Dierk Schaefers Blog

Warum überlassen unsere Kirchen den Kinderschutz ausgerechnet den Gegnern von Religion?

»Zum fünften Jahrestag des „Kölner Urteils“ legen Dr. iur. Ralf Eschelbach (Richter am Bundesgerichtshof), Prof. Dr. med. Matthias Franz (Universitätsklinikum Düsseldorf) und Prof. Dr. iur. Jörg Scheinfeld (Universitäten Mainz und Wiesbaden) [auf Anfrage der Giordano-Bruno-Stiftung] ein gemeinsames Papier vor, in dem sie die zentralen Argumente der Beschneidungsdebatte zusammenfassen und die Parlamentarier nachdrücklich zum Handeln aufrufen. Ihr Text zeigt auf, dass die Politiker bei der Verabschiedung des Beschneidungsgesetzes von fehlerhaften Informationen ausgingen und dazu verleitet wurden, eine Einsicht zu ignorieren, die in einem modernen Rechtsstaat selbstverständlich sein sollte, nämlich dass der Intimbereich von Jungen ebenso unverfügbar sein muss wie der Intimbereich von Mädchen.«[1]

Die vorgelegte Expertise führt nicht nur die schon bekannten Einwände gegen die Beschneidung von Jungen auf, sondern resümiert auch neuere Erkenntnisse, die belegen, auf welch unsicherer Grundlage die Entscheidung unserer Volksvertreter vor fünf Jahren gefallen ist. Doch neben der sattsam bekannten Wirtschaftslobby übt auch eine nicht weniger unselige Religionslobby Einfluss auf die Abgeordneten aus, der auch in einer repräsentativen Demokratie aus rechtstaatlichen Gründen korrigiert werden muss. Die Kinder und ihr Schutz gehören ins Grundgesetz. Religionsvorbehalte müssen nachrangig bleiben.

Übrigens: Die meisten Leser dieses Blogs haben ihre persönliche Antwort auf meine Frage in der Überschrift. Kinderschutz spielte schon in den damaligen kirchlichen Einrichtungen keine Rolle. Demütigungen und Misshandlungen waren an der Tagesordnung. Die Phalanx von Staat und Kirchen sorgte unter der regulierenden Hand von Antje Vollmer am Runden Tisch dafür, dass es keine einklagbaren Entschädigungen für erlittene Kindesmisshandlungen geben sollte. Am Runden Tisch haben die Kirchen die Chance versäumt, Glaubhaftigkeit zurückzugewinnen.

Wen wundert es also, dass sie beim Thema Beschneidung nicht auf Seiten der Kinder stehen?

[1] https://www.giordano-bruno-stiftung.de/meldung/eschelbach-franz-scheinfeld-beschneidung

Eine kinderförderliche Politik? – Nicht mit diesen Politikern!

Posted in Gesellschaft, Kinderrechte, Menschenrechte, Politik, Psychologie, Recht, Uncategorized by dierkschaefer on 2. August 2016

Gutmenschen haben schöne und gute Wunschvorstellungen. Ich auch. Doch Politik funktioniert anders.

 

Hallo, Herr Bösen[1],

mit Ihren Ideen tragen Sie bei mir Eulen nach Athen.

Kinder haben keine Lobby, jedenfalls keine effektive. Politik wird weitgehend ohne Rücksicht auf Kinderbelange gemacht. Die Kinderkommission halte ich für eine Feigenblattveranstaltung. Sie fordert zwar Kinderrechte ins Grundgesetz (vom Kinderwahlrecht gar nicht zu sprechen), doch diese Vertreterinnen ihrer Parteien können ihre eigenen Parteien nicht überzeugen.

Kommt doch einmal ein kinderförderliches Gesetz durch den Bundestag[2], wird es von den Ländern, die dafür zahlen sollen, abgeblockt oder so verwässert, dass es kaum noch etwas bringt. So die Blockade der Länder bei der Forderung, dass ein „Anwalt des Kindes“, heute heißt er „Verfahrenspfleger“, für seine Aufgabe qualifiziert sein muß.[3] Nachdem wir dennoch faktisch und gegen Widerstände den nicht gewünschten Berufstand[4] etablieren konnten, wurde er durch Gebührenpauschalen so eingeengt, dass eine professionelle Arbeit nur noch für Idealisten mit einem Hauptverdiener im Hintergrund möglich ist. Ich könnte noch andere Beispiele anführen. Als Resümee meiner Tätigkeit verfasste ich gegen Ende meiner Berufstätigkeit ein Plädoyer „Für eine neue Politik in Kinder- und Jugendlichen-Angelegenheiten“, vertrieb es über meinen Verteiler und veröffentlichte es ein paar Jahre später in meinem Blog.[5]

Doch allein mit guten Argumenten macht man keine Politik, auch nicht mit Ihren Wunschvorstellungen.

