Wen wundert’s? Seelische Krüppel haben auch in den Kirchen Karrierevorteile.
Manche scheinen nicht einmal zu wissen, was Anstand ist.
Wenn aber jemand in einer menschlich schwierigen Situation hilfreich ist, macht er sich verdächtig. Dazu weiter unten.
Wer den Artikel „Sexuelle Gewalt in der Kirche: Angst vor der Wahrheit“[1] liest und keine Ahnung hat, dass es bei Kirchens nicht anders zugeht als in anderen Chefetagen, die bereits mit der Führungsnormalroutine überfordert sind, der mag sich noch wundern. Nicht erst seit der Heimkinderdebatte kenne ich diese Charakterschwächen – oder soll man gar von fehlendem Charakter sprechen? Da wurden die Heimkinder nach Strich und Faden von der unheiligen Allianz von Staat und Kirche über den Runden Tisch gezogen. Betroffenheitsgestammel[2] gab es auch damals. So nun auch beim Missbrauchsskandal. Der schlägt höhere Wellen, als die Misshandlungen und Demütigungen in den staatlichen, meist aber kirchlichen Heimen. Denn „sex sells“ auch hier und macht Schlagzeilen. Und wieder gibt es die Abwehrreflexe. Man marschiert getrennt, jede Landeskirche für sich, das lässt Beinfreiheit im Umgang mit Opfern, die man auch besser gar nicht selbst zu Wort kommen lässt. Man weiß doch schon, was die brauchen. Entschuldigungen und allgemeine Aufarbeitung. Das erste gibt’s umsonst, für die Aufarbeitung gibt man – nicht gerade gern, aber notgedrungen – Geld aus[3]. Sogar Aufarbeitung von außen wird erwogen, hält auch sie immerhin die Opfer auf Abstand – und ihre Forderungen nach rechtlich einklagbarer Entschädigung. Man wird wohl auch – wieder jede Landeskirche für sich – „Missbrauchsbeauftragte“ ausgucken. Ein wichtiger aber undankbarer Job. Doch wer der vox populi und den Medien folgend, von hoher Position danach ruft, profiliert sich als das gute Gewissen der Kirche.[4] Die Predigt der Bischöfe Ulrich und Fehrs zum Ahrensburger Missbrauchs-Skandal war allerdings eher peinlich.[5] Schön, wenn man sich am Palmsonntag auf den demütigen Palmesel-Jesus berufen und „Erbarmen“ als Lösung anbieten kann, Erbarmen auch für das Versagen der Institution.
Auffiel der damalige bayrische Landesbischof. Er setzte sich für ein Missbrauchsopfer ein. Wie kam er dazu? fragten sich die Richter beim EKD-Gericht, rügten die seelsorgerliche Begleitung durch den Landesbischof während des Disziplinarverfahrens und stellten die Ordnung wieder her. „Das Gericht unterstellte dem Bischof, es ginge ihm lediglich um die Verurteilung des Angeschuldigten“[6]. Der Täter plauderte mit den Richtern, das konsternierte Opfer war zwar extra angereist, wurde aber gar nicht erst angehört.[7] Auch das VELKD[8]-Gericht scheint aus furchtbaren Juristen zu bestehen: »Das Landeskirchenamt hatte dem Pastor „schwerwiegende Amtspflichtverletzungen“ vorgeworfen und beim unabhängigen Kirchengericht seine Entfernung aus dem Dienst beantragt. Das Kirchengericht dagegen hatte Mitte November das Verfahren gegen H. ohne Beweisaufnahme eingestellt. Eine „Entfernung aus dem Dienst“ sei aus Gründen der Verhältnismäßigkeit „nicht gerechtfertigt“, hatte der Vorsitzende Richter erklärt. Missbrauchsopfer hatten die Einstellung kritisiert.«[9]
Wenn ich an den Palmsonntagsgottesdienst der Nordkirche denke … Da ist doch der Münchner Erzbischof und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, dichter am Problem: Er räumte »Versäumnisse der Kirche bei der Aufklärung der Fälle ein. „Wir haben versagt, und wir waren wie in einem Verblendungszusammenhang: nicht hinsehen wollen, nicht wahrhaben wollen, was geschieht, es kleinreden, es nicht anhören, all das ist immer wieder geschehen“, sagte er am Sonntag bei einem Gottesdienst in München.«[10]
Ob er es ehrlich meint? Wer weiß das? Ich will ihm nichts unterstellen. Zumindest weiß er, was erforderlich ist, denn er sieht seine Institution mit dem Rücken zur Wand und reagiert angemessen. Jetzt fehlt nur noch eine angemessene Entschädigungsregelung.
