Was kam nach der Befreiung? Wir, die Kinder der Eingeborenen von „Trizonesien“
»Man redete, um nicht zu erzählen.«[1]
»Im Nachhinein denke ich, daß alle in der Nachkriegszeit solche Gespräche brauchten, denn die bei Verwandtenbesuchen waren ähnlich. Gespräche als Narkotikum. Sie lenkten von der tristen Realität ab, selbst wenn über die Fürchterlichkeiten der Vergangenheit gesprochen wurde. Doch soweit diese Fürchterlichkeiten nicht lange zurücklagen, betrafen sie nicht die der Nazizeit[2]. Da war nur die Rede von den Fliegeralarmen, von Bunkergeschichten oder von den Hamsterfahrten. Es war eine Gesellschaft aus Tätern, Tatgehilfen, Mitläufern und Mitwissern, zutiefst verkommen. Man redete, um nicht zu erzählen.[3] Dafür dröhnte aus dem Radio – und wir sangen mit – Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien[4]. Es war die Selbstbemitleidung und –exkulpierung einer Verbrechensgesellschaft,[5] und trotz rheinischer Fröhlichkeit eine bleierne Zeit«[6].
[1] Zitate aus: http://www.lebensraum-linden.de/inhalt/datei.php?id=OTAyMDAxMDUwOy07L3Vzci9sb2NhbC9odHRwZC92aHRkb2NzL2xpbmRlbi9saW5kZW4vbWVkaWVuL2Rva3VtZW50ZS8zX3Vuc2VyX3RheGlfdW5kX2RpZV9tb3Jkc2FjaGVfdW50ZXJiZXJnLnBkZg%3D%3D
[2] »Für später Geborene ist es kaum nachvollziehbar, worüber man alles nicht sprach, nicht einmal in den Familien. Stattdessen gab es – freilich nicht wenig – realen Stoff für Klagen (nicht heimkehrende Kriegsgefangene, Bombenterror, Flucht und dann Vertreibung, Hunger und Kälte, keine Informationen über den Verbleib von Gefallenen), begleitet von einem – den Besatzungsmächten bald auffallenden – übertriebenen Selbstmitleid und großem Unwillen, zur Kenntnis zu nehmen, wie viel Verbrechen, Leid und Elend das nationalsozialistische Deutschland ringsum und in der eigenen Mitte anderen zugefügt hatte«. http://de.wikipedia.org/wiki/Nachkriegszeit_nach_dem_Zweiten_Weltkrieg_in_Deutschland
[3] Als ich in den 90er Jahren mit meiner Mutter in Yad Vashem war, bekam sie einen Schwächeanfall – und sie hat mir nicht leidgetan. http://de.wikipedia.org/wiki/Yad_Vashem
[4] Es lohnt sich, den Link anzuklicken: http://de.wikipedia.org/wiki/Trizonesien-Song und Wir kommen alle, alle in den Himmel, weil wir so brav sind. http://www.rcaguilar.com/lieder/texte/allealle.htm Das war 1952, als die Bundesrepublik in die Europäische Verteidigungsgemeinschaft eintrat.
[5] Kinder waren brutaler und trieben den armen „Floh-am-Hacken“ mit dem Ruf Fliegeralarm durch die Straße. Ich habe es selbst gesehen – und zum Glück nicht mitgemacht. Michael Jürging, Wer war „Floh am Hacken“, http://www.lebensraum-linden.de/internet/page.php?site=902000496&typ=2&rubrik=902000001
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