Eine Jubeldenkschrift zum Firmenjubiläum – Das Stephansstift Hannover, Teil 4 von 4, „Was nicht in der Studie steht“- Die Autorinnen belassen den unwissenden Leser in schandbarer Unwissenheit.
Diese „Rezension“ begann mit einem drastischen Beispiel das nicht in der Studie genannt wird und auch keine vergleichbaren Vorkommnisse. Doch die gab es und man hätte sie unschwer finden können, wenn man wenigstens gegoogelt hätte. Dieses Versäumnis wiegt schwer, weil die Autorinnen aus ihren früheren Untersuchungen wussten, dass Misshandlungen und auch Missbräuche zumindest punktuell zu diesen „totalen Institutionen“ gehörten, in denen die Schutzbefohlenen der Willkür des zumeist nicht pädagogisch ausgebildeten Personals ausgeliefert waren.
Hier das PDF:
Singe, o Göttin, vom Zorn der geschändeten Knaben!
»Verrecken sollst du Vieh, verrecken wie ein Hund! …
In meinem Kopf sprang ein Schalter um, ich schlug ihm mehrfach mit den Fäusten in’s Gesicht, [1] er wich zurück, fiel rücklings auf’s Sofa, seine Nase blutete. … „Du spieltest Gott, Du warst dort im Kinder-KZ ja auch Gott, zwei deiner Schergen hielten mich fest, du tobtest dich an mir aus, an einem schmächtigen Vierzehnjährigen.“«
»Dann ging ich aus dem Haus, ging zu meinem Auto, konnte nicht sprechen, meine Begleiter ließen mich eine Zeit lang in Ruhe und dann fragte einer leise „Und …?“ – „Ihm läuft das Blut über die Fresse, wie damals mir und euch – und mir geht es innerlich unsagbar gut“. – „Der holt die Bullen.“ – „Der holt keine Bullen, denn der weiß, was dann in den Medien abgeht,“ sagte ich. „So war es auch, der verlor kein Wort über meinen abendlichen Besuch. Mir war unsagbar wohl, eine unsagbare Last war mir von der Seele gefallen. Aber der Triumph lag in dem Wissen, dass sich dieser elende Kinderschinder vor Angst fast in die Hose gemacht hatte. Er erlebte erstmals, wie sich ein wehrloser Mensch fühlt, wenn er geschlagen und gedemütigt wird. Das Menschsein zu verlieren ist grausam – und der Kinderschinder erlebte es in seinem eigenen Haus! Von seiner Allmacht war nichts mehr da, eines seiner Opfer hatte ihn zum Opfer gemacht, seine Welt brach zusammen.«
»Seit meiner „Auge um Auge“ – Aktion ging es mir seelisch gut; leider entkamen mir drei dieser menschlichen Ungeheuer, die im Namen ihres Gottes prügelten und vögelten – und uns sonntags in die Kirche ihres Diakonie-Kinder-KZ’s führten. Und sich abends wieder Opfer holten, die sie vergewaltigten und ihnen anschließend erklärten, dass sie, die Kinder, doch einfach Dreck wären. Deshalb seien sie ja schließlich hier, im Heim. AMEN.«[2]
Zorn!
„Europas erstes Wort“ nennt es der Philosoph Peter Sloterdijk[3]: »Am Anfang des ersten Satzes der europäischen Überlieferung im Eingangsvers der Ilias taucht das Wort „Zorn“ auf, fatal und feierlich wie ein Appell, der keinen Widerspruch duldet«. „Singe, Göttin, den Zorn des Peleiaden Achilleus.“[4]
»Die alte Welt hatte sich zum Zorn ihre eigenen Wege gebahnt, die nicht mehr die der Modernen sein können. Wo diese an den Therapeuten appellieren oder die Nummer der Polizei wählen, wandten die Wissenden von früher sich an die Überwelt. Um das erste Wort Europas zum Klingen zu bringen, wird von Homer die Göttin angerufen. … Wenn das Wort „Gewaltverherrlichung“ je einen Sinn hatte – für diesen Introitus zur ältesten Urkunde der europäischen Kultur wäre es am Platz. Doch würde es nahezu das Gegenteil dessen bezeichnen, worauf es in seinem heutigen, unvermeidlich mißbilligenden Gebrauch abzielt. Den Zorn besingen heißt ihn denkwürdig machen, was aber denkwürdig ist, steht dem Eindrucksvollen und dauerhaft Hochzuschätzenden nahe, ja geradezu dem Guten. Diese Wertungen sind den Denk- und Empfindungsweisen der Modernen so stark entgegengesetzt, daß man wohl zugeben muß: Ein unverfälschter Zugang zum Eigensinn des homerischen Zornverständnisses wird uns in letzter Instanz versperrt bleiben.«
Soweit Sloterdijk zum Zorn der Altvorderen. Lässt sich vernünftig daran anknüpfen? Ich denke, ja. Das verbindende Stichwort dürfte Affektkontrolle sein. Den griechischen Helden hätte sie ihre Heldenhaftigkeit genommen. Vernünftig mit aufsteigendem Zorn umgehen und ihn zügeln zu sollen, war in ihrer Vorstellungswelt nicht vorgesehen und darum gegen ihre Natur. Dies ist jedoch in der Moderne die Erwartung an den gesitteten, zivilisierten Menschen. „Wer schreit, hat Unrecht“, sagte meine Lehrerin, als die Stimme eines Kollegen unüberhörbar von drei Zimmern weiter bis in unser Klassenzimmer drang. Ich bin weit davon entfernt, Kronschnabel als griechischen Helden zu stilisieren. Zu oft haben wir uns wegen seiner – in der Regel verbalen – Ausraster[5] gekabbelt.[6] Natürlich ist seine Selbstjustiz nicht akzeptabel – aber hat er Unrecht?