Fußnoten
[1] https://www.zeit.de/2018/47/sexuelle-gewalt-evangelische-kirche-vertuschung-betroffene/komplettansicht
[2] Der Begriff stammt von Helmut Jacob. Nicht wegen seiner Heimerfahrungen trat er aus der Kirche aus, sondern wegen seines in diesen Fragen völlig unsensiblen Ortspfarrers. https://dierkschaefer.wordpress.com/2017/10/18/helmut-jacob-ist-tot-ein-nachruf/ + https://dierkschaefer.wordpress.com/2017/11/28/ein-nachruf-waere-angemessen-gewesen-doch-die-groesse-zur-demut-hatten-sie-nicht/
[3] Neue Studien, mehr Geld: Wie die Evangelische Kirche sexuellen Missbrauch untersuchen will. Ein Betroffener fragt: „Was nützt es, wenn die Vertuscher nicht bestraft werden?“ twitterte Detlev Zander, Betroffener und Sprecher von „Missbrauch in der Brüdergemeinde Korntal“ #BrüdergemeindeKorntal #Aufklärungsskandal #Aufarbeitung
[4] Hanno Terbuyken twitterte: Ganz ehrlich und ganz persönlich: Ich finde es befremdlich, wenn die #EKDsynode nach dem Bericht zu #missbrauch von Kirsten Fehrs stehend applaudiert. Wem denn? Der Performance der Bischöfin? Der mangelnden Aufarbeitung? Angemessen wäre, erstmal in Scham zu schweigen. Unwürdig.
Das Hamburger Abendblatt veröffentlichte: „Der zur Zeit größte bekannte Missbrauchsskandal der Evangelischen Kirche Deutschlands aus Sicht einer Pastorin und Missbrauchsüberlebenden.“ Zitat: »Frau Bischöfin Fehrs: „Und auch wenn ich zu der Institution gehöre, die den Täter ungewollt geschützt hat und so schwerfällig aufklärt.“« Diese Umschreibung ist unerträglich. Wollen die höchsten Vertreter unserer Kirche mit so einer Aussage: „Täter ungewollt geschützt“, aus den „Schleifen der Selbstrechtfertigung“ herauskommen? http://www.stimme-der-opfer.de/new/Ahrensburger_Missbrauchsskandal_Artikel_Mai_2012.pdf
[5] Man kann diese Dialogpredigt auf youtube nacherleben: https://www.youtube.com/watch?v=pDLEQ36BrFk , die Tonspur lässt etwas zu wünschen übrig, dennoch wird das typisch kirchliche Geschwiemel hier deutlicher als im Predigtnachdruck: https://www.nordkirche.de/nachrichten/nachrichten-detail/nachricht/1-april-2012-dialogpredigt-mit-bischof-ulrich-zu-joh-1212-ff/
[6] Bayrische Landeskirche – Was nun? https://dierkschaefer.wordpress.com/2013/07/05/4356/ +
[7] Das Opfer wurde von der Vorsitzenden Richterin auf die Nachfrage, warum sie nicht aussagen durfte mit der Antwort abgefertigt: »Das war nicht unser Thema. https://dierkschaefer.wordpress.com/2013/07/03/ein-hochstrichterliches-skandalurteil-des-ekd-gerichtshofs/
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Vereinigte_Evangelisch-Lutherische_Kirche_Deutschlands
[9] https://www.nordkirche.de/nachrichten/nachrichten-detail/nachricht/kirchenamt-fordert-neues-gerichtsverfahren-gegen-ahrensburger-ruhestandspastor/
[10] https://www.welt.de/vermischtes/article184085062/Kardinal-Marx-ueber-Missbrauch-Wir-haben-versagt.html?wtrid=socialmedia.socialflow….socialflow_twitter
Foto: Dierk Schäfer
Traumatisierende Erinnerungen – Ein Dilemma
Er bürge dafür, sagte Detlev Zander, dass ihm Missbrauchsopfer aus Korntal berichtet haben, ihnen seien Gutscheine als Kompensation für erlittenes Unrecht angeboten worden. Aber Zander ist selber Partei in einer Situation nicht völlig klarer Konfliktlinien, schließlich ist auch die Opferseite gespalten. Von dort kommt auch die Schlussfolgerung: Wenn Zander niemand benennen kann, stimmen seine Vorwürfe nicht.
Dies ist ein altes Dilemma in der Heimkinder – und Missbrauchsdiskussion. Erinnerungen können triggern und Retraumatisierungen auslösen. Das erklärt zum einen das lange Schweigen oft über Jahrzehnte hinweg; das erklärt auch die Zurückhaltung nun, in der allgemeinen Aufarbeitungsphase, seine Erfahrungen offen vorzutragen. Doch mit anonym bleibenden Vorwürfen kann man vieles behaupten, sagen nicht nur die Gegner, die nicht zahlen wollen.