Ich hatte jahrelang qualifizierte Referenten in meiner „Tagungsreihe Kinderkram“ und dafür ein Fachpublikum. Wir waren uns immer ziemlich einig, was im Detail geschehen müsste. Doch Jahr für Jahr gab es allenfalls minimale Fortschritte. „Man tagt und tagt – und es wird doch nicht hell“.

Schauen Sie sich einmal die Liste der Lobbyisten an Diese Lobbyisten haben Zugang zum Bundestag und zählen sie durch,

  • wie viele sich (hoffentlich) für Kinderbelange einsetzen,
  • wie viele finanzkräftig sind,
  • wie viele mit Arbeitsplätzen argumentieren oder auf ein Wählerpotential verweisen können.

Wir kriegen ja trotz der frischen Erfahrungen nicht einmal eine Verschärfung des Waffenrechts gebacken.

Auch Sie werden zu der Feststellung kommen: Kinder haben keine Lobby, jedenfalls keine effektive.

Sie haben nicht auf meine Frage geantwortet, wie unsere Gesellschaft, wie unsere Behörden der Realität von 42.100 Inobhutnahmen von Kindern[6] möglichst kindgemäß begegnen sollen und KÖNNEN.

Nichts für ungut.

Dierk Schäfer

Fußnoten

[1] https://dierkschaefer.wordpress.com/2016/07/27/ecrasez-linfame-hasskommentare-meinem-blog/#comment-7539

[2] Im Falle der Beschneidung von Kindern gab es ein Gesetz, das auf die körperliche Unversehrtheit der Kinder keine Rücksicht nahm. Religion war wichtiger als Menschenrechte für Kinder.

[3] Auch Familienrichter sind es nicht, denn sie haben fast immer nur eine juristische Qualifikation, aber keine für Psychologie und Sozialpädagogik. Manche müssen sich sogar ins Familienrecht erst einarbeiten, weil sie im Studium einen Bogen drum gemacht haben. Andere verweigern Fortbildung und begründen das mit der Wahrung ihrer Unabhängigkeit.

[4] Politiker hatten die Wunschvorstellung, das könnte doch ehrenamtlich geleistet werden, von „Tante Emma“, wie ich es nannte.

[5] https://dierkschaefer.files.wordpress.com/2011/11/fc3bcr-eine-neue-politik.pdf ].

[6] https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2014/07/PD14_262_225.html

Ein Nachtrag: Auch manche „Kinderlobby“ hat Eigeninteressen. die nicht unbedingt den Kindern dienlich sind:  https://dierkschaefer.wordpress.com/2015/06/24/die-zahnlosigkeit-der-gesetze-zum-recht-von-schutzbefohlen/

Beschneidung ohne Betäubung, damit der Schmerz die jungen Kerle lehre, die Finger da wegzulassen.

Posted in Beschneidung, Kinderrechte by dierkschaefer on 14. Juli 2015

Das empfahl der Miterfinder von Cornflakes und Erdnussbutter, John Harvey Kellogg (1852-1943).

Daran wird Frau Merkel wohl nicht gedacht haben, als sie uns nicht zur Komikernation werden lassen wollte. Aber sie hat Kinderrechte über Elternrechte gestellt. „Jede Operation, die nicht medizinisch notwendig ist, bedeutet einen Verstoß gegen das grundgesetzlich garantierte Recht auf körperliche Unversehrtheit.“[1]

Vielleicht lernen unsere Gesetzgeber das auch noch und stellen die Kinderrechte ins Grundgesetz.[2]

[1] https://www.derwesten.de/region/beschneidung-bringt-aerzte-in-konflikte-id10875242.html

[2] weitere Links:

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/offener-brief-zur-beschneidung-religionsfreiheit-kann-kein-freibrief-fuer-gewalt-sein-11827590.html

http://helmutjacob.over-blog.de/article-dierk-schafer-gegen-die-beschneidung-von-kindern-109507127.html

https://dierkschaefer.wordpress.com/2014/12/02/lieber-herr-schafer-hatten-sie-diesen-satz-mitbekommen/

Wenn die Beschneidung schiefgeht …

Posted in Kinderrechte, Religion, Weltanschauung by dierkschaefer on 13. März 2015

… dann gibt’s nun ein neues Zipferl.

