Zeitvergleich
Geschichte wiederholt sich nicht – so heißt es. Doch es gibt merkwürdige Parallelen.
Heute sehen wir einen Artikel aus der Frankfurter Zeitung vom 01.11.1929.[1] 90 Jahre ist es her, dass diese Zeitung eine detaillierte Analyse des Aufstiegs der Nazi-Partei vorlegte. Vier Jahre später galt keine Pressefreiheit mehr, war alles gleichgeschaltet zu einer Nazi-Lügenpresse.
Schnuppern wir doch kurz die Luft der damaligen Freiheit:
»der Kern der Wählerschaft hat an der guten demokratischen Tradition des Landes festgehalten; nur ein – allerdings ansehlicher – Bruchteil ist der nationalsozialistischen Werbung widerstandslos erlegen, nämlich der Teil der Bauernschaft und des Bürgertums, den Kriegsende, Umwälzung und Inflation politisch aus dem Gleise geworfen und derart direktionslos gemacht haben, daß er, verstärkt durch wirtschaftlich Unzufriedene aller Art, seit zehn Jahren von Wahl zu Wahl anderen Phantomen nachjagt.« » Für den [badischen] Landtag bedeutet der Einzug der Nationalsozialisten eine Vermehrung der Elemente, die sich weigern, überhaupt fair mitzuarbeiten, die die Aufgabe des Landtags nicht fördern, sondern von innen heraus sabotieren wollen. Zu den fünf Kommunisten kommen sechs Nationalsozialisten; ein volles Achtel des Landtags wird damit aus Abgeordneten gegen den Landtag bestehen. Sie treiben ein unehrliches Spiel, indem sie trotzdem die volle Gleichberechtigung mit den andern Parteien in Anspruch nehmen – die ihnen selbstverständlich gewährt werden wird –, wie es auch unehrlich ist, selbst einen Staat des Zwanges, der brutalen Vergewaltigung aller Andersdenkenden zu propagieren und gleichzeitig laut zu lamentieren und vor Entrüstung außer sich zu sein, wenn der bestehende Staat sich gegen ihre Wühlarbeit mit sehr zahmen Mitteln zur Wehr setzt.«
Zeitsprung
»Wo die NSDAP erfolgreich war, ist es heute die AfD. Das erklärt natürlich nicht den ganzen Wahlerfolg der AfD. Aber es ist ein wichtiger Faktor, ähnlich wichtig wie andere Erklärungen, die man bislang oft hören konnte: Arbeitslosigkeit, Verlust von gut bezahlten Jobs im Industriesektor, Unsicherheit wegen der Zuwanderung.«[2] »Was die beiden Parteien gemeinsam haben, ist, dass sie offensichtlich Menschen mit ihren rechtspopulistischen Denkweisen ansprechen, mit relativ schnellen und national gefärbten Lösungen für Probleme und Krisen der Zeit, mit ihrem Insider-Outsider-Denken.«
Dies ist die eine Seite des Problems und seiner Parallelen. Die weiteren Details sollte man den angegebenen Artikeln entnehmen. Dann sieht man auch, dass ein 1:1 Vergleich nicht funktioniert.
Doch auf der anderen Seite des Problems haben wir wieder eine Parallele.
Vor 90 Jahren schrieb die Frankfurter Zeitung: »Die Empfänglichkeit weiter Volkskreise für die nationalsozialistische Agitation könnte nicht so groß sein, wenn die Republik die volle Ueberzeugungs- und Anziehungskraft entfaltet hätte, die gerade einer auf dem demokratischen und sozialen Prinzip aufgebauten Institution innewohnen muß. Deshalb muß der Nationalsozialismus der Republik ein Stachel zur Selbstkritik sein; die Republik ist robust genug, um solche unablässige Selbstkritik ertragen zu können.«
Die Überzeugungs- und Anziehungskraft unserer Demokratie ist im Sinken und als enttäuschter/empörter Bürger könnte man geneigt sein, mancher AfD-Argumentation zu folgen – wenn es nicht die AfD wäre. Unsere Funktionseliten haben ihre Glaubwürdigkeit weitgehend verloren durch zahlreiche Skandale. Es sind ja nicht nur die Großbauprojekte, die merkwürdigerweise nicht von der Stelle kommen, es ist nicht nur der Zustand unserer maroden Infrastruktur, bei dem man sich fragt, wo die Steuergelder hingeflossen sind. Es ist vor allem die Kumpanei mit Wirtschaft und Industrie geschmiert durch die Lobbyvertreter, genannt sei hier nur die Autoindustrie, die gerade durch ihre Betrügereien dabei ist, unsere Wirtschaft gegen die Wand zu fahren. Transparenz in diesen Dingen ist Tabu und die „Abgeordnetenwatch“ ein böser Bube.