Selbstjustiz[7]
Selbstjustiz kommt vor, wenn die „ordentliche“ Rechtsprechung versagt oder gar gänzlich fehlt.[8] Insofern ist Selbstjustiz der Versuch, den gestörten Rechtsfrieden wiederherzustellen.
Das ist hier nicht weiter zu vertiefen. Aber stehen die Verjährungsgrenzen der Verbrechen an Kindern und ihre fortgesetzte Vertuschung nicht dem Rechtsfrieden eklatant entgegen? „Der holt keine Bullen, denn der weiß, was dann in den Medien abgeht,“ sagte Kronschnabel und behielt Recht damit. Es gibt also – sogar auf beiden Seiten – ein Verständnis der Rechtslage, das über das positive Recht hinausgeht. Ob allerdings der Faustschlag von einem Gericht als Affekttat milde beurteilt worden wäre, möchte ich bezweifeln. Zu überlegt waren seine Vorbereitungen und er müsste deutlich machen, dass der Faustschlag nicht geplant war, sondern der Affekt erst während des Gesprächs virulent wurde.
Wenn man in der Öffentlichkeit zuschlägt, kann die Sache allerdings anders ausgehen.
»Weißt du, was mich an deiner G´schicht so wundert? Ich kenn´ wirklich nur eine einzige Geschichte. Dass ein Heimkind, ein ehemaliges Heimkind, mal hingeht und einen voll, voll erwischt.[9]
Was du sogst. Ha ha.
Gibt´s sowas?
Gibt´s scho. I hab zugeschlagen damals. Dem hab i eine auf´s Maul gehaut.
Hab´ ´ne Anzeige gekriegt und circa 2300 Geldstraf´. «[10]
Die Selbstjustiz hat noch einen Nachtrag verdient. Ich hatte Erich Kronschnabel gefragt: „Ich wüsste dazu noch gern, wie Ihre Familie Sie aus dem Stephansstift wieder freigekriegt hat. Ging das problemlos?“ Die Antwort kam postwendend: „Entkommen trifft tatsächlich zu, denn ich flüchtete bei der Kartoffelernte.“
Kronschnabel bediente sich des VW-Käfers, den der „Drecksack und Sklaventreiber = Landwirtschaftsleiter“ fahrbereit mit Schlüssel am Ackerrand abgestellt hatte.
