Dierk Schaefers Blog

Die Sache mit Gott werden wir in diesem Leben wohl nicht mehr gebacken kriegen,

Posted in Theologie by dierkschaefer on 10. Juli 2017

lieber Herr Kronschnabel.

Dabei ist alles ganz einfach, wenn man es sich nicht zu einfach macht. Die ersten russischen Kosmonauten meldeten triumpfierend, da oben nur Weltall, aber keinen Gott gesehen zu haben. Das hätte ihnen jeder anständige Theologe schon vorher sagen können. Denn der bärtige alte Mann in den Wolken[1] ist nur ein Bild. Darum unterscheiden die Engländer auch zwischen sky und heaven. Den atheistisch indoktrinierten Kosmonauten galt alles gleich: Es gibt ihn nicht da oben, also gibt es ihn nicht. War ja lange Zeit auch das übliche abgestufte Weltbild, wir auf der Erde, oben Gott [2] und unter uns, nach dem Sündenfall, die Hölle. Ist aber seit der Aufklärung passé [3]. Bei den Aachenern (Öchener) hatte sich das 1766 rumgesprochen. [4] Also: Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht. So habe ich bereits am 23. Februar 2011 als Antwort auf einen Kommentar von Frau Tkocz geschrieben [5].

Doch die Frage ist immer wieder virulent – wenn auch nicht für Sie – und es gibt verschiedene glaubhafte Antworten darauf. „Gottes Sein ist im Werden“, sagt der Tübinger Theologe Eberhard Jüngel und zielt auf Gottes Dynamik. Darüber ließe sich viel schreiben. Schließlich ist es nicht die Dynamik einer bestimmten Person (Gott), sondern derer, die von ihm fasziniert sind, die ihn „erkannt“ haben. So gehört es zu den grandiosen Leistungen der frühen Christenheit, im Rückblick auf das Wirken und Leiden Jesu von Nazareth und mit Rückgriff auf die Facetten des alttestamen­tarischen Gottes eine Gottesvorstellung entwickelt zu haben, die mit der Figur des Heiligen Geistes zukunftsoffen ist, zukunftsoffen auch über unsere Endlichkeit hinaus.

Doch das ist nicht alles. Eli Wiesel schreibt:

Als wir eines Tages von der Arbeit zurückkamen, sahen wir auf dem Appellplatz drei Galgen. Antreten. Ringsum die SS mit drohenden Maschinenpistolen, die übliche Zeremonie. Drei gefesselte Todeskandidaten, darunter der kleine Pipel, der Engel mit den traurigen Augen.

Die SS schien besorgter, beunruhigter als gewöhnlich. Ein Kind vor Tausenden von Zuschauern zu hängen, war keine Kleinigkeit. Der Lagerchef verlas das Urteil. Alle Augen waren auf das Kind gerichtet. Es war aschfahl, aber fast ruhig und biss sich auf die Lippen. Der Schatten des Galgens bedeckte es ganz.
Diesmal weigerte sich der Lagerkapo, als Henker zu dienen. Drei SS-Männer traten an seine Stelle.
Die drei Verurteilten stiegen zusammen auf ihre Stühle. Drei Hälse wurden zu gleicher Zeit in die Schling eingeführt.

„Es lebe die Freiheit“ riefen die beiden Erwachsenen. Das Kind schwieg.

„Wo ist Gott, wo ist er?“ fragte jemand hinter mir.

Auf ein Zeichen des Lagerchefs kippten die Stühle um.

Absolutes Schweigen herrschte im ganzen Lager. Am Horizont ging die Sonne unter.

„Mützen ab!“ brüllte der Lagerchef. Seine Stimme klang heiser. Wir weinten.

„Mützen auf!“

Dann begann der Vorbeimarsch. Die beiden Erwachsenen lebten nicht mehr… Aber der dritte Strick hing nicht leblos, der leichte Knabe lebte noch …

Mehr als eine halbe Stunde hing er so und kämpfte vor unseren Augen zwischen Leben und Sterben seinen Todeskampf. Und wir mussten ihm ins Gesicht sehen. Er lebte noch, als ich an ihm vorbeischritt. Seine Zunge war noch rot, seine Augen noch nicht erloschen.
Hinter mir hörte ich denselben Mann fragen:
“Wo ist Gott?“

Und ich hörte eine Stimme in mir antworten:

„Wo er ist? Dort – dort hängt er, am Galgen…“ [6]

Eine starke Geschichte. Es geht auch kleiner, und das nicht nur im Leiden, sondern auch im Tun. Zum Beispiel die vielen kirchlichen Gemeinden, die sich für Flüchtlinge einsetzen, haben eine Gottesvorstellung, der sie folgen. Geht Gottseidank auch ohne, ich weiß. Doch es trifft zu. Kann man wissenschaftlich erklären mit dem Thomas-Theorem. [7]

Es gibt auch falsche Gottesverstellungen, denen zum Beispiel manche Erzieher in den Kinderheimen gefolgt sind: Schläge im Namen des Herrn. Die glaubten wahrscheinlich, in Gottes Sinn zu handeln. Die Kinderficker jedoch hatten ganz sicher nichts mit irgendeinem Gott zu tun. Ich bezweifle, dass die Mafiosi von Staat und Kirche am Runden Tisch eine christliche Gottesvorstellung hatten. Die dachten eher an den Mammon und die vermeintliche Ehre ihrer Institution. Und manchmal wünscht man sich – ganz vermessen – es gäbe tatsächlich so etwas wie ein „Jüngstes Gericht“ [8], aber nur für die Anderen.

Wenn ich geschrieben habe, wir beide würden die Sache mit Gott wohl in diesem Leben nicht mehr gebacken kriegen, so rechne ich nicht auf eine Chance im nächsten. Ich denke, wir haben nur dieses eine Leben und sollten etwas draus machen, was vor Gott und unseren Nächsten (ganz wie Sie wollen) bestehen kann. Eine zweite Chance kriegen wir nicht. Doch wir müssen die Sache mit Gott auch nicht fertig kriegen. Gott ist ohnehin unfertig.

Was ich nicht verstehe, lieber Herr Kronschnabel, ist, dass Sie Hüsch nicht verstanden haben. Hätte jemand wie Sie gesagt, Gott sei aus der Kirche ausgetreten, wäre niemand überrascht gewesen. Aber wenn Hüsch das vorträgt, ein engagierter Christ, »der stets für christliche Toleranz eintretende Hüsch …« [9], wenn der sagt, Gott sei ausgetreten, dann ist das das stärkste Verdikt über diese Kirche.

Aber da ging der Hass mit Ihnen durch und Sie machten tabula rasa.

Schade.

[1] https://www.flickr.com/photos/dierkschaefer/8127249983/in/album-72157622399669449/

[2]

[3]

[4] https://www.flickr.com/photos/dierkschaefer/5828132702/

[5] https://dierkschaefer.wordpress.com/2011/02/22/%c2%bb-religion-wird-nach-der-konzeption-unserer-verfassung-als-prinzipiell-positive-mogliche-ressource-angesehen-%c2%ab/

[6] http://www.k-l-j.de/besinn5.htm

[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas-Theorem

[8] https://dierkschaefer.files.wordpress.com/2011/07/das-jc3bcngste-gericht2.pdf

[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Hanns_Dieter_H%C3%BCsch

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