Manche Theologen sind nicht so kleingläubig, wie manche Kleingläubige glauben
Worum geht’s? „Ehemaligen Heimkindern soll im Alter Pflegeheim erspart bleiben“. So die Zeitungsmeldung vom 9. Juli aus dem bayrischen Landtag[1]. Das hatte ich, im Urlaub weilend, nicht mitbekommen, doch ein freundlicher Mensch hat mir den Link kommentarlos zugeschickt.
Die Zeitung schreibt: »„Viele ehemalige Heimkinder kommen jetzt in ein Alter, in dem sie pflegebedürftig werden“, sagte der CSU-Sozialexperte Joachim Unterländer am Donnerstag nach einer Landtagsanhörung. Viele hätten aber aufgrund der Erfahrungen in ihrer Kindheit grundsätzliche Angst vor Heimen. „Kein ehemaliges Heimkind soll gegen seinen Willen in ein Heim eingewiesen werden können“, sagte die SPD-Abgeordnete Ruth Waldmann.«
Das klingt doch gut, oder?
„Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube;
Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.
Zu jenen Sphären wag ich nicht zu streben,
Woher die holde Nachricht tönt“[2]
Die Sphäre, aus der die holde Nachricht tönt, ist laut Focus der Sozialausschuss des bayrischen Landtags – nichts Überirdisches also. Doch vielleicht wird’s ja was.
Allerdings fällt mir dabei Brechts „Ballade von der Unzulänglichkeit menschlichen Planens“ ein, sollte man nachlesen[3], bevor man auf diesen schönen Zug abfährt.
Der Plan ist natürlich nur löblich zu nennen. Wie ich lernen musste, waren es nicht nur die von mir bevorzugten Volmarsteiner, die als betroffene ehemalige Heimkinder[4] sich Sorgen und konstruktive Gedanken gemacht haben. Heime sind für ehemalige Heimkinder verständlicherweise traumatisch belastet. Da hilft es auch nicht, dass man ihnen sagt, die Heime seien heute nicht mehr so schlimm. Sie[5] möchten mit der Unterstützung durch möglichst selbstgewählte AssistentInnen daheim bleiben können. Daheim ist die gewünschte Alterszukunft ohne Heim.
Bevor nun alle den Möbelwagen bestellen, um nach Bayern umzuziehen, sollten sie gut überlegen.
Ihnen „soll im Alter Pflegeheim erspart bleiben“, so die Überschrift der Meldung. Darin ist von Pflegeheimen die Rede, also nicht von Altersheimen. Ins Altenheim geht man freiwillig, so die Fiktion. Doch die trägt nicht, darum wurden viele Altenheimplätze zu Pflegeheimplätzen umgebaut, denn, salopp gesagt: Wer noch nicht am Rollator geht, will nicht in die Gesellschaft solcher Rollis.[6]
Doch das ist ein eher müßiger Gedanke, denn nur in der Überschrift, nicht aber im Text ist von Pflegeheimen die Rede. Überschriften werden meist von der Zeitung gesetzt. Die Zitate im Text sprechen von Pflegebedürftigkeit und es wird die Forderung erhoben, kein ehemaliges Heimkind solle gegen seinen Willen in ein Heim eingewiesen werden können. Was für ein Heim wurde anscheinend nicht gesagt. Auch nicht, wie es gehen soll, wenn es daheim wirklich gar nicht mehr geht.
Was die Heime und ihre Träger wohl davon halten werden, wenn ihnen eine bestimmte Klientel vorenthalten werden soll? Ihre Einrichtungen sind doch so gut und haben rein gar nichts mehr mit den zugestandenermaßen suboptimalen Verhältnissen früherer Heime zu tun. Den ehemaligen Heimkindern die schönen neuen Heime „ersparen“ zu wollen, ist doch nur Wasser auf die Mühlen derer, die partout nicht ins Heim wollen – das sind wohl die meisten.
Diese „meisten“ werden die Botschaft wohl auch vernehmen und ganz unsolidarisch die „Extrawurst“, wenn sie denn serviert werden sollte, auch für sich beanspruchen. Das beliebte Argument, da könne ja jeder kommen, wird seine Wirkung nicht verfehlen.
