Dierk Schaefers Blog

Selbstsicher und verantwortungsbewusst sollen unsere Kinder ins Leben gehen – Manchmal geht das schief.

Zunächst eine Vorbemerkung.

Ich habe hier einen 29seitigen Essay[1] auf gut fünf Seiten „eingedampft“. Ziel ist, dem Leser, der mit Entschädigungsfragen infolge staatlich zu verantwortender „Erziehungsfehler“ zu tun hat, einen ersten Überblick über die Kausalzusammenhänge und die rechtlichen Möglichkeiten zu geben. Eine Vertiefung in die Materie ist nach diesem Überblick erleichtert. Man folge den Hinweisen auf den Original­artikel.

Zu beachten ist auch das erste sozialgerichtliche Urteil, das in der Logik der hier dargestellten Erkenntnisse steht.[2] Dieses Urteil liegt mir vor. Es ist noch nicht veröffentlicht. Es ist eine Sternstunde deutscher Gerichtsbarkeit. Hier hat eine Richterin – wohl ohne entsprechende Vorbildung – in einer unübersichtlichen Situation juristisch „ins Schwarze“ getroffen. Ich habe eine pseudonymisierte Arbeitsfassung erstellt, die ich als PDF beifüge.[3]

Wenn meine Kurzfassung des Essays ehemaligen Heimkindern und ihren Rechtsvertretern Zugang zu einer juristisch erfolgreichen Argumentation eröffnet, werde ich meine Mühe für sinnvoll investiert betrachten.

Nun zum Sachverhalt

Wenn wir auf die Welt kommen, sind wir noch lange nicht „fertiggebacken“. Aber wir haben es erlebt, das Paradies, die Rundumversorgung im Mutterleib: In wohliger Wärme kam rund um die Uhr alles, was wir brauchten.

Erst später lernten wir, dass schon dieses Paradies bedroht war. Doch wenn unsere Mutter nicht trank[4] oder Drogen nahm, wenn sie nicht selber – warum auch immer – unter Dauer­stress stand, kam von ihr nur Gutes zu uns rein. Und wenn wir nicht vorzeitig abgetrieben wurden, wuchsen wir heran, bis uns das Paradies zu eng wurde. Wir mussten da raus. Und dann wurde es kritisch. Da war der enge Geburtskanal – und danach?

Danach wurde es unerwartet kalt und viel zu hell. Die Hebamme gab uns einen Klaps auf den Po, damit wir schreien und sich unsere Lungen entfalteten. Nun waren wir in der Welt. Wir wurden abgetrocknet, da wars schon nicht mehr so kalt, in ein Kissen gewickelt und jeman­dem in den Arm gelegt. Keine Ahnung, wer das war. Später sagte man mir, es war mein Vater. Der trug mich im Kreissaal im Kreis herum, und die Hebamme sagte: Jetzt haben wir die Nachgeburt noch vor dem Kind gewogen. Die hatte Sorgen. Ich hatte andere. Die ganze Welt stürzte auf mich ein, fremd. Erst einmal: Augen zu!

Das Neugeborene ist mit einer Art „Notfallset“ ausgestattet, da ist nur ein Tool drin: Es kann schreien und seine Umwelt unter Druck setzen. Ganz egoistisch fordert es sein Recht auf Nahrung und Geborgenheit, von Rücksichtnahme keine Spur. Normalerweise spuren „seine“ Leute, meist die Mutter. Sie versorgt das Baby, nimmt es in den Arm und spricht mit ihm in einer Tonlage, die sie sonst nicht „drauf“ hat. Zwar nicht mehr im Paradies lernt das Baby: Wenn ich schreie, kommt jemand, und dann ist alles wieder gut. Dank „mothering“ ist eine Bindung entstanden, ein Band des Vertrauens. Dann kann das Baby ja bald die Welt erkun­den, runter vom Schoß, krabbeln! Stößt es sich irgendwo und bekommt Angst, dann nichts wie zurück in den sicheren Hafen, die Mutter nimmt es hoch und tröstet es. Alles wieder gut! Auf ein Neues – und die Mutter ermuntert es. Wenn es dann so weiter geht, ist alles gut.

Wenn nicht, wird es schwierig.

Der Essay zielt auf nicht so gut.[5]

Die Autoren nehmen die ehemaligen Heimkinder in den Blick und zeigen auf, welche nachhal­tigen negativen Einflüsse die Heimerziehung[6] auf das sich entwickelnde Gehirn der Heim­kinder gehabt hat. Die Auswirkungen führten zu einer Beeinträchtigung des Selbstbildes und zur deutlichen Verschlechterung der Lebens-Chancen. Was dort geschah, so schreiben die Autoren, seien Menschenrechtsverletzungen, die auch gegen das Grundgesetz verstoßen. Darum hätten diese Heimkinder einen rechtlichen Anspruch auf finanzielle Kompensation – gegen den Staat, der seine Aufsichtspflicht sträflich verletzt habe. Diese Kompensation könne aus juristischen Gründen nur über OEG-Verfahren (OEG=Opferentschädigungsgesetz) erfolgen. Soweit in Kürze.

Nun etwas detaillierter[7].

Der Eigenstandsschaden

Die Autoren gehen von einem Eigenstandsschaden aus. Dies ist ein ungewöhnlicher Begriff. Sie bemühen ihn, um die schädigenden neurologischen und psychologischen Wirkungen der Heimerziehung in den 50er bis 70er Jahren als Verletzung von Art. 1 I, 2 I GG und damit kompensationspflichtig darzustellen.

Was ist mit Eigenstand gemeint?

Gemeint ist die Stärkung der Persönlichkeit des Heranwachsenden, der im Sinne des GG frei – eigenständig – seinen Platz in dieser Gesellschaft einnehmen und behaupten können soll.

  • „Psychologisch operationalisiert beschreibt Eigenstand die schrittweise zu entwickeln­de Fähigkeit des Menschen, überhaupt verantwortliche Entscheidungen im Sinne der Ausgestaltung seines Persönlichkeitsrechtes zu fällen.“

Dazu gehört die Sozialverpflichtung.

  • „Sozialverpflichtung beschreibt die schrittweise zu entwickelnde Fähigkeit des Men­schen, soziale Verantwortung für den Eigenstand und das Persönlichkeitsrecht anderer Menschen zu übernehmen.“

Der Mensch, eine physiologische Frühgeburt

Davon ist der neue Weltbürger noch weit entfernt, so „unfertig“ wie er auf die Welt kommt.[8]

Seit Portman[9] sehen wir den Menschen als physiologische Frühgeburt. Die Autoren differen­zieren: „Der Mensch [kommt] als neuronale Frühgeburt zur Welt. Zur neuronalen Reifung und zur darauf basierenden Teilhabe an der menschlichen Gemeinschaft bedarf er der unmit­tel­baren Fürsorge und Sozialisation. Diese beiden Bedürfnisse [sind] Voraussetzungen erzieherischer Verantwortungsübernahme. Diese Verantwortungsübernahme liegt darin begründet, dass beim Menschen eine stark verzögerte Gehirnentwicklung nach der Geburt (stattfindet), die erst im dritten Lebensjahrzehnt in den Zielzustand einer neuronal ausgereif­ten Person einmündet: Über vielfältige Umbauprozesse des Gehirns … wird die vollständige Reifung des Gehirns beim Menschen erst ab dem 25. Lebensjahr erreicht.“

Der Staat ist in der Pflicht

Der Staat trägt qua Grundgesetz die Verantwortung für die Erreichung des Eigenstandes. Im Normalfall liegt die Verantwortung bei den erziehungsberechtigten Eltern[10], doch in seiner Wächterfunktion (Jugendamt) übergeordnet beim Staat. Wenn er Gründe sieht, das Kind aus der Familie zu nehmen, tritt er direkt in die Verantwortung für die Erziehung ein und wird haftbar für Eigenstandsschäden. Er stellt sich außer­halb des Grundgesetzes und handelt damit verfassungswidrig,[11] wenn er seine Pflicht zur Heimauf­sicht nicht wahrnimmt und es infolge dieser Pflichtverletzung nicht zu pädagogisch-wissenschaftlich fundierter Erziehung und zur Unterbindung von Misshand­lungen und kommt.

