Dierk Schaefers Blog

„Aufrecht“ sterben – meine Fragen an den Gesundheitsminister

Posted in BRD, Deutschland, Ethik, Gesellschaft, Justiz, Kultur, Leben, Moral, News, Philosophie, Politik, Recht, Staat, Theologie, Tod by dierkschaefer on 1. April 2019

Er hat geantwortet, nicht er selbst, sondern „Im Auftrag Dr. Markus Riehl“. Das ist ok. Ich hatte eine Antwort erbeten, die vom Minister verantwortet wird und sie nun bekommen.

Der Tod ist ...

Hier ist zunächst die unveränderte Antwort aus dem Ministerium.

Morgen erscheint in diesem Blog meine Antwort. Ich will den Minister und sein Ministerium als erste per Mail informieren, bevor ich meine Antwort veröffentliche.

§§§§§§§§§§§

AW die Haltung des BMG

Sehr geehrter Herr Schäfer,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 19. Februar 2019 an Herrn Minister. Er hat mich gebeten, Ihnen zu antworten.

In Ihrer E-Mail  äußern Sie Ihr Unverständnis über die Bitte des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Anträge auf Erteilung von betäubungsmittelrechtlichen Erwerbserlaubnissen für eine tödlich wirkende Dosis eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung zu versagen.

Die Selbsttötung und die nicht geschäftsmäßige Beihilfe hierzu sind straffrei, was dem verfassungsmäßig verbürgten Selbstbestimmungsrecht entspricht. Das Selbstbestimmungs­recht des Patienten und der Patientin kann im Zusammenhang mit einer medizinischen Behandlung auch durch eine Patientenverfügung, eine Vorsorgevollmacht oder eine gesundheitliche Vorausplanung ausgeübt werden. Niemand darf gegen seinen Willen durch medizinische Maßnahmen am Leben erhalten werden.

Etwas anderes ist es aber, von einer staatlichen Stelle eine aktive Mithandlung für die Verschaffung des Selbsttötungsmittels zu verlangen.

Gerne möchte ich Ihnen die Haltung des BMG erläutern, nach der es nicht Aufgabe des Staates und der in seinen Behörden Beschäftigten sein kann, Selbsttötungshandlungen durch eine behördliche, verwaltungsaktmäßige Erteilung von Erlaubnissen zum Erwerb des konkreten Suizidmittels aktiv zu unterstützen. Der Staat darf sich nach Ansicht des BMG nicht an der Bewertung von menschlichem Leben beteiligen. Darauf liefe die Befassung des BfArM hinaus, bei der Staatsbedienstete bewerten und entscheiden müssten, ob menschliches Leiden unerträglich ist.

Die Erteilung einer Erwerbserlaubnis für Betäubungsmittel nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) zur Selbsttötung ist nicht mit dem Zweck des BtMG vereinbar, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.

Würde man die Regelung des § 5 Absatz 1 Nummer 6 BtMG dahingehend auslegen, dass der Erwerb eines Betäubungsmittels für eine Selbsttötung mit dem Zweck des Gesetzes, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, ausnahmsweise vereinbar sei, wenn sich der suizidwillige Erwerber wegen einer schweren und unheilbaren Erkrankung in einer extremen Notlage befinde, so würde dies bedeuten, dass die Beendigung des Lebens als therapeutischen Zwecken dienend angesehen würde. Eine Selbsttötung kann jedoch keine Therapie sein.

Eine solche Entscheidung wäre nicht zu vereinbaren mit den Grundwerten unserer Gesellschaft wie auch nicht mit den Grundwertungen des Deutschen Bundestages, auf denen die Neureglung des § 217 Strafgesetzbuch in der Fassung des Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung vom 3. Dezember 2015 beruht. Der parlamentarische Gesetzgeber hat sich ausdrücklich dagegen ausgesprochen, die Legitimität der Suizidassistenz an die Erfüllung materieller Kriterien – wie schweres und unerträgliches Leiden – zu knüpfen. Dies hat das BMG zu respektieren.

Auch wäre eine Erteilung von betäubungsmittelrechtlichen Erwerbserlaubnissen für eine letale Dosis eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung mit schwerwiegenden (verfassungs-) rechtlichen Fragestellungen verbunden, auf die der Verfassungsrechtler und ehemalige Bundesverfassungsrichter Prof. Dr. Dr. Di Fabio in einem im Auftrag des BfArM erstellten Rechtsgutachten hinweist.

Um die Versorgung von Menschen am Lebensende zu verbessern und Schmerzen zu lindern, hat der Gesetzgeber im Übrigen nach intensiven Diskussionen im Jahr 2015 zu Fragen der palliativen und hospizlichen Versorgung gesetzliche Regelungen beschlossen, mit denen diese Hilfen ausgebaut werden.

