Dierk Schaefers Blog

Zwei Pfingstbotschaften gehen aneinander vorbei …

Posted in Gesellschaft, heimkinder, Kirche, Kriminalität, Theologie by dierkschaefer on 25. Mai 2015

… just like two ships passing in the night[1].

Beide sind etwa gleich lang.

Die eine kommt „von oben“, die andere aus unberufenem Munde, wie man meinen könnte, von Uwe Werner, einem „Laien“, der weithin unbekannt sein dürfte.

Die andere wird von der Pressestelle der EKD[2] verbreitet. Sie informiert über die Pfingstpredigt des Ratsvorsitzenden der EKD, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Professor der Theologie[3].

So etwas steht Herrn Werner nicht zur Verfügung. Er wendet sich auch nicht an die Allgemeinheit, sondern an ausgesuchte Adressaten:

  • Sehr geehrte Damen und Herren
  • sehr geehrter Mitglieder im Lenkungsausschuß
  • sehr geehrter Ombudsmann Prof. Schruth
  • sehr geehrter Bischof Ackermann
  • sehr geehrter Präses der EKD, Herr Bedford-Strohm
  • Liebe ehemalige Heimkinder in Ost und West

Die Pressestelle hingegen nennt keine Adressaten. Sie referiert und die Botschaft klingt wie eine Verlautbarung von oben: »Auf die Bedeutung des Heiligen Geistes für Kirche und Gesellschaft hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, angesichts des bevorstehenden Pfingstfests hingewiesen. Die Trinitätslehre vom dreieinigen Gott als untrennbare Einheit von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist, sei kein „theologisches Glasperlenspiel“, sondern entscheidend für den christlichen Glauben, so Bedford Strohm in einer vorab veröffentlichten Pfingstpredigt. „Es ist der Heilige Geist, durch den Jesus sagen kann, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt.“«

Ein theologisches Glasperlenspiel ist die Trinität auch für Herrn Werner nicht und kommt zur Sache: »Nach theologischer Ansicht gilt der Heilige Geist als Medium für die Kommunika­tion zwischen Gott und den Menschen. Wurden die Apostel seinerzeit vom Heiligen Geist inspiriert, so wünsche ich Ihnen, und ganz besonders den Vertretern beider grossen Kirchen im Lenkungsausschuß, und allen, welche mit dem Fond Heimerziehung Ost u. West politische Verantwortung tragen, lassen Sie sich neu vom Heiligen Geist inspirieren.«

Sieht das auch der Ratsvorsitzende so? „Als Kirche brauchen wir einen Geist, der Scheuklap­pen wegfegt und eingefahrene Denkschemata durchmischt“.

Seine Sache ist aber eine andere: »„Der Heilige Geist macht uns neu, er bewegt uns und wirbelt uns manchmal ganz schön durcheinander“. Dies gelte auch für die verschiedenen Frömmigkeitsformen in der Kirche, die lange in Schubladen gesteckt worden seien: „Hier ist etwas in Bewegung geraten. Immer mehr Christen merken, dass sie etwas voneinander lernen können.“«

Immer mehr Christen merken, dass sie etwas voneinander lernen können – das könnte den Horizont weiten. »Lassen Sie sich neu vom Heiligen Geist inspirieren.« ist bei Herrn Werner zu lesen. »Lassen Sie zukünftig mehr den Geist der Seelsorge, als den der Finanzen sprechen, wenn Sie Beschlüsse fassen, welche bisher verhehrende Auswirkungen auf tausende ehema­lige Heimkinder in Ost und West nach sich gezogen haben.Die Apostel wurden mit der Fähig­keit ausgestattet, in verschiedenen Sprachen mit den Menschen zu kommunizieren. Dies führte dazu, dass sich tausende der Kirche zugewandt und nicht wie heute, viele sich von der Kirche abgewandt haben. Man verstand die Apostel, weil sie den Menschen aus der Seele gesprochen haben, mit schlichten, klaren und in einfachen Worten.«

