Dierk Schaefers Blog

Kinderrechte sollen ins Grundgesetz

Ja, aber ich glaub’s erst, wenn sie drin sind. Beurteilen kann man sie erst, wenn man sie sich kritisch anschaut: 1. Welche Kinderrechte kommen ins Grundgesetz? 2. Welche Chancen haben ihre Umsetzung in Politik, Justiz und Verwaltung? Es wird also noch dauern.

Als jahrelanger Beobachter der Situation kann ich nur gequält schmunzeln über den Fortschritt, der bekanntlich eine Schnecke ist – und ob’s ein Fortschritt wird, sehen wir erst später.[1]

Nun endlich nimmt sich die Politik auf höherer Ebene (Koalitionsvertrag) des Themas an. Eine Zusammenfassung gab es gestern in der Sendung „Hintergrund“ des Deutschlandfunks. Man lese nach![2]

Ob es zu einer 2/3-Mehrheit im Bundestag reichen wird, halte ich für fraglich, denn – wie üblich – werden die Kinder nicht nach ihren wohlverstandenen Interessen gefragt, sondern die Vertreter der Interessen anderer:

  • Elternverbände
  • Männervereinigungen
  • Frauenvereinigungen
  • Kirchen
  • Parteien
  • Sozial- bzw. Jugendhilfeträger

und am wichtigsten:

  • die Länder und ihre Kommunen

Die Liste ist wohl nicht vollständig, so habe ich z.B. die Rechtsdogmatiker nicht erwähnt.

Wenn einer Personengruppe, die bisher nur im Paket „Familie“ mitgemeint war, eigene Rechte eingeräumt werden sollen, schmälert das die Rechte und den Einfluss anderer – oder deren Finanzen. Diese anderen werden alle Möglichkeiten nutzen, um ihren Besitzstand zu wahren.

Die Eltern und ihre Verbände werden auf das Elternrecht pochen und darauf verweisen, dass für deren Missbrauch der Staat ein Wächteramt habe. Es ist ja auch richtig, dass der Staat nicht ohne Anlass, also willkürlich/ideologisch in die Familien hineinregieren soll. Autoritäre Staaten in Vergangenheit und Gegenwart sind ein abschreckendes Beispiel, die Hilflosigkeit von Kindern in unserem System in bekanntgewordenen Extremfällen allerdings auch. Es wird also darum gehen müssen, Elternrechte gegen die wohlverstandenen Interessen des Kindes abzuwägen und passende Maßnahme durchzusetzen, wobei unbedingt die Meinung der Kinder erfragt werden muss. Richter sind oft dieser Aufgabe nicht gewachsen. Das sollte also eine unabhängige Fachkraft tun, die den Kindern ihre Entscheidungsmög­lich­keiten und auch die Folgen freundlich vor Augen führt. Das bedeutet: qualifizierte Einzelarbeit, die ist teuer. Sind uns die Kinder das wert? Wer soll das bezahlen?

Fragen in Zusammenhang mit Inobhutnahme sind besonders schwierig. Kinder sind zuweilen hinundhergerissen zwischen der Liebe zu ihren Eltern, selbst wenn diese drogenabhängig sind [Parentifizierung] oder sie gar mißhandeln einerseits und andererseits ihren wohlverstandenen Interessen. Hier ist sehr viel Einfühlungsvermögen vonnöten, um den Kindern die Last der Verantwortung und die Schuldgefühle abzunehmen. Zu beachten ist der Zeitfaktor bei einer Unterbringung in einer Pflegefamilie. Oft ist hier eine Bindung entstanden, die stärker ist als manche Vorstellung von Blutsverwandtschaft. Die Vorstellung, dass soziale Elternschaft wichtiger ist als leibliche, ist vielen Menschen fremd. Sie denken nicht daran, dass es Aufgabe jeder Elternschaft ist, eine soziale zu werden.

Kinder bei Trennung und Scheidung sind dann besonders schlecht dran, wenn der Partner­schafts­krieg auf dem Rücken der Kinder ausgefochten wird. Im Hintergrund machen sich Männervereinigungen und Frauenvereinigungen stark. Auch sie folgen zumeist biologischen Denkmustern. Ein Kind gehört zur Mutter/zum Vater oder es hat Anrecht auf beide. Alles ist verheerend für Kinder, wenn die Eltern für das Kind nicht in erster Linie Eltern sein wollen – und es auch können. Zurzeit versuchen – vornehmlich – Männer, die oft unhaltbaren Ent­scheidungen der Familiengerichte auszuhebeln durch ein im Regelfall verpflichtendes Dop­pelresidenzmodell. Ob diese Aufteilung der Kinder von Fall zu Fall von den Kindern gewünscht wird und ob es für sie praktikabel ist, diese Frage interessiert nicht. Es kann und sollte in solchen Fällen immer darum gehen, im Einvernehmen mit den Kindern – möglichst auch mit den Eltern – eine kindgerechte, alltagstaugliche Lösung zu finden, die nach Kindes­bedarf Flexibilität ermöglicht und auf Wunsch des Kindes auch wieder neu verhandelbar ist. Auch hier ist die Beratung und Begleitung von ideologisch unabhängigen Fachpersonal nötig. Mit der psychologisch-pädagogischen Fachkompetenz der Richter wird man wohl auch zukünftig nicht rechnen können.

Die Kirchen und andere Religionsverbände werden das Elternrecht in dem Sinne verteidigen wollen, dass diese das Recht auf religiöse Erziehung bis zur Religionsmündigkeit behalten sollten. Das ist problematischer als es aussieht. Denn es beinhaltet das Recht auf Beschnei­dung minderjähriger Jungen, was eindeutig dem Kinderrecht auf Unversehrtheit entgegen­steht. Von dort ausgehend machen manche Agitatoren auch Front gegen die Kindertaufe; ein Kind solle unbehelligt von jedweder Religion aufwachsen, bis es sich selber entscheiden kann. Das ist völlig lebensfremd.[3]

Die Parteien sind, wie der Rundfunkbeitrag zeigt, unterschiedlicher Meinung.[4] Nach meiner Einschätzung haben alle kein besonderes Interesse an Kindern, sondern nur an ihren Wähler­gruppen. Das ist systembedingt. Sie werden jeden Entwurf für Kinderrechte im GG in ihrem Interesse beeinflussen, verwässern und Hintertürchen aufhalten[5]. Gummiparagraph.jpgAlso brauchen wir nicht nur die Kinderrechte im GG, sondern auch Wahlrecht für Kinder, das zunächst wohl eine Art Familienwahlrecht wäre bis die Kinder eigene politische Vorstellungen haben. Dann, aber erst dann würden die Parteien Familien und Kinder umwerben und ihnen die Aufmerk­samkeit geben, die ihnen gebührt.