Ja, und dann die Länder. Diese Absichtserklärung kommt aus Bayern und hat noch keinerlei gesetzliche Würde wie das Erziehungsgeld oder die Mautabgabe. Doch warum sollte Bayern nicht auch hier vorangehen? Immerhin: »Eine entsprechende gemeinsame Resolution des Ausschusses gebe es schon seit 2013. „Jetzt geht es darum, wie wir das umsetzen. Das wird die nächste Aufgabe sein.“«
Packen Sie’s an, kann ich nur hoffend, aber nicht gläubig zurufen. Immerhin wurde die schon zwei Jahre alte Resolution ins Gedächtnis gerufen. Das ist doch was!
Übrigens: Wohin oder was, wenn nicht ins Pflegeheim? Ganz einfach, es gibt doch ambulante Pflegedienste für daheim. Damit wäre der schöne Luftballon wieder auf dem Boden der kostenneutralen Realität.
Denn für dieses Leben
Ist der Mensch nicht anspruchslos genug.
Drum ist all sein Streben
Nur ein Selbstbetrug. [7]
[1] http://www.focus.de/regional/muenchen/landtag-ehemaligen-heimkindern-soll-im-alter-pflegeheim-erspart-bleiben_id_4806499.html
[2] Johann Wolfgang von Goethe: Faust: Eine Tragödie – Kapitel 4, http://gutenberg.spiegel.de/buch/faust-eine-tragodie-3664/4
[3] http://www.lyrikline.org/de/gedichte/ballade-von-der-unzulaenglichkeit-menschlichen-planens#.VcLJfPkmxko
[4] und die immer noch nicht das erhalten, was in den Medien „Entschädigung“ genannt wird. Die Länder sind sich noch nicht einig. Länder? Die kommen noch. Zurück nach oben!
[5] Das sind also nicht nur die ehemaligen Heimkinder aus den Volmarsteiner Anstalten: https://dierkschaefer.wordpress.com/2010/03/21/im-herzen-der-finsternis/
[6] Eigene Erfahrung aus einer gehobenen „Seniorenanlage“: 80jährige schreckten zurück: „Soweit bin ich noch nicht, da will ich nicht hin!“
[7] Brecht, siehe Anmerkung 3
Die Antwort auf das Mail …
… sagt nichts zur Hauptsache. Interessant wäre doch, wie hoch die Sachleistungen im Durchschnitt nun ausgefallen sind und vielleicht dazu die Spreizung: Wie hoch war die niedrigste und wie hoch die höchste Sachleistung?
Auch die Frage nach den Rentenersatzleistungen blieb unbeantwortet.
Ich denke, Herr Kronschnabel wird damit nicht zufrieden sein. Und wie ich ihn kenne …
Hier das Antwortmail von Stefan Rösler:
Sehr geehrter Herr Kronschnabel,
gut, dass Sie nachfragen, so können wir das Missverständnis schnell ausräumen.
Ich nehme an, Sie beziehen sich auf die Pressemitteilung der bayerischen Familienministerin Emilia Müller vom 10.03.14 mit den Zahlen 1.300 Betroffene, 1.250 Anträge, 4,5 Mio. ausgezahlt.
1. Die Zahl „1.300“ (Stand 01.03.14) bezieht sich auf alle ehemaligen Heimkinder, die sich bei uns gemeldet haben. Für den Großteil sind wir zuständig, für einen kleinen Teil aber nicht. Einige Betroffene haben wir beispielsweise an die Anlaufstellen in den neuen Ländern weiter vermittelt. Die Zahl der Betroffenen in „bayerischer Zuständigkeit“ ist also etwas kleiner. Die Neuanmeldungen bleiben übrigens auf einen hohem Niveau bzw. sind in letzter Zeit sogar gestiegen.
2. Die Antragszahl „1250“ (Stand 31.12.13) bezieht sich „nur“ auf einen Teil der Betroffenen in unserer Zuständigkeit, dafür sind hier auch Folgeanträge (also mehrere Anträge einer Person) erfasst. Die Anlaufstelle wird – wie die meisten anderen Anlaufstellen auch – kontinuierlich alle Termine vergeben, Gespräche führen und Vereinbarungen schließen. Es kommen also täglich neue Vereinbarungen hinzu sowie natürlich auch Auszahlungen durch Köln (siehe 3.). Für Bayern werden pro Quartal rund 750.000 Euro ausgezahlt.
