Glaubwürdigkeit! … aber wenigstens Professionalität
Sehr geehrter Herr …
Für Ihr freundliches Scheiben vom 18. Dezember möchte ich mich herzlich bedanken.
Mit meiner Antwort hatte ich gezögert, um zunächst den Zwischenbericht des Runden Tisches und die weitere Entwicklung abzuwarten. (In meinem Blog habe ich dazu Stellung bezogen.)
Seitdem ist viel geschehen, insbesondere das Bekanntwerden von immer mehr Mißbräuchen; die katholische Kirche ist von diesem „Tsunami“ überrollt worden, obwohl Mißbräuche ja auch in anderen Einrichtungen passiert sind, in denen Kinder und Jugendliche eng mit Erwachsenen zusammenleben. Die katholische Kirche geht leider mit diesem Thema weder glaubwürdig noch professionell um, und dies hat Auswirkungen auf das Ansehen „der Kirche“ ganz generell in der Öffentlichkeit.
Leider ist mit dem Rücktritt von Frau Käßmann die – wie ich es wahrnehme – einzige prominente Person auf evangelischer Seite aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwunden, die Glaubwürdigkeit verkörperte, nicht zuletzt weil sie auch von Entschädigung sprach.
Der beständige Verweis, man möge die Ergebnisse des Runden Tisches abwarten, wird von wohl den meisten ehemaligen Heimkindern als Verzögerungsmanöver wahrgenommen mit Spekulation auf die biologische Lösung.
Nun lese ich heute in der Zeitung über den neuen Runden Tisch, für den die Familienministerin Kristina Schröder Einladungen verschickt hat:
»Der Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Prälat Bernhard Felmberg, sagte, die evangelische Kirche habe bereits zugesagt. Allerdings sei es „wesentliche Voraussetzung“ für die Zusage gewesen, dass es bei dem Runden Tisch nur um Fragen der Prävention gehe.« (FAZ, Freitag, 12. März 2010).
Wundert es Sie, sehr geehrter Herr …, wenn nun der Eindruck „Die wollen einfach nicht zahlen!“ verstärkt wird, dazu der Haß vieler ehemaliger Heimkinder auf die Kirche und ihre diversen Einrichtungen? Mich wundert es nicht.
Was ich von meiner Kirche vermisse, sind Glaubwürdigkeit, und wenn die schon nicht zu haben ist, wenigstens Professionalität im Umgang mit Versagen.
Leider ist mein Bußaufruf, der vor den neuesten Beschuldigungen veröffentlicht wurde, nun weitgehend obsolet geworden. Das Kirchen-Bashing ist auf breiter Front angelaufen.
Auch Entschädigungszahlungen dürften wohl kaum noch als ehrliches Schuldeingeständnis aufgefaßt werden, sondern als gerechte Strafe.
Schade, mein Bußaufruf war ein Angebot an die Kirchen, in Demut aber aufrecht diese Angelegenheit zu beenden, damit der Aktionsraum für die Zukunft offen bleibt.
Mit freundlichem Gruß
Dierk Schäfer
PS: Diesen Brief werde ich ohne Ihren Namen zu nennen auch in meinem Blog veröffentlichen.
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