Oradour und die Gerechtigkeit
Oradour und die Gerechtigkeit
»Über das Verbrechen hinaus hatte auch der Umgang damit schwerwiegende Folgen für die Überlebenden und Hinterbliebenen. Am schwersten wiegt dabei wohl die in ihren Augen ausgebliebene Gerechtigkeit bei der strafrechtlichen Verfolgung. Die tiefste Zäsur hierbei ist das Jahr 1953: In diesem Jahr wurde das neue Oradour unweit der Ruinen fertiggestellt. Es sollte „neben dem Bild des tiefverletzten Frankreichs das des wieder auflebenden Frankreichs“ werden. Tatsächlich wurde es zu einer „toten“ Stadt, die kaum Lebensfreude ausstrahlte. Dies hatte seinen Grund in dem Gerichtsverfahren, das Anfang 1953 in Bordeaux stattfand und das Oradour als zweites Trauma erlebte. Die Mehrheit der Angeklagten nämlich waren zwangsrekrutierte Elsässer, deren Verurteilung in ihrer Heimat zu solchen Protesten führte, dass die französische Regierung sie schließlich amnestierte. Die Entrüstung darüber war in Oradour so groß, dass der Ort seine Beziehungen zum französischen Staat hinsichtlich der Erinnerung an das Verbrechen abbrach. Oradour wurde über Jahre zu einem Ort, der sich auf sich und seine Trauer zurückzog: strikte Reglementierungen, was Feiern und Feste anbelangte, kein Blumenschmuck im Dorf.
Die ausbleibende Gerechtigkeit setzte sich für Oradour auch auf bundesdeutscher Seite fort. Vor allem die Tatsache, dass der Kommandeur der SS-Division „Das Reich“, Heinz Lammerding, in der Bundesrepublik niemals für das Massaker belangt wurde, sondern in Düsseldorf eine gutgehende Baufirma führte, wurde für Oradour das Sinnbild für die ausgebliebene strafrechtliche Ahndung des Verbrechens in der Bundesrepublik.«
http://www.spiegel.de/einestages/oradour-sur-glane-massaker-im-zweiten-weltkrieg-a-974233.html
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