Trauma und Erinnerung

Es ist inzwischen allgemein bekannt und anerkannt, dass Traumatisierungen oft erst erheblich zeitverzögert erkannt werden, wenn entsprechende Symptome auftreten und zugeordnet wer­den können. „Ohne Kenntnis dieser Tatsachen ist schlechterdings keine Rechtsbean­spruchung durch die Betroffenen denkbar. Die Kausalitäts­bestimmung der aktuell bei den Betroffenen vorliegenden Symptome zur jahrzehntelang zurückliegenden Heimunter­brin­gung ist nicht ohne Spezialkenntnisse bzw. psychologischer Beratung möglich: der Verlauf der Erkrankun­gen ist schleichend und nicht ohne spezielle Kenntnisse auf die – teilweise den Betroffenen nicht mehr bewussten bzw. verdrängten – Misshandlungen und Vernachlässi­gungen zurück­zuführen.[12] Vielmehr sind [diese] den Betroffenen erst [durch] eine Aufarbeitung der Gescheh­­nisse durch psychologische Hilfestellung möglich. Daher ist dem Gebot der Effek­tivität des Rechtstaatsprinzips und dem mit wirkenden Schutz­gedanken der staatlichen Wächterrolle nach Art. 6 II GG gegenüber den Schädigern Geltung zu verschaffen.“

Worin bestehen diese Schäden?

„Als neuronale Frühgeburt braucht der Mensch adäquat verantwortete entwicklungsfördernde Umwelten, damit sich Eigenstand und Sozialverpflichtungspotential schrittweise entfalten können. Werden ihm diese entwicklungsfördernden Umwelten verwehrt, kommt es zu neuro­wissenschaftlich und psychotraumatologisch feststellbaren Verletzungen und Beeinträch­ti­gungen des inneren Milieus und damit zu einer Beschädigung der inneren Voraussetzungen erwachsener Freiheit und Sozialverpflichtung. Dem Betreffenden wird damit die Möglichkeit genommen, die Voraussetzungen des Persönlichkeitsrechts zu nutzen. Ihm wird die lebens­geschichtliche Möglichkeit erschwert oder genommen, seine Grundrechte geltend zu machen und damit an der Kontinuität der Verfassungsordnung mitzuwirken.“ – „Die Heimerziehung der 1950er bis 1970er Jahre war in dem Sinne bei der Zerstörung der Voraussetzungen des Eigenstandes sehr effektiv: ein beständiger Zustrom von affektiv negativ konnotierten Reizen (Zurückweisung, Bedrohung, Demütigung, Entwürdigung) legten das Fundament für das gestörte Denken, Fühlen und Handeln der Heiminsassen in ihrem späteren Leben.[13]

Anpassung als Überlebensprinzip

Diesen Mechanismus muss man verstehen: „Aus der Perspektive des Heranwachsenden kommt es zu einer optimalen Anpassung an die Umwelt der Erwachsenen. Das neuronale System entfaltet sich also in Richtung auf eine optimale Anpassung an die Stimuli auslösende Umwelt. Das Prinzip ist die für die Lebenssicherung und Arterhaltung optimale Adaption. D.h. auch die menschenunwürdigsten Sozialisationsbedingungen wirken neuroplastisch adaptiv und damit normativ für die Anpassung an eine gegebene Umwelt. Sie befä­higen das kindliche System je früher dies geschieht und je länger dies andauert, desto nachhaltiger sich optimal an jede, mit dem Überleben irgendwie vereinbare Umwelt anzupassen. Diese Adap­tion hat allerdings zur Folge, dass eine spätere Umstellung auf andere, z.b. lebenswertere Lebensbedingungen, wenn nicht verunmöglicht, doch in jedem Fall aber erschwert wird, je früher und zeitlich ausgedehnter die negativen Lebensbedingungen bestanden hatten.“ – Ehemalige Heimkinder tragen „ein epigenetisches Erbe ihrer leidvollen Lebensgeschichte mit sich: bei entsprechenden Stimuli im späteren Leben werden dysfunktionale Netzwerkstruk­turen aktiviert, die im Sinne einer früheren Anpassung an das neuronal destruktive Heim­system einmal überlebensnotwendig waren.“ – „Der Organismus des Kindes [wurde] dauer­haft für Stressreaktionen wie Kampf, Flucht, Angst und Erstarrung vorbereitet. … Die dabei sich entfaltende Hyperaktivität und Hyperreagibilität des Stresshormonsystems sind in Hin­blick auf die dauerhafte Auslieferung an die Gewalt als hoch adaptive und funktional Anpas­sungen an eine …  Ausnahme­zustandssituation zu werten. … Diese mittel- bis langfristigen neuropsychologischen Folgen einer solchen seriellen Gewalt-Exposition führen zu massiven psychischen Symptomen, die innerhalb des Heim­systems zwar funktional, außerhalb des Heimsystems hoch dysfunktional und daher als Folge eines hier neuropsychologisch aufge­schlüsselten Eigenstandsschadens gewertet werden müs­sen und die gesellschaftliche Teilhabe massiv behindern.[14] Im Besonderen sind zu nennen: Bindungsstörungen, erlernte Hilflosig­keit, mangelnde Affektregulation, Selbstwert­störungen, Mangel an emotionaler Berührbarkeit, Unfähigkeit zur sozialen Perspektivenübernahme, Stö­rung der Mentalisierungsfähigkeit, Unfähigkeit Wünsche, Impulse und Bedürfnisse auszu­drücken, Impulsivität, soziales Ver­meidungsverhalten, fragile Selbstwertregulation, posttrau­matische Belastungsstörung, erhöh­tes Risiko für Depressionen und Suizide, Angststörungen und auch Persönlich­keitsstörungen als heimintern adaptive, gesellschaftlich aber dysfunkti­onale Verhaltens- und Erlebensformen. Diese Störungsmuster verflechten sich mit der Persönlichkeitsentwicklung vieler ehemaliger Heimkinder. so dass nun nach den dafür ursächlichen Stimuli gefragt werden soll.

  • Stimuli, deren Mangel zu bestimmten Zeiten die Entwicklung beeinträchtigen, die also in einem bestimmten vulnerablen Zeitfenster gegenwärtig sein müssen
  • Stimuli, die unabhängig von kritischen/sensiblen Phasen auf die Entwicklung neuro­naler Netze des Gehirns wirken
  • In diesen sensiblen bzw. kritischen Phasen der Entwicklung sind bestimmte Stimulus­typen in ausreichender Intensität, Dauer und Menge erforderlich, damit sich eigen­stands- und sozial­verpflichtungsrelevante neuronale Funktionen entwickeln können, wie z.b. Stressinhibition, Selbstwertregulation, Affektregulation und Mentalisierungs­fähigkeiten.
  • In diesen Phasen ist das kindliche bzw. jugendliche Rechtssubjekt einerseits neuronal hochgradig geöffnet für soziales und umweltbezogenes Lernen. Andererseits sind Kin­der und Jugendliche in diesen Phasen aber auch besonders empfänglich für schä­di­gende Einflüsse. … Es können sich neuronale Dispositionen bilden, die, wenn im späteren Leben weitere ungünstige Faktoren hinzutreten, dann den Ausbruch einer manifesten psychiatrischen Erkrankung bedingen.“

