Dierk Schaefers Blog

Für die Justiz ist es frustrierend, wenn Einigungen außerhalb des Rechts getroffen werden.

Posted in Gesellschaft, Justiz, Kirche, Religion, Uncategorized by dierkschaefer on 1. Dezember 2015

Wer „Die Richter Gottes – Die geheimen Prozesse der Kirche“[1] gesehen hat, muss diese Einschätzung, nur frustrierend, für pure Untertreibung halten.[2] Der Umgang der – in diesem Fall – katholischen Kirche ist empörend. Sie entzieht wie dokumentiert einen Straftäter der Justiz des Staates. Ein vielfacher Missbraucher kommt glimpflich davon.

„Ehrengerichte“ und Schiedsgerichtsbarkeit gibt es auch in anderen Branchen und Bereichen. Für Beamte ist fallweise ein Disziplinarverfahren mit Konsequenzen verbunden, die gravierender sind als das Urteil im vorausgegangenen Gerichtsprozess.

Man muss also genauer hinschauen. »Es gebe keine Gründe von Verfassungsrang, die ein „globales Verbot“ von religiöser Schiedsgerichtsbarkeit rechtfertigten. Vielmehr sei im Einzelfall darzulegen, dass tatsächlich Strafgesetze verletzt oder Grundrechte negiert würden. Oder es müsse nachgewiesen werden, dass Betroffene sich nicht wirklich freiwillig einem geistlichen Gericht unterworfen hätten.«[3]

 

Bleiben wir zunächst beim ersten Teil der Aussage. Kirchliche Gerichtsbarkeit ist grundgesetzlich pauschal verankert: Art. 137, (3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde. Da steht nichts von der Mitwirkungspflicht bei staatlich erforderlicher Strafverfolgung. Missbrauch ist allerdings ein „Offizialdelikt“[4]. Bewegen sich die „Richter Gottes“ in diesem Fall noch innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes? Eine Anzeigepflicht gibt es für solche Fälle nicht.[5] Allerdings sollte eine Körperschaft öffentlichen Rechts sich nicht der Strafvereitelung[6] schuldig machen. Hier sind Konsequenzen erforderlich. Doch wo bleibt der Ankläger?

 

Der fehlt auch beim Thema der Freiwilligkeit, sich einem kirchlichen Gerichtsverfahren zu stellen. Der Fernsehbeitrag über die Richter Gottes arbeitet mit zwei gegensätzlichen Fallgruppen. Einerseits das Vertuschungsverfahren zum Schutz des Ansehens der Kirche, der auch ein Schutz des Täters ist. Andererseits werden die Verfahren gezeigt, denen sich kirchlich Bedienstete unterwerfen. Sie leben im Konkubinat, einer kirchlich nicht anerkannten Ehe. Dies führt zur Kündigung, es sei denn, die erste erste Ehe wird „annulliert“, für nicht stattgefunden erklärt. Dafür gibt es ein umfangreiches Verfahren vor dem Kirchengericht, bei dem die Antragsteller sich auch hochnotpeinlichen Fragen stellen müssen, Fragen auch, die bei einem weltlichen Gericht nicht zugelassen wären. Gewiss, sie selber haben das Verfahren beantragt. Doch war das freiwillig? Ihr Job hängt davon ab. Der Job ist häufig einer, in dem die Kirche am Markt übergroß vertreten ist, also Marktmacht hat. Finanziert werden diese Jobs allerdings überwiegend mit öffentlichen Geldern, dazu zähle ich auch Gelder von Krankenversicherungen.

Mir fehlt in beiden Fällen der öffentliche Aufschrei vonseiten der im Staat Verantwortlichen, und die Konsequenzen, die zu ziehen sind, wenn man Parallelwelten wenigstens rechtlich in die Welt unseres Grundgesetzes einbinden will.

An anderer, vergleichbarer Stelle haben wir einen solchen Aufschrei. Da geht es um die Parallelwelt islamischen Rechts. Es geht um „Friedensrichter“ auch „Scharia-Richter“ genannt. »Für die Justiz ist es frustrierend, wenn Einigungen außerhalb des Rechts getroffen werden. …islamische Paralleljustiz [gefährde] unseren Rechtsstaat«[7]. »In den meisten deutschen Großstädten seien einzelne Stadtviertel „dem Rechts- und Gewaltmonopol des Staates schon abhanden gekommen“«[8] heißt es in Blick auf die Vermittler nach muslimischem Recht.

Ja, da werden Täter der Strafjustiz entzogen[9], was ja auch nicht haltbar sein sollte. Ohne dieser Paralleljustiz das Wort reden zu wollen: In unserem Rechtssystem spielt das Opfer einer Straftat nur die Rolle des Zeugen. Es wird vom Gericht gebraucht und benutzt, um den Strafanspruch des Staates durchzusetzen. Es mag sein, dass ein Urteil das Rechtsempfinden auch des Opfers befriedet, vielleicht sogar Rachegedanken befriedigt. Doch ansonsten geht es leer aus: Täter im Knast, Opfer allein auf sich gestellt.

Das sieht bei den Friedensrichtern anders aus: »dann kommt es dazu, dass in der Regel eine Kompensation bezahlt wird, zwischen Zehn- bis Vierzigtausend Euro, je nach Schwere der Verletzung – da gibt es richtige Taxen in diesem Markt. Und dann ist die Geschäftsgrundlage aller dieser Schlichtungen, dass das Opfer seine Aussagen im weiteren Verlauf des Prozesses, insbesondere in der Hauptverhandlung, entweder nicht wiederholt, sich nicht erinnern kann, oder aber Verletzungen bagatellisiert.«[10]

 

Wer Paralleljustiz beseitigen will, sollte auch den Opfern geben, was ihnen zusteht. Die muslimische Justiz scheint mir in diesem Punkt menschlicher als die der katholischen Kirche.

 

 

[1] http://www.ardmediathek.de/tv/Reportage-Dokumentation/Die-Story-im-Ersten-Richter-Gottes-Die/Das-Erste/Video?documentId=31942350&bcastId=799280

[2] http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-05/friedensrichter-islam-justiz/komplettansicht

[3] https://www.uni-muenster.de/Religion-und-Politik/aktuelles/2012/okt/PM_Muslimische_Friedensrichter_lassen_sich_nicht_verbieten.html

[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Offizialdelikt_%28Deutschland%29

[5] Anzeigepflicht bezeichnet … die Pflicht zur Anzeige von bestimmten Verbrechen …. Nach § 138 StGB kann bestraft werden, wer von dem Vorhaben oder der Ausführung von Landesverrat, Mord, Totschlag, Raub und Menschenraub oder eines gemeingefährlichen Verbrechens glaubhaft Kenntnis hat und dies nicht anzeigt. Diese Kenntnis muss zu einer Zeit erfolgt sein, in der die Verhütung des Verbrechens möglich ist. https://de.wikipedia.org/wiki/Anzeigepflicht

[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Strafvereitelung

[7] http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-05/friedensrichter-islam-justiz/komplettansicht

[8] http://www.fnp.de/rhein-main/Muslimische-Friedensrichter-unterlaufen-Hessens-Justiz;art801,828049

[9] http://www.deutschlandfunk.de/muslimische-friedensrichter-zwischen-scharia-und-deutschem.1310.de.html?dram:article_id=194485

[10] http://www.deutschlandfunk.de/muslimische-friedensrichter-zwischen-scharia-und-deutschem.1310.de.html?dram:article_id=194485

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