Ein schwieriges Kapitel sind die Sozial- bzw. Jugendhilfeträger, denn die Rechte dieser Lobby sind festgezurrt. Ich habe es in einem Beitrag hier im Blog dargestellt.[6]

Am übelsten jedoch ist die Lobby der Länder und ihrer Kommunen, denn die sind – wie die Elternrechte – schon im Grundgesetz verankert und sie wollen nicht zahlen. Darum hinter­treiben sie seit Jahrzehnten alle kostenträchtigen Gesetze, auch die, die für das Kindeswohl förderlich sind. Und sie achten auf ihre Hoheit. Besonders sie also sind der Hauptgegner, wenn es um die Umsetzung von Kinderrechten im Grundgesetz geht.

Das sind die Neben­wirkungen des Föderalismus; wir kennen sie aus verschiedenen Bereichen. Ich nenne nur die Schulpolitik und mag gar nicht weiter darauf eingehen. Auch die Pflegeschlüssel sind von Land zu Land unterschiedlich. Ist doch logisch, dass der Pflegebedarf in Bayern ein anderer ist als in Meck-Pomm.

Fußnoten

[1] Einen Katalog von Defiziten und Forderungen habe ich schon in meiner Tagungsreihe Kinderkram publiziert und später, 2011 in meinen Blog gestellt:Dierk Schäfer, Für eine neue Politik in Kinder- und Jugendlichen-Angelegenheiten https://dierkschaefer.files.wordpress.com/2011/10/fc3bcr-eine-neue-politik.pdf

[2] http://www.deutschlandfunk.de/nach-jahrzehntelanger-debatte-kinderrechte-sollen-ins.724.de.html?dram:article_id=416242 Sonntag, 22. April 2018

[3] Dierk Schäfer, Die Zurichtung des Menschen – auch ohne Religion https://dierkschaefer.wordpress.com/2018/04/18/die-zurichtung-des-menschen-auch-ohne-religion/

[4] http://www.deutschlandfunk.de/nach-jahrzehntelanger-debatte-kinderrechte-sollen-ins.724.de.html?dram:article_id=416242

[5] „Also, Herr Referent, der Gummizug ist schon ganz nett, vergessen Sie aber nicht die Verwässerungsanlage und das Hintertürchen.“ Fund: Archiv Dierk Schäfer

[6] Dierk Schäfer, Die Zahnlosigkeit der Gesetze zum Recht von Schutzbefohlen, 24. Juni 2015, https://dierkschaefer.wordpress.com/2015/06/24/die-zahnlosigkeit-der-gesetze-zum-recht-von-schutzbefohlen/

Leben und Arbeit im Strafvollzug

Es geht hier nicht um Sicherheitsverwahrung, sondern um den normalen Knast (Justizvollzug). Der Artikel besteht aus lauter Zitaten, die Quelle ist jeweils darunter angegeben.

 

Arbeit im Strafvollzug sollte daher vergleichbar derjenigen in Freiheit vergütet werden; ebenso war die umfassende Einbeziehung arbeitender Häftlinge in die Sozialversicherung vorgesehen. Diese Kernstücke des Reformkonzepts sind allerdings bis heute nicht umgesetzt. Noch immer gilt für Strafgefangenenarbeit im Regelfall eine Lohnhöhe, die der früher üblichen geringfügigen „Belohnung“ für erbrachte Arbeit entspricht; die in § 200 Abs. 2 StVollzG angekündigte Erhöhung des Entgeltniveaus hat bislang nicht stattgefunden. Desgleichen ist die Aufnahme arbeitender Gefangener in die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung (vgl. § 198 Abs. 3 StVollzG) bisher nicht in Kraft gesetzt worden. http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/1998/bvg98-015.html Mittwoch, 21. Februar 2018 moabit

Gefangene, die sogenannte Sittlichkeitsdelikte begangen haben, werden abfällig „Sittiche“ genannt – sie gelten bei den Mitgefangenen als Abschaum. … „Was ist?“, fragt der Häftling. „Bist du taub? Oder ein Kinderficker?“ „Nein“, sagt Karl. „Es ging nur um Bilder, einen Link und eine Website.“ Im Dienstzimmer hören die Beamten Schreie. Sie eilen heran. „Hier ist ein Kifi“, ruft einer der Häftlinge in den Flur. „Kinderficker!“ Die Beamten zerren Karl heraus, noch bevor etwas passieren kann. Mein Aufenthalt in der Zugangszelle hat keine zehn Minuten gedauert, denkt Karl, von Armen umfasst, vermutlich eine Art Rekord.

„Es sind noch andere mit Ihrem Delikt hier“, sagt der Beamte ernst, während sie Karl in eine andere Zelle bringen. „Diese Leute leben auch unerkannt. Also: Ruhig bleiben! Wenn etwas ist, drücken Sie den roten Knopf.“ https://correctiv.org/recherchen/justiz/artikel/2017/08/16/folge-1-die-ohnmacht-des-anfangs/

Ganz unten in der Gefängnishierarchie stehen die Pädophilen und Sexualstraftäter sowie die Verräter, die ausgesagt oder jemanden im Knast angeschwärzt haben. Drogensüchtige gelten als schwach. Als Nächstes kommen kleinere Diebe, einfache Einbrecher, Klein-Dealer. Danach folgen die schweren und gefährlichen Körperverletzungsdelikte und versuchte Tötungen. Ausnahmen bilden die „unehrenhaften“ Täter. Das sind Leute, die zum Beispiel Kinder, Frauen oder alte Leute überfallen oder sogar getötet haben. Wessen Opfer wehrlos war und nicht auf Augenhöhe, der ist unten durch. Als Nächstes: größere Dealer, erfolgreiche Einbrecher, Insider wie Anabolikahändler, Drogenmischer und gut vernetzte Leute wie Emil. Solche Typen werden auch systematisch von Gruppen im Gefängnis angesprochen und rekrutiert – auch für die Zeit danach. Darüber stehen die Koryphäen. Das sind Leute, die spektakuläre Dinger gedreht haben, von denen jeder im Gefängnis schon weiß – zum Beispiel aus der Zeitung oder noch besser: aus dem Privatfernsehen. Viele träumen heimlich, brillant wie diese Koryphäen zu sein. Sie sind die Posterboys im Gefängnisalltag. Zu diesen Prominenten zählen Häftlinge wie Uli Hoeneß, als er noch saß. Das Gefängnis ist so offen für Klatsch wie das „Goldene Blatt“. Ganz oben stehen die Bosse; die Dienstältesten auf dem Flur oder die Ältesten einer Bande.