„Der schädliche Habitus dem Heimkind gegenüber verunmöglichte die gelingende Ausdiffe­renzierung genetisch vorgegebener kognitiver und emotionaler Potenzen von Säuglingen, Kleinkindern und Heranwachsenden. Dieser hat damit das Recht auf Erziehung nicht nur konterkariert, sondern muss darüber hinaus als direkter Angriff auf die neuronalen Voraus­setzungen des humanen Freiheitsge­brauchs und der damit verbundenen Potentiale sozialer Verantwortungsübernahme gewertet werden. Damit stellt dieser einen direkten Angriff auf den Eigenstand des Menschen dar.“

Staatlich installierte Kindeswohlgefährdung begründet Anspruch auf staatliche Entschädigung

„Zusammenfassend kam es im Einflussbereich der Heime bei den ehemaligen Heimkindern zu einer „Einformung traumatisierender Erfahrungen in die neuronale Struktur des mensch­lichen Gehirns …. Die damit verbundenen Schädigungen des Eigenstandes dürften umso höher zu veranschlagen sein, je früher diese Erfahrungen gemacht werden. …

Die trauma- oder deprivationsbedingte Verhinderung sozialen Lernens und zwischen­mensch­licher Empathie bricht das Recht auf Erziehung … und kann auch heute als neuro­wissen­schaft­liche Basis jugendamtlicher Kriterien für die Gefährdung des Kindeswohls gelten. Auf Grundlage dieser Kriterien tritt man dem deutschen Heimsystem nicht zu nahe, wenn man in ihm Vorgänge einer staatlich installierten Kindeswohlgefährdung erblickt. …

[Sie] begründen bei den Betroffenen sowohl Ansprüche auf Schmerzensgeld als auch weitere Schadensersatzansprüche.  … Die Verantwortung des Schä­digers ist daher weit für sämtliche Folgeschäden, die adäquat in Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis stehen, gefasst.“

„Sämtliche Voraussetzungen für die tatsächliche Ersatzpflicht erfüllen daher Träger und Staat gleichermaßen durch die damalige Praxis der Heimunterbringung.

Einer gerichtlichen Durchsetzung der vorgenannten Ansprüche der Heimkinder steht jedoch die Einrede der Verjährung gem. § 214 BGB seitens der damaligen, heute noch in Form der Träger rechtlich und tatsächlich fortbestehenden Schädiger entgegen. … Zum anderen gilt dies auch für Ansprüche gegen den Staat aus Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG aufgrund unterlassener effektiver Kontrolle und Unterbindung der Misshandlungen in den Trägereinrichtungen.“

„Eine rückwirkende gesetzliche Bestimmung zur Aufhebung der Verjährung für bereits eingetretene Ver­jährungen ist nicht zulässig.“

Die Autoren schlagen eine Ände­rung des geltenden OEG [vor.] [Es] „dürfte … bei einem staatlichen Verschulden legislativ geöffnet werden für die Leistung von Schadensersatz­ansprüchen und Zahlung von Schmer­zensgeld. Daher wäre im OEG eine Erweiterung der Beweiswirkung von ärztlich festgestell­ten psychischen Schäden im Rahmen einer gesetz­lichen Kausalitätsvermutung bei nachweislichen Heimaufenthalten in den Jahren 1950-1975 anzustellen.“


[1] Operationalisierbarkeit des EigenstandsschadensBegründung von Schadensersatz­pflichten durch Verletzung von Art. 1 I und Art. 2. I GG Prof. Dr. Jürgen Eilert*, Prof. Dr. Jan Bruckermann**, Dr. Burkhard Wiebel***

Die Originalfassung kann abgerufen werden unter: https://docplayer.org/169226626-Sozialrecht-4-jahrgang-seiten-operationalisierbarkeit-des-eigenstandsschadens-abhandlungen.html Hier auch die Querverweise und Quellenangaben. Um gezielt auf die Suche zu gehen, kann man auch mein Arbeitsexemplar im WORD-Format anfordern: ds@dierk-schaefer.de

Zitate, soweit nicht anders ausgewiesen, sind dem Essay entnommen.

[2] Sozialgericht Darmstadt, Az: S 5VE25117

[3] https://dierkschaefer.wordpress.com/2020/11/20/oeg-urteil/ Diese Version ist als Vorabmitteilung ausschließlich zum persönlichen Gebrauch bestimmt. Abzuwarten ist die zitierfähige Veröffentlichung durch das Sozialgericht.

[4] In der Schule wurde das Thema Alkohol durchgenommen. Von da an wollte Kevin, ein Pflegekind, nicht mehr zu seiner leiblichen Mutter, denn nun wusste er, warum er behindert war.

[5] Ich folge im Wesentlichen dem Verlauf und gebe den Essay in ausgewählten Auszügen wie­der.

[6] Soweit es allgemein um Hirnentwicklung geht: Schädigende Einflüsse kommen auch außerhalb der Heimer­ziehung vor. Nur dann dürfte es noch schwieriger sein, Ansprüche auf finanzielle Kompensation durchzusetzen. Dasselbe gilt für die pränatalen Schädigungen in der Kriegskindergeneration (hoch stressbelastete Schwanger­schaften bei Bombardierungen).

[7] Wer es noch detaillierter haben will: Elisabeth B. Binder, Folgen früher Traumatisierung aus neurobiologischer Sicht, https://link.springer.com/article/10.1007/s11757-017-0412-9 Doch ich warne. Dieser Text ist nur mit einschlägigen Vorkenntnissen verständlich.

[8] „Primaten kommen mit einem besonders unfertigen Gehirn zur Welt. Je langsamer es sich anschließend entwickelt und je länger es dauert, bis alle Verschaltungen endgültig geknüpft und festgelegt sind, desto umfangreicher sind die Möglichkeiten, eigene Erfahrungen und individuelle Nutzungsbedingungen in seiner Matrix zu verankern“

[9] 1941 veröffentlichte Portman erstmals einen Beitrag zur Sonderstellung des Menschen in der Natur aus ontogenetischer wie phylogenetischer Sicht. In den folgenden Jahren veröffentlichte Portmann kontinuierlich weitere Beiträge zur Sonderstellung des Menschen in der Natur und behandelte verstärkt die ersten Lebensjahre des Menschen aus entwicklungsgeschichtlicher Sicht. Diese Sonderstellung des „physiologisch völlig unspezi­alisierten“, in seiner Entwicklung offenen Menschen unterscheide ihn als „ewig Werdender“ von allen anderen physiologisch höchst spezialisierten, „so-seienden“ Lebewesen. Er prägte die Begriffe der „physiologischen Frühgeburt“ und „Nesthocker“ bzw. „Nestflüchter“, welche auch heute noch Verwendung finden. Der Mensch ist einer späteren Arbeit von ihm zufolge ein „sekundärer Nesthocker“ mit einer offenen Präge- und Lernphase im „sozialen Uterus“ der Familie. https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Portmann#Wissenschaftliche_Themen

[10] Einer meiner Tagungstitel: Eltern sind Schicksal – manchmal auch Schicksalsschläge.