„Die Polizei griff mich in meinem Elternhaus auf und schaffte mich zurück zu den (warmen) Brüdern. Zuhause hatte ich teilweise erzählt, was mir bei den Scheinheiligen widerfahren war. Das trieb meinen Vater zu seinem Anwalt und der flog beim Amtsrichter ein und erreichte dort die sofortige Aufhebung der Einweisung durch das Jugendamt.“ … „Der Käferklau brachte mir von den warmen Brüdern gewaltige Prügel und von einem kleinen Amtsrichterlein mit Nazivergangenheit 14 Tage Jugendarrest in Neustadt/Rübenberge ein. Das kleine Arschloch von Staatsanwalt fuhr gewaltig großmäulig auf und verlangte 6 Monate Jugendknast. Das Auftreten unseres Familienanwaltes blieb nicht fruchtlos, alle sprachen den Nazidialekt, man hatte Stallgeruch, und mein Alter zeigte den Hauptmann, den er sonst zu unterdrücken wusste. Das Staatsanwältchen wurde ganz leise, als die alten Nazis mit ihm fertig waren. Der hatte gedient, der verstand und kam fast um das bißchen Verstand. Damals gefielen mir die alten Nazisäcke einen Tag lang. Sie schossen sich gegenseitig in die Knie, war lustig.“
„Problemlos war die anwaltliche Aktion keineswegs, wie ich dann später erfuhr. Die Kinderficker konnten mich noch 6 Wochen auf ihrer geschlossenen Station festhalten, bis meine Eltern mich abholen konnten. Nebenher liefen Ermittlungsverfahren gegen den verantwortlichen Jugendamtsleiter des damaligen Landkreises Wesermünde. Man konnte (wollte) dem Nazischwein nicht an’s Leder, ich lernte sehr früh, was Nazi-Vitamin B bewirken kann. Auch der die ganze Sauerei lostretende Nazilehrer ging straffrei aus. Ich holte die Bestrafung 20 Jahre später nach – und ging auch straffrei aus … weil er roch, dass es besser wäre, einfach das Maul zu halten. Welches der in die Sauereien verwickelten Schweine ich später erwischen konnte, das bezahlte teuer. Mein Respekt vor Obrigkeiten war für immer weg, ich greife mir solche Häns’chen auf die verachtungsvolle Art. Motto: „Wer bezahlt hier wen, Herr/Frau Unwichtig?!“ Ich weiss, das ist nicht schön und nicht richtig, aber ich wende genau deren Methoden an – und die sind ja auch unrichtig.“
Andere Zeiten hatten andere Strafen: [11]
Hass
Wenn Kronschnabel nach seiner Racheaktion sagt, „mir geht es innerlich unsagbar gut“, ist der Zorn erkennbar verflogen. Zorn vergeht, Hass frisst weiter. Bei Kronschnabel bleibt sein grenzenloser Hass auf alles, was irgendwie mit Kirche und Diakonie zusammenhängt.
Hass kann sehr beständig und dauerhaft sein. Niemand hat ein Recht, dem Opfer den Hass auszureden oder zu verbieten. Er ist auch nicht abkaufbar. Aber: Hass macht blind. Und er vergiftet das Leben, auch wenn er zutiefst befriedigen mag.[12] Doch Kronschnabel leidet unter »furchtbaren Erinnerungen. Sie kommen nachts, sie reißen dich aus dem Schlaf, sie nehmen dir die Luft, du schreist deine Angst vor der geilen Drecksau mit Titel Diakon heraus – und wenn du Glück hattest, wachst du in den dich haltenden Armen deines Partners auf. Und irgendwann, wenn sie groß genug sind um zu verstehen, fragen auch deine Kinder nicht mehr, warum der Vater/die Mutter nachts manchmal so schreit. Du siehst es in ihren Augen, du siehst das Mitleid, die Zuneigung, die Liebe und auch die Verschrecktheit. Und erlebst, dass sie bei dem Wort Kirche nur Hass zeigen. Du leidest darunter wie ein Hund, weil du erkennst, dass die Täterschweine auch deine Kinder erreichten. DIE VERBRECHERISCHEN SCHWEINE DER DIAKONIE MACHTEN AUCH MEINE KINDER ZU OPFERN!«
Für Kronschnabel sind die Verbrechen gegenwärtig.[13] Sie sind die Quelle von Zorn und Hass, sind aber auch immer Retraumatisierung, die Wiederbelebung der Vergangenheit.
Trauma und Retraumatisierung
Mit dem Schaubild von Dr. Besser lässt sich der Vorgang gut und knapp darstellen. Das habe ich in diesem Blog bereits getan und muss es nicht wiederholen: https://dierkschaefer.wordpress.com/2018/11/25/wenn-die-seele-zuckt-trigger/
Abwicklung
Da wäre nur noch der Umgang der Täterorganisationen mit ihren Opfern anzusprechen.
Ein Mail von Kronschnabel:[14]
»Lieber Herr Schäfer, ich schicke hier einen anonymisierten Beschluss der Hannoveraner.
Meinen bekommen Sie unbearbeitet per Post. Den hier lesbaren Tenor findet man in jedem Beschluss, die arbeiteten mit Textbausteinen. Was man sich an sexuellen Spielarten vorstellen kann, kam der Kommission auf den Tisch. Die alten Säcke der Kommission könnten die besten Sexgeschichten schreiben, Porno pur.«
Meine Antwort: „Die emotionsfreie Darstellung der Vorgänge und ihrer Bewertung dürfte juristisch korrekt sein und es wäre überzogen von furchtbaren Juristen zu sprechen. Aber sie scheinen von der Psychodynamik in solchen Fällen nichts zu wissen. Sie sind entweder völlig unbeleckt von wissenschaftlich gesicherten Kenntnissen von Trauma und Retraumatisierung – oder sie haben den Auftrag, die Kassen ihrer Arbeitgeber zu schonen.“

Hier das Mail von Erich Kronschnabel, in dem er das Zusammentreffen mit seinem Täter ausführlich beschreibt, (Auszüge sind oben wiedergegeben).