Und dann gibt es noch Insassen, bei denen alle ein mulmiges Gefühl kriegen: Sadistische Killer und – vor allem – Kannibalen. Von ihnen hält man sich fern. https://correctiv.org/recherchen/justiz/artikel/2017/08/17/folge-2-die-geheime-macht/

Auch Frauenbesuch ist im Gefängnis streng reglementiert. In fast jedem Haftraum hängen dafür die Pin-up-Girls, die Becken seitlich vorgeschoben, eine Hand hinter dem Kopf. Unerreichbar. Zum Freiheitsentzug gehört auch der Entzug der sexuellen Selbstbestimmung. Außer Wichsen ist nichts mehr. Pornos sind verboten und werden, wenn sie gefunden werden, sanktioniert und konfisziert. …  „Es gibt viele Frauen, die lernen Häftlinge über Kontaktportale kennen“, sagt ein Anstaltsleiter. „Diese Frauen haben ein Samaritersyndrom und wollen Menschen retten; das ist vielleicht romantisch für die, mit einem Knacki und so. … Die Angehörigen sind immer miteingesperrt. Vor dem Besuch werden sie durchsucht, hören sich vom Personal einen flapsigen Spruch über das Piercing an, werden in den großen Raum geführt, in dem niemand unter sich ist und der mit Kameras überwacht wird. Dort sitzen sie dann – mit Gruppen anderer Familien zusammen –, während Beamte durch eine Scheibe blicken. In den Arm nehmen: wird manchmal untersagt. Küssen: wird manchmal untersagt. Niemand kann schlüssig sagen, warum. … Um intim zu werden, aber auch um Zeit mit der Familie zu verbringen, dafür gibt es im Gefängnis die Langzeitbesuche. Sie dauern länger als die üblichen etwa anderthalb oder zwei Stunden und finden in einem extra Raum statt. Er ist nicht überwacht. … Manche JVAs haben extra „Kinder-Besuche“. Häftlinge sollen möglichst oft Kontakt zu ihrem Nachwuchs aufnehmen, daher fallen diese Besuche nicht in das sonst streng reglementierte Besuchskontingent. Aber manche Häftlinge beantragen sie, sagte eine Anstaltsleiterin, geben den Kindern kurz einen Kuss und setzen sie dann anderthalb Stunden auf den Fußboden, weil sie nur „mit ihrer Frau reden wollen“. https://correctiv.org/recherchen/justiz/artikel/2017/08/18/liebe-unter-generalverdacht/

Als er nach dem ersten Arztbesuch in die Zelle gebracht wurde, hatte er abends den Notruf ausprobiert: „Ich dachte: Was mache ich, wenn ich hier einen Herzanfall kriege?“, sagt er. Fast 40 Minuten habe er warten müssen, ehe sich eine Stimme in der Gegensprechanlage meldete und fragte, ob alles in Ordnung sei. „Da habe ich Panik gekriegt. Und ich wusste: Im Notfall hilft nur Schreien und gegen die Tür schlagen, bis die Mithäftlinge dich hören.“ … Einige Bundesländer verhängen Sicherheitsstufen – andere distanzieren sich von diesem Konzept mit der Begründung, es sei unterkomplex und werde den individuellen Lebensläufen nicht gerecht. Eine Einschätzung treffen alle. Die Kriterien: War oder ist der Gefangene Mitglied der organisierten Kriminalität und damit einer Gruppe, die versuchen könnte, ihn zu befreien? Welche Straftat hat er begangen? Ist er gefährlich für Mithäftlinge oder Beamte? Besteht Fluchtgefahr?

  • Stufe 4 offener Vollzug (Freigang und Wohnen außerhalb der Mauern)
  • Stufe 3 normaler geschlossener Vollzug
  • Stufe 2 geschlossener Vollzug mit erhöhten Sicherheitsvorkehrungen
  • Stufe 1 Hochsicherheitsstation

https://correctiv.org/recherchen/justiz/artikel/2017/08/19/folge-4-wartezimmer-hinter-gittern/

Die aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung im anstaltseigenen Betrieb ausgeübte Beschäftigung löst lediglich Versicherungspflicht zur Arbeitslosenversicherung aus. Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung kommt nicht zum Zuge. https://www.haufe.de/personal/personal-office-premium/strafgefangener-sozialversicherung_idesk_PI10413_HI727335.html Mittwoch, 21. Februar 2018

Merkblatt über die Sozialversicherung und die Arbeitslosenversicherung der Gefangenen (Stand: 01.04.2014)

Renten-, Kranken-und Pflegeversicherung

Die Gefangenen unterliegen nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken-und Pflegeversicherung. Die Zeit während des Vollzuges einer Freiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung gilt für die Rentenversicherung nicht als Ersatz- oder Anrechnungszeit. Die Vollzugsbehörde entrichtet für die Gefangenen, auch wenn sie einer gesetzlichen Arbeitspflicht genügen, keine Beiträge zur Renten-, Kranken-und Pflegeversicherung. Für eine Aufrechterhaltung der Versicherungen sind die Gefangenen selbst verantwortlich; der Anstaltsleiter kann gestatten, dass hierfür auch das Überbrückungsgeld in Anspruch genommen wird. http://www.justiz.nrw.de/Bibliothek/jvv_db/jvv_pdf/Abt_IV/4524_20140410.pdf Mittwoch, 21. Februar 2018