In Südafrika wußte man wohl schon immer, was den Menschen ausmacht: »Die weltweit erste erfolgreiche kurative Herztransplantation am Menschen vollführte am 3. Dezember 1967 Christiaan Barnard im Groote Schuur Hospital in Kapstadt.«[1]

Und nun eine Penistransplantation in Südafrika: »Die Forscher erklärten ihren experimentellen Heilversuch auch mit einem erhöhten Bedarf in Südafrika. „Viele Männer verlieren ihren Penis als Folge traditioneller Beschneidungen“, sagte van der Merwe. Jährlich werden Tausende junge Männer bei traditionellen Riten beschnitten, hauptsächlich vom südafrikanischen Xhosa Stamm, bei etwa 250 pro Jahr kommt es laut Schätzungen zu so starken Komplikationen, dass der Penis amputiert werden muss.«[2]

Neben dem tollen Erfolg muß man einen Blick auf die Ursache werfen: Beschneidungen nach traditionellen Riten.

Unsere Kanzlerin wollte nicht den Clown geben und der Bundestag hat die rituelle Beschneidung auch ohne Mediziner und ohne Narkose zugelassen. Und noch einmal ohne, ohne eine Expertise einzuholen über die Folgen von Beschneidungen, sei es medizinischer Art, wie im südafrikanischen Fall, sei es psychologischer Art. Dies alles, obwohl für beide Komplikationen Berichte vorliegen. Man erließ – aus schlechtem Gewissen? – ein Gesetz, das speziell auf den jüdischen Beschneidungsritus zugeschnitten ist – und ließ die Kindeswohl-Fragen außen vor. Das war die Beschneidung des Kindeswohls. Nicht die einzige in Deutschland. Dabei sind Kinderrechte wichtiger, als die Rechte ihrer religiösen Eltern.

[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Herztransplantation

[2] http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/penis-transplantation-aerzte-melden-erfolg-in-suedafrika-a-1023500.html

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Lieber Herr Schäfer, hatten Sie diesen Satz mitbekommen?

Posted in Gesellschaft, Kinderrechte, Menschenrechte, Religion, Weltanschauung by dierkschaefer on 2. Dezember 2014

»Gary Lukas Albrecht, Katholischer Pfarrer und Sektenbeauftragter: „Wenn der Glaube dazu führt, dass Kinder misshandelt werden, dann ist die Religionsfreiheit aufgehoben.“«[1]

nein, lieber herr hempel. ich bin nicht-fernseher. aber das zitat ist gut.

Das Zitat ist wirklich gut, nicht nur für körperliche und seelische Misshandlungen im klassischen Sinne. Wir müssen auch umdenken für sonstige Verstöße gegen die wohlverstandenen Interessen eines Kindes.

Doch dabei ist es schwierig, die Grenzen zu ziehen. Was unterscheidet den oft ungeliebten Klavierunterricht vom Trimmen eines Kindes zu Höchstleistungen, auch Höchstleistungen sportlicher Art? Und die Schule?

Das Elternrecht auf religiöse Erziehung ihrer Kinder halte ich für ein selbstverständliches Grundrecht, doch auch hier müssen die Grenzen gezogen werden, wie es in der Sendung über „Sekten“ offenbar deutlich wurde.

  • Wer in seiner Erziehung die prinzipielle Offenheit für andere, die Menschenrechte achtende Lebensentwürfe ausklammert oder sie gar verteufelt, betreibt seelischen Missbrauch.
  • Wer seine Kinder körperlichen Eingriffen unterwirft, die nicht medizinisch nötig sind, betreibt Körperverletzung. Das beginnt mit dem harmlos erscheinenden Ohrloch­stechen, dem Piercing und Tattooing und geht bis zum religiös untermauerten Ritual von Beschneidungen jedweder Art.

