Dierk Schaefers Blog

Frechheit siegt. Wäre in diesem Fall zu wünschen, wenn es überhaupt Frechheit ist.

Schon erstaunlich, der Griff ins Polemikfach, zu dem sich der Autor Christian Geyer verstie­gen hat. „Kinder haben im Grundgesetz nichts zu suchen“, meint er und spricht von „Frechheit“[1]. Ich will ihm darin nicht folgen, auch wenn ich es höchst befremdlich finde, wie er die Realität ausblendet, die sich nicht die sich nicht puristisch an der Rechtsdogmatik misst. Selbstverständlich haben zunächst die Eltern „das natürliche Recht und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“ auf Pflege und Erziehung – und ich will hier nicht den Rückgriff der Eltern des Grundgesetzes auf das Naturrecht problematisieren. Aber wir erfahren doch fast täglich, dass es Eltern gibt, die dieses Recht und seine Verpflichtung nicht verstehen, es gar missbrauchen zu Vielerlei oder es missachten – bis hin zum Totschlag. Und selbst unterhalb dieser Schwelle gibt es laut Marie von Ebner-Eschenbach „leider nicht viele Eltern, deren Umgang für die Kinder ein Segen ist.“ Immerhin reicht das Elternrecht nach parlamenta­rischem Beschluss bis zur einschneidenden Körperverletzung durch Beschneidung. Da hilft nicht einmal das Wächteramt des Staates.

Wie wichtig der Grundrechtsschutz von Kindern ist, erleben Scheidungskinder besonders häufig. Familienrichter haben keine Ausbildung in Entwicklungspsychologie, manche halten, wie der frühere Präsident des Familiengerichtstages Siegfried Willutzki immer wieder betonte, Fortbildung für einen Eingriff in ihre richterliche Freiheit. Und dank der Unbeirrbarkeit von Bundesländern, in Kindesangelegenheiten zu sparen, sind ja nur Kinder, verzichtet man auf die professionelle Befähigung von Verfahrenspflegern, auch Anwalt des Kindes genannt.

Kinderrechte im GG können aber nicht nur ein besserer Schutz vor verantwortungslosen Eltern sein, sie wären auch ein Schutz vor manchen Jugendamtseingriffen, die, wie wir auch immer wieder erfahren, Kinder nicht ausreichend schützen, die keine Fachaufsicht fürchten müssen und zuweilen fiskalischer Enge die Priorität einräumen.

Kinderrechte im GG würden nicht per se den Kindern einen geschützen Raum öffnen. Doch hier muss die Sachdiskussion beginnen, wenn sie samt Wahlrecht ins Grundgesetz gekommen sind.

Auch ein voreiliger Anwalt des Kindes kann Schaden anrichten, ebenso wie die ideologische Befangenheit auf Seiten unbelehrbarer Eltern. Auch haben manche der Befürworter solcher Rechte ein politisches Nebenkalkül. Aber ist es wirklich eine Frechheit, sich den realen Nöten von Kindern zuzuwenden, auch wenn die Wege aus der formal-juristischen Korrektheit hinausführen?

Herrn Geyer kann ich aus meiner Beschäftigung mit dem Thema viel Material anbieten.

[1] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kinderrecht-im-grundgesetz-eine-frechheit-14957358.html

Eine Antwort

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  1. Werner Boesen said, on 5. April 2017 at 20:41

    Der Titel „Kinderrecht im Grundgesetz Eine Frechheit“ provoziert und zeigt Unverständnis für die Belange und die Schutzwürdigkeit von Kindern. Die Aussage „Doch im Grundgesetz haben Kinder nichts zu suchen“ ist eine Persiflage. Für die Auseinandersetzung mit Kinderrechten zur Aufnahme in die Staatsverfassungen empfehle ich zur Einstimmung das Werk von David Archard „Children Rights and Childhood“, 3. Aufl. 2015. Ergänzend zu erwähnen ist der Abschlußbericht der Bundestagskommission Runder Tisch Heimerziehung der 1950er und 1960er Jahre aus dem Jahre 2010. Auch heute noch sind Kleinkinder in Kinderheimen untergebracht, denen das „Grundrecht“ auf zumindest eine dauerhafte Bezugsperson verwehrt wird und damit dem Risiko seelischen Totschlags ausgesetzt sind, denn Kinderheime sind keine Familien. Dies weiß ich aus eigener Betroffenheit, habe glücklicherweise überlebt und meine Erfahrungen in meinen Büchern festgehalten.

    Kinderrechte in der Staatsverfassung gibt es z.B. in Israel, Japan, Niederlande, Norwegen, Belgien, Spanien (siehe Archard Seiten 107, 243).

    „What the best and wisest parent wants for his own child, that must the community want for all of its children“ (in Archard S. 153 zitiert nach John Dewey, The School and Society (1900)).


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