3. Mit Stand 31.12.14 wurden für Bayern die erwähnten 4,5 Mio. Euro ausgezahlt. Selbstverständlich ist die Summe der vereinbarten Leistungen zum selben Datum sehr viel höher. Wie Sie aber wissen, werden die Folgeschädenleistungen großteils „nach und nach“ ausgezahlt, nach Einreichung der entsprechenden Rechnungen. Das ist die Differenz, nach der Sie völlig zu Recht fragen. Dies alles in einer Pressemitteilung zu erklären, ist leider nicht möglich.
Im Ergebnis versichere ich Ihnen, dass wir ehemalige Heimkinder motivieren und dabei unterstützen, die Leistungen des Fonds in Anspruch zu nehmen.
Selbstverständlich gibt es in Bayern keinerlei Interesse oder gar Vorgabe, Betroffene bei der Antragstellung „zu behindern“, im Gegenteil! Von Schikane kann also keine Rede sein.
Darüber hinaus ist es unser Interesse, das unseres Beirats, das der Staatsregierung und des Parlaments, vor allem in diesem Jahr nochmals verstärkt auf den Fonds aufmerksam zu machen, damit sich möglichst viele ehemalige Heimkinder in Bayern bei uns melden. Die oben erwähnte Pressemitteilung ist dafür das beste Beispiel.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Rösler
Ein Mail, frei zur Veröffentlichung
Erich Kronschnabel hat sein Mail an das Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) freigegeben
Das Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) ist das zentrale Landesamt im Geschäftsbereich des Bayerischen Arbeits- und Sozialministeriums.[1]
Im Mail geht es um die Sachmittelleistungen an ehemalige Heimkinder, die in Bayern deutlich niedriger ausfallen, als in Niedersachsen.
[1] http://www.zbfs.bayern.de/
Hier das Mail in vollem Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Rösler,
in der Startphase der von Ihnen geleiteten Anlaufstelle für ehemalige Heimkinder hatten wir mehrere telefonische Kontakte.
Zwischenzeitlich sind die meisten Antragsverfahren wohl abgearbeitet.
Für Bayern gab die Familienministerin Müller Zahlen zur „Erfolgsstory“ der bisherigen Arbeit der Anlaufstelle bekannt. Pro „Fall“ wurden durchschnittlich € 3.650,00 (in Worten: Dreitausendsechshundertfünfzig Euro) ausbezahlt. Nicht erkennbar war, ob in dieser Summe auch die Rentenersatzleistungen enthalten sind.
Der/die einzelne Antragsteller(in) hat Anspruch auf Sachmittelleistungen in Höhe von € 10.000,00.
Warum wurden die AntragstellerInnen mit nur knapp einem Drittel der ihnen zustehenden Summe abgefertigt?
Kann ich davon ausgehen, dass die „SachbearbeiterInnen“ zwar an der Sache arbeiten, aber sachgerechte Beratung ausschließlich zu Gunsten der Fondseinzahler vornehmen? Wie sonst soll erklärt werden, dass die AntragstellerInnen mit einem lächerlichen Drittel der zustehenden Summe abgefertigt wurden?
Sie werden mir sicherlich nicht erklären wollen, dass die AntragstellerInnen eben nur so wenig Sachbedarf anmeldeten, dass pro Fall eben nur die lächerlichen 3.600,00 Euro heraus kamen?!
Ich begleitete bundesweit zig AntragstellerInnen bei der Abwicklung der Anträge. In allen Fällen schöpften wir die Höchstsumme von € 10.000,00 aus – auch gegen (leider auch vorgekommene) Verhinderungsversuche einiger AnlaufstellenmitarbeiterInnen. Diese „Antragsbehinderungsbeauftragte(n)“ wussten wir in die Schranken zu weisen, in einem Fall gelang es mir, die gesamte Anlaufstelle per Petition an den Niedersächsischen Landtag vom Jugendamt wegzuziehen. Ich erwähne das, weil ich fassungslos vor der von der Ministerin Müller genannten Fallsumme von € 3.600,00 sitze und mich frage, warum man in München offenbar gezielt gegen die AntragstellerInnen arbeitet.
Gibt es in Bayern Anweisungen (an Sie?), die die Auszahlung von Minimalstbeträgen fordern? Wenn ja: Von wem kommen solche Anweisungen?