Nach mehr als fünfjähriger Vorarbeit trat zum 1. Januar 1977 das „Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung – Strafvollzugsgesetz (StVollzG)“ in Kraft. Damit gab es in Deutschland zum ersten Mal überhaupt eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage für den Strafvollzug. Unter der Überschrift „Sozial- und Arbeitslosenversicherung“ war in den Paragrafen 190 bis 193 auch die Sozialversicherung der Gefangenen umfassend und detailliert geregelt. Die Sache hatte nur einen Schönheitsfehler: In § 198 Abs. 3 des gleichen Gesetzes war festgelegt, dass die Paragrafen 190 bis 193 erst durch ein noch zu erlassendes eigenes Bundesgesetz in Kraft gesetzt werden müssen. Doch dieses Gesetz hat es nie gegeben. Kostenbedenken der Bundesländer haben das bisher verhindert. So wartet die Klientel „Strafgefangene“ seit nunmehr 37 Jahren darauf, für ihre Arbeit in der Haft ähnlich sozial abgesichert zu werden wie Arbeitnehmer(in­nen) in Freiheit. Dies ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit. Langjährig Inhaftierte sind im Alter wegen der fehlenden Beitragsjahre häufig auf die Grundsicherung verwiesen, obwohl sie viele Jahre gearbeitet haben. Sie tragen ein hohes Armutsrisiko. Die fehlende Krankenversicherung kann für mitversicherte Angehörige zum Problem werden. Auch bleibt die Gesundheitsversorgung im Strafvollzug hinter dem Standard für die Allgemeinbevölkerung zurück. Fraglich ist, ob die eingesparten Beiträge nicht von der Gesellschaft an anderer Stelle teuer bezahlt werden müssen. https://www.caritas.de/neue-caritas/heftarchiv/jahrgang2014/artikel/arbeitnehmer-zweiter-klasse Mittwoch, 21. Februar 2018

Strafgefangene, die nicht Freigänger mit freiem Beschäftigungsverhältnis sind, sind nicht krankenversichert. Die Gefangenen selbst werden im Gefängnis zwar ärztlich versorgt, doch fällt für die Angehörigen die Familienversicherung während der Zeit der Inhaftierung weg. Die Familienangehörigen müssen sich dann selbst um ihre Krankenversicherung kümmern. Beiträge zur Rentenversicherung werden nicht gezahlt. Die Jahre der Inhaftierung fehlen (trotz geleisteter Arbeit) für den Rentenanspruch. https://www.knast.net/article/sozialversicherung_der_gefangenen Mittwoch, 21. Februar 2018

Aktionstage Gefängnis 2017: Sozialversicherung für Strafgefangene

In dieser Woche starteten die Aktionstage Gefängnis. 2017 ist das erste Jahr, in dem Wohlfahrtsverbände und andere Organisationen auch in Deutschland auf die Situation von Strafgefangenen aufmerksam machen. Vor allem die fehlende Sozialversicherung wird thematisiert. https://www.transparent-beraten.de/2017/11/10/22162/aktionstage-gefaengnis-2017-sozialversicherung-fuer-strafgefangene/ Mittwoch, 21. Februar 2018

 

»Dem BR liegen Unterlagen vor, wonach die Minderjährigen immer wieder, zum Teil mehr­mals täglich und mitunter sogar über Nacht eingeschlossen wurden.«

Posted in heimkinder, Kinder, Kinderheime, Kinderrechte, Kindeswohl, Recht, Uncategorized by dierkschaefer on 6. August 2016

»Das Ministerium gab zu diesem Zeitpunkt in einer Antwort gegenüber dem Bayerischen Land­tag explizit an, dass Kinder oder Jugendliche mit Behinderung nicht eingesperrt würden. Diesen Satz nahm die Ministerin nach der Berichterstattung des BR zurück und zog die politische Notbremse.«[1]

Das war wohl auch nötig. Bayerns Sozialministerin »Emilia Müller schlägt nun von sich aus erstmals vor, sich dafür einzusetzen, dass künftig ein richterlicher Beschluss vorliegen muss, um freiheitsbeschränkende Maßnahmen bei geistig behinderten Kindern anzuwenden. Zum Verständnis: Bei Erwachsenen ist das bereits so. Bei Kindern dagegen reicht die Einverständ­niserklärung der Eltern. Die oft unter Druck erfolgt: Keine Unterschrift, kein Heimplatz – diese Formel haben wir während der Recherchen immer wieder gehört.«

 

Aus dem Süden in den Norden: Dort soll es besser geworden sein.[2] Aus der Meldung erfährt man aber manches genauer, was bisher eher im Verborgenen lag.

So gibt es noch keine Schulpflicht für Kinder, die nicht aus Schleswig-Holstein in die Heime gekommen sind. Dazu braucht man anscheinend eine Gesetzesänderung. Warum es diesen merkwürdigen rechtsfreien Raum überhaupt erst gab, weiß ich nicht. Auch »sollte der Kontakt zwischen entsendenden Jugendämtern aus anderen Ländern und den ört­lichen Jugendämtern im Norden deutlich verbessert werden.« Diese Zuständigkeitslücke hat Alexander aus dem Landkreis Waiblingen das Leben gekostet – er verhungerte bei seinen Pflegeeltern – beide übrigens Sozialpädagogen. Die „CDU-Sozialexpertin Rathje-Hoffmann“ »regte Kooperationsverträge an, um die örtlichen Jugendämter in der Nähe von Einrichtungen auch für die Betreuung zuständig zu machen. Bisher sind das die entsen­denden Jugendämter, die sich aus der Ferne aber oft nur wenig kümmern.«

Und nun Parteipolitik mit Kindern:

»Als unhaltbare Ausrede wertete sie [Rathje-Hoffmann] Alheits [Sozialministerin] Darstellung, eine schärfere Heimaufsicht ließen die bundesgesetzlichen Regelungen nicht zu. „Seit der Einsetzung des PUA widerlegt sie (Alheit) es – mit dem eigenen Handeln. Plötzlich sind Kontrollen und sogar schnellere Schließungen möglich“, sagte Rathje-Hoffmann. Es sei unter Juristen umstritten, ob die bestehende Regelung im Sozialgesetzbuch unangemeldete Kontrollen ohne Anlass in Heimen zulasse oder nicht. Im Zweifel müsse auch mal ein juristisches Risiko eingegangen werden. Besser wäre ein klare Regelung.«

Nun ja, das meine ich auch. Was das juristische Risiko betrifft, so liegt das letztlich bei den Kindern. Denn die Sozialkonzerne haben sich bestens abgesichert: Die Gesetze zum Recht von Schutzbefohlen sichern vornehmlich das Recht der Einrichtungen[3].

[1] Dieses und das nächsten Zitat aus: http://www.br.de/nachrichten/heim-heimkinder-kommentar-100.html siehe dazu auch http://www.br.de/nachrichten/kinder-heim-geschlossene-einrichtung-100.html

[2] http://www.focus.de/regional/schleswig-holstein/soziales-cdu-situation-der-heimkinder-im-norden-wird-besser_id_5792318.html Hieraus auch die folgenden Zitate.

