Damit es keine Feigenblattveranstaltung wird
Morgen, am Montag, 18. Mai will die Stadt Mönchengladbach ab 11.30 Uhr auf dem Alten Markt der Bürger zu gedenken, die zur Zeit des National-Sozialismus wegen ihrer Behinderung ermordet wurden. Das war schon Thema in diesem Blog[1].
Nun schreibt Uwe Werner selber ehemaliges Heimkind aus Mönchengladbach an die Sozialdezernetin und Schirmherrin der Veranstaltung. Rein prophylaktisch, damit es keine Feigenblattveranstaltung wird. Sein Schreiben bedarf keines weiteren Kommentars. Sollte seine Vorsichtsmaßnahme nichts bewirken, hat er hoffentlich andere Maßnahmen parat.
Hier sein Mail:
Sehr geehrte Frau Schall,
sehr geehrter Herr Elsen,
sie werden am kommenden Montag, als Sozialdezernetin und Schirmherrin und als
2. Bürgermeister der Stadt Mönchengladbach, die Gedenkreden zu der Veranstaltung:
„Gedenken an Behinderte, die von den Nazis getötet wurden“ auf dem Alter Markt
in Mönchengladbach halten.
Erinnerung wach halten-Zukunft bauen ist der Titel dieser Veranstaltung, welche ich
prinzipell, als ehemaliges Heimkind sehr begrüsse.
Jedoch habe ich mit Verwunderung feststellen müssen, dass zwar die Verbrechen in
der Nazizeit dokumentiert worden sind, jedoch die Zeit nach 1945, in den hiesigen
Einrichtungen, wie das St. Josefshaus in Hardt und die Stiftung Hephata, welche beide
die o.g. Veranstaltung mitgestalten werden, restlos ausgeklammert wird.
Im Rahmen der Aufarbeitung dieser Zeit nach 1945 bis weit in die 70er Jahre, konnte
nachgewiesen werden, dass diesen Heimbewohnern ebenfalls grosses unmenschliches
Leid zugefügt worden ist.
Es konnte festgestellt werden, dass die unmenschlichen Behandlungen an ehemaligen
Heimkindern, mit und ohne einer Behinderung, auch nach 1945 nahtlos übernommen
wurden.
Körperliche Züchtigungen, sexueller Missbrauch, Zwangsmedikamentierung, Essensentzug,
Demütigungen der übelsten Art, als auch Kinderarbeiten und Zwangsadoptierungen, um
nur einige wenige Greueltaten aufzuzählen, waren in diesen Anstalten, Heimen und
Einrichtungen an der Tagesordnung.
In ganz Deutschland (Ost und West), aber auch in Österreich, der Schweiz, Irland, USA und
Australien…., wurden ehemalige Heimkinder, Waisenkinder, Verdingkinder und Kinder
der damaligen Besatzungsmacht, geschändet, missbraucht, misshandelt und leiden
heute noch unter diesen traumatischen Misständen.
Ich spreche von hunderttausenden Kindern, an denen Medikamentenversuche vorgenommen
wurden, die der Euthanasie zum Opfer gefallen sind, oder später mit diesem Trauma nicht
weiterleben konnten und wollten und den Suizid, als Erlösung empfunden haben müssen.
Ich spreche von den Heimkindern, welche heute unter den gesundheitlichen Nachfolgeschäden
zu leiden haben, und von den Behörden (Jugendamt, Versorgungsamt, LVR, LWL, Jobcenter…)
im Stich gelassen werden, ja gezwungen werden, in ihren Anträgen sich erneut dem
Trauma zu stellen und öffentlich zu machen.
Ein Trauma, welches wir ein lebenlang mit uns herumgetragen haben, ohne je das Angebot
einer Trauma-Therapie, oder sonstige Gesundheitstherapien erhalten zu haben.
Selbst aktuelle Verschlimmerungsanträge, werden vom hiesigen Versorgungsamt abgelehnt,
obwohl auf die damaligen unmenschlichen Zustände in den Einrichtungen, bei Antragstellung,
hingewiesen wird.
Erneut müssen sie sich, einem unmenschlichen Antragsprocedere stellen, oftmals, um mitgeteilt
zu bekommen, dass der Antrag auf ein GdB Merkmal G abgelehnt wurde.
Vielen, ja abertausenden Naziopfern muss und soll gedacht werden, aber nicht um den Preis,
dass die Opfer des schlimmsten deutschen Nachkriegsverbrechen, im Gedenken und der
Aufarbeitung ausgeklammert werden.
Das würde den Naziopfern nicht gerecht werden und den heute noch lebenden Opfern schon erst
gar nicht.
Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie dies in Ihren Gedenkreden mit berücksichtigen würden.
Dabei helfen könnten Ihnen die folgenden LINKS anbei.
http://www.fonds-heimerziehung.de/
https://dierkschaefer.wordpress.com/2015/05/08/wer-zu-fruh-stirbt-den-bestraft-der-heimfond/
Dirk Schäfer ist ein evangelischer Theologe i.R. und die LINKS geben seine eigene Meinung wieder!
Mit freundlichen Grüssen,
Uwe Werner
Ich bin einmal gespannt, ob sich die angesprochenen Personen auf diese E-Mail bei Herrn Uwe Werner auch erklärend melden werden. Ich denke jedoch mal nicht, denn solange die jetzigen verantwortlichen sich nicht für das in der E-Mail angesprochene Problem zuständig betrachten, wird sich auch nichts grundlegendes daran ändern. Ausserdem, die Einen sind ja schon Tot und können von daher nicht ihr Wort zu all dem erheben. Und die anderen leben noch und deren Wort will man einfach nicht hören. Was soll sich demzufolge also dann ändern?
Erst wenn den jetzigen Verantwortlichen (den Täter Enkel) klar wird welche Hypothek diese von ihren Vorgängern übernommen haben könnte sich etwas tatsächlich ändern. Ach ja, die Hoffung stirbt ja immer zuletzt.
mjf
Hallo, Uwe Werner,
bin ganz Deiner Meinung und auch ein Opfer der Nazie-Zeit.
Mein Bruder „Hugo Albert“ wurde in Bernburg 1941 vergasst, eine Schwester Sterilisiert.
MfG.
[…] [3] Herr Werner hatte sie in einem Schreiben benannt: die Vinzentinerinnen und ihr St. Josefshaus in Hardt und die Stiftung Hephata. Einzusehen unter https://dierkschaefer.wordpress.com/2015/05/17/damit-es-keine-feigenblattveranstaltung-wird/ […]