Unser Gemeinwesen wird von zwei Seiten bedroht: Von seinen Vertretern, die gekonnt auf der Klaviatur gesetzlicher Möglichkeiten spielen – und dabei auch manchmal falsch spielen. Ihnen muss man auf die Finger hauen und sie bei den Wahlen abstrafen – wenn es da denn Alternativen gibt. Die erklärten Gegner unserer menschenrechtsbegründeten freiheitlichen Lebensweise sind Feinde dieses Staates und der Mehrheit der rechtlich Denkenden. Hier müssen unsere Staatsorgane mit allen rechtlichen Möglichkeiten durchgreifen bis hin zum Parteienverbot. Es wird Zeit. 1929 hatte man nur noch vier Jahre bis zur Machtergreifung der Feinde der Menschheit.
[1]Zitate aus : https://www.faz.net/aktuell/politik/historisches-e-paper/historisches-e-paper-nsdap-erstmals-im-badischen-landtag-16402663.html
[2] Die gegenwartsbezogenen Zitate sind entnommen aus: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-02/afd-waehler-rechtsextremismus-nsdap-gemeinden-milieu/komplettansicht
BGH-Urteil: Ärzte haften nicht für künstlich verlängertes Leiden am Lebensende

Gegen den furor medicinalis hilft auch keine Patientenerklärung. Der Arzt darf weiter liquidieren und kann nicht belangt werden.
Textquelle für den Titel: https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2019-04/bgh-urteil-schmerzensgeld-lebensverlaengerung-arzthaftung
Den Unmündigen eine Stimme geben – Wahlrecht für Kinder!

Das ist doch ein Anfang, wenn auch zaghaft: Menschen mit Behinderung dürfen auch wenn sie unter vollumfänglicher Betreuung stehen, bei der Kommunalwahl mit abstimmen.[1] Ob das für die Europawahl (und die anderen) gelten darf, daran knobelt der Bundestag noch rum.[2]
Wenn diese entwürdigende Situation bereinigt ist, sollten wir uns einer viel größeren Gruppen von Unmündigen zuwenden. Auch Kinder und Jugendliche haben bisher kein Stimmrecht. Ihre Eltern vertreten sie zwar in allen Belangen, doch bei den Wahlen nicht. Wahlrecht ist Bürgerrecht, sind Kinder keine Bürger?
Ein Dialog:
Stimmrecht für Kinder? Da wählen ja doch nur die Eltern.
Na und? Das stärkt immerhin die Position der Familie. Wenn die Kinder älter werden, dann fragen sie auch, ob Papa oder Mama in ihrem wohlverstandenen Interesse abstimmen oder sie gehen allein in die Wahlkabine. Das wäre doch ein Fortschritt für die politische Bildung. Die Politiker werden sich darauf einstellen müssen und endlich mehr Rücksicht auf Kinder und Jugendliche nehmen.
Und wenn die Eltern sich uneinig sind?
Na und? Dann nimmt einmal sie das Kind mit in die Wahlkabine, das nächste Mal er.
Stimmrecht für Kinder? Die verstehen doch nichts von Politik?