Wenn nein: Warum wurden die AntragstellerInnen nicht anständig dahingehend beraten, wie man die Maximalsumme von € 10.000,00 Sachmittelleistung beantragt und Ihrerseits- Köln gegenüber- richtig begründet?
In allen von mir begleiteten Fällen gab es mit Köln keinerlei Umsetzungsprobleme, die beantragten Sachmittel wurden bezahlt! Darunter befinden sich auch mehrere gebrauchte KFZ im Wert von € 10.000,00.
Ich sage Ihnen, warum wir „Reibungslosigkeit“ erzielten. Die entstand, weil unwillige „SachbearbeiterInnen“ schlicht und einfach daran erinnert wurden, dass sie lediglich beratende und nicht entscheidende Funktionen haben. Nach einigen sehr holperigen Startversuchen lief es dann erstklassig, denn an Köln lag es nie. Es waren stets die Anlaufstellen, die sich in der klassischen Rolle des Jugendamtes mit der Pflicht zur Bevormundung sahen. Kann es sein, dass das auch bei Ihnen in München dazu führte, dass diese lächerliche „Abfertigung“ mit 3.600,00 € zustande kam? Motto: Sind ja nur blöde Ex-Heimkinder – und die wollen jetzt auch noch unsere Steuergelder!?
Ich freue mich auf Ihre Erklärungen zur Sache und auf die Antworten auf meine Fragen. Diese Anfrage leite ich auch der werten Familienministerin Müller zu, denn die Dame bekommt monatlich einen nicht unerheblichen Betrag aus Steuergeldern. Die Dame greift monatlich mehr wie das Doppelte der Summe ab, die man in Bayern – durch „Beratung“ der von Ihnen geleiteten Anlaufstelle – an die Opfer zahlen ließ. Taufen Sie das Ding um in Ablaufstelle, denn Sie ließen die armen Schweine eiskalt ablaufen, Herr Rösler. Ich verschätzte mich gewaltig, der von Ihnen gewonnene Eindruck ist meinerseits negativ zu korrigieren.
WARUM schikaniert man in Bayern die Opfer von damals heute schon wieder, Herr Rösler???
Mit freundlichen Grüssen
aus Deutschland
Erich Kronschnabel
„Betroffene sollten zeitnah einen Antrag auf Leistungen stellen“
„Beirat leistet wichtige Aufarbeitungsarbeit“[1]
„So können wir gemeinsam mit ehemaligen Heimkindern, Vertretern des Bayerischen Landtags, der Kirchen, der Wissenschaft und der Bayerischen Staatsregierung noch besser die Schicksale ehemaliger Heimkinder aufarbeiten”
»es wurden über 1.250 Anträge auf finanzielle Hilfen des Fonds gestellt. Rund 4,5 Millionen Euro wurden bislang an Betroffene ausgezahlt.«
Das macht im Schnitt 3.600 € pro Antrag.
Das wird spannend – oder auch nicht. Doch dann …
Bayern hat eine „Lex Gurlitt“ zur Aufhebung der Verjährung von Kunstraub eingebracht.[1]
1. Spannend wird das , weil es um die rückwirkende Geltung der Verjährungsaufhebung geht. Das hatten wir bisher – soweit ich weiß – nur bei Mord, um Naziverbrecher aburteilen zu können.
2. Die Nazi-Untaten-Parallele könnte eine Mehrheit bewirken, zumal das Ansehen Deutschlands und seine Bußfertigkeit auf dem Spiel stehen. Sollte das klappen, ist es nicht weiter spannend. Das kennen wir ja schon.
3. Spannend wird es wieder, wenn die ehemaligen Heimkinder auch eine Verjährungsaufhebung fordern werden. Schließlich sind Zwangsarbeit, Kindesmißhandlung und Kindesmißbrauch doch schwerer wiegend als Kunstraub.
4. Doch dann entspannt sich die Lage wieder nach altem Muster. Because all victims are equal, but some victims are more equal then the others.
So wird es kommen. Wetten, daß?