Streng genommen kommt man aus diesem Dilemma nicht heraus. Wer fordert muss erkennbar sein – oder klein beigeben.
Nimmt man es nicht so streng, wäre eine Vertrauensperson eine Hilfe, eine Vertrauensperson, der beide Seiten vertrauen, dass sie nicht falsch spielt, die aber nach beiden Seiten hin ihre Kritikfähigkeit bewahrt. Doch so wie ich das sehe, würde eine solche Person heftig unter Beschuss genommen, wenn sie ihre Kritikfähigkeit fallweise unter Beweis stellt. Doch oft werden Personen, die für diese Aufgabe in Blick genommen oder sogar beauftragt werden, schon vorher „verbrannt“.
Glückliches Österreich!
»Etwa 7000 Gewaltopfer sollen 300 Euro monatlich erhalten. Über die Aufteilung der Kosten wird noch mit Ländern und Kirche verhandelt.«[1] [2]
In Deutschland wären die Zahlen größer. Dennoch hätte man auch hier mit einer pauschalen Entschädigung zwar keine Gerechtigkeit, aber doch einen Rechtsfrieden schaffen können. Doch das Bestreben von Staat und Kirchen, möglichst billig aus einem Menschenrechts-Skandal herauszukommen, war größer. Erst Verleugnung, dann Vertuschung und dann der große Betrug am Runden Tisch unter der Führung von Antje Vollmer, die leider auch Pfarrerin ist. Der Imageschaden zuvörderst für die Kirchen ist immens. Doch die schlafen immer noch den Schlaf des vermeintlich Gerechten. Verjährung[3] ist doch eine feine Sache. Nur wird man dadurch nicht glaubwürdig.[4]
Betroffenheit kann man heucheln, glaubwürdig wird man erst, wenn man reletiv großzügig entschädigt. Gekonntes Problemmanagement sieht anders aus.
[1] http://diepresse.com/home/panorama/oesterreich/5179700/Ehemalige-Heimkinder-bekommen-Entschaedigung
[2] http://archiv.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=65570
[3] https://dierkschaefer.files.wordpress.com/2011/07/das-jc3bcngste-gericht2.pdf
[4] http://www.pfarrerverband.de/pfarrerblatt/archiv.php?a=show&id=2812
Glaubwürdigkeit! … aber wenigstens Professionalität
Sehr geehrter Herr …
Für Ihr freundliches Scheiben vom 18. Dezember möchte ich mich herzlich bedanken.
Mit meiner Antwort hatte ich gezögert, um zunächst den Zwischenbericht des Runden Tisches und die weitere Entwicklung abzuwarten. (In meinem Blog habe ich dazu Stellung bezogen.)
Seitdem ist viel geschehen, insbesondere das Bekanntwerden von immer mehr Mißbräuchen; die katholische Kirche ist von diesem „Tsunami“ überrollt worden, obwohl Mißbräuche ja auch in anderen Einrichtungen passiert sind, in denen Kinder und Jugendliche eng mit Erwachsenen zusammenleben. Die katholische Kirche geht leider mit diesem Thema weder glaubwürdig noch professionell um, und dies hat Auswirkungen auf das Ansehen „der Kirche“ ganz generell in der Öffentlichkeit.
Leider ist mit dem Rücktritt von Frau Käßmann die – wie ich es wahrnehme – einzige prominente Person auf evangelischer Seite aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwunden, die Glaubwürdigkeit verkörperte, nicht zuletzt weil sie auch von Entschädigung sprach.
Der beständige Verweis, man möge die Ergebnisse des Runden Tisches abwarten, wird von wohl den meisten ehemaligen Heimkindern als Verzögerungsmanöver wahrgenommen mit Spekulation auf die biologische Lösung.
Nun lese ich heute in der Zeitung über den neuen Runden Tisch, für den die Familienministerin Kristina Schröder Einladungen verschickt hat:
»Der Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Prälat Bernhard Felmberg, sagte, die evangelische Kirche habe bereits zugesagt. Allerdings sei es „wesentliche Voraussetzung“ für die Zusage gewesen, dass es bei dem Runden Tisch nur um Fragen der Prävention gehe.« (FAZ, Freitag, 12. März 2010).
Wundert es Sie, sehr geehrter Herr …, wenn nun der Eindruck „Die wollen einfach nicht zahlen!“ verstärkt wird, dazu der Haß vieler ehemaliger Heimkinder auf die Kirche und ihre diversen Einrichtungen? Mich wundert es nicht.
