Auftaktveranstaltung zum Gedenken an Opfer der „Euthanasie“ aus Mönchengladbach
Die Veranstaltung[1] war eindrucksvoll, weil Schüler in das Projekt eingebunden waren. So kann das Grauen der Vergangenheit eine positive Wirkung entfalten. Auch die Rede des Bürgermeisters Ulrich Elsen (SPD) hob sich wohltuend vom üblichen Betroffenheitsgestammel ab[2]. Ihm ist hoch anzurechnen, dass er auch das Schicksal der Kinder in den Behindertenheimen in der Nachkriegszeit ansprach. Uwe Werner hatte ihn darauf aufmerksam gemacht. Was er nicht sagte und verständlicherweise auch nicht sagen konnte, war die Beteiligung zweier Mitveranstalter[3] an den Verbrechen in den Kindern in den Heimen und Einrichtungen für Behinderte in den 50er Jahren und noch danach. Selbst wenn es nur ein Lippenbekenntnis gewesen wäre: Eine Pressemitteilung dieser beiden Mitveranstalter über ihre Verwicklung in Zeiten der Bundesrepublik wäre angebracht gewesen. Auch Schweigen kann Heuchelei sein.
[1] http://www.bz-mg.de/geschichtliches-historisches/gedenkveranstaltung-fur-opfer-der-euthanasie-in-monchengladbach-%E2%80%A2-schulergruppe-des-odenkirchener-gymnasiums-das-thema-euthanasie-auf-%E2%80%A2-eindrucksvol.html?show=gallery
[2] Die Rede wie auch die ganze Veranstaltung gibt es auf youtube: https://www.youtube.com/watch?v=CKCegAFwBXU#t=271 .Wer nicht alles sehen will: Ab der 20. Minute.
[3] Herr Werner hatte sie in einem Schreiben benannt: die Vinzentinerinnen und ihr St. Josefshaus in Hardt und die Stiftung Hephata. Einzusehen unter https://dierkschaefer.wordpress.com/2015/05/17/damit-es-keine-feigenblattveranstaltung-wird/
Damit es keine Feigenblattveranstaltung wird
Morgen, am Montag, 18. Mai will die Stadt Mönchengladbach ab 11.30 Uhr auf dem Alten Markt der Bürger zu gedenken, die zur Zeit des National-Sozialismus wegen ihrer Behinderung ermordet wurden. Das war schon Thema in diesem Blog[1].
Nun schreibt Uwe Werner selber ehemaliges Heimkind aus Mönchengladbach an die Sozialdezernetin und Schirmherrin der Veranstaltung. Rein prophylaktisch, damit es keine Feigenblattveranstaltung wird. Sein Schreiben bedarf keines weiteren Kommentars. Sollte seine Vorsichtsmaßnahme nichts bewirken, hat er hoffentlich andere Maßnahmen parat.
Hier sein Mail:
Sehr geehrte Frau Schall,
sehr geehrter Herr Elsen,
sie werden am kommenden Montag, als Sozialdezernetin und Schirmherrin und als
2. Bürgermeister der Stadt Mönchengladbach, die Gedenkreden zu der Veranstaltung:
„Gedenken an Behinderte, die von den Nazis getötet wurden“ auf dem Alter Markt
in Mönchengladbach halten.
Erinnerung wach halten-Zukunft bauen ist der Titel dieser Veranstaltung, welche ich
prinzipell, als ehemaliges Heimkind sehr begrüsse.
Jedoch habe ich mit Verwunderung feststellen müssen, dass zwar die Verbrechen in
der Nazizeit dokumentiert worden sind, jedoch die Zeit nach 1945, in den hiesigen
Einrichtungen, wie das St. Josefshaus in Hardt und die Stiftung Hephata, welche beide
die o.g. Veranstaltung mitgestalten werden, restlos ausgeklammert wird.
Im Rahmen der Aufarbeitung dieser Zeit nach 1945 bis weit in die 70er Jahre, konnte
nachgewiesen werden, dass diesen Heimbewohnern ebenfalls grosses unmenschliches
Leid zugefügt worden ist.
Es konnte festgestellt werden, dass die unmenschlichen Behandlungen an ehemaligen
Heimkindern, mit und ohne einer Behinderung, auch nach 1945 nahtlos übernommen
wurden.
Körperliche Züchtigungen, sexueller Missbrauch, Zwangsmedikamentierung, Essensentzug,
Demütigungen der übelsten Art, als auch Kinderarbeiten und Zwangsadoptierungen, um
nur einige wenige Greueltaten aufzuzählen, waren in diesen Anstalten, Heimen und
Einrichtungen an der Tagesordnung.
In ganz Deutschland (Ost und West), aber auch in Österreich, der Schweiz, Irland, USA und
Australien…., wurden ehemalige Heimkinder, Waisenkinder, Verdingkinder und Kinder
der damaligen Besatzungsmacht, geschändet, missbraucht, misshandelt und leiden
heute noch unter diesen traumatischen Misständen.