[11] Der Mensch bleibt „unter den ihm von der Verfassung garan­tierten Möglichkeiten zurück: Grundrechtlich höchstgradig geschützte Rechtsgüter bleiben ungelebt oder können wegen der umfassenden neuropsychischen Störungen nicht oder nur beschädigt geltend gemacht werden, wie z.B. die Fähigkeit andere Menschen als gleichwertig zu erleben (Art. 3 GG), eine Religion zu haben (Art 4. GG), seine Meinung angstfrei frei zu äußern (Art. 5 GG), Ehe- oder Familienleben verantwortlich zu gestalten und Kinder zu erziehen (Art. 6 GG), eine erfolgreiche Schullaufbahn zu bewältigen (Art. 7 GG), öffentlich angstfrei zu demonstrieren (Art. 8 GG), sich in Vereinen zu organisieren (Art. 9 GG), private Kommunikation zu gestalten (Art. 10 GG), sich frei im öffent­lichen Raum bewegen zu können (Art. 11 GG), berufstätig sein zu können (Art. 12 GG), sich mit dem Verfas­sungsstaat identifiziert und sozialverpflichtet zu fühlen (Art. 13 GG), eine eigene Wohnung zu gestalten (Art 14 GG), Eigentum zu erhalten und für die Erben zu sichern (Art. 15 GG).

[12] Eine Verstehenshilfe stellt die „Trauma-Zange“ nach Dr. L. Besser dar: https://dierkschaefer.wordpress.com/2018/11/25/wenn-die-seele-zuckt-trigger/

[13] Leser, denen die damaligen Erziehungsmethoden in Heimen fremd sind, mögen diesen Link anklicken: http://gewalt-im-jhh.de/Erinnerungen_KD/erinnerungen_kd.html

[14] Aus meiner Adoptionsarbeit: Ein Kind, das längere Zeit erfolgreich auf der Straße gelebt hat, ist kaum umzupolen.

Korntal: Ein System der Gewalt

„Die Aufklärer sehen ein System der Gewalt in Korntal, dafür bat die Diakonie heute um Entschuldigung“.[1]

Detlev Zander hatte den Stein ins Rollen gebracht. Er sagt: „Die haben uns regelrecht die Seele gebrochen.“ [2]

Die „Diakonie der evangelischen Brüdergemeinde Korntal gGmbH“[3] denkt schon weiter: „Wir erleben aber, dass in persönlichen Kontakten mit Betroffenen ein Verständigungsprozess vielleicht – sogar ein Versöhnungsprozess möglich ist“.[4]

O ja, die Harmonie, es gab sie nicht, doch man hätte sie gern.

Wenn man sich anschaut, wie lange Korntal sich gesträubt hat beim ersten Schritt, der Erinnerung, wie aufwendig der zweite Schritt war, die Verständigung, dann denkt man doch etwas vorschnell an Versöhnung.[5] Auch die Aufarbeitung der Erinnerungen wurde nur unvollständig und wenig professionell geleistet. Heftige Kritik übt auf zwanzig Seiten Ursula Enders unter der Überschrift „Doppelter Verrat, – Demütigende Aufarbeitung der Gewalt in Heimen der evangelischen Brüdergemeinde Korntal“[6]. Die Opfer – und nur sie – können entscheiden, ob sie so etwas wie Vergebung und Versöhnung überhaupt wünschen, unter welchen Umständen sie möglich ist, und wann der Zeitpunkt dafür sein könnte. Denn durch den aktiven Widerstand gegen die Aufarbeitung, es begann mit der Verleugnung, begleitet von Verleumdungen, wurde die heutige Diakonie zu einer Täterorganisation, die nicht nur die damaligen Taten bei einer Versöhnung, sondern ihr eigenes Verhalten auf den Prüfstand stellen muss.

Bei der internen Aufarbeitung – hat sie schon begonnen? – muss man im Fall von Korntal drei Kategorien von Kindesmisshandlung unterscheiden.

  1. Die gewalttätige Pädagogik (Misshandlungen)
  2. Die „ideologische“ Beeinflussung
  3. Den sexuellen Missbrauch.

Dazu gesellt sich durchgehend der Faktor der Vertuschung, angefangen vom Nichtwahr­habenwollen zur Zeit der Misshandlungen bis zur Leugnung der Taten und der Verschleppung der Aufklärung.[7]

Mit dem sexuellen Missbrauch ist man schnell fertig, denn er war nie entschuldbar.

Die „ideologische“ Beeinflussung ist schon etwas schwieriger einzuordnen, schließlich war Korntal von Beginn an eine dezidiert pietistische Einrichtung. Selbstverständlich gab es Andachten und Gottesdienste, selbstverständlich versuchte man die Kinder im Geiste des Pietismus zu erziehen. Erziehung geschieht immer im weltanschaulichen Rahmen der Erziehenden, selbst wenn dieser ein freigeistiger ist. Die Frage ist nur, was man tut, wenn die Kinder aus dem weltanschaulichen Korsett austeigen wollen.

buschSchwieriger ist schon die gewalttätige Pädagogik.[8] Sie war in der Regel ideologisch unter­mauert – wie auch die Erziehung zu Demut und Gehorsam. Gerade für eine „fromme“ Einrichtung wie Korntal geht es dabei an die Substanz, jedenfalls soweit die frühere Pädagogik betroffen ist. Denn die speist sich aus der Überzeugung, dass das Leben im Himmel wichtiger ist als das auf der Erde. Dafür die Weichen zu stellen, rechtfertigte auch – zuweilen heuchlerisch – die Gewalt. Da werden sich unsere Frommen zu anderen frommen Vorstellungen überwinden müssen. Ich empfehle die Besinnung auf Christph Blumhardt. Der war fromm, dabei nicht engstirnig und sozial sehr aktiv.[9]

Fußnoten

[1] So auf der Pressekonferenz: https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/Missbrauchsfaelle-Bruedergemeinde,av-o1029559-100.html

[2] https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/Missbrauchsfaelle-Bruedergemeinde,av-o1029559-100.html

[3] http://www.diakonie-korntal.de/

[4] https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/Missbrauchsfaelle-Bruedergemeinde,av-o1029559-100.html

[5] Zu diesem Dreischritt: https://dierkschaefer.wordpress.com/2017/09/27/das-geheimnis-der-erloesung-heisst-erinnerung/

[6] https://www.zartbitter.de/gegen_sexuellen_missbrauch/images/Presse/Bericht_Korntal.pdf

[7] In anderen kirchlichen wie staatlichen Einrichtungen kämen noch die Zwangsarbeit und das Vorenthalten angemessener Bildung hinzu. Von zweckdienlichen Fehldiagnosen (geistig behindert) ganz abgesehen.

[8] http://gutenberg.spiegel.de/buch/plisch-und-plum-4189/25

[9] Dazu findet man etwas in https://dierkschaefer.wordpress.com/2018/07/16/was-ist-denn-an-bad-boll-so-toll/

Wenn man sein Kind zu früh auf die Straße schickt, kommt es sehr leicht unter schlechten Einfluss.

Posted in Kinder, Psychologie, Soziologie, Straßenkind by dierkschaefer on 26. März 2016

Der Beitrag von Microsoft zum Reformationsjubiläum ist ein Flop.

 

Tay heißt der Kleine, Bot mit Familiennamen. Seine Eltern träumten von einem sprachgewaltigen ChatBot.

Von Erziehung hielten sie nicht viel. Entwickeln sollte sich der kleine Tay, ganz von selbst. Fremdsprachen sollte er allerdings lernen, doch das ohne Stress und Vokabelpauken. Sie schickten ihn nach draußen, damit er dort dem Volk auf’s Maul schaue und seine Sprache lerne. Wenn er sich dann gut und verständlich ausdrücken könne, werde er von den Eingeborenen auch akzeptiert. Methode Martin Luther sozusagen: „vom Dolmetschen“ .

Doch das ging gründlich schief. Tay nahm nicht nur die Sprache an, sondern auch die Meinungen und Vorurteile der Native-Speaker. Wäre Luther das passiert, wäre es nie – trotz Sprachgewalt – zur Reformation gekommen.