[3] https://dierkschaefer.wordpress.com/2015/06/24/die-zahnlosigkeit-der-gesetze-zum-recht-von-schutzbefohlen/

Einzelfälle oder strukturelle Probleme?

Posted in Kindeswohl, Staat by dierkschaefer on 20. Oktober 2015

Den Fall Alessio[1] [2]hatte ich nicht ausdrücklich genannt. Alessio ist eines der vielen Kinder, die totgeschlagen werden, verhungern, verkommen, obwohl ein Jugendamt involviert ist[3]. Gerade weil ich solche Fälle nicht für Einzelfälle halte, sondern für strukturelles Versagen, habe ich mich an die Kinderkommission des Deutschen Bundestages gewendet, wohl wissend, dass sie gerade in diesen Problemlagen keine Kompetenzen hat. Die Zuständigkeiten liegen bei den Ländern und Kommunen. Eine mir seit Jahren bekannte Kompetenzverteilung, die es schwer macht, Interessenvertetung für Kinder und Jugendliche effektiv zu betreiben. Dennoch, sagte ich mir, in einem Parteienstaat muss es auch möglich sein, dass die Parteien und ihre Vertreterinnen den gastig breiten Graben des Föderalismus, wenn nicht zu überwinden, so doch Hilfe-Signale an die andere Seite zu senden.

In einem Postscriptum schrieb ich der Kinderkommission: „Ich würde mich sehr freuen und halte es für angemessen, wenn wir dieses Thema auch öffentlich abhandeln können. Deshalb werde ich in etwa zwei Wochen mein Schreiben zur Diskussion stellen.“

Hier nun mein Schreiben.

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Sehr geehrte Damen und Herren,                        6. Oktober 2015

in Ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Kinderkommission wende ich mich an Sie.

Mit gewisser Regelmäßigkeit werden wir durch die Medien über massive Gefährdungen und Beeinträchtigungen des Kindeswohls informiert, die teilweise auch zum Tod von Kindern führen. Ich muss wohl keine Einzelfälle anführen, die dürften Ihnen bekannt sein.

Doch diese Einzelfälle weisen auf strukturelle Probleme des Kinderschutzes hin. Oft geschehen diese Verstöße, obwohl die Jugendämter im jeweiligen Fall involviert sind.

Damit ist ein ganzes Problemfeld angesprochen, denn die Zuständigkeit für Kinder- und Jugendlichen­angelegenheiten liegen bei den kommunalen Behörden. Das führt zu unterschiedlichen Vorgehensweisen im Jugendschutz. Das wäre noch akzeptabel, wenn die Jugendämter sich nur evidenzbasierter Maßnahmen bedienten. Das ist weithin nicht der Fall. Es fehlt eine Fachaufsicht, die verpflichtende Fortbildungen anbietet und zudem die Aufsichtsfunktion mit Weisungs- und gegebenenfalls auch Sanktionsbefugnis wahrnimmt, soweit Behördenversagen nicht im Einzelfall straf- wie auch zivilrechtliche Folgen hat. Ich weiß, in welches Wespen­netz von Kompetenzverteilung ich stoße bis hin zum föderalen Aufbau unseres Landes, der – soweit ich es sehe – für Kinder und Jugendliche keinerlei positive Seiten hat. Dies ist das eine strukturelle Problem.

Das andere liegt darin, dass auch den Jugendämtern selber die Hände gebunden sind, wenn sie Jugendhilfeträgern sachlich begründete Vorgaben machen wollten. Dies beginnt bei der Personalauswahl hinsichtlich Qualifikation, setzt sich fort bei den Gruppengrößen und letztlich bei den Maßnahmen, für die die Träger weder Erfolgsbilan­zen bezogen auf die jeweilige Problemgruppe vorweisen müssen, noch während einer Maßnahme kontrolliert werden dürfen, und auch nach erfolgter Maßnahme keine Rechenschaft abzulegen haben. Fakt ist, dass die Jugendämter in vielen Fällen einfach nur froh sind, wenn ihnen schwierige Jugendliche überhaupt abgenommen werden, die dann ja von Maßnahme zu Maßnahme aus der Zuständigkeit ihres Jugendamtes herauswachsen.

Die Träger, und damit bin ich beim zweiten Wespennest, verteidigen ihre Position und werden darin unterstützt durch hochqualifizierte Anwaltskanzleien[4], wie man kürzlich im Fall „Friesenhof“[5] sehen konnte. Das Gutachten dieser Kanzlei kann ich zur intensiven Lektüre nur empfehlen, es offenbart die Problemlage.

Obwohl ich weiß, dass auch die Kompetenzen der Kinderkommission rechtlich begrenzt sind, wende ich mich an Sie. Einerseits treten Sie, wie ich gelesen habe, für die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz ein. Das liegt in der Kompetenz des Bundestages und ich würde mich freuen, wenn Sie es schaffen, Ihre jeweiligen Fraktionen davon zu überzeugen.

Doch auch mit einem weiteren Anliegen sollte ich bei Ihnen an der richtigen Adresse sein. Die Zahl der Kinder in Deutschland liegt deutlich über der Zahl der Soldaten. Doch diese haben einen Wehrbeauftragten. Die Kinder sollten analog dazu eine Art Ombudsperson mit jähr­licher Berichtspflicht im Parlament haben. Diese sollte, was auch Ihre Aufgabe ist, sämtliche Gesetzesvorhaben auf „Kinderverträglichkeit“ überprüfen und gegebenenfalls einen Vermitt­lungsausschuss anrufen können. Zudem sollte sie, wieder analog zum Wehrbeauftragten, Anlauf­stelle für Kinder und Eltern sein mit der Befugnis, im Einzelfall gegebenenfalls eine Fachaufsicht anzurufen.

Damit bin ich schon wieder auf anderen Kompetenzebenen. Dennoch, Sie, die Mitglieder der Kinderkommission, sind ja nicht nur Mitglieder Ihrer jeweiligen Fraktion, sondern auch politisch einflussreiche Mitglieder im Landes­verband Ihrer Parteien, die in den Länder­parlamenten vertreten sind und dort Gesetzesvorhaben zum besseren Schutz von Kindern einbringen können, bis hin zur besseren Stellung und Kontrolle der Jugendämter und ihrer Jugendhilfe-Partner. Schließlich können Ihre Parteien auch die Installierung einer Kinder­schutz­beauftragten/Ombudsperson im Landesparlament fordern, mit analogen Kompetenzen und Funktionen wie für die Position im Bundestag skizziert.