»Gleiches mit Gleichem „heimzuzahlen“, das versteht jeder Mensch. Christen und sonstige Gutmenschen lehnen das zwar ab, aber als Atheist erlebte ich, dass auch ein sich Christ nennender Diakon das „wie du mir, so ich dir“ versteht, wenn ihn die Vergangenheit einholt und er für seine früheren Missetaten zu sühnen hat.
Er war Diakon im Kinderheim Stephansstift in Hannover, avancierte in der Außenstelle Kronsberg, einem berüchtigten Kinder-KZ bis in die 70er Jahre hinein, zum „Hausvater“ – und war für die Heimkinder ein gewalttätiger Stiefvater übelster Sorte. Nicht nur ich erlebte ihn als übelsten Schläger. Unterstützung erhielt er durch seine ihm unterstellten „Brüder“ (so nannten sich die scheinheiligen Schläger im Dienste der Diakonie).
Nach Bekanntwerden der Verbrechen an zahllosen Heimkindern holte auch mich die lange verdrängte Vergangenheit ein. Die Namen der Schläger und Vergewaltiger waren im Gehirn eingebrannt, ich begann mit der systematischen Tätersuche. Logistik war beruflich mein täglich Brot, bei der Internetsuche stellten sich schnell Erfolge ein. Telefonbucheinträge waren ergiebig, denn die inzwischen auch schon alten Täter nutzten Festnetzanschlüsse.
Günter Wallraff war mein Vorbild, ich wurde zum ehemaligen Diakonieschüler.
Eine frühere Sekretärin meines Peinigers freute sich sehr über den Anruf des ehemaligen Diakonieschülers, wir tauschten alte Erinnerungen aus, die Namen der früheren „Erzieher“ waren mir ja geläufig, die alte Frau schöpfte keinerlei Verdacht und nannte mir gerne die Adressen der ehemaligen „Kollegen“, auch die meines Peinigers. Weil ich die soooo gerne mal besuchen möchte….
Tante Google zeigte mir eine gepflegte Wohngegend in Hannover, zeigte mir ein stattliches Gebäude als Wohnsitz meines Peinigers. Heute – nach meinem Besuch – ist das Haus in Google Maps unkenntlich gemacht. Was natürlich sinnloser Quatsch ist, denn die Nachbargebäude sind unverblendet und die Hausnummer ist eh bekannt.
Ich schloss mich mit zwei weiteren Opfern des feinen „Hausvaters“ kurz und an einem regnerischen Abend fuhren wir nach Hannover. Ich hatte mir aus dem Internet den Namen eines verstorbenen Diakons „geliehen“. Ich klingelte. Eine Frauenstimme meldete sich über die Sprechanlage, ich stellte mich als der ehemalige Diakonieschüler Schröder vor und fragte, ob sie die Frau von Bruder N. sei und wenn ja, ob der noch lebe. „Ja, mein Mann lebt noch, aber kommen Sie bitte herein!“. Der Summer gab die Tür frei, ich stand in einer kleinen Diele, mir gegenüber stand eine alte Dame, am Ende der Diele guckte ein Mann aus einem Zimmer. Unverkennbar mein Peiniger, der alte Scherge lächelte, seine Frau bat mich in’s Wohnzimmer, „Bruder“ N. begrüßte mich freudig.
„Ich kann mich zwar nicht mehr an Sie erinnern, aber ich freue mich sehr, einen alten Kollegen zu sehen“ schwadronierte er. Wieder Erinnerungsaustausch, alle Namen waren mir ja geläufig, ich konnte überhaupt nicht auffliegen. Der Schweinehund mir gegenüber war trotz seines hohen Alters noch rüstig. Kein Wunder, der hatte ja nie ernsthaft arbeiten müssen. Kinder schlug er so nebenbei zusammen, wie alle seine (warmen) „Brüder“, die sich am „Frischfleisch“ nach Lust und Laune bedienten. In mir stieg die kalte Wut hoch, als ich diese Fresse wiedersah.
In einer Gesprächspause zeigte ich mit dem Zeigefinger auf meine Stirnnarbe und fragte „Erinnerst du dich an den Tag, als du mir mit dem Schuh an den Kopf getreten hast?“. Er erstarrte, seine Frau sagte „Ja aber…“, man hätte eine Stecknadel fallen hören [können] und er fragte leise „Wer sind Sie?“. In seinen Augen stand Angst, die Vergangenheit, seine schmierige Vergangenheit hatte ihn eingeholt.