Es war ein Kind, das rief: „Er hat ja nichts an“ und öffnete dem Volk die Augen bis alle riefen: „Er hat ja nichts an“. Nur ein Märchen über des Kaisers neue Kleider? Nein, wir erleben gerade die Freitagsdemonstrationen von Kindern und Jugendlichen, die für das Klima und ihre Zukunft auf die Straße gehen und den Politikern die Kostümierung wegreißen: Sie haben ja nichts an. – Wirklich nicht!
[1] https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/gesetzentwurf-betreute-menschen-wahlrecht,wahlrecht-menschen-mit-behinderung-100.html
[2] https://kobinet-nachrichten.org/de/1/nachrichten/39802?rss=true
Leben und Arbeit im Strafvollzug
Es geht hier nicht um Sicherheitsverwahrung, sondern um den normalen Knast (Justizvollzug). Der Artikel besteht aus lauter Zitaten, die Quelle ist jeweils darunter angegeben.
Arbeit im Strafvollzug sollte daher vergleichbar derjenigen in Freiheit vergütet werden; ebenso war die umfassende Einbeziehung arbeitender Häftlinge in die Sozialversicherung vorgesehen. Diese Kernstücke des Reformkonzepts sind allerdings bis heute nicht umgesetzt. Noch immer gilt für Strafgefangenenarbeit im Regelfall eine Lohnhöhe, die der früher üblichen geringfügigen „Belohnung“ für erbrachte Arbeit entspricht; die in § 200 Abs. 2 StVollzG angekündigte Erhöhung des Entgeltniveaus hat bislang nicht stattgefunden. Desgleichen ist die Aufnahme arbeitender Gefangener in die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung (vgl. § 198 Abs. 3 StVollzG) bisher nicht in Kraft gesetzt worden. http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/1998/bvg98-015.html Mittwoch, 21. Februar 2018
Gefangene, die sogenannte Sittlichkeitsdelikte begangen haben, werden abfällig „Sittiche“ genannt – sie gelten bei den Mitgefangenen als Abschaum. … „Was ist?“, fragt der Häftling. „Bist du taub? Oder ein Kinderficker?“ „Nein“, sagt Karl. „Es ging nur um Bilder, einen Link und eine Website.“ Im Dienstzimmer hören die Beamten Schreie. Sie eilen heran. „Hier ist ein Kifi“, ruft einer der Häftlinge in den Flur. „Kinderficker!“ Die Beamten zerren Karl heraus, noch bevor etwas passieren kann. Mein Aufenthalt in der Zugangszelle hat keine zehn Minuten gedauert, denkt Karl, von Armen umfasst, vermutlich eine Art Rekord.
„Es sind noch andere mit Ihrem Delikt hier“, sagt der Beamte ernst, während sie Karl in eine andere Zelle bringen. „Diese Leute leben auch unerkannt. Also: Ruhig bleiben! Wenn etwas ist, drücken Sie den roten Knopf.“ https://correctiv.org/recherchen/justiz/artikel/2017/08/16/folge-1-die-ohnmacht-des-anfangs/
Ganz unten in der Gefängnishierarchie stehen die Pädophilen und Sexualstraftäter sowie die Verräter, die ausgesagt oder jemanden im Knast angeschwärzt haben. Drogensüchtige gelten als schwach. Als Nächstes kommen kleinere Diebe, einfache Einbrecher, Klein-Dealer. Danach folgen die schweren und gefährlichen Körperverletzungsdelikte und versuchte Tötungen. Ausnahmen bilden die „unehrenhaften“ Täter. Das sind Leute, die zum Beispiel Kinder, Frauen oder alte Leute überfallen oder sogar getötet haben. Wessen Opfer wehrlos war und nicht auf Augenhöhe, der ist unten durch. Als Nächstes: größere Dealer, erfolgreiche Einbrecher, Insider wie Anabolikahändler, Drogenmischer und gut vernetzte Leute wie Emil. Solche Typen werden auch systematisch von Gruppen im Gefängnis angesprochen und rekrutiert – auch für die Zeit danach. Darüber stehen die Koryphäen. Das sind Leute, die spektakuläre Dinger gedreht haben, von denen jeder im Gefängnis schon weiß – zum Beispiel aus der Zeitung oder noch besser: aus dem Privatfernsehen. Viele träumen heimlich, brillant wie diese Koryphäen zu sein. Sie sind die Posterboys im Gefängnisalltag. Zu diesen Prominenten zählen Häftlinge wie Uli Hoeneß, als er noch saß. Das Gefängnis ist so offen für Klatsch wie das „Goldene Blatt“. Ganz oben stehen die Bosse; die Dienstältesten auf dem Flur oder die Ältesten einer Bande.