Ich spreche von hunderttausenden Kindern, an denen Medikamentenversuche vorgenommen
wurden, die der Euthanasie zum Opfer gefallen sind, oder später mit diesem Trauma nicht
weiterleben konnten und wollten und den Suizid, als Erlösung empfunden haben müssen.
Ich spreche von den Heimkindern, welche heute unter den gesundheitlichen Nachfolgeschäden
zu leiden haben, und von den Behörden (Jugendamt, Versorgungsamt, LVR, LWL, Jobcenter…)
im Stich gelassen werden, ja gezwungen werden, in ihren Anträgen sich erneut dem
Trauma zu stellen und öffentlich zu machen.
Ein Trauma, welches wir ein lebenlang mit uns herumgetragen haben, ohne je das Angebot
einer Trauma-Therapie, oder sonstige Gesundheitstherapien erhalten zu haben.
Selbst aktuelle Verschlimmerungsanträge, werden vom hiesigen Versorgungsamt abgelehnt,
obwohl auf die damaligen unmenschlichen Zustände in den Einrichtungen, bei Antragstellung,
hingewiesen wird.
Erneut müssen sie sich, einem unmenschlichen Antragsprocedere stellen, oftmals, um mitgeteilt
zu bekommen, dass der Antrag auf ein GdB Merkmal G abgelehnt wurde.
Vielen, ja abertausenden Naziopfern muss und soll gedacht werden, aber nicht um den Preis,
dass die Opfer des schlimmsten deutschen Nachkriegsverbrechen, im Gedenken und der
Aufarbeitung ausgeklammert werden.
Das würde den Naziopfern nicht gerecht werden und den heute noch lebenden Opfern schon erst
gar nicht.
Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie dies in Ihren Gedenkreden mit berücksichtigen würden.
Dabei helfen könnten Ihnen die folgenden LINKS anbei.
http://www.fonds-heimerziehung.de/
https://dierkschaefer.wordpress.com/2015/05/08/wer-zu-fruh-stirbt-den-bestraft-der-heimfond/
Dirk Schäfer ist ein evangelischer Theologe i.R. und die LINKS geben seine eigene Meinung wieder!
Mit freundlichen Grüssen,
Uwe Werner
Eine halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge
Dieses amerikanische Sprichwort fiel mir beim Spaziergang durch die Gartenanlage der Diakonie Kork ein[1]. Ein ästhetisch ansprechendes Denkmal erinnert an „113 Menschen, Erwachsene und Kinder“ die 1940 „unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft weggeholt und umgebracht [wurden], weil sie behindert waren“[2]. Dieses wird wohl korrekt dargestellt sein. Auf der Homepage der Einrichtung ist nichts darüber zu finden. „Unsere Einrichtung wurde im Jahr 1892 als „Heil- und Pflegeanstalt für epileptische Kinder“ gegründet. Entsprechend der begrenzten Möglichkeiten einer medikamentösen Beeinflussung von Anfällen stand über viele Jahrzehnte der Pflegeaspekt im Vordergrund“. Und dann geht es nahtlos über zu 1967: „Eine neue Ära begann 1967…“[3].
Aus der Ära davor stammt der Wandspruch Gott der Herr ist Sonne und Schild [4]. War er aber nicht für die Heim-Insassen. Die waren zwar Schutzbefohlene, und doch wurden sie damals nicht geschützt, sondern weggeholt, ins Gas oder zur Todesspritze. Wer sie wegholte, ist klar, aber warum wurden diese 113 Menschen, Erwachsene und Kinder, von niemandem geschützt?
Es geht hier nicht um Anklagen gegen die Generation, die in einer fürchterlichen Zeit lebte und den nötigen Mut nicht aufgebracht hat. Wir wissen nicht, ob wir mutiger gewesen wären. Aber: Warum gehen die heute Verantwortlichen der Einrichtung nicht mutiger mit dieser Geschichte um?
Wir bilden aus, wir bilden weiter, heißt es auf der Homepage. Eine „Evangelische Fachschule für Heilerziehungspflege“ ist Bestandteil der Diakonie Kork.[5] Wenn die Auszubildenden nicht erfahren, was der Anteil der Anstalt an der Verschleppung und Ermordung der anvertrauten hilflosen Personen ist, wie sollen sie dann ihre Verantwortung ermessen, die weiter gefaßt sein kann, als die jeweils aktuelle Gesetzeslage und die Machtverhältnisse es nahelegen?
„Wir lassen uns mahnen, das von Gott Gegebene zu achten, zu lieben und zu fördern, gerade wenn es schwach und krank ist“, steht auf der anderen Seite der Stele. Doch ein ansprechend gestaltetes Denkmal „klingt“ hohl, wenn die Schuldseite aus der Vergangenheit schamhaft verschwiegen wird.
»Wäre ich damals unter die Euthanasie gefallen, dann wäre mir vieles erspart geblieben«.
»Ich habe lange in der Diktatur-Höllenquall-zulange gelebt. Zum Schluss wurde mir gesagt Behindertenhilfe-sind vom Fonds aus geschlossen, ich sollte mir keine Hoffnung machen. Wegen der fehlende Rente gehe ich noch Arbeiten«.
Aus einer Mail eines ehemaliges Heimkindes.
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