Hitlers Nachlaßverwalter
Der große Raub, über den die FAZ heute berichtet, ist ja nur ein Beispiel. http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/beutekunst-der-grosse-raub-12046262.html
- Der Freistaat Bayern wollte und will anscheinend immer noch die Beutekunst Hitlers behalten und stattet die Provenienzrecherche personell entsprechend dürftig aus. Daß das ©-Recht an Hitlers Mein Kampf so lange gehütet wurde, daß erst mit dem Ablauf der Rechte es zu einer kritischen Ausgabe kommt, ist nur die Kehrseite des verqueren bayrischen Umgangs mit der Nazi-Erbschaft.
- Adenauer beschäftigte Hans Globke. Er gilt »als Paradebeispiel für die personelle Kontinuität der Verwaltungseliten zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und der frühen Bundesrepublik Deutschland«. Es lohnt sich, nachzulesen bei: http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Globke .
- Gestern konnten wir die Rede von Inge Deutschkron nachlesen. Sie sagte: »Das deutsche Volk jener ersten Nachkriegsjahre wurde beschützt von seinem ersten Kanzler, der im Parlament in einer Regierungserklärung behauptet hatte, die Mehrheit der Deutschen wären Gegner der Verbrechen an den Juden gewesen. Viele von ihnen hätten sogar den Juden geholfen, ihren Mördern zu entkommen«. http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/rede-im-bundestag-zerrissenes-leben-12044887.html
- In einem der Bundesländer konnte jemand zum Ministerpräsidenten gewählt werden, der wegen seiner Nazi-Belastung nur per Wahl wieder in ein Amt gelangen konnte.
- Jahrelang nach dem Krieg wurden Psychiatrieopfer von Psychiatern der Tätergruppe begutachtet.
- 1952 schunkelte Deutschland zum Karnevalsschlager Wir kommen alle, alle, alle in den Himmel, weil wir so brav sind, weil wir so brav sind. Aber ja doch!
Leider ging es im Nazi-Nachfolgestaat weiter.
http://de.wikipedia.org/wiki/Einsatzgruppen-Prozess :
- Nürnberg: »Nach ihrer Haftentlassung konnten auch die nach dem Einsatzgruppen-Prozess in Landsberg Inhaftierten Heimkehrerentschädigungen erhalten und sich in die bundesdeutsche Gesellschaft integrieren«.
- »Die Verbrechen der Einsatzgruppen drangen erst mit dem Ulmer Einsatzgruppen-Prozess ins breitere öffentliche Bewußtsein«. »Die während des Ulmer Prozesses offensichtlich gewordenen Versäumnisse in Justiz und Politik bei der Ahndung von NS-Verbrechen in den 1950er Jahren führten dazu, dass die Justizminister der Länder im Oktober 1958 die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen gründeten«.
Die Zentralstelle spielt auch im Buch von Ferdinand von Schirach eine Rolle: Der Fall Collini. http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Fall_Collini . »Der Roman behandelt die Verjährung von Beihilfetaten zu Morden aus der Zeit des Nationalsozialismus, die durch das Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (EGOWiG) 1968 rückwirkend auf das Jahr 1960 eingeführt wurde. Durch das von Eduard Dreher initiierte Gesetz verjährten Morde durch Schreibtischtäter schon nach 15 Jahren, weil die Taten von der Rechtsprechung nur als Beihilfe eingeordnet wurden.« » Eduard Dreher war ein deutscher Jurist und hoher Ministerialbeamter in der frühen Bundesrepublik Deutschland. Zur Zeit des Nationalsozialismus war Dreher erster Staatsanwalt am Sondergericht Innsbruck und stieg in den 1960er Jahren zu einem der einflussreichsten westdeutschen Strafrechtler auf. Dreher ist durch seinen Kommentar zum Strafgesetzbuch bekannt geworden«. http://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_Dreher . Ein Altnazi half Altnazis. Die Abänderung des § 50 StPO durchlief, so nach von Schirach, den Bundestag, ohne daß es anscheinend jemand so recht bemerkt hatte – oder hatte bemerken wollen. Nun wurde es möglich, »daß bestimmte Mordgehilfen nur wie Totschläger und nicht wir Mörder zu bestrafen sind. Und das hieß, daß ihre Taten plötzlich verjährt waren. Die Täter kamen frei«. Dieses bedrückend-spannende Kapitel deutscher Nachkriegs-Nazi-Geschichte hat der Enkel des „Reichsjugendführers“ geschrieben http://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_von_Schirach und ist jedem zu empfehlen, der ermessen möchte, wie bleiern die Nachkriegszeit gewesen ist. Sie wirkt immer noch nach. Selten wird Geschichte so lebendig. Ich habe das Buch „auf einen Sitz“ durchgelesen.