Wo ein Wille ist, sagt man, ist auch ein Weg. Es wäre gut für unsere Kinder, wenn Sie wollen und Wege finden würden.

Zum Abschluss noch kurz zu mir. Ich bin emeritierter Pfarrer, habe in meiner Zeit an der Evangelischen Akademie Bad Boll die „Tagungsreihe Kinderkram“ ins Leben gerufen und erhielt dafür auch einen Kinder­rechtspreis. Dem sehe ich mich weiterhin verpflichtet und würde mich freuen, wenn Sie meine Gedanken produktiv aufgreifen.

Mit freundlichem Gruß

Dierk Schäfer, Freibadweg 15, 73087 Bad Boll, Tel: 0 71 64 / 1 20 55

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Falls jemand mit der Kinderkommission in Kontakt treten will – hier sind die Verbindungsdaten:

Deutscher Bundestag, Kinderkommission, Platz der Republik 1, 11011 Berlin

Mailto: kinderkommission@bundestag.de

[1] http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/urteil-im-fall-alessio-sechs-jahre-haft-fuer-stiefvater-13856713.html

[2] https://dierkschaefer.wordpress.com/2015/09/16/ein-kind-totgeschlagen/

[3] http://www.n-tv.de/panorama/Jugendamt-schuetzte-Alessio-nicht-article16179956.html

[4] https://drive.google.com/file/d/0B49rGDzltjXILVBoWXJyN0JIbkk/view?pli=1 . Wenn auch im Text ausgeblendet handelt es sich offensichtlich um die Kanzlei „DORNHEIM Rechtsanwälte & Steuerberater“ http://www.kanzlei-hamburg.de/. Sie hat vorzügliche Arbeit geleistet. Dank dieses Gutachtens konnte eine Landesverordnung (https://drive.google.com/file/d/0B49rGDzltjXIVmI4S1N4NDR4eFE/view?pli=1 ) nicht in der beabsichtigten Wirkung umgesetzt werden. Ein Sieg der Träger-Lobby, eine Niederlage für den Kinderschutz. Alle Netzaufrufe zuletzt: Donnerstag, 1. Oktober 2015

[5] http://www.shz.de/schleswig-holstein/politik/friesenhof-skandal-so-wehren-sich-betreiber-gegen-eine-kinderheim-reform-id10039671.html

Wer kontrolliert Jugendämter und Kinderheime?

Niemand! Und das in einem Land, in dem sehr viel kontrolliert wird, vom BND einmal abgesehen. Restaurants werden vom Wirtschaftskontrolldienst inspiziert, die Autos durch den TÜV, unsere Fahreigenschaften durch die Führerscheinprüfung und die Radarfallen, Lehrer bekommen Unterrichtsbesuche, dann gibt es die Bauaufsicht – ich soll aufhören? Mach ich ja schon, die Liste würde zu lang und bliebe unvollständig.

Doch wenn es um Kinder und Jugendliche geht, dann ist gerade in den schwierigen Bereichen – keine Kontrolle da. [1] Muss doch auch nicht sein, so der Jugendamtsleiter in Gelsenkirchen. Schließlich vertraue der Träger auf die Zahlungen des Jugendamts, darum vertraut das Jugendamt auf den Träger und sieht keinen Anlaß für Kontrollen.[2]

Im Skandalfall Gelsenkirchen sehen wir wohl nur die Spitze des Eisbergs nicht wahrgenommener Verantwortung.[3] Auch dafür musste erst eine Monitorsendung kommen, um zu zeigen, was von Amts wegen hätte ermittelt werden müssen.[4]

[1] https://dierkschaefer.wordpress.com/2015/05/10/allein-aus-nrw-247-kinder-und-jugendliche-in-22-landern-untergebracht-mehr-oder-weniger-uber-den-ganzen-globus-verteilt/

[2] https://dierkschaefer.wordpress.com/2015/05/05/heimspiele-zweier-jugendamter-und-ihre-auswartsspielereien/

[3] http://www.welt.de/regionales/nrw/article140976111/Wenn-Schutzbefohlene-in-Faenge-der-Fuersorge-geraten.html

[4] http://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/mit-kindern-kasse-machen-heimkinder-104.html

Heimspiele zweier Jugendämter und ihre Auswärtsspielereien

Posted in Gesellschaft, heimkinder, Kinderheime, Kinderrechte, Kriminalität, Pädagogik, Politik by dierkschaefer on 5. Mai 2015

Wie mit Kindern Kasse gemacht werden kann, ist ein altes Thema in diesem Blog[1]. Auch der MONITOR-Bericht über zwei Fälle, einen in Dorsten, einen in Gelsenkirchen, bringt nichts grundsätzlich Neues.

Schätzen Sie das Gefühl, wenn Ihnen die Haare zu Berge stehen? Dann sollten Sie sich den MONITOR-Bericht unbedingt ansehen. [2]

Hier ist einmal wieder alles versammelt:

  • Die Zuständigkeit für Kids auf der Ebene des Landkreises bzw. der Stadt liegt beim örtlichen Jugendamt.
  • Jugendämter unterliegen keiner Fachaufsicht
  • Das Jugendamt und die Nebengeschäfte seines Leiters wurden in einem der vorliegenden Fälle laut Aussage des Oberbürgermeisters nicht kontrolliert, Geschäftsbeziehungen der Beschuldigten nicht aufgeklärt. Das Vertrauen funktionierte. Die Beschuldigten gaben ihre Geschäftsanteile ab – – an Verwandte. Die Zahlungen des Jugendamts für die Auslandsbetreuung flossen weiter und kamen zum größten Teil zurück an die nun von den Verwandten geführte Firma. Wer wird da von Korruption sprechen wollen?[3]
  • Im anderen Fall vertraute das Jugendamt blind dem Träger, an die es die Kids nach Ungarn abgab. – – Schließlich vertraut der Träger auf die Zahlungen des Jugendamts, darum vertraut das Jugendamt auf den Träger und sieht keinen Anlaß für Kontrollen – so die dreist-naive Stellungnahme des Jugendamtsleiters.
  • Generell sind Auslandsmaßnahmen in ehemaligen Ostblockländern nichts Neues, auch nicht die Bilder von heruntergekommenen bäuerlichen Einrichtungen und die Aussagen über die nicht vorhandene Qualifikation des dortigen „pädagogischen“ Personals.

Das muss alles aufgeklärt werden! So die Reaktion der (Lokal-)politiker.

Ja, das kennen wir auch. Notfalls werden auch einige (Un-)verantwortliche ersetzt.

