Skandal: Sippenhaft im Jobcenter
»Obwohl sie zur Schule gehen, werden zwei Kinder in Niedersachsen vom Jobcenter wiederholt zu Beratungen geladen – weil ihre Eltern Hartz IV bekommen. Erscheinen sie nicht, drohen Sanktionen. Und wer sein Zeugnis nicht zeigen will, macht sich verdächtig«.[1]
Nicht mit Ruhm bekleckert …
… hat sich das Jobcenter im Kreis Pinneberg mit seinen Spartipps für Hartz-IV-Empfänger.[1]
Tolle Vorschläge, die vielfach nur an der Lebenswirklichkeit der Hartz-IV-Empfänger vorbeigehen. Vieles kann man beim Discounter tatsächlich billiger kaufen. Doch häufig sind die Discounter von den Sozialwohnungen aus nicht so leicht erreichbar. Es gibt Menschen in unserem Land, die sich die Monatskarte für öffentliche Verkehrsmittel vom Munde absparen müßten und sich dann für den Kauf von Eßwaren entscheiden. Mit der Monatskarte könnten sie allerdings zum Discounter fahren und mit der 12er Packung H-Milch billige Wasser unterm Arm zurück. Und die andere Hand? Bisher hielten sie damit den Six-Pack, nein, nicht Bier, sondern das billige Mineralwasser in den blauen Flaschen. Nun haben sie gelernt, daß Leitungswasser auch gut schmeckt und haben die Hand frei, um ihre Monatskarte vorzeigen zu können. Damit bricht nun eine richtig schöne neue Welt für die Hartz-IV-Empfänger an und die Arbeitsagenturen lernen vielleicht als Gegenleistung, ihre Kunden als Kunden zu behandeln und Erstanträge zügiger zu bearbeiten oder einen Vorschuß zu geben. Denn bis zur ersten Zahlung sind die Hartz-IV-Empfänger wirklich und hauptsächlich auf Leitungswasser angewiesen, wenn sie nicht einen netten Menschen haben, der die Durst(!)strecke überwinden hilft.
Und von der rechtzeitigen Anpassung der Hartz-IV-Sätze an die Teuerung ist überhaupt nicht die Rede. Man sollte sie koppeln an die Steigerungsrate der Abgeordnetendiäten. Doch das kommt nie, nie, nie.
[1] Information von http://www.heute.de/M%C3%B6bel-versteigern-und-Vegetarier-werden-28904768.html , dort auch der Liunk zur Broschüre
Zivilcourage
Zu meinem nur als Link[1] geposteten Hinweis wurde mir ein weiterer Fall mitgeteilt.[2] Dort geht es um Jobcenter und ähnliche Einrichtungen im Zuge der Hartz IV-Umsetzung.
Ich kann bestätigen, daß es vorkommt, daß Hartz IV-Empfänger zeitweise hungern müssen, weil ihnen nicht schnell genug geholfen wird – und ohnehin sind die Hartz IV-Sätze unzureichend, weil sie nicht regelmäßig der Teuerung angepaßt werden. Zudem basieren sie auf dem Preisniveau von Discountern, die nur selten in der Nähe von Sozialwohnungen zu finden sind.[3] Man sollte die Steigerung der Abgeordnetendiäten an die Steigerung der Sozialhilfesätze koppeln.
Aus eigener Anschauung kenne ich zwei Hartz IV Einrichtungen. In der einen – in einer westdeutschen Großstadt – gibt es zwar keine technische Sicherheitsschleuse, aber Sicherheitspersonal, das den Zugang zu den Mitarbeitern kontrolliert. In der anderen, in einer westdeutschen Mittelstadt, werden die Gespräche mit den „Kunden“ in einem Großraumbüro geführt, das zugleich Wartezone ist. Dort gibt es keine feste Zuordnung zu einem bestimmten Mitarbeiter. Bei einem erneuten Besuch muß sich der Kunde mit seinen doch recht intimen Anliegen vor allen Ohren auf eine andere Person einstellen. Die Vermittlungsstellen sind, soweit mir bekannt ist, und das sind mehr als die zwei erwähnten, nur über kostenpflichtige Service-Nummern erreichbar.
Der Sicherheitsbedarf der Mitarbeiter ist einerseits verständlich, wäre aber andererseits geringer, wenn die Kunden als Kunden behandelt und nicht als lästige Antragsteller hingehalten würden.
[3] Sozialwohnungen wären übrigens ein weiteres Thema.
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