Petition an den bayrischen Landtag
Ein Runder Tisch soll auch für die bayrischen Heimkinder eingerichtet werden.
Niedersachsen und Hessen (auch einige andere Länder) haben bereits einen Runden Tisch.
Bayern und Baden-Württemberg haben noch keinen.
Hier die Petition an den Bayrischen Landtag:
Richard Sucker
90471 Nürnberg
An den Bayrischen Landtag
Max-Planck-Str.1
81675 München
Familienministerium
Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales
Ministerium der Justiz
Ehemalige Heimkinder
Antrag eines „Runden Tisches“ in Bayern
Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren des Landtages v. Bayern
Hiermit fordere ich den Bayrischen Landtag auf, die Einrichtung eines „Runden Tisches“ für eine öffentliche Anhörung von ehemaligen Heimkindern voranzutreiben.
Es ist von großer Wichtigkeit das Unrechtsschicksal vieler Heimkinder in den 50er, 60er u. 70er Jahre endlich aufzuklären.
Das Land Bayern hat einen großen Anteil an den damaligen Erziehungsheimen und hat sich dieser Aufarbeitung zu stellen.
Die Aufsichtpflicht der zuständigen Behörden hat in dieser Zeit versagt.
Kinder und Jugendliche, die in den damaligen Einrichtungen leben mussten, leiden nach Jahrzehnten unter den Misshandlungen, denen sie in den Heimen ausgesetzt waren:
° unrechtmäßige Heimeinweisung
° körperliche Züchtigung, Schläge mit Fäusten und Gegenständen (Körperverletzung)
° medizinische nicht indizierte Medikamentenausgabe
° sexuelle Übergriffe
° menschenunwürdige Behandlung (z.B. erzwungenes Essen von Erbrochenen)
° Bestrafung bei unerlaubten Lachen, Gesprächen oder Kleinigkeiten im Alltag= es gab Einzelhaft
(sog. Besinnungszimmer, Klabausen, Bunker o.ä.)
° kontrollierte u. vorenthaltene Postsachen
° Vorenthaltung adäquater Berufsausbildung
° erzwungene Arbeit
° der Umgang mit Bettnässern, verstörte und traumatische Betroffene wurden entwürdigt und
zus. mit Schlägen bestraft.
° entwürdigende Untersuchungen bei den jungen Frauen auf dem gyn. Stuhl
Vielfache sexuelle Übergriffe haben von Erziehern an ihren Schutzbefohlenen stattgefunden.
Die verbalen Beschimpfungen klingen vielen Ehemaligen auch heute noch „in den Ohren“.
Systematisch wurden wir gedemütigt.
Es sind Menschenrechtsverletzungen an Kindern und Jugendlichen von unglaublichem Ausmaß geschehen.
Diese unwürdige Lebenssituation vieler Zwangseingewiesenen kann und darf nicht übergangen werden.
Von den Familien oft für immer getrennt, bei einer allein erziehenden hatten die Jugendämter
„ein leichtes Spiel“.
Schon der kleinste Anlass führte dazu, dass die Amtsrichter einen Beschluss fassten ohne den Jugendlichen je gesehen zu haben, geschweige denn, dass die Jugendlichen angehört wurden.
Die Einweisungs- Gerichtsbeschlüsse gingen routinemäßig vom Schreibtisch aus.
Aus ihrem sozialen Umfeld heraus gerissen, wurden die „Verurteilten“ in die Erziehungsheime
von den zuständigen Jugendfürsorgern, hinter verschlossenen Türen und hohen Mauern,
Zwangs eingewiesen.
Als asozial wurden diese Menschen „abgestempelt“ und so wurden sie in diesen Heimen
empfangen und als „Minderwertige“ behandelt.
Die Erzieher hatten „Handlungsfreiheit“ und sie haben gehandelt….!
Eine Bedrohung der Erzieher, Diakonissen, Nonnen und Ordensbrüder, stand immer im Raum.
Vergabe von Medikamenten wurde den Schutzbefohlenen eingeflösst,
als „Bonbons“ bei Kleinstkindern,
bei Jugendlichen heimlich in den morgendlichen Frühstückkaffee.