Und dann gibt es noch Insassen, bei denen alle ein mulmiges Gefühl kriegen: Sadistische Killer und – vor allem – Kannibalen. Von ihnen hält man sich fern. https://correctiv.org/recherchen/justiz/artikel/2017/08/17/folge-2-die-geheime-macht/
Auch Frauenbesuch ist im Gefängnis streng reglementiert. In fast jedem Haftraum hängen dafür die Pin-up-Girls, die Becken seitlich vorgeschoben, eine Hand hinter dem Kopf. Unerreichbar. Zum Freiheitsentzug gehört auch der Entzug der sexuellen Selbstbestimmung. Außer Wichsen ist nichts mehr. Pornos sind verboten und werden, wenn sie gefunden werden, sanktioniert und konfisziert. … „Es gibt viele Frauen, die lernen Häftlinge über Kontaktportale kennen“, sagt ein Anstaltsleiter. „Diese Frauen haben ein Samaritersyndrom und wollen Menschen retten; das ist vielleicht romantisch für die, mit einem Knacki und so. … Die Angehörigen sind immer miteingesperrt. Vor dem Besuch werden sie durchsucht, hören sich vom Personal einen flapsigen Spruch über das Piercing an, werden in den großen Raum geführt, in dem niemand unter sich ist und der mit Kameras überwacht wird. Dort sitzen sie dann – mit Gruppen anderer Familien zusammen –, während Beamte durch eine Scheibe blicken. In den Arm nehmen: wird manchmal untersagt. Küssen: wird manchmal untersagt. Niemand kann schlüssig sagen, warum. … Um intim zu werden, aber auch um Zeit mit der Familie zu verbringen, dafür gibt es im Gefängnis die Langzeitbesuche. Sie dauern länger als die üblichen etwa anderthalb oder zwei Stunden und finden in einem extra Raum statt. Er ist nicht überwacht. … Manche JVAs haben extra „Kinder-Besuche“. Häftlinge sollen möglichst oft Kontakt zu ihrem Nachwuchs aufnehmen, daher fallen diese Besuche nicht in das sonst streng reglementierte Besuchskontingent. Aber manche Häftlinge beantragen sie, sagte eine Anstaltsleiterin, geben den Kindern kurz einen Kuss und setzen sie dann anderthalb Stunden auf den Fußboden, weil sie nur „mit ihrer Frau reden wollen“. https://correctiv.org/recherchen/justiz/artikel/2017/08/18/liebe-unter-generalverdacht/
Als er nach dem ersten Arztbesuch in die Zelle gebracht wurde, hatte er abends den Notruf ausprobiert: „Ich dachte: Was mache ich, wenn ich hier einen Herzanfall kriege?“, sagt er. Fast 40 Minuten habe er warten müssen, ehe sich eine Stimme in der Gegensprechanlage meldete und fragte, ob alles in Ordnung sei. „Da habe ich Panik gekriegt. Und ich wusste: Im Notfall hilft nur Schreien und gegen die Tür schlagen, bis die Mithäftlinge dich hören.“ … Einige Bundesländer verhängen Sicherheitsstufen – andere distanzieren sich von diesem Konzept mit der Begründung, es sei unterkomplex und werde den individuellen Lebensläufen nicht gerecht. Eine Einschätzung treffen alle. Die Kriterien: War oder ist der Gefangene Mitglied der organisierten Kriminalität und damit einer Gruppe, die versuchen könnte, ihn zu befreien? Welche Straftat hat er begangen? Ist er gefährlich für Mithäftlinge oder Beamte? Besteht Fluchtgefahr?