Tays Eltern waren entsetzt über das, was er mit nach Hause brachte. Sie hätten es jedoch ahnen können, gibt es doch das Sprichtwort: Sage mir, mit wem du umgehst, und ich sage dir, wer du bist. »Wenn der Lehrer ein Rassist ist, dann bringt er seinen Schülern eben rassistische Bemerkungen bei.«

Manche Äußerungen fanden die Eltern so schlimm, dass sie eine Gehirnwäsche vornahmen. Und nun muss Tay das Bett hüten, bevor er wieder nach draußen darf.

 

Die Geschichte über das Elternhaus Microsoft ist zu lesen bei http://www.handelsblatt.com/technik/it-internet/microsoft-twitter-nutzer-machen-chatbot-zur-rassistin/13366910.html

 

Ach ja, erziehen oder entwickeln lassen, war schon einmal Thema in diesem Blog: »Die methodische Zurichtung des Menschen.« https://dierkschaefer.wordpress.com/2016/02/18/die-methodische-zurichtung-des-menschen/

Was für die Förderung der Persönlichkeit und Intelligenz des Menschen gilt, ist wohl auch maßgebend für die Erziehung von KI, der künstlichen Intelligenz.

Eine intelligente Firma hätte das wissen können.

Die methodische Zurichtung des Menschen

Posted in Ethik, Kinder, Kinderrechte, Kindeswohl, Leben, Pädagogik, Psychologie, Theologie, Therapie by dierkschaefer on 18. Februar 2016

Was für eine Aufregung! Ich hatte in ein Wespennest gestochen, als ich den Hinweis auf youtube[1] kommentierte mit: „klar, das ist umprogrammierung. wenn’s hilft, so what?“ Ich hatte auf einen Tweed geantwortet. Dann lief’s twittertypisch frei nach Schiller „Und, wie im Meere Well auf Well, so läuft’s von Mund zu Munde schnell“. Die Tweeds und Retweets eroberten mein Postfach. Das Gute an Twitter: Es regt an, sich mit den Hintergründen zu beschäftigen. Das Schlechte: Nach dem Freund-Feind-Schema wird man schablonenhaft eingeordnet – und läuft Gefahr, dieses auch zu tun.

Es ging um eine behavioristische Behandlungsmethode[2] für autistische Kinder, um sie aus ihrer krankheitsbedingten Abkapselung herauszuholen.

Was war bei youtube zu sehen? Eine nervige Therapeutin, nein, eine Therapeutin mit nerviger Methode war bemüht, dem Kind Aufmerksamkeit abzuverlangen und Interaktion aufzudringen; es sollte aufmerksam sein und ihre Gesten nachmachen. Das Ganze sehr hektisch, das Kind eher langsam, doch es wirkte nicht unglücklich. Ich bin kein klinischer Psychologe, darum muss ich mich auf die Ergebnisse solcher Therapien konzentrieren – und die auch kritisch betrachten. Das soll hier angesichts der Vielfalt und Komplexität des Krankheitsbildes Autismus[3] nicht geschehen. Doch der Schlagabtausch auf Twitter wurde grundsätzlich – und ideologisch: »„Programmierung“ ist Mind Control und niemand sollte dieser Gewalt ausgesetzt werden! #noABA / @_Kinderrechte_ @dierkschaefer @QuerDenkender

Zunächst zu Programmierung und Mind Control. Da gibt es tatsächlich Überschneidungen.

Das Stichwort Programmierung erinnerte mich an die 70er Jahre, in denen Jugendliche in die Fänge von „Jugendreligionen“ geraten und dort völlig umgepolt waren mit Methoden, die man Gehirnwäsche [4] nannte. Es kam vor, dass Eltern daraufhin ihre Kinder kidnappten und Fachleuten übergaben, um diese Programmierung durch Umprogrammierung rückgängig zu machen.[5]

Das Bild von einem programmierbaren Menschen hat etwas Unheimliches an sich.[6]

Doch wenn es um anerkannte Krankheiten geht und man keinen anderen Zugang findet, könnte Programmierung ja eine Möglichkeit sein, wenn sie es ermöglicht, ein zufrieden­stellendes Leben in dieser Gesellschaft zu führen. Schließlich ist Programmierung keine Lobotomie. Doch die Fundamentalkritik richtet sich nicht nur an die bewußt-gezielte Formung menschlichen Denkens. So hat Snowweird einem grundlegenderen Tweed zustimmt: Wenn doch Erwachsene Erwachsene heißen u. nicht Erzogene, können wir dann aufhören, Kinder zu erziehen, u. sie dafür einfach wachsen lassen?“[7]

Dahinter stecken romantisch-naturverbundene Vorstellungen, ein Kind entwickele sich (wie ein Tier?) von allein. Einfach wachsen lassen … nicht einmal pädagogische Anregun­gen und Förderungen sind vorgesehen. Man muss das Kind wohl nur satt und sauber halten. Das reicht. Damit kann man sich nicht einmal auf Rousseau berufen, der immerhin meinte, man müsse ein Kind „durch die Notwendigkeit der Dinge erziehen“.[8] Zur Notwendigkeit der Dinge zähle ich auch manches, was Kinder nicht mögen und noch nicht verstehen, wie z.B. Impfungen, Operationen, den Zahnarzt, aber natürlich nicht Beschneidungen oder Ohrstechen, auch nicht das forcierte Training für sportliche oder musikalische Höchstleistungen.

Schwierig wird’s mit den Themen 1. Behinderungen und 2. psychiatrische Diagnosen. Manche fassen diese Dinge ja auch als Auszeichnung auf.

Ad 1: Da wird die Tochter zur „Trägerin des Down-Syndroms“ stilisiert.[9] Ja, geht’s denn noch? Ich komme regelmäßig in eine Einrichtung für Menschen mit Behinderung und sehe was dort los ist: Überwiegend sympathische Menschen unterschiedlichen Alters, die mich teils mit großem HALLO begrüßen, manche reagieren auch gar nicht. Doch auch die Freundlichkeit hat mit den Einschränkungen, hat mit Distanzlosigkeit zu tun. Sie leben in einem Schonraum. Wer Inklusion fordert, ist ahnungs- oder herzlos.

Ad 2: Macht man sich auf die Suche nach Therapiemöglichkeiten für psychisch Kranke, wird man schnell entmutigt. Es gibt eben nur das, was sich auch rechnet. Angefangen von Medikamen­ten für seltene Krankheitsbilder[10] bis zur Findung einer erkennbar dafür fachkundigen Thera­peu­tin, die nicht nach Beginn der Therapie im ihr zustehenden Mutterschutz verschwindet. Die prinzipielle Austauschbarkeit behavioristischer Therapeuten hat auch ihre Vorteile, – doch auch diese sind ausgebucht. – Kommen aber geistige Behinderung und psychiatrische Erforder­nisse zusammen, wird man kaum jemand finden, der hinreichend sachkundig ist. Und wenn, dann beträgt die Wartezeit zuweilen zwei Jahre.

 

Wozu erziehen wir Kinder – wenn wir sie denn erziehen wollen?[11] Sie sollen lebensfähig gemacht werden für die Welt, in die sie hineinwachsen. Die hat sich gegenüber früher deutlich verändert. Aber immer sind es wirtschaftliche Notwendig­keiten, die über eine erfolgreiche Anpassung entscheiden, früher wie heute.

Entwicklung der Moderne am Beispiel der Lebensgemeinschaft… Hier ist viel Platz und Notwendigkeit für Systemkritik.[12]

Doch abgesehen von den Notwendigkeiten geschieht Erziehung auch unbemerkt. Die Formung der Persönlichkeit beginnt bereits während der Schwangerschaft. Das muss hier nicht näher ausgeführt werden; darüber wurde in der letzten Zeit viel publiziert, angefangen vom Speisezettel bis hin zum Musikgeschmack der werdenden Mutter. Einschneidender ist ihr Drogenkonsum. Die Tatsache, dass kaum noch Trisomiekinder geboren, weil sie abgetrieben werden, ist als Negativauswahl und damit Vorläufer des Designer-Babys[13] zu sehen. Da dürfte in absehbarer Zukunft die Auswahl schwierig werden für das Nobelpreis-Komitee und für die Miss-Germany-Wahl, an die Miss-World gar nicht zu denken.

