„Das muss man auch realpolitisch betrachten“
Das sagt Corina Rüffer, (MdB)[1], im Interview[2]. Doch dabei belässt sie es nicht, sondern bezieht deutlich Position zur sukzessiven Endlösung der Frage des Umgangs mit ehemaligen Heimkindern, die in Behinderteneinrichtungen dasgleiche erlebten, wie andere Heimkinder in kirchlichen und staatlichen Einrichtungen auch.
Es ist bekannt: Das Kindeswohl liegt in unserem föderalen Staat in den Händen der Länder und ihrer Kommunen. Da liegt es denkbar schlecht, auch das Kindeswohl der derzeitigen Kinder. Das Kindeswohl ehemaliger Kinder ist völlig durch die Finger der Länder gerutscht. Wenn Kinder Geld kosten, geht das Sparen dem Kindeswohl vor nach dem Motto: Warum sollen wir zahlen, was der Bund beschließen will? Das ist sicherlich ein grundlegendes Problem zwischen Bund und Ländern.
Aber: Wer war für die Heimaufsicht zuständig, wer für die finanzielle Ausstattung der Heime und die Anforderungen an die Ausbildung des Personals? Das war nicht der Bund, das waren die Länder und ihre Kommunen. Sie sind verantwortlich für die Zustände in ihren Einrichtungen und auch denen der Kirchen, von deren Preisdrückerei sie gern profitiert haben.[3]
Die Forderung nach Entschädigungen gründet in der heutigen wie damaligen Zuständigkeit von Ländern und ihren Kommunen.
Hier dürfte einer der Gründe liegen, das Kindeswohl nicht ins Grundgesetz aufzunehmen. Doch da gehört es rein, um die Lage der Kinder in unserem Staat deutlich zu verbessern. Kinder haben Rechte, Grundrechte!
Eine Frage ist immer noch offen: In welchen Fonds haben kirchliche Behinderteneinrichtungen gezahlt, wenn der Personenkreis aus diesen Einrichtungen bis heute – und wohl noch lange – von Zahlungen ausgeschlossen ist? Da hat man wohl den Klingelbeutel als Lügenbeutel genutzt.
[1] Bündnis90 Die Grünen, Obfrau und ordentliches Mitglied im Petitionsausschuss des Bundestages
[2] https://www.youtube.com/watch?v=rOa1-CM86II&sns=embo
[3] Dies entschuldigt die Kirchen keineswegs. Sie haben in ihren Einrichtungen grundlegende Werte ihrer Religion missachtet und pervertiert. Auch bei ihnen kam der Mammon vor dem Kindeswohl. Da sie jedoch in der Verantwortungskette den staatlichen Zuständigkeiten nachgeordnet waren und auch heute noch sind, sollten sie auch in der nachträglichen Verantwortung für die Zustände in ihren Einrichtungen dem Staat nachgeordnet sein, aber von ihm in Regress genommen werden. Dass sie durch ihr Tun ihre Glaubwürdigkeit als christliche Einrichtungen verloren haben, steht auf einem anderen Blatt.
»Die moralische Pflicht scheint die Herzen von Bund, Kirchen und Ländern zu öffnen – beim Öffnen der Taschen tut man sich schwerer«
Unter der Überschrift »Tabula rasa am Runden Tisch« berichtet heute Reinhard Bingener in der FAZ über die Chancen eines Erfolgs bzw. Mißerfolgs des Runden Tisches Heimkinder.
»Die moralische Pflicht scheint die Herzen von Bund, Kirchen und Ländern zu öffnen – beim Öffnen der Taschen tut man sich schwerer,« schreibt Bingener.
Das Bild ist herzig, aber Bund, Kirchen und Länder haben kein Herz und die Art, die ehemaligen Heimkinder zwei Jahre lang hinzuhalten, war entsprechend herzlos.
Bingener schreibt auch von den »in Verhandlungen unerfahrenen drei Heimkinder[n]« und ist sich der Brisanz dieser Feststellung offenbar nicht bewußt. Diese Unerfahrenheit war von Beginn an bekannt und hätte kompensiert gehört. Dafür nicht gesorgt zu haben, gehört zu den Grundversäumnissen von Antje Vollmer – es ist leider nicht das einzige.
Bingener geht auch auf das Thema Zwangsarbeiter ein und schreibt: » Zwar sollen frühere Heimkinder in Irland im Schnitt etwa 75.000 Euro als Entschädigung erhalten haben, doch in Deutschland wird es politisch nicht opportun sein, dass einstige NS-Zwangsarbeiter – sie erhielten zwischen 2500 und 7500 Euro – weniger Entschädigung bekamen als die ehemaligen Heimkinder bekommen könnten.« Damit verweist er auf die schimpfliche Abspeisung der NS-Opfer durch die deutsche Wirtschaft, die ja auch an den Heimkindern gut verdient hat. Nun könnte man als Nichtbetroffener ja resignierend sagen, es sei eben der Fluch der bösen Tat, daß sie fortwährend Böses muß gebären. Doch hier gibt es Profiteure, die sich ins Fäustchen darüber lachen dürften, daß sie dank der NS-Zwangsarbeiterregelung gut wegkommen; Staat und Wirtschaft nun schon zum zweiten Mal. Hatte Bingener eingangs von Herz gesprochen? Ein grandioser Irrtum.
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