Bei den jungen Frauen setzte die monatliche Regel, oft für die nächsten Jahre aus.
(Körperverletzung ?).
Auf Anfragen bei den Ordensleuten zu Gesprächen die zu einer Aufarbeitung führen könnten,
wurden Termine oft abgelehnt. Einfache Fragen, nach dem „Warum“, wurden nicht beantwortet,
Die Schwestern vom Vincenzheim sagen heute: “wir hatten einen Erziehungsauftrag“.
Die Betroffenen werden auch heute noch abgewimmelt und diese Angelegenheit verharmlost
(als Einzelfälle deklariert)
Bei den meisten schriftlichen Anfragen von Heim-Akten wird auf die Verjährungsfrist hingewiesen, bei einigen Betroffenen sind die Akten auf einmal an einer anderen Stelle aufzufinden.
Ein würdeloses Verhalten den Menschen gegenüber, die versuchen ihre schreckliche Heimvergangenheit aufzuarbeiten.
Diese Würde wurde all denen genommen, die als Kinder und Jugendliche weggesperrt wurden.
Gewalt verändert die Autonomie und Individualität eines Menschen und dadurch wurde bei den jungen Menschen die Würde schwer verletzt.
Gleichgültig wer die Misshandler waren, Eltern oder Institutionen und welche Misshandlungen jeder Einzelne als Kind oder als Jugendlicher ertragen musste, der Schaden bleibt als Trauma ein Leben lang haften.
Ein generationsübergreifender Schaden an Leib und Seele ist bei den ehemaligen Heimkindern entstanden.
Ich möchte darauf hinweisen, dass es sich nur einige wenige öffentlich zu Wort melden.
Viel liegt noch im Verborgenen und viele Betroffene schweigen weiter
vor Scham ein Fürsorgezögling gewesen zu sein.
Die Angst im Berufsleben „entdeckt“ zu werden oder in der Familie sich über die Einweisung in eine Erziehungsanstalt äußern zu müssen, ist bei vielen auch heute noch präsent.
Wichtige Forderung der ehemaligen Heimkinder:
o Betroffene wollen ihr Recht und eine öffentliche Entschuldigung
von Staat und Kirche
o Entschädigung für unbezahlte Arbeit und entgangene Rentenansprüche
o Die Anerkennung der ehemaligen Heimkinder als Gewaltopfer
und die Klärung der sexuellen Übergriffe
o Klärung von Verabreichung von Medikamenten- Vergabe (Beruhigungsmittel)
an Kinder und Jugendliche,
o Die Sicherung der Heim-Akten und Zugänglichmachung in allen beteiligten Institutionen
o Aufhebung der Verjährungsfrist (seelische Grausamkeiten)
o Zwangsmissionierungen, (keine Selbstbestimmung der Religionen)
o Verschleierung der Misshandlungen,(von den Kirchen)
o Aufgabe der demütigen und diskriminierender Praxis der Versorgungsämter
im Umgang mit ehemaligen Heimkindern, die einen Antrag nach dem
Opferentschädigung- Gesetz gestellt haben.
Die Geschichten ehemaliger Heimkinder darf nicht weiter in Frage gestellt werden.
Ein Spiegel- Artikel 2003 und das Buch von Peter Wensierski „Schläge im Namen des Herrn“
hat nicht nur in der Bundesrepublik aufsehen erregt, seitdem melden sich Betroffene aus allen Erdteilen.
Presse, Funk und Fernsehen haben viel über unser Schicksal berichtet.
Vorschlag für die Teilnahme an einem „Runden Tisch“ in Bayern:
Familienministerium
Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales
Ministerium der Justiz
Caritas
Rummelsberger Anstalten
Diakonie Naila
Betroffenen- Liste anbei
u.a.
Hiermit möchte ich auf den Film
„DIE UNWERTIGEN“ von Renate Günter- Green hinweisen.
Vorpremiere: Sonntag, 15.Nov.09 12.00 Uhr Savoy, Graf Adolfstraße 47,Düsseldorf
In Anwesenheit des Filmteams, Zeitzeugen und der Redaktion des wdr
Nürnberg den Richard Sucker
Ende der Petition
Mich erreichte noch ein Buchtipp über Heimkinderschicksale:
„Stille Schreie“ von Regina Page. Bestellungen u.a. bei
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