- Stufe 4 offener Vollzug (Freigang und Wohnen außerhalb der Mauern)
- Stufe 3 normaler geschlossener Vollzug
- Stufe 2 geschlossener Vollzug mit erhöhten Sicherheitsvorkehrungen
- Stufe 1 Hochsicherheitsstation
https://correctiv.org/recherchen/justiz/artikel/2017/08/19/folge-4-wartezimmer-hinter-gittern/
Die aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung im anstaltseigenen Betrieb ausgeübte Beschäftigung löst lediglich Versicherungspflicht zur Arbeitslosenversicherung aus. Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung kommt nicht zum Zuge. https://www.haufe.de/personal/personal-office-premium/strafgefangener-sozialversicherung_idesk_PI10413_HI727335.html Mittwoch, 21. Februar 2018
Merkblatt über die Sozialversicherung und die Arbeitslosenversicherung der Gefangenen (Stand: 01.04.2014)
Renten-, Kranken-und Pflegeversicherung
Die Gefangenen unterliegen nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken-und Pflegeversicherung. Die Zeit während des Vollzuges einer Freiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung gilt für die Rentenversicherung nicht als Ersatz- oder Anrechnungszeit. Die Vollzugsbehörde entrichtet für die Gefangenen, auch wenn sie einer gesetzlichen Arbeitspflicht genügen, keine Beiträge zur Renten-, Kranken-und Pflegeversicherung. Für eine Aufrechterhaltung der Versicherungen sind die Gefangenen selbst verantwortlich; der Anstaltsleiter kann gestatten, dass hierfür auch das Überbrückungsgeld in Anspruch genommen wird. http://www.justiz.nrw.de/Bibliothek/jvv_db/jvv_pdf/Abt_IV/4524_20140410.pdf Mittwoch, 21. Februar 2018
Nach mehr als fünfjähriger Vorarbeit trat zum 1. Januar 1977 das „Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung – Strafvollzugsgesetz (StVollzG)“ in Kraft. Damit gab es in Deutschland zum ersten Mal überhaupt eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage für den Strafvollzug. Unter der Überschrift „Sozial- und Arbeitslosenversicherung“ war in den Paragrafen 190 bis 193 auch die Sozialversicherung der Gefangenen umfassend und detailliert geregelt. Die Sache hatte nur einen Schönheitsfehler: In § 198 Abs. 3 des gleichen Gesetzes war festgelegt, dass die Paragrafen 190 bis 193 erst durch ein noch zu erlassendes eigenes Bundesgesetz in Kraft gesetzt werden müssen. Doch dieses Gesetz hat es nie gegeben. Kostenbedenken der Bundesländer haben das bisher verhindert. So wartet die Klientel „Strafgefangene“ seit nunmehr 37 Jahren darauf, für ihre Arbeit in der Haft ähnlich sozial abgesichert zu werden wie Arbeitnehmer(innen) in Freiheit. Dies ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit. Langjährig Inhaftierte sind im Alter wegen der fehlenden Beitragsjahre häufig auf die Grundsicherung verwiesen, obwohl sie viele Jahre gearbeitet haben. Sie tragen ein hohes Armutsrisiko. Die fehlende Krankenversicherung kann für mitversicherte Angehörige zum Problem werden. Auch bleibt die Gesundheitsversorgung im Strafvollzug hinter dem Standard für die Allgemeinbevölkerung zurück. Fraglich ist, ob die eingesparten Beiträge nicht von der Gesellschaft an anderer Stelle teuer bezahlt werden müssen. https://www.caritas.de/neue-caritas/heftarchiv/jahrgang2014/artikel/arbeitnehmer-zweiter-klasse Mittwoch, 21. Februar 2018
Strafgefangene, die nicht Freigänger mit freiem Beschäftigungsverhältnis sind, sind nicht krankenversichert. Die Gefangenen selbst werden im Gefängnis zwar ärztlich versorgt, doch fällt für die Angehörigen die Familienversicherung während der Zeit der Inhaftierung weg. Die Familienangehörigen müssen sich dann selbst um ihre Krankenversicherung kümmern. Beiträge zur Rentenversicherung werden nicht gezahlt. Die Jahre der Inhaftierung fehlen (trotz geleisteter Arbeit) für den Rentenanspruch. https://www.knast.net/article/sozialversicherung_der_gefangenen Mittwoch, 21. Februar 2018
Aktionstage Gefängnis 2017: Sozialversicherung für Strafgefangene
In dieser Woche starteten die Aktionstage Gefängnis. 2017 ist das erste Jahr, in dem Wohlfahrtsverbände und andere Organisationen auch in Deutschland auf die Situation von Strafgefangenen aufmerksam machen. Vor allem die fehlende Sozialversicherung wird thematisiert. https://www.transparent-beraten.de/2017/11/10/22162/aktionstage-gefaengnis-2017-sozialversicherung-fuer-strafgefangene/ Mittwoch, 21. Februar 2018
Medikamententests und nicht einwilligungsfähige Personen? Ein ideales Menschenmaterial!