„Du erinnerst dich genau, du Schwein, deine Augen sagen es mir, nur mein Name fällt dir nicht ein – weil du zahllose Kinder so misshandeltest wie mich!
Du spieltest Gott, Du warst dort im Kinder-KZ ja auch Gott, zwei deiner Schergen hielten mich fest, du tobtest dich an mir aus, an einem schmächtigen Vierzehnjährigen. Und als mich deine Schergen losließen und ich am Boden lag, tratest du mit dem Fuß zu, meine Stirn platzte auf und das Blut lief in meine Augen. Von der alten H. weiß ich, dass du Schwein Krebs hast. Verrecken sollst du Vieh, verrecken wie ein Hund!“
Er stand auf, stand sprachlos da, fixierte mich und sagte leise „Aber man muss doch auch mal vergessen können, das ist doch schon sechzig Jahre her…“
In meinem Kopf sprang ein Schalter um, ich schlug ihm mehrfach mit den Fäusten in’s Gesicht, er wich zurück, fiel rücklings auf’s Sofa, seine Nase blutete. Sie kreischte „Aufhören, aufhören….!“ „Das hättest du deinem Schwein damals auch zurufen sollen, wenn er Kinder prügelte. Ihr ekelhaftes Gesindel, ihr verfluchten Kinderschinder!“
Dann ging ich aus dem Haus, ging zu meinem Auto, konnte nicht sprechen, meine Begleiter ließen mich eine Zeit lang in Ruhe und dann fragte einer leise „Und…?“ „Ihm läuft das Blut über die Fresse wie damals mir und euch – und mir geht es innerlich unsagbar gut“. „Der holt die Bullen“. „Der holt keine Bullen, denn der weiß, was dann in den Medien abgeht“, sagte ich.
So war es auch, der verlor kein Wort über meinen abendlichen Besuch. Mir war unsagbar wohl, eine unsagbare Last war mir von der Seele gefallen. Aber der Triumph lag in dem Wissen, daß sich dieser elende Kinderschinder vor Angst fast in die Hose gemacht hatte. Er erlebte erstmals, wie sich ein wehrloser Mensch fühlt, wenn er geschlagen und gedemütigt wird. Das Menschsein zu verlieren ist grausam – und der Kinderschinder erlebte es in seinem eigenen Haus! Von seiner Allmacht war nichts mehr da, eines seiner Opfer hatte ihn zum Opfer gemacht, seine Welt brach zusammen.
Monate später erlebte ich bei einer weiteren Rechnungslegung ähnliche Verhaltensweisen früherer Täter aus dem Kreis der Diakonie. Wenn wir sie stellten und als das bloßstellten, was sie waren, knickten sie ein, wurden hilflose Kreaturen, denen die pure Angst in den Augen stand, einer stand mit nassen Hosen da. Tat ihm mehr weh als die Schläge in die Fresse.
Viel erstaunlicher waren allerdings die Reaktionen der noch lebenden Ehefrauen. Die zeterten und kreischten wie Perlhühner, kamen mit „… ist doch alles Lüge, ihr wollt doch nur Geld! Mein Mann war immer anständig zu euch Pack!“ Wahrheiten wurden verdrängt, werden von den noch lebenden Tätern immer noch verdrängt. Heimkinder waren und sind für diese Diakonieschergen einfach PACK! Ich vermute, daß diese (Un)Menschen nur so mit ihrem Gewissen zurechtkommen, denn ich stellte immer wieder fest, dass diese Kanaillen genau wussten, was sie an Unrecht lieferten.
Seit meiner „Auge um Auge“ – Aktion ging es mir seelisch gut, leider entkamen mir drei dieser menschlichen Ungeheuer, die im Namen ihres Gottes prügelten und vögelten – und uns sonntags in die Kirche ihres Diakonie-Kinder-KZ’s führten. Und sich abends wieder Opfer holten, die sie vergewaltigten und ihnen anschließend erklärten, dass sie, die Kinder, doch einfach Dreck wären. Deshalb seien sie ja schließlich hier, im Heim. AMEN…«[15]
Wer vergibt ist der Gebende.
Er wird dadurch stärker als der Schuldige, der ihm etwas schuldig bleibt, nämlich die tätige Reue. Erst danach kann man wieder auf Augenhöhe kommen.
Das haben die Kirchen nicht kapiert, der Staat auch nicht.
