Heinrich Heines Beitrag zur Luther-Decade
»Vom Bauernkrieg zur Bastille«
»Die Herren machen das selber, daß ihnen der arme Mann feind wird. Die Ursach des Aufruhrs wollen sie nicht wegtun, wie kann es in der Länge gut werden. So ich das sage werde ich aufrührisch sein, wohl hin.«
So sprach vor 300 Jahren Thomas Münzer, einer der heldenmütigsten und unglücklichsten Söhne des deutschen Vaterlandes, ein Prediger des Evangeliums, das, nach seiner Meinung nicht bloß die Seligkeit im Himmel verhieß, sondern auch die Gleichheit und Brüderschaft der Menschen auf Erden befehle. Der Doktor Martinus Luther war anderer Meinung, und verdammte solche aufrührerische Lehren, wodurch sein eigenes Werk, die Losreißung von Rom und die Begründung des neuen Bekenntnisses gefährdet wurde; und vielleicht mehr aus Weltklugheit, denn aus bösem Eifer, schrieb er das unrühmliche Buch gegen die unglücklichen Bauern. Pietisten und servile Duckmäuser haben in jüngster Zeit dieses Buch wieder ins Leben gerufen und die neuen Abdrücke ins Land herum verbreitet, einerseits um den hohen Protektoren zu zeigen, wie die reine lutherische Lehre den Absolutismus unterstütze, andererseits um durch Luthers Autorität den Freiheitsenthusiasmus in Deutschland niederzudrücken. Aber ein heiligeres Zeugnis, das aus dem Evangelium hervorblutet, widerspricht der knechtischen Ausdeutung und vernichtet die irrige Autorität; Christus, der für die Gleichheit und Brüderschaft der Menschen gestorben ist, hat sein Wort nicht als Werkzeug des Absolutismus offenbart, und Luther hatte unrecht und Thomas Münzer hatte recht. Er wurde enthauptet zu Mödlin [1525]. Seine Gefährten hatten ebenfalls recht, und sie wurden teils mit dem Schwerte hingerichtet, teils mit dem Stricke gehenkt, je nachdem sie adeliger oder bürgerlicher Abkunft waren. Markgraf Casimir von Ansbach hat, noch außer solchen Hinrichtungen, auch fünfundachtzig Bauern die Augen ausstechen lassen, die nachher im Lande herumbettelten und ebenfalls recht hatten. Wie es in Oberöstreich und Schwaben den armen Bauern erging, wie überhaupt in Deutschland viele hunderttausend Bauern, die nichts als Menschenrechte und christliche Milde verlangten, abgeschlachtet und gewürgt wurden von ihren geistlichen und weltlichen Herren, ist männiglich bekannt. Aber auch letztere hatten recht, denn sie waren noch in der Fülle ihrer Kraft, und die Bauern wurden manchmal irre an sich selber, durch die Autoritäten eines Luthers und anderer Geistlichen, die es mit den Weltlichen hielten, und durch unzeitige Kontroverse über zweideutige Bibelstellen, und weil sie manchmal Psalmen sangen statt zu fechten.
Im Jahr der Gnade 1789 begann in Frankreich derselbe Kampf um Gleichheit und Brüderschaft, aus denselben Gründen, gegen dieselben Gewalthaber, nur daß diese durch die Zeit ihre Kraft verloren und das Volk an Kraft gewonnen und nicht mehr aus dem Evangelium, sondern aus der Philosophie seine Rechtsansprüche geschöpft hatte.
Was einst, im Bauernkrieg, die Lehrer des Evangeliums versucht, das taten die Philosophen jetzt in Frankreich, und mit besserem Erfolg; sie demonstrierten dem Volke die Usurpationen des Adels und der Kirche; sie zeigten ihm, daß beide kraftlos geworden; — und das Volk jubelte auf, und als am 14. Julius 1789 das Wetter sehr günstig war, begann das Volk das Werk seiner Befreiung, und wer am 14. Julius 1790 den Platz besuchte, wo die alte, dumpfe, mürrisch unangenehme Bastille gestanden hatte, fand dort, statt dieser, ein luftig lustiges Gebäude, mit der lachenden Aufschrift: Ici on danse[1]. Heinrich Heine, Französische Zustände, 1832
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Heine schreibt „vielleicht mehr aus Weltklugheit, denn aus bösem Eifer, schrieb er das unrühmliche Buch gegen die unglücklichen Bauern.“ Das scheint mir treffend, sowohl für Luther als auch für den Zustand der Weltordnung, damals wie heute.
[1] Le 14 juillet 1790, l’entrepreneur privé Palloy organise une fête parallèle à la Fête de la Fédération : une tente est plantée au milieu des ruines avec un écriteau « ici on danse », il s’agit du premier bal du 14 juillet qui demeurera une tradition jusqu’à nos jours. Cette tente est représentée sur une peinture à la gouache sur carton, pièce du musée Carnavalet, de Henri-Joseph Van Blarenberghe, ancien peintre militaire, qui a également peint des images de la prise de la bastille1.
Dès le 16 juin 1792, il est décidé que l’emplacement de la Bastille formerait une place dite « de la Liberté » et qu’une colonne y serait élevée. Palloy, l’entrepreneur de travaux qui avait démoli la forteresse, fournit la première pierre, mais la construction en reste là. Une fontaine est néanmoins installée en 1793.
Du 9 au 14 juin 1794, la guillotine fut installée sur la place, dégagée des restes de la forteresse de la Bastille, appelée désormais place Antoine. Les citoyens réclamèrent son déplacement à la place du Trône-Renversé (actuelle place de la Nation).
Le nombre de personnes guillotinées sur la place de la Bastille est de 75.
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