Doch ich höre schon wieder den Vorwurf des Antisemitismus und sehe die „Alternativlosig­keit“ zur parlamentarischen Debatte auf dem Hintergrund der mörderischen Geschichte Deutschlands.

Doch das Zitat ist gut und richtig: „Wenn der Glaube dazu führt, dass Kinder misshandelt werden, dann ist die Religionsfreiheit aufgehoben.“

[1] http://www.welt.de/vermischtes/article134245446/In-Sekten-wird-jedes-Mitglied-zum-Spitzel.html Dienstag, 2. Dezember 2014

Kauft nicht bei #Juden! ???

Posted in Kinderrechte, Kriminalität, Menschenrechte, Politik, Religion, Weltanschauung by dierkschaefer on 28. September 2014

»Der oberste Geistliche der [israelischen! ds] Armee ordnete an, dass die Soldaten von diesem Donnerstag an ein Jahr lang keine Erzeugnisse jüdischer Bauern aus Israel mehr verzehren sollen. Stattdessen sollen die Streitkräfte sich bei arabischen Bauern versorgen.«[1]

 

Wieso denn der und wieso denn das?

Kennen Sie Schmitta?

Nein, das ist nicht die Frau von Herrn Schmidt. Schmitta[2] ist das Sabbatjahr[3]. Hat nur entfernt etwas mit dem hippen Sabbatical[4] zu tun.

 

Und was ist das Besondere am Sabbatjahr?

Am siebten Tag der Woche soll der Mensch nicht arbeiten[5]. Passend dazu heißt es „Sechs Jahre kannst du in deinem Land säen und die Ernte einbringen, im siebten sollst du es brach liegen lassen und nicht bestellen“[6].

Göttliche Gebote wirken zuweilen besser als menschliche Verbote. Dieses Gebot gab es, bevor der Eisenpflug und erst recht der Kunstdünger erfunden wurde. Sucht man den Sinn hinter dem Gebot, kann man sagen: Das Land soll geschont werden, damit es sich regenerieren kann, eine Regel, die uns an die Dreifelderwirtschaft[7] erinnert.

Heute ist das nicht mehr nötig und vor allem nicht wirtschaftlich. Also gibt es Streit: »Der Bauernverband schimpfte über eine „Kriegserklärung“ der Armee. Das Landwirtschaftsministerium warnte vor dem wirtschaftlichen Schaden und den hohen zusätzlichen Kosten.«1

Der oberste Geistliche der israelischen Armee muß ultraorthodox sein, denn es gibt längst Lösungen, um das problematische Gebot zu umgehen. Das gilt auch für andere jüdische Ge- und Verbote. Das sind Musterbeispiele dafür, daß und wie man eine unbequeme Religion bequemer gestalten kann[8].

 

Was gehen uns jüdische Gebote an an?

Wenn es wirtschaftliche Gründe gibt oder aber andere Unpäßlichkeiten, wird im Judentum oft die Religion angepaßt. Beim Beschneidungsgebot aber sieht man sich rücksichtslos dem göttlichen Gebot verpflichtet. Hier wird nicht getrickst, und wem’s nicht paßt, der ist Antisemit.

Darum hat der Bundestag mit juristischen Winkelzügen eine lex judäa verabschiedet. Danach darf beschnitten werden, auch ohne Vollnarkose und auch durch den einfachen Beschneidungshandwerker, solange der nur genügend religiös qualifiziert ist. Man hat einen Kompromiß gemacht zwischen dem Kindeswohl und dem elterlichen Recht auf religiöse Erziehung ihrer Kinder.

Bei Menschenrechten darf es aber keine Kompromisse geben, auch keine Rücksichtnahme auf religiöse Befindlichkeiten jedweder Art. Beschneidung ist kein Elternrecht, sondern Körperverletzung und Kindesmißhandlung. Medizinisch nicht nötige Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit sollten verboten und bestraft werden.

[1] http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/israel-ruhejahr-sorgt-fuer-streit-ums-obst-13171783.html

[2] Schmitta = Schemitta, kommt von schamat = entlassen, den Acker aus Verpflichtung, daraus später der Begriff Erlaßjahr, Jüdisches Lexikon, Bd. IV/2, Berlin 19271 = Nachdruck 1982, S. 182

[3] Das derzeitige Schmitta-Jahr ist das Jahr 5775 nach dem jüdischen Kalender, es begann nach unserem Kalender am 24. September 2014, abends.

