Verdrängung der Aktualität: Gedenkrituale lenken nur ab
Am besten, man gedenkt längst vergangener Untaten, begangen von Leuten, die nicht mehr unter uns weilen, von denen wir uns bequem distanzieren können und deren Opfer auch schon längst tot sind. Das ist ja auch schon eine Leistung. Andere Länder schaffen nicht einmal das.
Nachdem wir die Täter lange geschützt haben bis die meisten von ihnen ausgestorben waren, arbeiten wir unsere Vergangenheit auf: Historikergutachten, Denkmale, Gedenktage, Gedenkveranstaltungen. Denk mal, wie anständig wir geworden sind, geradezu Nobel-Preis-würdig!
Ein Beispiel:
»Unter dem Titel „Erinnerung wach halten – Zukunft bauen“ laden neun Organisationen in Zusammenarbeit mit der Stadt Mönchengladbach dazu ein, am Montag, 18. Mai, ab 11.30 Uhr, in einem Zelt auf dem Alten Markt der Bürger zu gedenken, die zur Zeit des National-Sozialismus wegen ihrer Behinderung ermordet wurden.«[1]
Das ist doch sehr anständig und trifft mal wieder die bösen Nazis, die Behinderte ermordet haben; Menschen mit Behinderung, das macht man doch nicht.
Lassen Sie uns weiter denken:
In bundesdeutsche Behinderteneinrichtungen und Kinderpsychiatrien wurden Kinder eingewiesen. Die einen waren behindert, andere nicht. Die Plätze standen bereit, die kosteten Geld und durften nicht leer stehen. Oft war auch das alte Nazi-Personal noch vorhanden, zumindest ihr Geist.
In diesen Heimen wurden die Kinder und Jugendlichen – inzwischen anerkanntermaßen – nicht so behandelt, wie es für ihr weiteres Leben hilfreich gewesen wäre. Wer noch nicht behindert war, wurde es dort, und wer es schon war, wurde zusätzlich fürs Leben behindert. Das alles wissen wir mittlerweile.
Dann gab es den Runden Tisch/Heimkinder unter der betrügerischen Leitung von Frau Vollmer. Er brachte recht magere Ergebnisse für die Heimkinder, doch selbst davon waren ehemalige Heimkinder mit Behinderung ausgeschlossen – bis heute. Die Bundesländer knobeln noch daran herum, wie ein Fonds gestaltet werden könnte, sollte. Das kostet Zeit, die Geld spart, denn mittlerweile sterben die Opfer einfach weg. Die können noch nicht einmal – wie neuerdings die „normalen“ ehemaligen Heimkinder Geld für ihre Beerdigung reklamieren[2].
Zurück zu Möchengladbach. Wer gedenkt dort der Menschen mit Behinderung aus Nazizeiten?
»Der Kooperation der Veranstalter gehören an: City Kirche, das Z – Menschen im Zentrum, Der Paritätische, die evangelische Stiftung Hephata, das Gymnasium Odenkirchen, der Verein Leben mit Usher-Syndrom, Pro Retina (Selbsthilfevereinigung von Menschen mit Netzhautdegeneration), der Sozialverband VdK Kreisverband Mönchengladbach, die Stadt Mönchengladbach, Sozialdezernat und die Vinzentinerinnen (Josefshaus Hardt).«
Sieh an, sieh an: Da tauchen auch die üblichen Verdächtigen auf: die evangelische Stiftung Hephata und die Vinzentinerinnen (Josefshaus Hardt).
Zurecht schreibt Uve Werner, „wütend über so viel Scheinheiligkeit“:
»Nach dem 2. Weltkrieg, fand in fast allen Heimen, Anstalten und Einrichtungen, das schlimmste deutsche Nachkriegsverbrechen statt, auch in Mönchengladbach«. Hephata ist dafür berüchtigt wie auch die Vinzentinerinnen.
Na ja, daran denken wir später einmal, mit einer Gedenkveranstaltung, wenn Gras über den Gräbern gewachsen ist.
[1] http://www.rp-online.de/nrw/staedte/moenchengladbach/gedenken-an-behinderte-die-von-den-nazis-getoetet-wurden-aid-1.5086121
[2] https://dierkschaefer.wordpress.com/2015/05/13/theologischerseits-nur-zu-begrusen-die-burokratie-erinnert-ausdrucklich-den-tod-zu-bedenken-gegen-unterschrift/
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