Der Lebensschutz wird in Bezug auf schwerkranke oder leidende Menschen unter anderem realisiert durch alle Maßnahmen, die im Rahmen der Gesundheitsversorgung und Pflege, der Hospiz- und Palliativversorgung sowie der Suizidprävention erfolgen. Das BMG wird sich nach Kräften dafür einsetzen, die Hilfen für Pflegebedürftige, Schwerstkranke und Menschen mit Sterbewunsch weiter auszubauen und zu verbessern.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag

Dr. Markus Riehl

Leiter des Referates 122– Betäubungsmittelrecht,

Betäubungsmittelverkehr,

Internationale Suchtstofffragen

Bundesministerium für Gesundheit

Rochusstraße 1, 53123 Bonn

Postanschrift: 53107 Bonn

Tel.: +49 (0)228 99441-0

Fax: +49 (0)228 99441-1742

122@bmg.bund.de

www.bundesgesundheitsministerium.de

www.twitter.com/BMG_Bund

www.facebook.com/BMG.Bund

§§§§§§§§§§§

Photo: Dierk Schäfer, https://www.flickr.com/photos/dierkschaefer/4117346923/

Leute, lobt mir die Nachkriegszeit, bald kommt wieder die Vorkriegszeit!

Posted in Geschichte, Gesellschaft, Politik, Wirtschaft by dierkschaefer on 2. März 2015

Sogar vom Tegernsee aus gesehen bringt dieser Artikel Geschichte und Gegenwart – vielleicht auch die baldige Zukunft auf eine plausible Reihe[1]. Immerhin ist dem Autor wenigstens »aus Gesprächen mit Kindern aus weniger begüterten Familien bewusst, dass ihre Jugend und das Leben ihrer Eltern deutlich weniger erbaulich waren. Nicht überall waren die Villen gross und die Gärten üppig, und auch die Blocks und Hochhäuser, die woanders gebaut wurden, mussten wohl Bewohner gehabt haben, die nicht neben dem See lebten. Und wer meint, es hätte damals mehr soziale Gerechtigkeit gegeben, den verweise ich gerne auf die bayerischen Übertrittszahlen zu den Gymnasien: Da wurde so lange und so brutal gesiebt, bis wirklich nur noch die Kinder der alten Akademiker und der Funktionselite übrig blieb. Der letzte Kalte Krieg und die damit verbundene Gesellschaft hatten auch ihre Schattenseiten und Opfer, und auch Profiteure in der Rüstungswirtschaft, Atomkraft und Infrastruktur, für deren krasse Fehlentscheidungen wir auch heute noch, im nächsten Kalten Krieg, zahlen müssen.«

Wer nicht zu den Begüterten oder Betuchten gehört hat, um Begriffe aus der Vor-vorkriegszeit zu benutzen, – oder war das noch einen Krieg zuvor? – wer also zu den Total- oder doch fühlbar Zukurz-Gekommenen gehört hat, sollte sich diese ironische Zeitanalyse nicht entgehen lassen. Es war nie alles Gold, was glänzte, doch im Glanz lebt(e) es sich angenehm(er). Wenn wir Pech haben, erleben wir den Zahltag noch, unsere Kinder bestimmt.

„Leute, lobt mir die Nachkriegszeit, bald kommt wieder die Vorkriegszeit!“[2]

[1] http://blogs.faz.net/stuetzen/2015/02/28/die-heisse-oma-und-der-neue-kalte-krieg-5018/ Montag, 2. März 2015

[2] Mir als Nachkriegskind hatte sich dieser saloppe Spruch im Kopf festgesetzt. Von wem er war, wusste ich nicht mehr. Doch Googeln macht schlau: http://www.tagesspiegel.de/kultur/vorkriegszeit/377600.html – Auch ein trefflicher Artikel.

Und wenn Sie mögen, schauen Sie auch noch hier nach: https://de.wikipedia.org/wiki/Nachkriegszeit_nach_dem_Zweiten_Weltkrieg_in_Deutschland , es lohnt sich.

Ev. Pfarrer im größten Bordell Thailands

Posted in Gesellschaft, Menschenrechte, Theologie by dierkschaefer on 18. Januar 2015

Die Stimme kannte ich. Mein Kollege war im Ruhestand nach Thailand gegangen, mit seiner Frau, und nun höre ich im Deutschlandfunk eine Reportage über seine Arbeit in Pattaya, dem „größten Puff“ von Thailand: „Gestrandete Rentner, Seelsorge für Deutsche im thailändischen Pattaya“, DLF, 18.01.2015, 11.30 h.

