Dierk Schaefers Blog

Ohne Fleiß kein Preis!

Posted in heimkinder, News, Pädagogik by dierkschaefer on 29. Januar 2010

Der Beitrag der Kinder zu ihrer Erziehung: Kinderarbeit in Kinderheimen

In vielen Erziehungs- und sonstigen Heimen für Kinder und Jugendliche wurden die Insassen nicht nur zur Mithilfe in Haus und Garten herangezogen, sondern es handelte sich um veritable, wertschöpfende Arbeit von täglich mehr als vier Stunden, die den Kindern und Jugendlichen je nach Art der Arbeit hohe Konzentration und Kräfteeinsatz abverlangte.

Diese Arbeiten dienten entweder der Existenzsicherung der Heime, indem sie Personal einsparten (heiminterne Dienstleistungen) und/oder Nahrung und Kleidung für den Heimbedarf produziert wurde. Vielfach wurden wie in klassischer „Heimarbeit“ auch Aufträge für Wirtschaftsbetriebe außerhalb des Heims ausgeführt oder die Kinder (meist waren es Jugendliche) direkt nach außen verdingt, häufig in landwirtschaftliche Betriebe.

In der Regel wurden die Arbeitsleistungen weder entlohnt, noch wurden Sozialabgaben abgeführt – mit den hinreichend bekannten Folgen für die Rentenansprüche.

Für diese Kinderarbeit und ihre Kollateralschäden werden regelmäßig zwei Rechtfertigungsgründe genannt.

1. Die Arbeitsbelastung sei vergleichbar der Mithilfe von Kindern und Jugendlichen der damaligen Zeit in elterlichen landwirtschaftlichen Betrieben, und die sei auch ohne Entlohnung und Sozialversicherung erbracht worden.

Zudem seien die Heime auf den Arbeitsertrag angewiesen gewesen.

Zur dieser Begründung ist schon viel geschrieben worden. Darum seien hier nur zwei Aspekte genannt. Wer im elterlichen Wirtschaftsbetrieb arbeitete, tat dies in einem als selbstverständlich verstandenem familiären Zusammengehörigkeitgefühl und im Bewußtsein, spätestens im Erbfall diesen Betrieb zu übernehmen oder ausgezahlt zu werden. Zudem, und dies ist der zweite Aspekt, geschah diese Arbeit in einem kommunikativen Miteinander, war also eine Form des normalen, oft auch fröhlichen Zusammenlebens. Für die Arbeit in den Heimen galt jedoch, wie vielfach berichtet wird, eine totale Überwachung mit striktem Schweigegebot. Ein ehemaliges Heimkind schreibt: »Die ständige Überwachung und nicht miteinander kommunizieren zu dürfen war belastend. … Und natürlich auch nur Arbeiten, die für das Selbstwert eines jungen Menschen nicht förderlich waren, sondern eher zur Verdummung beitrugen«.

Selbst wenn man akzeptiert, daß die damalige finanzielle Notlage der Heime die wirtschaftliche Ausbeutung der Arbeitsressourcen der Insassen erfordert hat, so entbindet dies nicht von der Verantwortung, Sozialabgaben nachzuzahlen. Immerhin blieb der Gewinn bei den Heimen, die sich teilweise zu beachtlichen Sozialkonzernen gemausert haben. Zudem müssen wir die Lücken in der Rentenbiographie der ehemaligen Heimkinder als gesellschaftliche Altlast betrachten, die bei allem Verständnis für die damalige Situation heute abzutragen ist, allerdings nicht als Sozial-Almosen, sondern als finanzielle Anerkennung für die damals erbrachten Leistungen. Die Heime und Firmen, die damals profitiert haben, müssen heute dafür aufkommen, erst wenn das nicht ausreicht die Versichertengemeinschaft.

2. Es habe sich um Arbeitstherapie gehandelt und diese sei ohnehin nicht versicherungspflichtig.

Um die zweite Form der Rechtfertigung ist es in der letzten Zeit stiller geworden. Das mag mit den Bildern zusammenhängen, die auch in den Heimarchiven überdauert haben, weil man sie lange Zeit als „normal“ ansah, mit denen man aber inzwischen nicht mehr verdeutlichen kann, was diese Art Arbeit mit Therapie zu tun gehabt haben soll: Stumpfsinnige Arbeiten, die jede Phantasie und Entwicklungsmöglichkeit der Kinder und Jugendlichen im Keim erstickt haben, ganz zu schweigen von der verbrauchten Zeit, die besser für schulische Förderung aufgewendet worden wäre. Diese Verbrechen an Kinderseelen werden noch augenfälliger, wenn wir die Bilder der „Moorsoldaten“ aus der Nach-Nazi-Zeit sehen.

Doch die Idee der Arbeitstherapie verdient eine enthüllende Betrachtung:

»Die Erziehung der Eingeborenen zur Arbeit« lautet ein Kapitel aus dem Buch „Weiße Väter“ von Pater Theodor Frey, ab 1910 Provinzial der Deutschen Provinz der Weißen Väter. »Das Ziel der Missionare ist, aus den Eingeborenen überzeugte Christen zu machen und sie in einem echt christlichen Leben zu bewahren. Eines der besten und wirksamsten Mittel, diesen Zweck zu erreichen, ist, die Neger zu ernster, geregelter Arbeit zu erziehen. … Schwarze, die ihr Leben in Trägheit zubringen, werden niemals Christen, die sittlich auf der Höhe stehen und unter Umständen den Mut haben, für ihre Überzeugung Opfer zu bringen. … Die Arbeitsamkeit ist eine gute Hüterin der Sittlichkeit und des Glaubens. … Die Religion muß den Neger zunächst zum Menschen machen, nur dann wird sie aus ihm einen brauchbaren Christen machen können.«

Es wird lohnend sein, den Verknüpfungen von Mission, Rettungshaus und Arbeitserziehung einmal nachzugehen und zu fragen, wie viele der dermaßen „kolonialisierten“ Heimkinder tatsächlich zur „Freiheit der Kinder Gottes“ erzogen wurden.

Eine Antwort

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  1. dierkschaefer said, on 3. Februar 2010 at 22:18

    darauf habe ich schon lange gewartet:

    Klicke, um auf Newsletter1_10.pdf zuzugreifen

    wir sollten die diakonie „entwichern“


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