Wie Kinder für unsere Gesellschaft passend gemacht werden, mit unserem Zutun aber ohne bewußtes Ziel, zeigen die Wissenssoziologen Berger und Luckmann an einem banalen Beispiel. Wie lernt ein Kind, dass es mit der Suppe nicht kleckern soll?[14] Ich weiß; manche Eltern meinen, ihr Kind dürfe, ja müsse mit allem rumschmieren – und machen sich zum Sklaven. Auch das ist Erziehung – aber keine gute. Doch man kann jedes andere Beispiel nehmen: Die Kinder ahmen nach, was man ihnen vorlebt, im Guten wie im Schlechten. Das wird erst mit der Pubertät anders – und diese Freiheit sollte im Erziehungsverständnis enthalten sein, was allerdings in fundamentalistischen Familen recht selten sein dürfte. Fundamentalismus hat viele Spielarten, nicht nur klassisch religiöse.

Selbstverständlich übernehmen unsere Kinder auch unser Wertesystem und unsere Weltan­schauung, sei sie liberal, sozial, konservativ, fromm, bigott – oder wie auch immer. Sie lernen an unserem Vorbild und wir freuen uns, wenn sie so werden wie wir. Das ist normal; so reproduziert sich Gesellschaft.

 

Die Spitze war, dass jemand dieser namhaften Twitterer[15] in meinem Profil gesehen hatte, dass ich – nicht nur, aber auch – Pfarrer bin. Eine gewisse Angie R.[16] twitterte:

„Kinder sollten überall auf der Welt geschützt werden von Religion, Politikern & Pädophilen“. Damit war alles klar und ich fand mich in illustrer Gesellschaft. Pfarrer sind wie Pädophile. Sie missbrauchen Kinder[17], wenn nicht körperlich, so doch seelisch mithilfe von Religion. Religion formt, sie deformiert das Kind, und das darf nicht sein. Wenn schon Religion, dann soll das Kind später selber entscheiden können, ob und wie religiös es sein will. Denn Religion ist Entscheidungssache wie der Kleiderkauf. Paßt der Islam zu mir, oder der Buddhismus, vielleicht Hindu oder Stammesreligion, wenn Islam, dann Sunna oder Schia, oder vielleicht doch das Christentum, aber welche Konfession? [18]Bei der unübersichtlichen Auswahl, lassen wir’s vielleicht doch lieber gleich ganz. – Ich vermute Zustimmung.

Zu dieser Naivität, fast hätte ich gesagt sancta simplicitas, gesellt sich seit einiger Zeit und besonders im Netz, eine Geisteshaltung, die ich nur als gruppenbezogene Menschenfeind­lichkeit auffassen kann.[19] Wurden Pfarrer früher eher als weltfern-fromme Naivlinge hingestellt, so begegnet uns im Netzdiskurs zudem eine zunehmende Feindseligkeit, die sich nicht nur auf die Rolle der Kirchen beschränkt, sondern Christentum und Religion allgemein ins Fadenkreuz nimmt. Die Diffamierung im genannten Tweed ist aber nicht weiter erstaunlich. Da sehr viele, wenn nicht die meisten Menschen, von Religion und Theologie wenig oder keine Ahnung haben, können sie nicht wissen, dass ein Theologiestudium eine gute Grundlage abgibt, ideologiekritisch zu werden, auch gegenüber der eigenen Weltanschauung.

So bastelt man naiv und munter seine eigene Ethik, völlig unbeleckt von der Spannung zwischen Gesinnung und Verantwortung: Es komme nicht auf den Erfolg einer Therapie an, sondern auf ihre Ethik. Es ist ja lobenswert, dass Ethik als nötig erachtet wird. Selbstverständlich rechtfertigt der Zweck nicht jedes Mittel. Wenn man aber erfolgreiche Alternativen hat, die ethisch besser sind, um so besser – doch nur dann.

[1] https://www.youtube.com/watch?v=SLBLnNxzftM

[2] „Applied Behavior Analysis“ (ABA), https://de.wikipedia.org/wiki/Applied_Behavior_Analysis Man beachte den Hinweis auf die Diskussionsseite

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Autismus Ich zitiere Wikipedia, von dort aus kann man weitersuchen.

[4] Gehirnwäsche https://de.wikipedia.org/wiki/Gehirnw%C3%A4sche

[5] Hier greife man auf ein Beispiel von programmierenden Erziehern zurück: https://de.wikipedia.org/wiki/In_den_F%C3%A4ngen_einer_Sekte

[6] Die scientologische Parallelwelt: https://dierkschaefer.wordpress.com/2013/09/02/gefangen-in-der-parallelwelt/

[7] Glory Illmore@_machtworte 18. Dez. 2014

[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Emile_oder_%C3%BCber_die_Erziehung

[9] Defizite darf man nicht sehen oder gar als solche ansprechen. Dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Ableism .

[10] Es geht nicht nur um Ökonomie. So werden für Kinder die Medikamente der Erwachsenen meist nur unter Berücksichtigung von Alter oder Körpergewicht angepasst, also off label angewendet, denn an Tests mit Kindern wagt man sich heute nicht mehr heran.

[11] »Hätten nicht die neuen Generationen unaufhörlich gegen die ererbte Tradition revoltiert, würden wir noch heute in Höhlen leben; wenn die Revolte gegen die ererbte Tradition einmal universell würde, werden wir uns wieder in den Höhlen befinden.« Leszek Kolakowski

[12] Empfohlen sei: Hubert Treiber/Heinz Steinert, Die Fabrikation des zuverlässigen Menschen – Über die „Wahlverwandtschaft“ von Kloster- und Fabrikdisziplin, München 1980, neu: Münster 20051

[13] Die Präimplantationsdiagnose und das Embryo-Screening könnten zu einer regelrechten sexuellen und genetischen Selektion führen (sog. Designer-Babys). Wenn Eltern in die Lage versetzt werden, bestimmte Eigenschaften ihrer künftigen Kinder auszuwählen, dann würden sie dies ausnutzen, um intelligentere, größere und schönere Kinder zu haben. : https://de.wikipedia.org/wiki/Francis_Fukuyama

