Dierk Schaefers Blog

Hitlers Nachlaßverwalter

Posted in Geschichte, Gesellschaft, Justiz, Kriminalität, Politik, Soziologie by dierkschaefer on 1. Februar 2013

Der große Raub, über den die FAZ heute berichtet, ist ja nur ein Beispiel. http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/beutekunst-der-grosse-raub-12046262.html

  • Der Freistaat Bayern wollte und will anscheinend immer noch die Beutekunst Hitlers behalten und stattet die Provenienzrecherche personell entsprechend dürftig aus. Daß das ©-Recht an Hitlers Mein Kampf so lange gehütet wurde, daß erst mit dem Ablauf der Rechte es zu einer kritischen Ausgabe kommt, ist nur die Kehrseite des verqueren bayrischen Umgangs mit der Nazi-Erbschaft.
  • Adenauer beschäftigte Hans Globke. Er gilt »als Paradebeispiel für die personelle Kontinuität der Verwaltungseliten zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und der frühen Bundesrepublik Deutschland«. Es lohnt sich, nachzulesen bei: http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Globke .
  • Gestern konnten wir die Rede von Inge Deutschkron nachlesen. Sie sagte: »Das deutsche Volk jener ersten Nachkriegsjahre wurde beschützt von seinem ersten Kanzler, der im Parlament in einer Regierungserklärung behauptet hatte, die Mehrheit der Deutschen wären Gegner der Verbrechen an den Juden gewesen. Viele von ihnen hätten sogar den Juden geholfen, ihren Mördern zu entkommen«. http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/rede-im-bundestag-zerrissenes-leben-12044887.html
  • In einem der Bundesländer konnte jemand zum Ministerpräsidenten gewählt werden, der wegen seiner Nazi-Belastung nur per Wahl wieder in ein Amt gelangen konnte.
  • Jahrelang nach dem Krieg wurden Psychiatrieopfer von Psychiatern der Tätergruppe begutachtet.
  • 1952 schunkelte Deutschland zum Karnevalsschlager Wir kommen alle, alle, alle in den Himmel, weil wir so brav sind, weil wir so brav sind. Aber ja doch!

Leider ging es im Nazi-Nachfolgestaat weiter.

http://de.wikipedia.org/wiki/Einsatzgruppen-Prozess :

Die Zentralstelle spielt auch im Buch von Ferdinand von Schirach eine Rolle: Der Fall Collini. http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Fall_Collini . »Der Roman behandelt die Verjährung von Beihilfetaten zu Morden aus der Zeit des Nationalsozialismus, die durch das Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (EGOWiG) 1968 rückwirkend auf das Jahr 1960 eingeführt wurde. Durch das von Eduard Dreher initiierte Gesetz verjährten Morde durch Schreibtischtäter schon nach 15 Jahren, weil die Taten von der Rechtsprechung nur als Beihilfe eingeordnet wurden.« » Eduard Dreher war ein deutscher Jurist und hoher Ministerialbeamter in der frühen Bundesrepublik Deutschland. Zur Zeit des Nationalsozialismus war Dreher erster Staatsanwalt am Sondergericht Innsbruck und stieg in den 1960er Jahren zu einem der einflussreichsten westdeutschen Strafrechtler auf. Dreher ist durch seinen Kommentar zum Strafgesetzbuch bekannt geworden«. http://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_Dreher . Ein Altnazi half Altnazis. Die Abänderung des § 50 StPO durchlief, so nach von Schirach, den Bundestag, ohne daß es anscheinend jemand so recht bemerkt hatte – oder hatte bemerken wollen. Nun wurde es möglich, »daß bestimmte Mordgehilfen nur wie Totschläger und nicht wir Mörder zu bestrafen sind. Und das hieß, daß ihre Taten plötzlich verjährt waren. Die Täter kamen frei«. Dieses bedrückend-spannende Kapitel deutscher Nachkriegs-Nazi-Geschichte hat der Enkel des „Reichsjugendführers“ geschrieben http://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_von_Schirach und ist jedem zu empfehlen, der ermessen möchte, wie bleiern die Nachkriegszeit gewesen ist. Sie wirkt immer noch nach. Selten wird Geschichte so lebendig. Ich habe das Buch „auf einen Sitz“ durchgelesen.