Solche Stellen werden von der EKD ausgeschrieben und ich frage mich, ob er wußte, dass es sich nicht nur um die übliche Kurseelsorge handelt. Knochenharte Sozialarbeit mit finanziell, körperlich und auch psychisch heruntergekommenen Dauer-Touristen, die dort alles günstig mitnehmen wollten: Sex, Alkohol, Speisen, gutes Wetter. Das alles auf Basis ihrer schmalen Rente, die irgendwann nicht mehr ausreicht und nicht einmal mehr Geld für den Heimflug vorhanden ist.

So wie ich meinen Kollegen in Erinnerung habe, macht er den Job nach bestem Wissen und Können und in christlicher Verantwortung. Das tun auch die katholischen Ordensangehörigen, die versuchen, die thailändischen Sexarbeiterinnen für ihren Job widerstandsfähig zu machen.

Chapeau, eine tolle Arbeit, bei der jedes Moralin kontraproduktiv wäre.

 

Beim Stichwort Moralin fiel mir ein Bericht eines Tagungsteilnehmers ein, auch aus Ostasien, hier war es Vietnam.

Als er in Vietnam eingesetzt wurde, erklärte ihm sein Vorgänger den Job und er „vermachte“ ihm seine „Wong“. Die Dame war sein Mädchen für wirklich alles. So übernahm er sie und beschäftigte sie entsprechend. Das war ein Verhältnis auf Zeit und doch so vertraut, dass sie ihn einmal mit in ihre Familie nahm. In eine solche Gegend hätte er sich nie allein hingetraut. So lernte er die Familie kennen und wußte nun, dass die bitter auf das Geld angewiesen war, das er seiner Wong zahlte. Als seine Dienstzeit um war, legte er die Frau seinem Nachfolger ans Herz.

Das wäre ein Stoff für eine Prüfungsarbeit in Ethik, auch für eine Genderstudie: War der Mann geradezu moralisch verpflichtet, die Frau zu übernehmen und „weiterzureichen“, mit allem Drum und Dran?

Schwangerschaft + täglich eine halbe Flasche Wodka + acht Dosen Starkbier – Warum auch nicht?

Posted in Justiz, Kinderrechte, Menschenrechte by dierkschaefer on 5. Dezember 2014

Ein Kind fragte: Warum bin ich behindert?Gott will dich prüfen, sagte der Pfarrer.

Mit solch gottlosen Antworten muß das siebenjährige schwerbehinderte Kind sich nicht abspeisen lassen. Es fragt besser seine Mutter. Die hat ohne Rücksicht auf ihr Kind gesoffen[1].

Die Mutter wußte, was sie tat. Doch das macht nichts. Nun haben wir – bzw. die Briten – das auch amtlich.

Keiner Straftat schuldig sei die Mutter. »Die juristische Kernfrage war letztlich, ob der Fötus unter britischem Recht als Person angesehen werden kann und muss – dann hätte die Mutter wegen der „rücksichtslosen Verabreichung einer giftigen Substanz“ verurteilt werden können.«[2]

 

Das ist die eine schlechte Nachricht – nicht nur für die Kommune aus dem Nordwesten Englands. Sie hatte die Mutter auf Schadensersatz verklagt.

 

Die andere schlechte Nachricht:

»Frauenrechtsgruppen reagierten erleichtert auf das Urteil, sie fürchteten eine generelle Kriminalisierung von werdenden Müttern, die Alkohol trinken. Die höchsten britischen Gerichte hätten das Recht anerkannt, „dass Frauen über ihre Schwangerschaften ihre eigenen Entscheidungen treffen“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der britischen Schwangerschaftsberatung und der Gruppe Birthrights (Geburtsrechte).«

 

Das dürfte auch bei manchen Gruppen in Deutschland positiv aufgenommen werden, die die Frauenrechte über die Kinderrechte stellen. Schließlich muß, wer abtreiben darf, auch schädigen dürfen. Der Bauch ist privat.

 

Ich möchte nicht in die falsche Ecke gestellt werden. Es gibt ethisch akzeptable Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch. Doch außer im Fall von Gefahr für Gesundheit und Leben der Mutter (Notwehr also) und im Fall von Vergewaltigungen sollte es in den meisten Fällen zumutbar sein, dass eine Frau ein Kind, das nicht ihr Kind werden soll, austrägt und zur Adoption frei gibt.

[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Fetales_Alkoholsyndrom

[2] Zitate aus http://www.tt.com/panorama/verbrechen/9346199-91/britisches-gericht-alkoholexzesse-bei-schwangerschaft-nicht-strafbar.csp

Fürchterliche Wissenschaftler

Posted in Kinderrechte, Pädagogik, Psychologie by dierkschaefer on 15. Juni 2014