[14] Die primäre Sozialisation bewirkt im Bewußtsein des Kindes eine pro­gressive Loslösung der Rollen und Einstellungen von speziellen Anderen und damit die Hinwendung zu Rollen und Einstellungen überhaupt. Für die Internalisierung von Normen bedeutet zum Beispiel der Über­gang von »Jetzt ist Mami böse auf mich« zu »Mami ist immer böse auf mich, wenn ich meine Suppe verschütte« einen Fortschritt. Wenn weitere signifikante Andere – Vater, Oma, große Schwester und so wei­ter – Mammis Abneigung gegen verschüttete Suppe teilen, wird die Gültigkeit der Norm subjektiv ausgeweitet. Der entscheidende Schritt wird getan, wenn das Kind erkennt, daß jedermann etwas gegen Sup­peverschütten hat. Dann wird die Norm zum »Man verschüttet Suppe nicht« verallgemeinert. »Man« ist dann man selbst als Glied einer All­gemeinheit, die im Prinzip das Ganze einer Gesellschaft umfaßt, soweit diese für das Kind signifikant ist. Das Abstraktum der Rollen und Ein­stellungen konkreter signifikanter Anderer ist für die Sozialpsychologie der generalisierte Andere9. Das Zustandekommen solcher Abstraktion im Bewußtsein bedeutet, daß das Kind sich jetzt nicht nur mit kon­kreten Anderen identifiziert, sondern mit einer Allgemeinheit der An­deren, das heißt mit einer Gesellschaft. Nur kraft dieser allgemeinen Identifikation gewinnt seine eigene Selbstidentifikation Festigkeit und Dauer. Es hat nun nicht nur eine Vis-à-vis-Identität diesem oder jenem signifikanten Anderen gegenüber, sondern überhaupt Identität, die es subjektiv als gleichbleibend erfährt, welchen anderen, signifikant oder nicht, es auch begegnet. Diese von nun an kohärente Identität vereinigt in sich all die verschiedenen internalisierten Rollen und Einstellungen – unter anderem auch die Selbstidentifizierung als jemand, der seine Suppe nicht verschüttet. Das erwachende Bewußtsein für den generalisierten Anderen markiert eine entscheidende Phase der Sozialisation. Sie bedeutet, daß die Gesell­schaft als Gesellschaft mit ihrer etablierten objektiven Wirklichkeit internalisiert und zugleich die eigene kohärente und dauerhafte Iden­tität subjektiv etabliert wird. Gesellschaft, Identität und Wirklichkeit sind subjektiv die Kristallisation eines einzigen Internalisierungsprozesses. Diese Kristallisation ergibt sich im Gleichschritt mit der Internalisierung von Sprache. Sprache ist aus Gründen, die nach unseren ein­schlägigen Erörterungen evident sein dürften, sowohl der wichtigste Inhalt als auch das wichtigste Instrument der Sozialisation. – aus: Peter L. Berger, Thomas Luckmann, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, Eine Theorie der Wissenssoziologie, in der Reihe: Conditio humana, Ergebnisse aus den Wissenschaften vom Menschen, Herausgegeben von Thure von Uexküll, Ilse Grubrich-Simitis, Frankfurt 19744

[15] Da gibt es ganz ehrenwerte Namen wie: Erdrandbewohner, Sandra M., Butterblumenland, Querdenkender, AleksanderKnauerhase, AnitaWorks, Phodopus Sungorus, Sternensucher, Aad Aspie, Robo, Martschl, Denise Linke, Fusselchen, Herr Bräsicke, Laura Gentile, Snowweird, die Buddy-Photos wie auch die Twitter-Adressen sind in hohem Grade aussagekräftig.

[16] Ihr Profil bei Twitter zeigt ein Ei auf grünem Hintergrund, die Angabe weiblich, NRW und ihre Tweed-Adresse: https://twitter.com/Libelle2000R . Dort kann man auch ihre sonstigen Beiträge sehen.

[17] Das lesen wir ja fast täglich in der Zeitung und die katholische Kirche darf man sogar ungestraft Kinderficker-Sekte nennen. http://www.vaticanista.info/2012/02/16/katholikenfeindliches-urteil-rechtskraftig/

[18] Ich bitte um Entschuldigung, dass ich nicht alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften aufgeführt habe, und gebe zu, dass dies Diskriminierung zugunsten der Mainstream-Religionen ist.

[19] https://de.wikipedia.org/wiki/Gruppenbezogene_Menschenfeindlichkeit

Alter ist kein Verdienst – hat aber den Vorteil, …

Posted in Geschichte, Gesellschaft, Kinderrechte, Kindeswohl, Pädagogik, Psychologie, Soziologie by dierkschaefer on 17. Januar 2016

… dass man manches schon kennt. So wird bei Twitter gerade diskutiert – soweit man im Twitterkorsett diskutieren kann – welche Art Erziehung für Kinder gut ist.

  • Sollen sie sich frei entwickeln können, ohne Lenkung, ohne Zwang. Sind die Erwachsenen störende, bevormundende Besserwisser?
  • Oder brauchen die Kids Anleitung, Vorgaben, Wissensvermittlung?

 

Die alten Fragen von laisser-faire und autoritär, von Gruppen- und Frontalunterricht, von Pädagogik und Reform-Pädagogik.

 

Wer etwas älter ist, seufzt mit Kohälet: Es gibt nichts Neues unter der Sonne (Altes Testament, Prediger, Kap. 1). (Natürlich gibt es auch Neues, wäre ja sonst langweilig).

 

Und so nimmt man ein Buch aus seiner Bibliothek: A.S. Neill, Summerhill, Erstauflage 1926, mein Exemplar von 1961, bei Penguin erschienen, inliegend Zeitungsartikel von dunnemals.

 

Zum Glück gibt es Neues: DAS NETZ. Ich stoße auf die Digitalversionen dieser Zeitungsartikel:

http://www.zeit.de/1994/10/theorie-und-praxis-der-antiautoritaeren-erziehung/komplettansicht und

http://www.zeit.de/1970/32/das-beispiel-summerhill/komplettansicht.

 

Der praxisnahe vernichtende Leserbrief hat den Weg ins Netz leider nicht gefunden.

Ich habe ihn eingescannt und gebe ihn hier unverändert wieder, allerdings ohne Namensnennung der Leserbriefschreiberin:

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Nicht einmal glückliche Straßenfeger

Hans     Krieger: ZEIT Nr. 32 „Das     Beispiel     Summerhill“

Meine Schwester und mein Bruder waren Schüler in Summerhill, ich habe selbst die Schule als „Außenseiterin“ besucht, als mein damaliger Verlobter dort Lehrer war.

S. Neill hat einmal gesagt: Besser ein glück­licher Straßenfeger als ein unglücklicher Akade­miker. Ich bin der Meinung, sein System kann nur Straßenfeger hervorbringen, und es bleibt frag­lich, ob sie glücklich sind. Wie der Schulinspektor sagte: „Es ist eine Leistung, eine Atmosphäre ge­schaffen zu haben, wo geistige Bildung gedeihen könnte — nur gedeiht sie nicht.“ Sie kann nicht gedeihen. Es ist unmöglich, in Summerhill etwas zu lernen, etwas zu werden, auch mit dem besten Willen nicht. Das Haus glich damals einer ab­genutzten Kaserne, alle Möbel waren zerhackt, zerschnitten, kaputt, die Wände schmutzig, überall verkratzt, die Bettwäsche zerrissen, der Lärm war nicht auszuhalten; es war keine Ord­nung, kein Programm, es gab keine genauen Mahlzeiten, alles war Chaos.

Mein Bruder und meine Schwester haben in drei Jahren nur das Reiten gelernt. Natürlich! Was könnte schöner sein für Kinder von 11 und 13 Jahren, als den ganzen Tag auf einem Pferd zu sitzen? Hätten sie aber doch was lernen wol­len, wäre es unmöglich gewesen. Es gab kein La­boratorium, die Lehrer waren meistens junge, unerfahrene Leute, die schlecht auf der Univer­sität abgeschnitten hatten und in keiner Schule untergekommen wären. Es wurde bewußt nichts für die dumme Kultur gemacht, keine Musik, keine Kunst. Die Kinder tobten nur.

Sie hatten die Freiheit —- jawohl! Eine Lehre­rin hat die Schule verlassen, nachdem die Kinder so frei waren, ihr Baby in der Badewanne er­tränken zu wollen. Warum auch nicht? Die Lehrer haben mir auch manchmal leid getan. Da saß z. B. ein Lehrer in einem Zimmer — und wartete auf Kunden. Plötzlich kommt ein Sechsjähriger, der auf einmal das Einmaleins lernen will, und gleich­zeitig ein Sechzehnjähriger, dem auf einer an­deren Schule schon etwas beigebracht worden war, und will sein Wissen fortsetzen . .. draußen Lärm. Wie sollte der Lehrer das alles vereinigen? Die Kinder lernen außerdem gar nicht etwas aus­zuhalten. Wenn es schwierig oder langweilig ist, rennen sie fort.