Fußnoten
[1] Graphik: Gespiegelter Scan, Roland Topor https://de.wikipedia.org/wiki/Roland_Topor
[2] Dies sind die von mir anders montierten Zitate aus dem Bericht von Erich Kronschnabel. Ich hatte ihn nach der Lektüre von Sloterdijk darum gebeten, weil ich darin einen weiteren Zugang zu Kronschnabels Art gesehen hatte, mit seinem Schicksal als gedemütigtes, vergewaltigtes ehemaliges Heimkind umzugehen. Wir sind seit langer Zeit in Mailkontakt, manchmal auch per Telefon. Wir schätzen und vertrauen einander. Nur zwei Links von vielen: https://dierkschaefer.wordpress.com/2016/01/14/hass-ist-eine-menschliche-emotion-scharfer-und-anhaltender-antipathie/ https://dierkschaefer.wordpress.com/2016/06/27/wie-unfein-erich-spricht-klartext-ueber-die-diakonie-konzentriert-und-schlagkraeftig/
Sein Originalmail ist für den interessierten Leser unten wiedergegeben.
[3] Die folgenden Zitate aus: Peter Sloterdijk, Zorn und Zeit, Frankfurt 20081.
[4] Im Unterschied zu Sloterdijk folge ich hier der „klassischen“ Tieck‘schen Übersetzung von „Μῆνιν [= Zorn] ἄειδε θεὰ Πηληιάδεω Ἀχιλῆος“.
[5] https://dierkschaefer.wordpress.com/2018/11/29/wenn-der-landesbischof-zum-trigger-wird-und-dann-auch-noch-meister-heisst/
[6] https://dierkschaefer.wordpress.com/2017/07/10/die-sache-mit-gott-werden-wir-in-diesem-leben-wohl-nicht-mehr-gebacken-kriegen/
[7] Selbstjustiz ist ein weites, hier nicht abzuschreitendes Feld. Genannt sei nur die Ohrfeige von Beate Klarsfeld für den „furchtbaren Juristen“ Filbinger; er wurde erkennbar an der Kirchentür zu Villingen verewigt (https://www.flickr.com/photos/dierkschaefer/5527357060/in/photolist-9qrgvJ-9qo93p-9qr9FE-9qo56X-9qrehL-9qo6Fk-9qoaEa-9qrgby) oder Marianne Bachmeier, die den Mörder ihrer Tochter im Gerichtssaal erschoss. „Ich wollte ihm ins Gesicht schießen. Leider habe ich ihn in den Rücken getroffen. Hoffentlich ist er tot“. https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/Die-Rache-der-Marianne-Bachmeier,mariannebachmeier101.html . Zu Selbstjustiz zähle ich auch die sogenannten Ehrenmorde, bis hin zu politisch motivierten Angriffen und Morden.
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Blutrache
[9] Damit war Kronschnabel gemeint.
[10] Auszug aus einem Interview mit einem Heimopfer. Die Aussage dieses Mannes, der hier nicht genannt werden soll, liegt mir komplett vor.
[11] Paul Beck, Oberländer Spitzbuben-Chronik, zitiert aus: Michael Barczyk, Die Spitzbubenchronik, Oberschwäbische Räuberbanden – Wahrheit und Legende, Ravensburg, o.J., S. 102
[12] https://dierkschaefer.wordpress.com/2016/01/14/hass-ist-eine-menschliche-emotion-scharfer-und-anhaltender-antipathie/
[13] https://dierkschaefer.wordpress.com/?s=abgebr%C3%BCht
[14] vom 21.03.2020
[15] Mail vom 19.03.2020, keine inhaltlichen Veränderungen, eine [Ergänzung]
Bei Antje Vollmers Tafelrunde / fiel auch was ab für arme Hunde.
Das muss man ihr schon zugute halten.
Der Runde Tisch Heimkinder und der Erfolg der Politikerin Dr. Antje Vollmer
Glückliches Österreich!
»Etwa 7000 Gewaltopfer sollen 300 Euro monatlich erhalten. Über die Aufteilung der Kosten wird noch mit Ländern und Kirche verhandelt.«[1] [2]
In Deutschland wären die Zahlen größer. Dennoch hätte man auch hier mit einer pauschalen Entschädigung zwar keine Gerechtigkeit, aber doch einen Rechtsfrieden schaffen können. Doch das Bestreben von Staat und Kirchen, möglichst billig aus einem Menschenrechts-Skandal herauszukommen, war größer. Erst Verleugnung, dann Vertuschung und dann der große Betrug am Runden Tisch unter der Führung von Antje Vollmer, die leider auch Pfarrerin ist. Der Imageschaden zuvörderst für die Kirchen ist immens. Doch die schlafen immer noch den Schlaf des vermeintlich Gerechten. Verjährung[3] ist doch eine feine Sache. Nur wird man dadurch nicht glaubwürdig.[4]
Betroffenheit kann man heucheln, glaubwürdig wird man erst, wenn man reletiv großzügig entschädigt. Gekonntes Problemmanagement sieht anders aus.
