Dierk Schaefers Blog

»Erst jetzt, mit größerer zeit­licher Distanz zu Ereignis­sen und Personen, kommt die Forschung in Gang«.

Posted in Geschichte, Gesellschaft, Kriminalität, Politik, Soziologie by dierkschaefer on 31. Dezember 2013

Die billigste Form der Vergangenheitserhellung soll das Image aufpolieren, – peinlich und blamabel![1] So schrieb ich vor wenigen Tagen hier im Blog. Es ging um die Aufarbeitung der Nazi-Unterstützung durch die evangelischen Kirchen in Schleswig-Holstein.

Doch dieser Vorwurf gilt nicht nur den genannten Kirchen. Das Verfahren scheint eine Art soziales Naturgesetz für die Aufarbeitung „unangenehmer“ Vergangenheiten zu sein.

Andreas Wirsching, Direktor des Münchner Instituts für Zeit­geschichte, wird heute dazu in der FAZ zitiert: Er »nannte den Generationen­wechsel als wichtigen Grund dafür, war­um es vielfach erst jetzt dazu kommt: „Das Schwinden persönlicher Loyalitäten ist eine notwendige Voraussetzung für die historische Distanzierung und die damit mögliche kritische Aneignung und Aufar­beitung von Geschichte. Wenn einflussrei­che Persönlichkeiten noch institutionell und durch persönliche Wirkung dominie­ren, vermag meist auch ihr Narrativ das Bild der eigenen Geschichte zu prägen.“ Bewunderung, Abhängigkeit und Loyali­tät des Umfeldes verhinderten in solchen Fällen die kritische Distanzierung«[2].

Solche persönlichen Loyalitäten mögen im positiven Fall eine soziale Beißhemmung  sein, ähnlich wie man dunkle Punkte in der Familiengeschichte gern im Dunkel hält. Doch wenn die Folgegeneration mit Rücksicht auf ihre Karriere die Tätergeneration schützt, indem sie die Augen verschließt, dann ist diese Beißhemmung egoistisch motiviert und darf mit Fug und Recht Korruption genannt werden.

Doch was in der Nachkriegszeit unter Forschern endemisch war, funktioniert heute nicht mehr. Wir müssen nicht mehr auf die Geschichtsschreibung warten, müssen nicht warten, bis die Ohrenzeugen der Augenzeugen verstummt sind.[3] Wir dokumentieren die Geschichte als Erlebenszeugen zeitnah im Netz, das so leicht nichts „vergißt“.


[2] FAZ Dienstag, 31. Dezember 2013: Michael Martens, Nur mit den Wölfen geheult? – Die deutsche Südostforschung und ihre NS-Vergangenheit

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