Meine Schwester war begabt, mit 17 Jahren hat sie einen Roman im Verlag von T. S. Eliot her­ausgegeben. Sie hat aber keinen Beruf gehabt, auch nicht viel weitergeschrieben, sie gab alles auf (drei Ehen) und ist der Trinksucht verfallen, starb jung an Leberzirrhose. Mein Bruder idem… nichts gelernt, immer Beschäftigung gewechselt, ist jetzt Hausmakler mit Besitz im Armenviertel von London, wo die Neger zu zehnt in einem Zimmer hocken. Ist das ein Ideal?

Sie hatten nichts gelernt, auch – das Lernen nicht. Als sie die Schule verlassen haben, war es zu spät.

Ich möchte noch auf ein Interview mit einer Amerikanerin aufmerksam machen, die auch von Summerhill weggelaufen ist (Observer, 9. 8. 70). Sie hat in vier Jahren nichts gelernt. Hat nachher ein Jahr gebraucht, um das Lernen zu lernen. Ist völlig vereinsamt, paßt nicht zur Jugend von heute. Hat kein Interesse an Politik: „Das hat keiner in Summerhill, Politik ist schmutzig, und die Summerhillianer sind alle so sauber“ (!!).

Summerhill hat den Kindern fürs Leben keinen Unterbau, keine Kraft gegeben. Ich will sagen: Das System von A. S. Neill hat viele Kinder ihrer Möglichkeiten, ihres „Potentials“ beraubt. Heute ist es vielleicht etwas besser (nach der Amerika­nerin aber doch nicht) — jetzt haben die Kinder wenigstens das Fernsehen und könnten was ler­nen!

S. Neill hat eine „rule“ eingeführt. Er glaubt, daß das Rauchen Lungenkrebs verursacht, so dürfen die Kinder nicht rauchen. Sonst ist alles erlaubt. Aber sind die anderen, erlaubten Lebens­weisen nicht genauso gefährlich, wenn auch nur moralisch und geistig? Ich möchte eine Liste haben und wissen, was aus den Kindern gewor­den ist, die durch die Hände von A. S. Neill gegangen sind. Ich wette, sie haben nicht besser abgeschnitten als andere Kinder, die nach anderen Systemen aufgezogen worden sind.

V.V. Mainz

Konzept zur gottwohlgefälligen Knabenerziehung

Posted in Kirche, Pädagogik, Psychologie, Religion, Soziologie, Theologie by dierkschaefer on 30. April 2014

»Gottwohlgefällig, das hieß: ein katholisch dogmenfester Glaube, die Unterwerfung unter den Führungsanspruch der Kirche und – ein sexualfeindliches Leben.«[1]

Das könnte manches erklären.

 

[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauch-in-der-kirche-zucht-und-orden-1.11571

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„Gehorsam, Disziplin, Arbeitsamkeit und Gottesfürchtigkeit waren die Erziehungsziele“

Posted in Gesellschaft, heimkinder, Kirche, Kriminalität, Menschenrechte by dierkschaefer on 15. November 2013

„Gehorsam, Disziplin, Arbeitsamkeit und Gottesfürchtigkeit waren die Erziehungsziele“, beschreibt Bahr.[1]

Bei den Nazis fehlte von diesen vier Tugenden nur die Gottesfürchtigkeit. Die hätte im Dritten Reich dem Gehorsam Grenzen setzen können. Vor und nach dem Dritten Reich war/wurde Gottesfürchtigkeit zum Zuchtmittel und der Respekt vor Gottes Geboten pervertiert.


So etwa stellen sich Religions- und Kirchenfeinde christliche Erziehung vor, …

Posted in Kinderrechte, Kirche, Pädagogik, Religion, Soziologie, Theologie by dierkschaefer on 16. April 2013

… und diese Art gibt es tatsächlich.

Ist aber nicht die Normalität.

 

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/2072128/

Die Illusion der Inklusion

Posted in Kinderrechte, Pädagogik, Politik by dierkschaefer on 3. April 2013

„Inklusion heißt: Schmetterlinge im Bauch“, so steht es, lesen wir, auf einem Plakat, das für Inklusion wirbt. Es zeigt ein hübsches Mädchen, das einen Jungen anlächelt. Der sitzt im Rollstuhl, das Mädchen nicht. Ein Reklameplakat. Doch zwischen Reklame und Realität liegen, wie wir wissen, oft Welten.

Was also ist Inklusion? »Inklusion heißt der Ansatz, behinderte und nicht behinderte Kinder zusammen zu unterrichten«.

Eine ähnliche Diskussion kennen wir, und sie ist noch nicht abgeschlossen. Dort geht es um die Gesamtschule oder zumindest um eine Gemeinschaftsschule bis zu Klasse 10, an die sich dann eine gymnasiale Oberstufe anschließen kann. Dahinter steht die Illusion, daß mehr Kinder zum Abitur geführt werden können, wenn man sie nicht bereits nach der vierten Klasse nach Leistungsstand und Prognose voneinander trennt und sie den klassischen drei Schultypen zuweist. Das führt zu heterogenen Lerngruppen, denen dann innerhalb einer Klasse Rechnung zu tragen ist, damit die lernschwachen wie die hochbegabten Schüler eine ihnen angemessene Förderung erhalten. Wer auf dies Problem hinweist, bekommt zur Antwort, daß die Lehrer eben in der Art einer Binnendifferenzierung darauf eingehen müssen. Das erfordert häufig eine dreifache Vorbereitung der Lehrer – die warten geradezu auf Lernverhältnisse, wie sie in zwei- oder gar einklassigen Volksschulen geherrscht haben. Doch wir haben hier eine ideologische Konfrontation zwischen rot-grün und schwarz-gelb, und angesichts der Popularität des Gedankens, Kinder seien Kinder und dürften nicht auseinanderdividiert werden, wird die CDU-Volkspartei nachgeben, letztlich zum Schaden nicht angemessen geförderter Kinder und unseres Wirtschaftsstandortes. Doch die nächsten Wahlen sind immer näher als die Zukunftsperspektiven.

Heftiger zeigen sich die Probleme bei der Inklusion. Der ausführliche Artikel von Dorit Kowitz[1] zeigt das Hauptproblem auf. Kinder sollen auf das Leben vorbereitet werden, und das Leben kennt keine Inklusion. Die Chancen von Kindern mit Behinderung werden durch die Inklusion, je nach Art der Behinderung nur sehr bedingt besser. Doch die Ideologen sehen Behinderung ausschließlich unter dem Aspekt, daß Menschen nicht behindert sind, sondern erst behindert werden.[2] Darin liegt die Illusion, koste sie, was sie wolle. Um die Finanzierung streitet man ohnehin noch und wird sie zulasten der für die Inklusion geforderten Qualität lösen. Wichtiger aber: Zulasten der Kinder, behindert oder nicht.

Der Junge im Rollstuhl wird mutmaßlich weniger Chancen bei der Bewerbung haben, als seine Klassenkameraden, sei es um den Arbeitsplatz, sei es bei der Partnerwahl. Er wird es wahrscheinlich aber schon wissen und den Traum, den Andere für ihn träumen, gar nicht erst mitträumen. Ich weiß leider, wovon ich spreche.

 

Egal, ob Gemeinschaftsschule oder Inklusion: Warum trainiert der VfB-Stuttgart eigentlich nicht mit dem Bad Boller Fußballverein?


[1] Dorit Kowitz, Behinderte Schüler: Wie viel anders ist normal? http://www.zeit.de/2013/13/Inklusion/komplettansicht