[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Sabbatical

[5] Das dritte Gebot: Du sollst den Feiertag heiligen.

[6] Exodus, 2. Buch Mose 23,10-12

[7] Dreifelderwirtschaft, http://de.wikipedia.org/wiki/Dreifelderwirtschaft

[8] „und eine kommode Religion“ Georg Büchner in „Leonce und Lena“ http://de.wikipedia.org/wiki/Leonce_und_Lena

 

Die furchtbaren Juristen, es gibt sie noch

Posted in Justiz, Kinderrechte, Menschenrechte, Pädagogik, Religion by dierkschaefer on 13. September 2014

Die furchtbaren Juristen, es gibt sie noch

 

Alle Zitate und Fußnoten aus http://wcms.uzi.uni-halle.de/download.php?down=33910&elem=2767812 Sonnabend, 13. September 2014

 

Die Klassifizierung der „milden Sunna“[1] als Kindeswohlgefährdung gerade zu absurd. …

Eine Strafbarkeit der „milden Sunna“ als „Verstümmelung weiblicher Genitalien“ i.S.v. § 226a StGB mit dem dort vorgesehenen Strafrahmen ist absolut unverhältnismäßig.

 

Indem die Vorhautbeschneidung nach dem Willen des Gesetzgebers unter § 226a StGB subsumiert werden soll, liegt ein nicht rechtfertigungsfähiger Eingriff in die Berufsfreiheit bzw. die allgemeine Handlungsfreiheit des Beschneiders vor und begründet zugleich eine nicht rechtfertigungsfähige Ungleichbehandlung nach dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG wegen der unterschiedlichen Behandlung der Beschneider der männlichen Vorhaut und der Beschneider der weiblichen Vorhaut.

 

Die strafrechtliche Ahndung von Infibulation und Exzision ist hingegen zu begrüßen.

Gegen die Kennzeichnung der Infibulation als Verstümmlung weiblicher Genitalien und einer Ahndung als Verbrechen mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Dieser Strafrahmen erscheint nach hier vertretener Ansicht verhältnismäßig. Für die Exzision der Klitoris[2] erscheint der Strafrahmen hingegen zu hoch. Diesbezüglich wird ein Strafrahmen zwischen einem halben bzw. einem Jahr bis zu zehn Jahren für verhältnismäßig erachtet.

[1] Für die religiös motivierte Beschneidung der äußeren weiblichen Genitalien durch Muslime gibt es denn auch einen speziellen Begriff, die sog. „milde Sunna“. Bei dieser Form des Eingriffs wird die Vorhaut der Klitoris eingestochen, eingeritzt/eingeschnitten oder die Klitorisvorhaut wird entfernt.247 Es handelt sich hierbei um eine seltene Form der weiblichen Beschneidung.

[2] Exzision bedeutet die teilweise oder vollständige Entfernung der Klitoris(eichel) zusammen mit den inneren Schamlippen mit oder ohne Beschneidung der äußeren Schamlippen.

Es könnte ja sein, daß ein Baby aus eigenem Wunsch beschnitten werden will

Posted in Kinderrechte, Menschenrechte, Religion, Theologie, Weltanschauung by dierkschaefer on 30. August 2014

»Rabulistik dient dazu, in einer Diskussion unabhängig von der Richtigkeit der eigenen Position recht zu behalten. Erreicht wird dies durch Sophismen, verdeckte Fehlschlüsse und andere rhetorische Tricks wie das Einbringen diskussionsferner Aspekte, semantische Verschiebungen, etc. … Dabei werden rhetorische und argumentative Techniken angewendet, um Recht zu bekommen – unabhängig von oder sogar entgegen der Sachlage, z.B. mittels „Wortverdreherei“ und „Haarspalterei“, oder durch das Anhäufen immer neuer Argumente«

 

So bei Wiki[1]. Wer ein Beispiel will, der lese Reinald Eichholz, Die Beschneidung von Jungen – ein Thema mit mehr als zwei Seiten[2].

 

Die Vorgehensweise ist perfide. Die eine der im Titel genannten Seiten stellt er juristisch und nach heutigen Denken sachlich richtig dar:

 

»Das Kind ist niemandes Objekt, sondern Subjekt.

