Dierk Schaefers Blog

Anhörung im Hessischen Landtag

Posted in heimkinder, News, Pädagogik by dierkschaefer on 19. Januar 2010

Heute wird mir der gesamte Text der öffentlichen Anhörung im Hessischen Landtag , (8. Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Familie und Gesundheit, vom 29. Oktober 2009, 10:00 bis 17:20 Uhr) zugeschickt. Es ist ein in vieler Hinsicht bemerkenswertes Dokument und verdient, komplett gelesen zu werden.

Protokoll-Hessische-Anhoerung

Von mir nur einige Impressionen

Diese Anhörung hatte im Gegensatz zu denen am Runden Tisch in Berlin das Merkmal der Öffentlichkeit. Da konnte nicht nur die Bundestagsabgeordnete Rupprecht aus der und über die Arbeit des Runden Tisches berichten und damit manches in positiver Weise klären, was der Runde Tisch mangels einer professionellen Öffentlichkeitsarbeit versäumt und dadurch das Mißtrauen der ehemaligen Heimkinder geweckt und genährt hat. Damit läuft er Gefahr, daß wohl fast jedwedes Ergebnis, das nicht die Maximalforderungen bedient, als Verschwörungsprodukt abgelehnt werden dürfte. Äußerst schade!

Auch frage ich mich, warum der Runde Tisch nicht so wie der Hessische Landtag die Eigenberichte von ehemaligen Heimkindern aus den Anhörungen publiziert hat, natürlich nur mit deren Einverständnis. Auf die Gefahr hin, Verschwörungstheorien zu bedienen: Hat der Runde Tisch Angst vor einer in die Öffentlichkeit hineinwirkenden Eigendynamik von Betroffenen-Berichten?

Zwei Punkte seien noch herausgegriffen.

1. Dr. Dr. Caspar Söling hatte für das St. Vincenz-Stift in Aulhausen bei Rüdesheim gesprochen. Er wurde vom Abgeordneten Marcus Bocklet gefragt: »Herr Söling, Ihrem Vortrag habe ich sehr aufmerksam zugehört. Ich bin über einen Passus gestolpert. Die Wiedergabe muss ich pflichtgemäß in eine Frageform packen: Wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass es in hohem Maße unsensibel ist, wenn man versucht, damalige Straftaten – auch unter damaligen Verhältnissen waren dies Straftaten – zu relativieren, indem man sagt, es habe Überforderungssituationen gegeben?

Ich darf ergänzen: Ich bin gelernter Sozialarbeiter und habe 15 Jahre in diesem Beruf gearbeitet. Ich war oft überfordert. Trotzdem hat dies nicht dazu geführt, dass ich Menschen gedemütigt habe, geschlagen habe oder anders kriminell behandelt habe. Deswegen frage ich Sie: Wären Sie bereit, in Zukunft die Sensibilität an den Tag zu legen und den entsprechenden Passus aus Ihrer Rede zu streichen, weil diese Aussage immer nur so ankommen kann, dass Sie etwas relativieren wollen.« Eine Antwort gab es nur bezüglich der Straftaten.

2. Herr Knorr, »Vorsitzender des Evangelischen Erziehungsverbands und nur ein bisschen als Leiter einer großen diakonischen Einrichtung im tiefsten Bayern« sagte am Ende seines Beitrags: »Bitte hören wir auf mit Schulddebatten und Schuldzuweisungen! Lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen, dass die Jugendhilfe in den Jahren 2010 bis 2013, also in der nächsten Legislaturperiode, mit den Mitteln ausgestattet wird, die es leidenschaftlichen christlichen Pädagogen in den Einrichtungen ermöglicht, Qualität abzuliefern.«

Das ist schon von besonderer Qualität, nicht von Schuld sprechen zu wollen, Entschädigungen als so schwierig hinzustellen, daß sie kaum möglich erscheinen, in gleichem Atemzug aber Finanzen für die zukünftige Arbeit einzufordern. Herrn Knorr scheint es an Schamgefühl zu mangeln.