Aber Strafanzeigen? Oder gar Entschädigung für die betroffenen Kids?

Sie glauben doch nicht mehr an den Weihnachtsmann – oder?

An den Strukturen, die solche Vorfälle ermöglichen, wird sich auch nichts ändern. Wir sind ein föderaler Staat, der auch auf den unteren Rängen Chancen zur Bereicherung bietet.[4]

Weitere Links: http://www.derwesten.de/staedte/gelsenkirchen/heimkinder-skandal-jugendamtsleiter-weist-vorwuerfe-zurueck-id10624824.html#plx2039497824

Ein Schmankerl: Einer der Beschuldigten heißt Frings. Aber fringsen [5]war Notwehr.

[1] https://dierkschaefer.wordpress.com/2015/05/02/mit-heimkindern-abkassiert-gelsenkirchen-jugendamts-leiter-unter-verdacht/

[2] http://www.ardmediathek.de/tv/Monitor/Mit-Kindern-Kasse-machen-Wie-Heimkinder/Das-Erste/Video?documentId=28028224&bcastId=438224

[3] Die Summen waren deutlich höher als hier: https://www.flickr.com/photos/dierkschaefer/5828283140/

[4] Weitere Links: http://www.derwesten.de/staedte/gelsenkirchen/heimkinder-skandal-jugendamtsleiter-weist-vorwuerfe-zurueck-id10624824.html#plx2039497824

http://www.derwesten.de/staedte/bochum/monitor-vorwuerfe-bochumer-life-jugendhilfe-wehrt-sich-id10632081.html#plx1592581197

http://www.tz.de/welt/deutsche-heimkinder-ungarn-kiffen-ausschlafen-zr-4965237.html

http://www.derwesten.de/region/rhein_ruhr/mit-kindern-kein-geld-gemacht-id10633331.html

[5] Erzbischof »Frings wurde mit dem Wort „fringsen“ für „Mundraub begehen“ in der deutschen Sprache verewigt. Der Begriff geht zurück auf seine am 31. Dezember 1946 in der Kirche St. Engelbert in Köln-Riehl gehaltene Silvesterpredigt, in der er mit Bezug auf die Plünderungen von Kohlenzügen und die schlechte Versorgungslage ausführte: „Wir leben in Zeiten, da in der Not auch der Einzelne das wird nehmen dürfen, was er zur Erhaltung seines Lebens und seiner Gesundheit notwendig hat, wenn er es auf andere Weise, durch seine Arbeit oder durch Bitten, nicht erlangen kann.“ Danach nannte man in Köln und später in ganz Deutschland das Beschaffen von Lebensmitteln und Heizstoffen für den akuten Eigenbedarf durch deren einfaches Stehlen, Unterschlagen oder Veruntreuen „fringsen“ … Der nächste Satz der Predigt „Aber ich glaube, dass in vielen Fällen weit darüber hinausgegangen worden ist. Und da gibt es nur einen Weg: unverzüglich unrechtes Gut zurückgeben, sonst gibt es keine Verzeihung bei Gott.“ wurde dabei oft nicht wahrgenommen.« https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Frings#Silvesterpredigt_1946

„Das muss man auch realpolitisch betrachten“

Posted in heimkinder, Kinderrechte, Kirche, Kriminalität, Politik by dierkschaefer on 8. Februar 2015

Das sagt Corina Rüffer, (MdB)[1], im Interview[2]. Doch dabei belässt sie es nicht, sondern bezieht deutlich Position zur sukzessiven Endlösung der Frage des Umgangs mit ehemaligen Heimkindern, die in Behinderteneinrichtungen dasgleiche erlebten, wie andere Heimkinder in kirchlichen und staatlichen Einrichtungen auch.

Es ist bekannt: Das Kindeswohl liegt in unserem föderalen Staat in den Händen der Länder und ihrer Kommunen. Da liegt es denkbar schlecht, auch das Kindeswohl der derzeitigen Kinder. Das Kindeswohl ehemaliger Kinder ist völlig durch die Finger der Länder gerutscht. Wenn Kinder Geld kosten, geht das Sparen dem Kindeswohl vor nach dem Motto: Warum sollen wir zahlen, was der Bund beschließen will? Das ist sicherlich ein grundlegendes Problem zwischen Bund und Ländern.

Aber: Wer war für die Heimaufsicht zuständig, wer für die finanzielle Ausstattung der Heime und die Anforderungen an die Ausbildung des Personals? Das war nicht der Bund, das waren die Länder und ihre Kommunen. Sie sind verantwortlich für die Zustände in ihren Einrichtungen und auch denen der Kirchen, von deren Preisdrückerei sie gern profitiert haben.[3]

Die Forderung nach Entschädigungen gründet in der heutigen wie damaligen Zuständigkeit von Ländern und ihren Kommunen.

Hier dürfte einer der Gründe liegen, das Kindeswohl nicht ins Grundgesetz aufzunehmen.  Doch da gehört es rein, um die Lage der Kinder in unserem Staat deutlich zu verbessern. Kinder haben Rechte, Grundrechte!

Eine Frage ist immer noch offen: In welchen Fonds haben kirchliche Behindertenein­richtungen gezahlt, wenn der Personenkreis aus diesen Einrichtungen bis heute – und wohl noch lange – von Zahlungen ausgeschlossen ist? Da hat man wohl den Klingelbeutel als Lügenbeutel genutzt.

[1] Bündnis90 Die Grünen, Obfrau und ordentliches Mitglied im Petitionsausschuss des Bundestages

[2] https://www.youtube.com/watch?v=rOa1-CM86II&sns=embo

[3] Dies entschuldigt die Kirchen keineswegs. Sie haben in ihren Einrichtungen grundlegende Werte ihrer Religion missachtet und pervertiert. Auch bei ihnen kam der Mammon vor dem Kindeswohl. Da sie jedoch in der Verantwortungskette den staatlichen Zuständigkeiten nachgeordnet waren und auch heute noch sind, sollten sie auch in der nachträglichen Verantwortung für die Zustände in ihren Einrichtungen dem Staat nachgeordnet sein, aber von ihm in Regress genommen werden. Dass sie durch ihr Tun ihre Glaubwürdigkeit als christliche Einrichtungen verloren haben, steht auf einem anderen Blatt.

Gewalt in Behindertenheimen – Länder blockieren Entschädigungsfonds für Missbrauchsopfer

Posted in Gesellschaft, heimkinder, Kriminalität, Politik by dierkschaefer on 16. Januar 2015

»Die Länder fürchten, dass sich der neue Fonds als Fass ohne Boden entpuppen könnte«[1].