3 Antworten

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  1. E.Kronschnabel said, on 1. Februar 2013 at 22:00

    Ich möchte Ihre Links ergänzen.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Oswald Kaduk
    http://de.wikipedia.org/wiki/Josef Klehr
    http://de.wikipedia.org/wiki/Johann Klier

    Alle SS-Unter- bzw. Oberscharführer. Josef Klehr erzählte in aller Ruhe haarklein, wie er seine „Arbeit“ als
    „Abspritzer“ machte. Er tötete mit der Giftspritze.

    Die genannten Männer bezogen als zu lebenslanger Haft Verurteilte SS-Mörder ganz fröhlich ihre
    Renten, die sie sich auch als Nazi-Schergen erworben hatten. Erworben deshalb, weil sie als Berufssoldaten
    galten. Die Nachfolger des Nazistaates liessen ihre Kameraden nicht darben….

    Ich lernte alle als hochbetagte Männer kennen und war über die verbrecherische Überzeugung entsetzt, die
    sie nach damals mehr als 35 Jahre Haft immer noch hatten. Sie unterschieden sich also nicht von den
    namhaften SS-Edel-Schurken, die mordend durch die Welt gezogen waren.

    Globke’s gab es doch massenhaft in höchsten Funktionen und ganz unten, wie beispielsweise im Kinder-KZ
    Stephansstift-Kronsberg. Ein Tier namens Stäblein lief grossspurig in Breeches und Reitstefeln herum, prügelte die Heimkinder und durfte seine saublöden Naziparolen öffentlich aussprechen, seine feinen Diakonkollegen lachten noch darüber. Gerhard Haake (vielen Usern bekannt) erlebte diesen Sauhund auch noch, als Haake dort Diakonschüler war.

    Es änderte sich bis heute wenig, die Jüngeren können leider nicht wissen, was für ein Drecksstaat diese
    Republik noch bis lange nach Kriegsende war.

  2. E.Kronschnabel said, on 1. Februar 2013 at 22:14

    Fehler bei den obigen Links! Richtig:

    de.wikipedia.org/wiki/Oswald Kaduk
    de.wikipedia.org/wiki/Josef Klehr
    de.wikipedia./wiki/Johann Klier

  3. Heidi Dettinger said, on 2. Februar 2013 at 20:09

    „die Jüngeren können leider nicht wissen, was für ein Drecksstaat diese Republik noch bis lange nach Kriegsende war“ ….

    Sie könnten es wissen, wenn sie sich dazu entschließen würden, ab und an mal etwas nachzulesen.

    Die Geschichten der Kontinuität der Nazischergen könnte, sollte, müsste zum Allgemeinwissen in dieser Republik gehören.

    Es ist allgemein bekannt dass
    – die Ärzte, die Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit ihren „Gutachten“ in den sicheren Tod schickten, noch lange nach Kriegsende weiterhin Kinder, Jugendliche und Erwachsenen „Schwachsinn“ und ähnlichen Dreck attestieren durften;
    – die Nazi-Juristen auch nach Kriegsende fröhlich weiter „Recht“ sprechen durften;
    – Ritter, als Rassentheoretiker und Leiter der Rassenhygienische Forschungsstelle Hauptschuldiger an den Massenmorden von Roma und Sinti ab 1945 Obermedizinalrat der Stadt Frankfurt am Main und ab 1947 die „Fürsorgestelle für Gemüts- und Nervenkranke“ sowie die Jugendpsychiatrie der Stadt Frankfurt am Main leitete;
    – Ritters Stellvertreterin Eva Justin nach 1945 wurde sie, obwohl sie niemals psychologisch mit Kindern gearbeitet hatte und auch kein Examen oder einen sonstigen Abschluss in Psychologie besaß, als Kinderpsychologin in Frankfurt am Main angestellt. Ihr Chef war – Ritter! Gleichzeitig begutachtete sie Roma und Sinti in Entschädigungsprozessen.

    Des weiteren dürfte bekannt sein, dass der Vatikan seine berüchtigte „Rattenlinie“ durch die sich u.a. die bekannten und berüchtigten Naziverbrecher Klaus Barbie, Gerhard Bohne, Adolf Eichmann, Berthold Heilig, Josef Mengele, Ante Pavelić, Erich Priebke, Walter Rauff, Eduard Roschmann, Josef Schwammberger, Franz Stangl, Gustav Wagner, Friedrich Warzok, Johann von Leers und Ludolf-Hermann von Alvensleben aus Deutschland der Justiz entziehen konnten, großzügig personell und finanziell unterstützte.


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