»Es handle sich, so versicherten die Gesetzesmacher, nur um eine kleine Anpassung ans EU-Recht. Das Kabinett hat sie bereits durchgewunken, im Juni soll sie vom Bundestag beschlossen werden, im August in Kraft treten. Und auch der Name für das Vorhaben des Gesundheitsministers klingt wenig elektrisierend: viertes Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften.«[1]
Die gegenwärtige Rechtslage ist wirklich hinderlich: »Erlaubt sind solche Studien bisher nur, wenn für die Patienten davon ein persönlicher Nutzen erwartbar ist. Auf Drängen des Forschungsministeriums soll diese Regelung nun jedoch auch auf „gruppennützige“ Studien ausgeweitet werden, von denen die Probanden selber gar nicht profitieren.«
Eine solche Verzweckung des Menschen hatten wir in Deutschland schon einmal. Erinnert sei nur an die Menschenversuche des Dr. Mengele.[2]
Wer vertritt in im Parlament die Belange von Menschen mit Behinderung? Der Behindertenbeauftragte! Aber »der frühere Behindertenbeauftragte der Regierung [CDU-Politiker Hubert Hüppe] will nachgewiesen haben, dass es „eine unabweisbare Notwendigkeit für Forschung an Nichteinwilligungsfähigen ohne direkten Nutzen für diese Patienten“ gibt.« [Achtung, Korrektur: Das Zitat war wohl richtig, wurde von mir aber missverstanden und aus dem Sinnzusammenhang gerissen. Eindeutig mein Fehler. Heute, 20. Juni 2016, rief mich Herr Hüppe an und stellte klar, dass er gegen die geplante Gesetzesänderung ist. Also: Erst wenn dieser Nachweis wirklich erbracht werde, sei über die Ausgestaltung entsprechender Patientenverfügungen zu reden. Es tut mir leid, Herrn Hüppe auf der Seite derer gesehen zu haben, die einwilligungsunfähige Personen, also Demente und teils auch Menschen mit Behinderung als Versuchskaninchen für Medikamenten-Tests zu missbrauchen.]
Das soll dann wohl auch richtig flutschen: Hermann Gröhe[3], Bundesminister für Gesundheit, »argumentiert pragmatisch. Hochwertige klinische Prüfungen seien nun mal „Voraussetzung für einen schnellen und sicheren Zugang zu neuen Arzneimitteln“. Das ist dann wohl alternativlos. »Dabei müssten Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Bürger mit einem reibungslosen Genehmigungsverfahren „Hand in Hand gehen“.« Unabhängige Ethikkommissionen »seien „maßgeblich zu berücksichtigen“.« Was immer das heißen mag.
»Dem Bundesrat ist die Umformulierung ebenfalls nicht geheuer. Sofern die jeweils zuständige Ethikkommission eine klinische Prüfung abgelehnt habe, dürfe „kein zustimmender Bewertungsbericht ergehen“, lautet der Klarstellungsvorschlag der Länderkammer. Die Bundesregierung lehnt das ab, begründet es mit verfassungsrechtlichen Bedenken.« Welche das wohl sein mögen?