Die Worte des Ratsvorsitzenden sind denkbar klar, doch sie haben ein anderes Ziel: »Aber auch in der Gesellschaft habe der Heilige Geist etwas in Bewegung gebracht: So würden Menschen nicht mehr hinnehmen, dass Flüchtlinge beim Versuch nach Europa zu gelangen sterben. „Wir brauchen den Heiligen Geist, damit Weisheit und Liebe in die Herzen der Verantwortlichen überall in Europa, in unser aller Herzen einziehen und wir gangbare Lösungen finden, um das Sterben zu beenden.“

Nun könnte man ein einfaches Fazit ziehen: Herr Werner spricht für seine Gruppe, die der ehemaligen Heimkinder, der Bischof spricht für Andere, für die Flüchtlinge, also honorig.

Doch so einfach ist es nicht. Herr Werner spricht von denen, die den Heiligen Geist als Ungeist wahrnehmen mussten. Die ehemaligen Heimkinder bekamen in den Einrichtungen der Kirchen ihre Schläge „im Namen des Herrn“[4]. Das ist doch Vergangenheit, die Flüchtlinge ertrinken jetzt. Das stimmt, aber nicht ganz.

Die Vergangenheit lebt fort. Sie wurde wiederbelebt durch den großen Betrug an den ehemaligen Heimkindern am Runden Tisch, orchestriert von den Interessenvertretern von Staat und Kirche. Sie ist Gegenwart in den Menschen, die kirchlich traumatisiert wurden, viele sind unterstützungsbedürftig, nicht zuletzt weil über ihre „Seelen“ auch ihre Erwerbs­biographie eher unselig ausfiel.

So gewinnt man den Eindruck, dass der heilige Pfingstgeist nicht weht, wo er will, sondern da, wo die beiden Kirchen mit ihren Bischöfen und Vorsitzenden ihn wehen lassen wollen.

Pfingsten 2015 – zwei Schiffe begegnen sich bei Nacht. Zur Kollision kommt es nicht. Sie fahren jedes dem eigenen Tag entgegen.

O komm, du Geist der Wahrheit,

und kehre bei uns ein,

verbreite Licht und Klarheit,

verbanne Trug und Schein.

Gieß aus dein heilig Feuer,

rühr Herz und Lippen an,

daß jeglicher Getreuer

den Herrn bekennen kann.[5]

 

Den Text der Pressemitteilung finden Sie unter http://www.ekd.de/presse/pm80_2015_pfingstbotschaft_des_ekd_ratsvorsitzenden.html

den Text von Herrn Werner hier: Pfingstbotschaft uwe werner

[1] Henry Wadsworth Longfellow, Tales of a Wayside Inn, part 3, section 4: „Ships that pass in the night, / and speak each other in passing, / Only a signal shown and a distant voice in the darkness; / So on the ocean of life we pass and speak one another, / Only a look and a voice, then darkness again and a silence”. http://en.wiktionary.org/wiki/ships_that_pass_in_the_night

[2] Evangelische Kirche in Deutschland

[3] »Pfingstbotschaft des EKD-Ratsvorsitzenden – Der Heilige Geist bringt Bewegung« http://www.ekd.de/presse/pm80_2015_pfingstbotschaft_des_ekd_ratsvorsitzenden.html

[4] Die Erziehungseinrichtungen des Staates waren nicht besser. Dort gab es die Schläge im Namen des Rechtsstaats, ansonsten war man – wie die Kirchen – auf die Finanzen bedacht. Dem Staat waren die Kinder egal und die Kirchen wollten sie „zu Jesus Christus“ führen. Ich weiß nicht, was im Endeffekt schlimmer war.

[5] Evangelisches Gesangbuch, Nr. 136. Ein als „ökumenisch“ gekennzeichnetes Lied.