„Mord als Gottesdienst“
„Mord als Gottesdienst“ quer durch alle Religionen, heute in der FAZ-print-Ausgabe[1].
Das Thema interessiert mich. Theologe der ich bin lege ich den Rest der Zeitung erst einmal zur Seite. Friedrich Wilhelm Graf, der Autor, ist kein Unbekannter. Erst kürzlich legte der emiritierte Münchner Professor für Systematische Thelogie sein Buch „Götter global“ vor, ein fulminanter Überblick über die weltweite Befindlichkeit von Religionen, geschrieben mit der Distanz, wie man sie von einem kritischen Wissenschaftler erwartet. Manche Leute meinen ja, Theologie sei keine Wissenschaft – und das ist ein Irrtum, auch von ansonsten gebildeten Zeitgenossen.
Religion und Gewalt ist seit den Selbstmordattentaten junger Islamisten ein Thema auch unterschiedlichster Publikationsorgane und somit populär geworden. Doch Graf macht deutlich, daß dies eine unsachgemäße Verengung des Blickwinkels ist. Er meint alle Religionen, z.B. auch den bei uns meist als friedfertig eingestuften Buddhismus. Graf läßt in diesem Artikel leider die Säkularreligionen aus, auf die er im erwähnten Buch durchaus eingeht. Da wären zu nennen der Patriotismus, der Vernunftglaube der französischen Revolution, der deutschgläubige Nazismus, der Marxismus – leider ist die Aufzählung unvollständig und wir wissen nicht, was uns in der Zukunft noch an ideologischer Verblendung mit Gewaltauswirkung erwartet. Ich denke, Graf würde hier zustimmen, doch im Artikel fokussiert er auf Religion als Quelle von Gewalt.
Was macht Religion so gefährlich? Nach Graf ist es – kurz gesagt – die Unterstellung, Gott sei allmächtig, und diese Allmacht ist instrumentalisierbar. Der Gläubige meint an ihr teilzuhaben und handelt somit in höherem Auftrag. Er überschreitet die Grenzen, die hier und jetzt gelten. Unter dem Blick seines Gottes, den der Gläubige annimmt, sind diese Grenzen „falsche, sündhafte aufzuhebende Regelwerke, die souverän zu ignorieren nur mutige Glaubenstat ist.“
„Religiöse Symbolsprachen“, schreibt Graf, „stiften kosmische Ordnung durch elementare Grundunterscheidungen: Schöpfer und Geschöpf, Himmel und Erde, Ewigkeit und Zeit, Jenseits und Diesseits.“ Oft würden diese Unterscheidungen „mit Vorstellungen verknüpft, dass der innere, gottgewollte Ordo des Kosmos durch den sündhaften Menschen gestört wurde, der sich in narzisstischer Selbstbezüglichkeit den guten Schöpfungsordnungen widersetzt“. Wenn aber die erlebte Welt „als eine verderbte Gegenwelt zur wahren, gottgewollten Ordnung erlitten wird, entsteht für die Schöpfungsfrommen der Zwang, die Welt, so wie sie leider ist, auf die ideale und ursprüngliche Ordnung Gottes hin zu überwinden. Gewaltbereitschaft für Gott, genauer: für den je eigenen Gott, ist der Versuch, die erlittene kognitive Dissonanz zwischen den bösen, sündhaften Verhältnissen und der geglaubten Gottesordnung durch kämpferisches Glaubenszeugnis zu überwinden“.
Die psychologische Theorie von der kognitiven Dissonanzminderung begegnet uns meist in der Form, daß bei auftretenden Spannungen zwischen Wissen und Verhalten oft nicht das Verhalten geändert wird, sondern das Wissen und seine Bedeutung. So raucht der Raucher weiter und nimmt das Wissen um die Schädlichkeit seines Tuns nicht so ernst. Das ist bei den verbohrten Weltverbesserern gleich welcher Couleur anders. Sie sind furiose Heilsbringer, koste es, was es wolle. Die Welt stimmt nicht mit ihren Vorstellungen überein? Um so schlimmer für die Welt. – Das gilt, wie gesagt, für alle Ideologen, die über Leichen gehen, nicht nur für die religiösen.
Am Schluß des Artikels steht eine Notiz über Friedrich Wilhelm Graf. Er „ist emeritierter Professor für Systematische Theologie und Ethik an der Universität München. Pointiert nimmt er immer wieder zu Debatten Stellung, in denen es um Religion in der säkularen Gesellschaft, um das Verhältnis von Staat und Kirche oder um innerprotestantische Auseinandersetzungen geht. Mit feuilletonistischer Verve begegnete er auch dem neuen, publizistisch aktiven Atheismus, wie er von Richard Dawkins oder Christopher Hitchens vertreten wird“. Überschrieben ist diese Notiz mit „Der Götterbote“. Hoffentlich kann Graf Spaß verstehen.
[1] Hier kann leider nicht der ganze Artikel referiert werden. Ich hoffe, die FAZ ist so großzügig, ihn auch digital zugänglich zu machen. Nun auch digital:
: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/religion-und-gewalt-mord-als-gottesdienst-13084596.html
Religion ist KEINE Wissenschaft, die Gebrüder Grimm waren auch keine Wissenschaftler – und Münchhausen auch nicht!
Zugeben muss ich allerdings, dass die Glaubenshändler bessere Geschäftsleute als die Märchenschreiber
waren und sind. Naja, Freud wurde ja auch zum Wissenschaftler erklärt, sein Mumpitz ernährt heute zahllose
Leute, weil die begriffen hatten, dass man auf diesem Gebiet den größten Blödsinn per „Gutachten“ teuer
verhökern kann. Man muss eben nur die Opfer dieser Freudianer wegwischen, dann geht dat schon…WAS SIND SCHON EIN PAAR JAHRE PSYCHIATRIE, wie bei Mollath?Die „Gutachter“ dürfen lustig weitermachen…
Tausende solcher Opfer sitzen hinter Mauern, die Wurstmaschine dreht sich weiter.
Nur der erste Satz stimmt: Religion ist keine Wissenschaft. Sie will es auch nicht sein. Aber außerhalb Ihres Horizontes gibt es Religionswissenschaft, die sich mit Religionen befasst. Und außerhalb des Horizontes auch der meisten „Gebildeten“ ist Theologie, egal ob evangelisch oder katholisch, auch die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Christentum. Viele andere Wissenschaften fließen dort ein: Philologie, Altertumswissenschaft, Geschichte, Philosophie, Pädagogik, Psychologie, um nur die wesentlichen zu nennen. Wer in diesem Studium aufpasst und auch danach die Augen offen hält, lässt sich so leicht von keinerlei Ideologie mehr einfangen, eingeschlossen das Augurenlächeln der eigenen Spitzenvertreter.