Die Überschrift zum Zeitungsartikel gefiel mir. Sie lautete: »Kirchen laufen Sturm gegen Pläne für Medikamententests«. So gefällt mir meine Kirche[4]. Beim Googeln stößt man auf andere Publikationen, die sich auf den Artikel beziehen.[5]
Damit komme ich zum zweiten Teil dieses Beitrags.
Für den Protest gegen nazi-ähnliche Menschenrechtsverletzungen sollte es eine breite Basis geben bei allen Organisationen und Publikationen, die für Menschenrechte eintreten. Warum machen das nur – und hoffentlich erfolgreich – die Kirchen? Es gibt noch andere Weltanschauungsgemeinschaften, die sich dem humanitären Protest anschließen könnten und sollten. Zusammen könnte man mehr erreichen.[6]
Besonders vermisse ich in diesem Zusammenhang die Glaubensgemeinschaft der Atheisten. Sie berufen sich auf Menschenrechte und Menschenwürde. Das ist gut so. Doch ihre Aktivitäten erschöpfen sich meist in allgemeiner Religions- und spezieller Kirchenfeindlichkeit.[7]
Als ich zu unserem Thema beim Humanistischen Pressedienst recherchierte, stieß ich nur auf eine Rezension zu Tierversuchen.[8] Soll das wirklich alles sein?
Wir brauchen eine Ökumene für Menschenrechte – und die gegenseitige Toleranz in Weltanschauungsfragen. Da sind die Kirchen zum Glück – oder Gottseidank – schon weiter.[9]
[1] Zitate soweit nicht anders vermerkt aus: http://www.tagesspiegel.de/politik/demenzkranke-und-geistig-behinderte-betroffen-kirchen-laufen-sturm-gegen-plaene-fuer-medikamententests/13602502.html
[2] Übrigens: „Eine Entschädigung an die Opfer für den körperlichen und seelischen Schaden wurde nicht geleistet.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Menschenversuche_in_nationalsozialistischen_Konzentrationslagern
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Gr%C3%B6he
[4] Die Leser meines Blogs wissen, dass mir an der Kirche vieles nicht gefällt.
[5] https://www.google.de/search?hl=de&gl=de&tbm=nws&authuser=0&q=%22Pl%C3%A4ne+f%C3%BCr+Medikamententests%22&oq=%22Pl%C3%A4ne+f%C3%BCr+Medikamententests%22&gs_l=news-cc.1.0.43j43i53.3045.5397.0.7760.3.2.0.1.0.0.73.142.2.2.0…0.0…1ac.1.YXYnGghj-SM&gws_rd=ssl#q=%22Pl%C3%A4ne+f%C3%BCr+Medikamententests%22&hl=de&gl=de&authuser=0&tbm=nws&start=0
[6] Im allgemeinen Zusammenhang und für die kommunale Ebene plädierte ich kürzlich für ein öffentliches und öffentlich beworbenes interreligiöses Gespräch unter Einbeziehung der kommunalen Partner unter dem Motto: Was leisten die religiösen Gemeinschaften (und ihre Theologie) zum Wohl der Stadt? http://www.pfarrerverband.de/pfarrerblatt/archiv.php?a=show&id=4037
[7] So gab es kürzlich beim hpd einen Artikel, in dem „bewiesen“ wurde, dass die Theologie keine Wissenschaft sei. Als These wäre das ja diskutabel gewesen. Doch ich stieß dort auf eine atheistisch-fundamentalistische Glaubensgemeinschaft. http://hpd.de/artikel/warum-theologie-keine-wissenschaft-13057
[8] http://hpd.de/artikel/12532
[9] Bei uns gibt es zwar auch eng-schriftgläubige Fundamentalisten. Doch für Arzneimittelversuche an Dementen und Menschen mit anderen Behinderungen sind sie bestimmt nicht.
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