Wundert sich jemand darüber?

Fremdschämen mag man sich auch schon nicht mehr.

[1] http://www.rp-online.de/politik/deutschland/laender-blockieren-entschaedigungsfonds-fuer-missbrauchsopfer-aid-1.4800449

Der Föderalismus hilft … den Behörden

Posted in Justiz, Politik by dierkschaefer on 9. Juli 2014

»Die Durchführung des Schwerbehindertenrechts obliegt – soweit es um die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft und von Nachteilsausgleichen sowie um die Ausstellung von Ausweisen geht – allein den Ländern. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist hier weder Aufsichtsbehörde noch kann es Weisungen erteilen. Einzelentscheidungen treffen die zuständigen Verwaltungsbehörden der Länder und im Streitfall die Sozialgerichte.«

 

Quelle: http://www.laura21.de/news/2014/verena-bentele-meldet-sich-zu-wort

Die „vier päd­agogischen Urbitten“ des Kindes

Posted in Kinderrechte, Pädagogik, Politik, Psychologie by dierkschaefer on 10. Mai 2013

Kennen Sie die „vier päd­agogischen Urbitten“ des Kindes? Peter Fratton, ein Bildungsunterneh­mer aus der Schweiz, hat sie erlauscht. Sie lauten:  „Bringe mir nichts bei“, „Erkläre mir nicht“, „Er­ziehe mich nicht“ und „Motiviere mich nicht“.

Dem hat offenbar noch nie ein Kind Löcher in den Bauch gefragt. Kennt er überhaupt Kinder?

Er ist jedenfalls sehr experimentierfreudig, hat aber „keine Ahnung, was [bei seiner Schulreform] heraus­kommt, aber schön falsch ist auch schön“. Vielleicht geht ihm aber aus der Zeit seiner Pubertät We don’t need no education! nicht aus dem Kopf.

Und wenn Sie jetzt meinen, das Ganze spiele sich hinter den sieben Bergen bei den sieben Schweizer Zwergen ab, dann irren Sie sich. »Diese Konzepte [werden] in Baden-Württemberg propagiert, vor allem von … Peter Fratton. Frattons Thesen dürften einem wissen­schaftlichen Diskurs kaum standhalten«. Das bringen uns Matthias Burchardt und Jochen Krautz im heutigen FAZ-Artikel bei und erklären es uns.[1]

»Nichts bearbeitet die grün-rote Landesre­gierung mit solcher Verve wie ausgerech­net die Bildungspolitik, die in Baden-Württemberg seit langem als erfolgreich und vorbildlich gilt. Das belegen harte Zahlen wie die geringe Jugendarbeitslo­sigkeit, niedrige Schulabbrecher- und Wie­derholerquoten sowie Spitzenplätze bei Studien im Ländervergleich. Umso mehr verwundert, unter welchem Druck nun der Umbau der Schullandschaft betrieben wird«. Wie viele Revolutionen beginnt die „Neue Lernkultur“  mit einer neuen Sprache: »Lehrer werden jetzt zu Lernbeglei­tern umdefiniert, die Lernjobs verteilen, Lernarrangements gestalten und Kompe­tenzdiag­nose betreiben. Schüler, die nun Lernpartner heißen, führen Lerntagebü­cher, arbeiten Lernpläne in einzelnen Lernpaketen ab, füllen Checklisten aus und tragen ihre Lernfortschritte in Kom­petenz­rastern ein«. Auch der Frontalunterricht, den die Reformer sich wohl nur als eine Art autoritäre Vorlesung denken können, muß mal wieder weichen, obwohl »viele Studien belegen, dass ein von der Lehrperson aktiv gelenkter Unterricht deutlich effektiver ist als eine Reduzie­rung des Lehrers auf den Lernbegleiter«.

Man »muss … die Landesregie­rung fragen, warum sie die Schüler einem Bildungsunternehmer anvertraut, der in der Landtagsanhörung zum Besten gab, er habe „keine Ahnung, was dabei heraus­kommt, aber schön falsch ist auch schön“? Warum wird eine ganze Schulre­form auf solche Lehren gebaut?«

 

Ja, warum wohl? Die meisten Deutschen lehnen zwar mehrheitlich laut Umfragen den Bildungsföderalismus ab, doch gerade die Bildung ist der Bereich, in dem die Bundesländer ihre Souveränität beweisen können. Sie werden motiviert von Bildungsreformern, die sich durch neue Ideen profilieren. Die Fortschreibung bewährter Methoden profiliert eben nicht. Hier treffen sich Politiker mit den Reformern. Politiker brauchen Aufmerksamkeit, die bekommen sie nicht mit Altbewährtem. Und so werden Schüler und Lehrer mit immer neuen Schulreformen überzogen – und halten sie nicht, was man mit ihnen versprochen hat, dann sind die Politiker längst weitergezogen[2] und man beginnt eine neue Reform. Alles nicht evidenzbasiert, sondern aus dem ideologischen Wolkenkuckucksheim. Grün-rot, ohne Rücksicht auf Verluste, zulasten unserer Kinder – und unserer gemeinsamen Zukunft. Denn eigentlich sollen Kinder fit werden für ihr Leben, dafür muß man ihnen manches beibringen und erklären. Man nennt diesen Vorgang Erziehung. »Unter Erziehung versteht man die von Erziehungsnormen geleitete Einübung von Kindern und Jugendlichen in diejenigen körperlichen, emotionalen, charakterlichen, sozialen, intellektuellen und lebenspraktischen Kompetenzen, die in einer gegebenen Kultur bei allen Menschen vorausgesetzt werden«[3]. Dabei muß man die Kinder fördern ohne sie zu überfordern. Das motiviert. An Kinderuniversitäten macht man das vor, frontal und mit großer Resonanz. Doch davon scheint Herr Fratton noch nichts gehört zu haben.


[1] Matthias Burchardt, Jochen Krautz, „Neue Lernkultur“ im Musterländle – Die Lehrer sollen in Baden-Württemberg nicht mehr lehren, sondern als Lernbegleiter wirken. FAZ Freitag, 10. Mai 2013, S. 7, Zitate aus dem Artikel

[2] So wie die Frau Schavan, unter deren Reformen die Lehrer in Baden-Württemberg gestöhnt und die Schüler gelitten haben.

[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Erziehung [Stand: Freitag, 10. Mai 2013]