, ich denke da speziell an die Herren Zollitsch und Mixa, die eine öffentliche Antwort herausfordern, auch wenn sie katholisch-interne Belange betrifft.

Bischof Mixa hat in Erinnerung gerufen, daß es im Umkreis der 68er-Ereignisse Stimmen gab, die Pädophilie verharmlosten oder gar beförderten. Dies ist richtig, so wie es auch richtig ist, daß das Schutzalter für Kinder nicht herabgesetzt wurde. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß ausgerechnet der geistliche Nachwuchs der katholischen Kirche sich von dieser auch damals randständigen Diskussion beeinflussen ließ. Zudem gab es schon vor 68 sexuelle Regungen im katholischen Klerus. Doch Herr Mixa sprach ja von der „sexuellen Revolution“. Schon seit langem geht dieses Gespenst um in der katholischen Kirche – begleitet von dem Oberteufel, der Moderne schlechthin.

Nun betreibt Bischof Zollitsch, wie heute in der Zeitung zu lesen ist, Abwehrzauber: Keinesfalls habe der Zölibat oder die katholische Sexuallehre mit den Mißbräuchen zu tun; nicht das System sei schuldig. Natürlich ist mir die ekklesiologische Engführung Ihrer Kirche bekannt, doch das ist wirklich nicht mein Problem. Ihres jedoch könnte es sein, daß fast alle Katholiken, (die ich kenne, auch solche mit kirchlichen Funktionen) bekenntnismäßig den Alt-Katholiken zuzurechnen sind, aber den Bruch mit „ihrer“ Kirche scheuen. Für diese Menschen stellt die Dogmatisierung der Unfehlbarkeit des Papstes das Hauptproblem dar. Doch zurück zu Herrn Zollitsch: Sicherlich ist es ein Kurzschluß, die Mißbräuche monokausal mit Zölibat und Sexuallehre zu verknüpfen, doch als Ko-Faktoren sind sie durchaus diskutabel. Eine Dunkelfelduntersuchung könnte die Zusammenhänge erhellen.

Mein Vorschlag: Beauftragen Sie die Kriminologen mit einer Dunkelfelduntersuchung!

Und hinterher sortieren wir gemeinsam den Scherbenhaufen, den (in zufälliger Reihenfolge) Lehrer, (Sozial-)­Pädagogen, Heimpersonal, Geistliche in beiderlei Gestalt, Jugendverbandspersonal etc. angerichtet haben. Die Heimkinder-Problematik gehört auch in diesen Zusammenhang, nur daß es dabei nicht ausschließlich um publizitätsträchtigen sexuellen Mißbrauch geht, sondern auch um insgesamt niederträchtige Methoden Schwarzer Pädagogik. Es gibt wirklich viel zu tun. Packen wir’s an!

Nur als Randbemerkung: In meinem langjährigen berufsethischen Unterricht für Polizeibeamte (gemischt-konfessionell) wurde ich regelmäßig in der ersten Unterrichtsstunde eines neuen Kurses auf den Zölibat angesprochen. Es war mir stets wichtig, den in dieser Hinsicht ungläubigen jungen Männern zu verdeutlichen, daß der Verzicht auf sexuelle Betätigung durchaus eine zu respektierende Lebensform sein kann. Nie habe ich gesagt, daß man den Zwangszölibat auch als sehende Inkaufnahme menschlichen Unglücks betrachten könne.

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