Dierk Schaefers Blog

Denk ich an Kirche in der Nacht …

wie es weitergeht, wissen Sie. Auch wenn da Kirche steht statt Deutschland.

Doch warum Kirche? Warum schreibe ich das? Noch dazu als Pfarrer.

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4 Antworten

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  1. Werner Bösen said, on 22. November 2022 at 11:12

    Ich bewundere Ihr Engagement, lieber Herr Schäfer. Ihr Angebot wird jedoch das Grundübel des kindlichen Missbrauchs in der katholischen und evangelischen Amtskirche nicht aus der Welt schaffen. Deshalb ist Heilung nur eine Seite der Medaille. Es braucht die Erkenntnis von zwingenden schutzwürdigen Belangen eines Kindes gegenüber der Erwachsenenwelt und die daraus abzuleitenden Präventionsmaßnahmen. Ich habe mich als ehemals Betroffener mit einer Wissenschaftsdisziplin beschäftigt, die die Gefahren von Kindheit und den nötigen Schutz für Kinder in der heutigen Gesellschaft deutlich macht und zwar die Philosophie der Kindheit, kurz Kindheitsphilosophie. Daneben gibt es Autoren, die ihren Fokus auf Kinderrechte legen und für diese Verfassungsrang einräumen. Selbst die Bundesrepublik Deutschland hat es bisher nicht geschafft, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen. Denn der sexuelle Missbrauch von Kindern ist ja nicht nur ein kirchliches Problem. Ich kann jedoch verstehen, dass Sie Ihren Fokus auf die Kirche legen. Dabei erweckt es mir den Eindruck, dass die Verantwortlichkeit für die Kinder nicht korrekt adressiert ist, denn die Kirche hat nur eine nachgeordnete Verantwortlichkeit. Die primäre Verantwortung für die Kinder hat der Staat und er hat diese den Eltern überlassen (Prioritätsthese des Philosophen I. Kant). Im Falle verwaister Kinder übernimmt unser Staat laut Artikel 6 des Grundgesetzes direkte Verantwortung und hat diese oft delegiert an die Kirchen. Wenn Sie nun Ihre Forderungen an die Amtskirche richten, ist das nur die „zweite Wahl“ bzw. es erscheint wie ein Kampf gegen Windmühlen. Ihr im letzten Punkt angebotener „hochwertiger“ Heimplatz entspricht eher einer Fata Morgana und bleibt seelsorgerische Notlösung. Ihre Regelungen mögen Ihnen auch nachts gute Gedanken an die Kirche lassen, für ehemals Betroffene ändert sich nicht viel. Mir hat es immens geholfen, unabhängig von diesen Amtskirchen zu werden und zog die nötige Konsequenz. Wer keine Missbrauchserfahrungen erlebt hat, wird weiterhin mit der Kirche gut leben können.

    • dierkschaefer said, on 22. November 2022 at 11:41

      Lieber Herr Bösen, Sie haben ja sooo recht. Natürlich muss man viel früher ansetzen. Grundlegendes hat Prof. Eilert dazu geschrieben und dazu auch den Staat in Haftung genommen. https://dierkschaefer.wordpress.com/2020/11/20/selbstsicher-und-verantwortungsbewusst-sollen-unsere-kinder-ins-leben-gehen-manchmal-geht-das-schief/ Doch die staatlichen Organe, angefangen bei den Abgeordneten stellen ihre Hörorgane auf Durchzug. Was tun?

      • Werner Bösen said, on 22. November 2022 at 23:09

        Der Staat ist in erster Linie in der Haftung, jedoch genießt er quasi „Immunität“. Die Abgeordneten sind fast ausnahmslos in behüteter Kindheit groß geworden, können sich daher nicht in die Lage von Vollwaisen und Missbrauchsopfern versetzen und wollen es auch nicht. Folglich musste erst unser Bundesverfassungsgericht feststellen, dass die Würde des Menschen auch die Würde des Kindes umfasst und damit Vorrang hat vor dem „Elternrecht“, ein Begriff fiktionaler und mythischer Herkunft, wie Wissenschaftler feststellten. Doch der Mehrheit gefällt es und die Politik hält den Begriff salonfähig. Zum Salon gehört kraft Konkordat auch die Kirche. Gegen diese Mächte ist wenig auszurichten solange es Minderheiten versuchen. Natürlich ist eine Zahl von über 1 Million Missbrauchsopfer (Dunkelziffer soll noch höher liegen) als absolute Zahl recht hoch, jedoch ist sie im Vergleich zur Gesamtpopulation recht gering. In den 1950er und 1960er Jahren sollen etwa 800000 Kinder in Heimen erzogen worden sein, zur geschätzten Gesamtpopulation von Kindern in Höhe von ca. 14 Millionen sind die 800000 Kinder noch nicht 6%. Und nur eine geringe Zahl ehemaliger Heimkinder hat die Kraft, für ihr erlebtes Leid eine Entschädigung zu bekommen. Mich und viele andere, die es in jungen Kinderjahren erwischte, haben nicht mehr die Nervenkraft öffentlich zu kämpfen und in einigen Fällen, wie auch meine Person, brauchen diese Entschädigung nicht. Mein Anliegen ist daher, die Wurzeln des Übels zu benennen und Mitstreiter zu finden, die Kinderrechte voranbringen. Dazu braucht es Geduld und stetige Information an die Politik, denn steter Tropfen höhlt den Stein. Zur Politik gehören auch die Vereinten Nationen, deren Kinderrechtskonvention auch von der BRD ratifiziert wurde. Doch die UN-Kinderrechtskonvention hält leider auch an dem Mythos vom Elternrecht fest und ein Recht auf Liebe und Trauer sind Fehlanzeige, für Vollwaisen ein Desaster. Auch ein Recht für Kleinkinder auf eine Ersatzfamilie sieht die UN-Kinderrechtskonvention nicht vor und bietet nach Bedarf Kinderbetreuungseinrichtungen. Es gibt ja auch nur ca. 1000 Kinder, die jährlich von der Deutschen Rentenversicherung als Vollwaisen erfasst werden. Für unsere Politik offenbar kein Anlass eine kinderartengerechte Familienunterkunft zu garantieren. Unsere Abgeordneten stellen ihre Hörorgane nicht nur auf Durchzug, sondern sie sind schlichtweg überfordert und nicht imstande, sich in die Lage von Vollwaisen und Missbrauchten einzufühlen. Es fehlt zumeist an emotionaler Intelligenz. Doch dazu können ja Betroffene befragt werden. Im letzten Bericht der Aufarbeitungskommission „Wege zu mehr Gerechtigkeit“ wird dann darüber befunden, wie eine Nachsorge aussehen könnte, auch wenn die meisten Betroffenen keine Gerechtigkeit finden können. Nur die Nachsorge zu beleuchten, erweckt den Eindruck, eine Prävention helfe kaum. Es muss daher beides gleichermaßen untersucht werden. Und erst eine wirksame Prävention kann die Nachsorge erleichtern helfen. Missbrauchsopfern wurde ein Teil ihrer Autonomie genommen und die gilt es möglichst wieder herzustellen. Dazu bedarf es einer Verlustverarbeitung, die natürlicherseits über eine Trauerarbeit erfolgt. Diesen Vorschlag einer Trauerbewältigung vermisse ich im letzten Abschlussbericht der Aufarbeitungskommission.

  2. dierkschaefer said, on 22. November 2022 at 23:20

    Danke, lieber Herr Bösen, für diesen gründlichen Kommentar.


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