[1] http://diepresse.com/home/panorama/oesterreich/5179700/Ehemalige-Heimkinder-bekommen-Entschaedigung
[2] http://archiv.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=65570
[3] https://dierkschaefer.files.wordpress.com/2011/07/das-jc3bcngste-gericht2.pdf
[4] http://www.pfarrerverband.de/pfarrerblatt/archiv.php?a=show&id=2812
Heimkinder als Verfügungsmasse
Als Versuchskaninchen wurden sie auch benutzt. Seit Sylvia Wagner über Arzneimittelstudien an Heimkindern publiziert hat[1], purzeln die Meldungen geradezu aus dem Medien. Immer mehr Heime und Fälle werden genannt, auch aus dem Ausland[2]. Die FAZ veröffentlichte am 19. November einen ganzseitigen Artikel über „Tablettenkinder“ an recht prominenter Stelle[3].
Die Heimereignisse sind also noch vielfältiger, als sie bisher dargestellt wurden. Doch überraschend kommt das nicht. Es ist nur ein weiteres unterdrücktes und verdrängtes Kapitel der Heimgeschichte.
Ich sehe bisher fünf Phasen.
Die erste Phase ist durch das Stichwort „Schläge im Namen des Herrn“ (SPIEGEL-Redakteur Wensierski) zu umreißen. Es ging um die Vorkommnisse in den Heimen, die man aufgrund der damaligen pädagogischen Kenntnisse – vorsichtig formuliert – als hinderlich für den weiteren Werdegang vieler ehemaliger Heimkinder bezeichnen kann. Die Heimkinder nennen die alltäglichen Demütigungen, Gewalttätigkeiten, Zwangsarbeit und Bildungsverweigerung „Verbrechen“. Die folgenden Phasen resultieren aus dieser ersten.
Als diese Vorkommnisse nicht mehr geleugnet werden konnten, kam die zweite Phase: der Runde Tisch Heimkinder, „moderiert“ von Frau Vollmer. Hier saßen wenige ehemalige Heimkinder einer Phalanx von kompetenten Interessenvertretern von Staat und Kirchen gegenüber – und sie wurden gezielt betrogen.[4] Die Medien schreiben bis heute von Entschädigungen, obwohl die bescheidenen Geldzuwendungen erklärtermaßen keine sein sollen, denn dann gäbe es einen Rechtsanspruch. Das durfte nicht sein, ebensowenig wie man bereit war, die Zwangsarbeit als solche zu deklarieren und zu vergüten. Auch heute noch renommierte Firmen blieben verschont. Bleibende Körperverletzungen blieben unberücksichtigt wie grundsätzlich auch die Kinder aus Behindertenheimen und Kinderpsychiatrien.
Die dritte Phase begann mit dem Bekanntwerden des umfangreichen sexuellen Missbrauchs in den Erziehungseinrichtungen und mündete in den separaten Runden Tisch Missbrauch. Missbrauch war am ersten Runden Tisch bereits zur Sprache gekommen, war jedoch kein eigenes Thema, wie auch die Medikamentierung der ehemaligen Heimkinder. Viele berichteten, wenn auch nicht von Versuchen, so doch von Medikamenten zur Ruhigstellung mit psychotropen Substanzen. Das hat nicht weiter interessiert.
Nun beginnt die vierte Phase mit der Aufdeckung umfangreicher medizinischer Versuche an ehemaligen Heimkindern. Medikamente waren nicht das einzige. Ich erinnere mich an die Schilderung eines ehemaligen Heimkindes, der wegen Bettnässen in der Universitätsklinik Tübingen mit Elektroschocks am Penis behandelt wurde bis zur Verschmorung des Gewebes.
Eine fünfte Phase wird gerade eingeleitet mit der Errichtung einer Stiftung „Anerkennung und Hilfe“ für die ehemaligen Heimkinder aus Behinderteneinrichtungen und Psychiatrien.
Das Schicksal der Kinder in den Heimen hat die Forschung beflügelt, wie auch jetzt aktuell in der Medikamentensache. Die Heimkinder sehen nach meiner Kenntnis dabei hauptsächlich, dass für die Forschung Geld bereitgestellt wird (wie auch für die Verwaltung ihrer Anträge), aber kein Geld für halbwegs angemessene Entschädigungen. Ein Großteil der ehemaligen Heimkinder lebt in äußerst bescheidenen Verhältnissen, allein schon bedingt durch heimverursachte Bildungsmängel.
Ich teile die Skepsis der ehemaligen Heimkinder, dass auch für die neu bekannt werdenden Fälle wieder nur „Almosen“ übrig bleiben werden, – auf Antrag und unter retraumatisierenden Bedingungen. Unsere Medien werden wieder von Entschädigungen sprechen. Sie sollten besser recherchieren.