Wenn den Eltern das Recht zugestanden wird, in eine medizinisch nicht erforderliche

Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, erscheint das grundrechtlich garantierte Elternrecht wie eine Ermächtigung, in das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit einzugreifen – das Kind als Objekt der elterlichen Entscheidung.«

 

Doch nun kommt’s: Das Rechtssubjekt Kind hat Anrecht auf alle Grundrechte, also auch das Recht auf Glaubensfreiheit:

 

»Wenn vom Recht auf Glaubensfreiheit die Rede ist, geht es deshalb keineswegs nur um Erwachsenenrechte, sondern eben auch um Rechte des Kindes. Zu positiver Religionsfreiheit, also dem Recht, sich religiös zu betätigen – Art. 4 GG –, aber auch zum Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Sinne kultureller Identität – Art. 2 GG – können Rituale und Bräuche gehören. Kinder brauchen Rituale. Nicht zuletzt deshalb sind sie Teil jeder religiösen Kindererziehung.«

 

Eichholz sieht das Dilemma. Es gehe nun nicht an, argumentiert er, daß die Eltern nun doch wieder das Kind zum Objekt ihrer Entscheidung machen. Da müssen sie schon einen gedanklichen Spagat hinlegen, der an Persönlichkeitsspaltung grenzt.

 

Da die Verfassung davon ausgeht, »dass niemand dem Kind so nahe steht wie die eigenen Eltern[3], ihm deshalb durch sie in der Regel alles zuteil wird, was es für sein Wohl benötigt, und deshalb das Kindeswohl in aller Regel bei ihnen auch am besten aufgehoben ist. Die Verfassung erkennt daher an, dass sich die Eltern auch in religiöser oder kultureller Hinsicht von ihren Vorstellungen und Überzeugungen leiten lassen dürfen, wenngleich sie im Hinblick auf die Subjektstellung des Kindes verpflichtet sind, dabei die Perspektive des Kindes einzuhalten.«

 

Die Eltern müssen die Perspektive des Kindes übernehmen und entscheiden, was das Kind wollen würde, wenn es jetzt mündig wäre und eine in die Zukunft weisende Entscheidung zu treffen hätte. Wäre das Recht auf seine positive Religionsfreiheit verletzt, wenn es zum jetzigen Zeitpunkt als Baby in Befolgung der Riten „seiner“ Religion nicht beschnitten würde? Würde es, wenn es denn könnte, seine Schmerzen beim Eingriff geringer werten als den Status als vollwertiges Mitglied der Religionsgemeinschaft seiner Stellvertreter? Auch wenn zu diesem Zeitpunkt in wohl den meisten Religionsgemeinschaften seine religiösen Rechte eingeschränkt sind, was auch für die Mitgliedschaft in den christlichen Kirchen trotz Taufe gilt.

 

Das gegen die Meinung namhafter Fachleute im Bundestag beschleunigt durchgesetzte Gesetz ist, ohne es ausdrücklich zu benennen, auf das Judentum zugeschnitten. Im Alten Testament ist die Beschneidung als Gebot für die Eltern formuliert. Seinen Sohn beschneiden zu lassen, definiert die religiöse Stellung der Eltern, nicht die des Kindes. Sie können also gar nicht stellvertretend für das Kind entscheiden, sondern nur für sich.

 

Ich möchte nicht mißverstanden werden. Zu den elterlichen Rechten gehört es auch meiner Meinung nach, ihre Kinder in ihrem Sinne religiös zu erziehen – oder auch nicht. Die Kinder wachsen in die Lebensgemeinschaft der Eltern hinein, wohin denn sonst? Die Argumentation, Eltern sollten die Perspektive des Kindes einnehmen, was dem Wohl für sein Leben am besten entspreche, ist genau so illusorisch, wie die immer wieder zu hörende Meinung, man könne die religiöse Frage für das Kind offen lassen, damit es sich später frei entscheiden könne. Kann es ja, indem es, religionsmündig geworden, die Entscheidung der Eltern bestätigt oder korrigiert. Wenn ich stellvertretend entscheiden sollte, welche Religion oder Nichtreligion mein Kind später einmal für sein Wohl (oder Heil) wichtig und richtig finden könnte, müßte ich bei dieser Entscheidung das ganze Spektrum der Religionen Revue passieren lassen und bewerten.