Was ich von meiner Kirche vermisse, sind Glaubwürdigkeit, und wenn die schon nicht zu haben ist, wenigstens Professionalität im Umgang mit Versagen.
Leider ist mein Bußaufruf, der vor den neuesten Beschuldigungen veröffentlicht wurde, nun weitgehend obsolet geworden. Das Kirchen-Bashing ist auf breiter Front angelaufen.
Auch Entschädigungszahlungen dürften wohl kaum noch als ehrliches Schuldeingeständnis aufgefaßt werden, sondern als gerechte Strafe.
Schade, mein Bußaufruf war ein Angebot an die Kirchen, in Demut aber aufrecht diese Angelegenheit zu beenden, damit der Aktionsraum für die Zukunft offen bleibt.
Mit freundlichem Gruß
Dierk Schäfer
PS: Diesen Brief werde ich ohne Ihren Namen zu nennen auch in meinem Blog veröffentlichen.
Dem ist nichts hinzuzufügen!
Die Aussagen(Top-TV vom 23.2.2010) von Herrn Prof. Kappeler zu dem Ergebnis der Deutschen Bischofkonferenz
Geschrieben von pethens, Samstag, 27. Februar 2010
Professor Kappeler zur „sexuellen Gewalt“ im Rahmen der aktuellen Diskussion um sexuellen Mißbrauch kirchlicher Amtsträger und Mitarbeiter. Auszug aus der Fernseh-Sendung von Top-TV vom 23.2.2010 im ALEX .“Die Opfer des sexuellen Missbrauch kommen jetzt aus der Mitte der bürgerlichen Gesellschaft. Es handelt sich um Jugendlichen aus gut situierten Familien, die Schulen, an denen sie als privat Schüler gelernt haben, sind Eliteschulen. Mir ist aufgefallen, dass in der medialen Berichterstattung immer wieder die Frage auftaucht, wie kann das an einer Eliteschule geschehen. Das hat mich sehr gewundert, weil ja seit vielen vielen Jahren ehemalige Heimkinder berichten, dass sie in Heimen, in denen sie im Rahmen der öffentlichen Erziehung untergebracht waren, sexuelle Gewalt erfahren haben, von Männern und von Frauen – dass muß hier auch gesagt werden -, denen sie als Jugendliche und Kinder anvertraut waren.
Sehr viele dieser Kinder haben, wie wir wissen, ja auch in kirchlichen Einrichtungen gelebt. Fast zwei Drittel aller Heime sind von den Kirchen geführt worden. Da taucht noch ein weiteres Problem auf, jetzt im Zusammenhang mit den Schülern von diesen Schulen, die in kirchlicher Trägerschaft sind, wird an keiner einzigen Stelle die Glaubwürdigkeit der Opfer in Frage gestellt. Bei den ehemaligen Heimkinder ist das immer in Frage gestellt worden und wird in vielen einzelnen Fällen auch heute noch nach wie vor in Frage gestellt, wenn sie zum Beispiel über das Opferentschädigungsgesetz einen Anspruch geltend machen. Immer wieder wird in Frage gestellt, ob diese Erinnerungen stimmen, ob das Glaubwürdig ist.
Da sehen wir einen deutlichen Unterschied, wenn es um die Kinder aus den Familien handelt, die eher am Rande der Gesellschaft angesiedelt sind, dann ist dieser Vorbehalt da. Wenn es sich um Kinder handelt, die aus der Mitte der Gesellschaft kommen, die Familien haben, die hinter ihnen stehen, dann wird das nicht bezweifelt. Nun muß man noch sagen, dass diese Kinder aus den bürgerlichen Familien, in sehr viel stärkerem Maße die Möglichkeit haben, im Rahmen ihrer Familie geschützt zu werden, als die Kinder in den Heimen, die diesen Verhältnissen schutzlos ausgeliefert waren.
Diese ganzen Unterschiede müssen in die Debatte einfließen und man muß in der gegenwärtigen Diskussion über sexuelle Gewalt an Kindern auf jeden Fall diese Erfahrungen der ehemaligen Heimkinder mit einbeziehen und auch deutlich machen, dass diese ganzen Vorbehalte und Relativierung nicht mehr geschehen dürfen.
Am Runden Tisch Heimerziehung, im Zwischenbericht, der jetzt vom Runden Tisch abgegeben worden ist, wird dieses ganze Kapitel „sexuelle Gewalt“mit einigen wenigen Sätzen abgetan und nicht in der Weise, wie es notwendig wäre, aufgeklärt!“
Ouelle: http://de.sevenload.com/sendungen/Top-TV-im-OKB/folgen/ovCrekx-1-TopTV-23-2-2010
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