Dierk Schaefers Blog

Die rechte Tür zum Himmel

Posted in Geschichte, Gesellschaft, heimkinder, Kinderrechte, Kirche, Pädagogik, Religion by dierkschaefer on 10. Januar 2015

Die Untersuchung der Fürsorgeeinrichtung Himmelsthür[1] eröffnet einen Horizont, der bisher nicht so deutlich in Erscheinung getreten ist. In aller Deutlichkeit zeigen die Autoren die unheilige Allianz auf, die zwischen Staat und Kirche bestanden hat. Aus zunächst idealistisch-christlicher Motivation entstanden bei Hildesheim und anderswo „christliche Werke“, die Hilfsbedürftige unterschiedlicher Art geradezu von der Straße aufsammelten, sich über Stiftungen, Spenden, Kirchenkollekten und eigene wirtschaftliche Tätigkeiten unter Inanspruchnahme der „Zöglinge“ finanzierten.[2] Der letzte Punkt entsprach zudem einem Erziehungsziel, nämlich die Heranführung an ein selbständiges Leben in ländlichem bzw. kleinbürgerlichem Rahmen. Arbeitstherapie nannte man das. Man kassierte eher notgedrungen auch staatliche Zuschüsse inform von Tagessätzen und Darlehen. Nicht für alle Zöglinge zahlte der Staat, also mußte querfinanziert werden. Die finanzielle Lage der Einrichtungen war immer prekär, denn die staatlichen Behörden wollten so wenig wie möglich ausgeben. Die Einrichtungen standen in Konkurrenz untereinander und betrieben aus falsch verstandenem Selbsterhaltungsbestreben Preisdumping, sie hielten die Tagessätze niedrig, verzichteten wegen ihrer Eigenständigkeit oft auch weitgehend auf staatliche Unterstützung[3] und betrieben ihre „Waschsalons“ zu Preisen, mit denen kein normaler Betrieb konkurrieren konnte. Dies führte zu Einsparungen bei der Versorgung, bei den Löhnen, soweit überhaupt welche gezahlt wurden, und zur Weigerung, mit gestiegenen Anspruchs­standards an die Heimpädagogik besser bzw. überhaupt ausgebildetes Personal einzustellen. Himmelsthür beschäftigte Erziehungszöglinge[4] als Personal für die Kleinkindereinrichtungen.

Eine unheilige Allianz zwischen Staat und Kirche, – doch sollte man besser sagen: zwischen Gesellschaft und Kirche. Die Gesellschaft wollte die „Überflüssigen“ passend gemacht sehen, auf jeden Fall aber aus den Augen haben – und das sollte möglichst wenig kosten. Die Kirchen nahmen der Gesellschaft das unappetitliche Geschäft ab und entwickelten die kostensparenden Modelle. Das entbindet sie nicht von der Verantwortung für die Zustände in den Heimen und ich frage mich, wie wir die „Tafel-Läden“ und „Vesperkirchen“ einzuordnen haben. Auch hier wird Armut entschärft, damit die Gesellschaft ihre Ruhe hat, und das zu günstigen Kosten.

Kinderheime waren auch anderswo in einer solchen Bredouille, wie ein Schweizer Beispiel belegt.[5]

Kinder müssen inzwischen nicht mehr durch eigene Arbeit an den Unterbringungskosten beteiligt werden – allerdings werden Eltern nach Möglichkeit dazu herangezogen. Kinder und Jugendliche allerdings auch, sofern sie Geld verdienen.[6] Das trifft für Kinder in der Regel nicht zu und für Jugendliche müssten die Freigrenzen schon aus pädagogischen Gründen deutlich erhöht werden. Wie will man sonst die Arbeitsmotivation aufrecht erhalten? Es reicht doch, wenn die Kids schon mit ihren Eltern Pech gehabt haben.

 

Doch nun zur Himmelsthür:Rezension Himmelsthür

[1] Hans-Walter Schmuhl, Ulrike Winkler, Vom Frauenasyl zur Arbeit für Menschen mit geistiger Behinderung, 130 Jahre Diakonie Himmelsthür (1884-2014)

[2] https://dierkschaefer.wordpress.com/2014/10/22/wo-sollten-wir-hin-war-wollte-uns-ja-schon/

[3] Die Eigenständigkeit hätte zur Diskussion gestellt werden können bei den Kosten für den christlichen Teil der Erziehung. Hier wollte man freie Hand behalten.

[4] Die waren per Definition charakterlich nicht geeignet und schon gar nicht ausgebildet.

[5] http://mobile2.derbund.ch/articles/11581132 Sonnabend, 10. Januar 2015

[6] http://www.swr.de/landesschau-aktuell/jugendamt-pflege-und-heimkinder-muessen-zahlen/-/id=396/did=13661362/nid=396/1xbqfbw/

https://dierkschaefer.wordpress.com/2014/06/28/arschkarte-furs-leben-pflege-und-heimkinder-mussen-zahlen/

https://dierkschaefer.wordpress.com/2011/09/20/stadt-munchen-sie-nimmt-auch-noch-heute-kinderarbeit-sich-als-beute/