Ein fiktiver Fall: sollte ich meinen, daß der Islam sich durchsetzt, wäre es wohl richtig, das Kind als Moslem mit allen rituellen Verpflichtungen zu erziehen. Das wäre im Rahmen der Logik von Eichhorn. Wenn ich, andere Konstellation, lese, für wie wichtig und identitätsstiftend genitalverstümmelte Frauen die „Beschneidung“ ihrer Töchter halten, dann gibt es stellvertretend für ihre Töchter nur eine Entscheidung, die Eichhorn wohl akzeptieren würde/müßte.

Am Beispiel der Genitalverstümmelung wird deutlich, daß der Staat der elterlichen Gewalt Schranken setzen muß, definiert durch die körperliche Unversehrtheit, und die gilt auch für Jungen.

Was Eichhorn treibt, ist Rabulistik.

 

Ansonsten mäkelt er an Details des Gesetzes herum. Doch Positivist[4], der er ist, sind das wohl nur Schönheitsfehler.

Man lese und erschrecke.

[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Rabulistik

[2] http://www.theo-web.de/zeitschrift/ausgabe-2014-01a/07.pdf Hieraus auch alle folgenden Zitate.

[3]»Nachdem alle Erfahrungen mit ‚staatlicher Erziehung‘ ins Unglück geführt haben, liegt der gebotenen Zurückhaltung des Staates die Erwartung zugrunde, dass das Kindeswohl grundsätzlich von den Eltern gewährleistet wird. Maßgebend sind deshalb die elterlichen Erziehungsvorstellungen, nicht staatliche, d.h. behördliche Ansichten über die wohlverstandenen Interessen des Kindes.«

[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Positivismus#Rechtspositivismus

Kinder als Träger von Rechten

Posted in Kinderrechte, Religion, Soziologie, Theologie by dierkschaefer on 30. August 2014

Abstract: »Die UN-Kinderrechtskonvention (KRK) hat internationale Akzeptanz gefunden, wenngleich es immer noch gravierende Kinderrechtsverletzungen gibt. Mit dem Ziel des Kindeswohls und den Artikeln, die eine Beteiligung der Kinder vorsehen, werden Kinder als Träger von Rechten verstanden. Wo mangelnde Ernährung, schlechte Gesundheitsversorgung und fehlende Bildung ihr Leben bestimmen, ist dies eine Verletzung ihrer Rechte. Diese besser einzufordern, wird nun durch das Individualbeschwerdeverfahren möglich. Die Umsetzung der Kinderrechte erfordern Maßnahmen in verschiedenen Bereichen. Diese werden am Beispiel der Kampagnen gegen die weibliche Genitalverstümmelung (FGM) dargestellt. Die KRK eröffnet neue Dialogmöglichkeiten über eine Tradition, die fälschlicherweise als islamisch verstanden wird.«[1]

[1] http://www.theo-web.de/zeitschrift/ausgabe-2014-01a/08.pdf

Was nährt den #Antisemitismus?

Posted in Politik by dierkschaefer on 24. Juli 2014

»Bundespräsident Joachim Gauck hat angesichts der jüngsten antisemitischen Parolen bei Kundgebungen gegen Israel mehr Zivilcourage verlangt. „Ich möchte alle Deutschen und alle Menschen, die hier leben, auffordern, immer dann ihre Stimme zu erheben, wenn es einen neuen Antisemitismus gibt, der sich auf den Straßen brüstet“, sagte Gauck am Mittwoch in Berlin.«[1]

Recht hat er. Und dennoch darf man fragen, was den Antisemitismus nährt, ohne ihn damit in irgendeiner Weise zu rechtfertigen.

Wir haben es in der Beschneidungsdebatte erlebt und auch immer wieder beim Thema Siedlungspolitik. Viel zu leichtfertig wurde den Kritikern Antisemitismus unterstellt.

Was dem Antisemitismus erst die aktuelle Schubkraft verschafft, ist bei uns die Zukunftslosigkeit vieler junger Menschen mit muslimischen Hintergrund, um die wir, Staat wie Gesellschaft, uns nicht kümmern, weil sie uns entweder nicht interessieren oder aber aus falsch verstandener Rücksichtnahme auf ihre kulturelle Prägung.

[1] http://www.focus.de/politik/deutschland/neuer-antisemitismus-gauck-und-merkel-mach-front-gegen-judenhass_id_4012299.html