NS-Raubkunst, Verjährung, Versöhnung – und andere Verjährungsopfer
Der Vorstoß der Bayrischen Landesregierung bei NS-Raubkunst die Verjährung aufzuheben, war schon einmal Thema hier im Blog.[1]
Der heutige Beitrag in der FAZ von Julia Voss[2] gibt Anlaß, noch einmal darauf einzugehen.
Sie berichtet von einer Raubkunst-Tagung. Das Eingangsreferat mit dem Thema „Räuber, Beraubte und ihre Nachfahren. Über Schuld, Umkehr, Sühne und Versöhnung“ habe der Historiker Michael Wolffsohn gehalten und die Versöhnung zwischen Opfern und Tätern, zwischen Räubern und Beraubten, ins Zentrum gestellt. Er berichtete von seinen enteigneten Vorfahren, denen auch nach der Nazi-Zeit nichts rückerstattet wurde. Die Umstände – man lese nach – waren skandalös.
Wolffsohn zog den für eine kirchliche Akademie passenden Schluß(-strich): »Er, der mehr als genug habe,… kämpfe nicht weiter um die Entschädigung. Er nämlich, der „trotz und nach dem Raub auch ohne vollständige Erstattung genug habe“, verzichte. Der „Teufelskreis von Tat und Vergeltung durch Bestrafung“ müsse durchbrochen werden, im Sinne eines höheren Werts, dem inneren Frieden eines Landes.« – Selig sind die Friedensstifter.
Immerhin schränkte Wolffsohn seine Empfehlung auf die im Wohlstand lebenden Erben der dritten Generation sowie ihre Nachfahren ein. Sie, nicht die in Armut lebenden, sollten auf das geraubte und nicht erstattete Familieneigentum verzichten.
Julia Voss schreibt völlig richtig: »Voraussetzung für den Verzicht ist Freiwilligkeit. Niemand, der bleibend enteignet wurde, kann verzichten.«
»Über „Versöhnung“ hatte man sprechen wollen – allerdings unter Ausschluss der Opferseite. Geladen war kein einziger Vertreter von Erben, die im Nationalsozialismus geraubte Kunst zurückfordern. Michael Wolffsohn teilt mit ihnen eine ähnliche Familiengeschichte; als Vertreter würden ihn diejenigen, die die Herausgabe ihrer Bilder aus deutschen Museen oder Privatbesitz verlangen, aber nicht ansehen. Die Tagungsleitung der Katholischen Akademie wollte im Fall der NS-Raubkunst Versöhnung, ohne die Opfer auch nur zur Diskussion zur bitten.«
Ich hatte bereits die Parallele zu den Entschädigungsforderungen der ehemaligen Heimkinder gezogen. Die meisten leben nicht im Wohlstand. Mit Ausnahme der am Runden Tisch vertretenen Opfer wurden sie nicht gefragt, haben sich aber öffentlich geäußert, doch das galt nicht. Sie sind nicht Erben von Opfern, sondern selbst Opfer. Versöhnung wäre gut und schön, für beide Seiten. Doch das kommt für sie nicht infrage. Denn sie leben unter den Bedingungen, die die Täter verursacht haben – und durch ihren Betrug am Runden Tisch sind die Erben der Täter wieder Täter geworden. Wie kann es unter diesen skandalösen Bedingungen so etwas wie Versöhnung geben?
Weihnachtsgruß für Kirchengeschädigte
Ein Weihnachtsgruß für Kirchengeschädigte
Mit Kirche haben die meisten von Ihnen nichts mehr am Hut – und das ist noch zurückhaltend ausgedrückt.
Ihnen wurden Kindheit und Jugend in kirchlichen Einrichtungen versaut – und das ist nur ein Ausschnitt des angerichteten Schadens.
Bei vielen hatte dieser Schaden massive Spätwirkungen – und das ist nur eine formale Beschreibung.
Alt geworden hofften viele von Ihnen auf eine Entschädigung, die eine Anerkennung für ihre Leidenszeit wäre – und das blieb für alle eine vergebliche Hoffnung.
Manchmal habe ich den Eindruck, daß ich der einzige von der Kirche besoldete Mensch bin, der von Ihnen als Ansprechpartner akzeptiert wird – und das ist keine hinreichende Beschreibung. Denn ich muß auch hin und wieder Ihren Unwillen über mich ergehen lassen. Es wäre nun völlig überzogen, wenn ich sagen würde, stellvertretend für die Kirchen (Plural!) zu leiden. Ich mache halt einen Unterschied zwischen Kirche und Evangelium.
Doch das Evangelium ist für die vielen ehemaligen Heimkinder verdunkelt, ja, es hat sich als schlechte Botschaft erwiesen. Es waren ja nicht nur die „Schläge im Namen des Herrn“, sondern auch noch der große Betrug am „Runden Tisch“ und die fortgesetzte Relativierung oder gar Beschweigung der verbrecherischen Vergangenheit vieler kirchlicher Einrichtungen, die dafür sorgten, sich mit Grauen abzuwenden.
Dennoch wurde ich wieder gebeten, für eine Gruppe ehemaliger Heimkinder einen Weihnachtsgruß zu schreiben – und der ist ohne frohe Botschaft, ohne Evangelium für mich nicht denkbar.
Wer ihn lesen will, der klicke ihn den Link unten an und scrolle runter bis „Ein Weihnachtsgruß“. Ich möchte Ihnen den Gruß nicht heimlich untergeschoben haben.
Ich habe aber für jeden Verständnis, der nach seinen unheimlichen Erlebnissen im Kinderheim, und das nicht nur zur Weihnachtszeit, nicht mehr an frohe Botschaften glaubt, die irgendwie mit Kirche zu tun haben.
Hier der Link: http://gewalt-im-jhh.de/hp2/Weihnachtsgruss_2013_an_die_eh/weihnachtsgruss_2013_an_die_eh.html
Bei der Übertragung meines Weihnachtsgrußes im verlinkten Blog gab es Differenzen in der Numerierung der Fußnoten. Mein Text zählt sie durchgehend, im Blog sind sie zwar richtig auf der jeweiligen Seite unten angegeben, nur beginnt auf jeder Seite die Zählung neu mit „1“. Doch Sie werden schon damit zurecht kommen.
Was gibt’s denn nun in Österreich?
Eine Meldung, die viele Fragen hinterläßt. [1]
Wie kommen die ehemaligen Heimkinder zu einer Entschädigung?
Was muß beigebracht werden?
Wonach bemißt sich die Höhe der Entschädigung?
Daß es in österreichischen Heimen schlimm zuging, das wußten wir schon. Für zwanzig Euro können wir’s genauer wissen. Man hätte die Studie ja auch online stellen können.
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