Dierk Schaefers Blog

Warum ist für viele ehemalige Heimkinder eine Heimeinweisung nicht zumutbar? [1]

Posted in Firmenethik, Gesellschaft, heimkinder, Psychologie, Soziologie by dierkschaefer on 25. August 2015

Hier kommt nun eine drastische Antwort auf die Frage.

»Ich finde, dass dieses brennende Thema einfach zu wenig Beachtung findet. Für mich persönlich gilt: sollte ich in so ein Heim müssen, weil die Grundsicherung nichts anderes hergibt, die Diakonie nicht in der Lage und willens ist, den ehemaligen Heimkindern, denen sie das Leben gestohlen hat, wenigstens im Alter einen würdevollen Abgang zu geben, dann gebe ich mir die Kugel, die Pille oder was auch immer 😦 :(«

Es wäre hilfreich, wenn Heimbetreiber aus dieser Antwort zu menschenwürdigen Entschei­dungen kommen, nicht nur für die ehemaligen Heimkinder, sondern generell ihre Heime so organisieren, dass sie eine bessere Alternative sind zu „Exit“. Denn die Situation in manchen Heimen verstärkt die desolate Lage der Heimbewohner, die schon genug belastet ist durch den häufig gegebenen Wegfall ihrer sozialen Beziehungen.

»Krankheit und Tod hatten früher einen Platz in der Erlebenswelt und waren von Bedeutung. Nun haben sie für niemanden mehr Bedeutung, außer für den Betreffenden und die, für die er ein „Signifikanter-Anderer“, also biographisch/emotional bedeutend ist. So gesehen sind viele schon sozial tot, bevor sie gestorben sind. Die hohe Suizidbelastung lebensälterer Menschen liefert ein beredtes Zeugnis dafür. Sie vollziehen nur, was längst überfällig ist; und die Zahl läge um ein Vielfaches höher, wenn noch mehr Alte psychisch in der Lage wären, ihren Zustand zu erkennen und physisch fähig, ihm Rechnung zu tragen.«[2]

Das schrieb ich 1992 und muss mich hier korrigieren: Krankheit und Tod haben eine Bedeutung über die Betroffenen hinaus: Sie sind ein Wirtschaftsfaktor und unterliegen der unternehmerischen Kalkulation.

[1] In meinem Blog-Eintrag vom 6.8.15 hatte ich das Thema angesprochen: https://dierkschaefer.wordpress.com/2015/08/06/manche-theologen-sind-nicht-so-kleinglaeubig-wie-manche-kleinglaeubige-glauben/ und einen lesenswerten Kommentar gepostet, der sehr sachkundig auf die Problemlage einging: https://dierkschaefer.wordpress.com/2015/08/06/extrawurst-fuer-ehemalige-heimkinder/ .

[2] Dierk Schäfer, Werner Knubben, … in meinen Armen sterben?, VDP-Sachbuch, Hilden 1996², S. 94

4 Antworten

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  1. Helmut Jacob said, on 26. August 2015 at 14:24

    Heimkinder zu zwingen, ihr Restleben im Heim zu verbringen, wäre ein weiteres Verbrechen an den Heimkindern. Sie mussten bereits Elend und Gewalt in der Jugend erfahren und die Betrügereien am RTH ertragen. Reicht das nicht?

  2. sabine s. said, on 26. August 2015 at 22:37

    Die Alternative wäre…?

  3. mandolinchen said, on 28. August 2015 at 12:06

    Die Alternative wäre zum Beispiel der Bau von kleinen Wohnungen mit Betreuung nach Bedarf. Ja, die gibt es, aber fast alle in einem Preissegment den sich arme Alte nicht leisten können………und dazu zählen viele der Ehemaligen. Gerade wurde von der Diakonie im Süden unserer Republik wieder eine neue Anlage eröffnet, Preise zum abwinken. Auch die Schaffung von Mehrgenerationenhäusern oder kleineren Wohngruppen sollte doch möglich sein, soooooo viele sind wir doch garnicht mehr.
    Ja, für die noch Lebenden sollte eine Möglichkeit geschaffen werden in Würde den Lebensabend verbringen zu können und in Würde sterben zu dürfen, das sind sie uns einfach schuldig. Aber nicht nur die Diakonie, nein, die Kirchen und der Staat ebenso.
    Extrawurst? Nein , so sehe ich es nicht.
    Eine kleine Geste zur Wiedergutmachung? Vielleicht, ein bißchen, zumindest würden sie etwas glaubwürdiger in ihrem immer mal wieder, je nach Aktualität, geäußerten Bedauern.
    Wieder gut machen kann man das Geschehene nicht, aber es wäre ein wenig, ein ganz klein wenig Balsam für arg geschundene Seelen auf ihrem Weg über den Regenbogen.

  4. Rosi A. said, on 1. September 2015 at 12:55

    Betreung nach Bedarf und kleine Wohnungen, auch Mehr-Generationen-Häuser sind im großen Maßstab ohne Gesetz nicht umsetzbar, und im privaten Bereich decken sich die Kosten für die Pflege nicht. Man braucht zur Pflege 3 Schichten am Tag , da ist frei und Urlaub noch gar nicht gerechnet.
    Wenn jemand keine Pflege braucht kann man auch mit der Grundsicherung noch Zuhause leben und , sehr schwer zwar, zurechtkommen.
    Also ist hier doch wirklich das Thema Pflegeheime wenn es unabwendbar wird.
    Leider , wie Herr Schäfer zurecht den Blog auch neu aufrollt mit diesem Schlusssatz, ,, Das schrieb ich 1992 und muss mich hier korrigieren: Krankheit und Tod haben eine Bedeutung über die Betroffenen hinaus: Sie sind ein Wirtschaftsfaktor und unterliegen der unternehmerischen Kalkulation ,, ist dies nämlich in heutiger Zeit eine Hauptursache von unmenschlicher Pflege in Dunkelziffern von Pflegeheimen. Und das geschieht auch Personen die Ihr lebenlang in ,, Freiheit ,, und gut versorgt Ihr Leben leiteten.
    Wenn man freundlich und menschlich gepflegt werden würde wäre das Thema doch gar nicht so prevelent.
    Wenn manche Firmen die schon viele Seniorenheime aufkaufen einen ,, großen Gewinn ,, erwirtschaften wollen, dann wird kein Geld für genug Personal bereitgestellt. Da müsste definitiv ein Riegel vorgeschoben werden.


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