Bewertung: Schutzbefohlene können zu den verschiedensten Zwecken „verzweckt“ , also missbraucht werden, die Geschichte der Heimkinder belegt das. Es wäre auch nach den Insassen der Seniorenheime zu fragen, nach den Strafgefangenen, auch nach Kranken in den Krankenhäusern, – es gäbe wohl noch manche andere. Ich will bei den Kindern bleiben.
Neuere Vorkommnisse[5] zeigen, dass trotz einer Besserung der Verhältnisse wohl auf breiter Basis in den totalen Institutionen es ohne Rücksicht auf die Rechtslage[6] immer wieder zu Übergriffen kommt, die nicht tolerierbar sind. Vertrauen mag gut sein, Kontrolle ist besser. Wir brauchen für die verschiedenen Gruppen Schutzbefohlener Ombudsleute, die nach ihrer Überprüfung der Plausibilität von Vorwürfen bevollmächtigt sind, die Fälle in den Einrichtungen zu untersuchen (Befragungen, Akteneinsicht, Schiedsbefugnis, Beschwerdemacht bis hin zur Anklagebefugnis). Viele Schutzbefohlene haben noch ihre Familien oder Freunde, die für sie die Ombudsperson anrufen können, wenn sie nicht selber mehr dazu in der Lage sind.
Doch ich fürchte, dass unsere Politiker eher um ihre Wiederwahl besorgt sind und auf Lobbyisten hören, denn auf die Sorgen und Beschwerden „kleiner Leute“.
Fußnoten
[1] http://duepublico.uni-duisburg-essen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-42079/04_Wagner_Heime.pdf
[2] http://www.lkz.de/lokales/stadt-kreis-ludwigsburg_artikel,-%E2%80%9ETaeglich-ein-Becherle-mit-Smarties%E2%80%9C-_arid,396038.html
http://www.cbgnetwork.org/6964.html
Pharmaindustrie: grausame Medikamentenversuche unter dem Motto „Kinder sind unsere goldene Zukunft“
[3] Von Reiner Burger, FAZ Sonnabend, 19. 11. 2016, S. 3. Leider kann ich aus ©-Gründen meinen Scan hier nicht einstellen.
[4] https://dierkschaefer.wordpress.com/2011/01/31/der-runde-tisch-heimkinder-und-der-erfolg-der-politikerin-dr-antje-vollmer/
[5] https://dierkschaefer.wordpress.com/2016/07/12/friesenhof-skandal-neue-kinder-und-jugendhilfeverordnung-ab-ende-juli/
[6] Auch die Rechtslage ist dank der Lobby-Arbeit der Sozialkonzene nicht im Sinne von Schutzbefohlenen gleich welcher Art. https://dierkschaefer.wordpress.com/2015/06/24/die-zahnlosigkeit-der-gesetze-zum-recht-von-schutzbefohlen/
Gerade kommt noch ein neuer Link rein: http://www.derbund.ch/zuerich/gemeinden/Schlimme-Befuerchtung-Pharmatests-an-Heimkindern/story/31169665
Das Mitleid wurde spätestens im 19. Jahrhundert „erfunden“.
Das Mitleid wurde spätestens im 19. Jahrhundert „erfunden“[1]
Um so erstaunlicher und empörender die „Arbeitserziehung“ in kirchlichen Einrichtungen – und die Prügel und sonstigen Mißhandlungen.
„Wer die Kinder ihrer elementaren Schulausbildung beraubt, bringt sie um ihre Zukunft“.
»In seiner Studie über »The Making of the English Working Class« notierte E. P. Thompson 1963, dass »die Ausbeutung von kleinen Kindern, in diesem Ausmass und mit dieser Intensität, eines der beschämendsten Ereignisse unserer Geschichte ist«.
Ja, nicht nur der Geschichte, sondern auch der Kirchen im 20. Jahrhundert.
[1] http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/literatur-und-kunst/drei-figuren-des-mitleids-1.18218683 Sonntag, 12. Januar 2014
Zwangsarbeit? Doch nicht im Kinderheim!
Martin Mitchell aus Australien verbreitet folgenden lesenswerten Bericht über das Betriebsklima wohl nicht nur dieses kirchlichen Heimes (Erziehungsheim – Mädchenerziehungsheim – der „Schwestern vom Guten Hirten“ in Aachen).
www.heimkinderopfer.blogspot.com/2010/05/blog-post.html
Wieder einmal frage ich mich, warum der Runde Tisch in seinem Zwischenbericht die Nutznießer solcher Zwangsarbeit nicht genannt hat.
»Die Begrüßung im „Zum guten Hirten“ fiel folgendermaßen aus:
Alle Erzieherinnen wollten hier als „Mutter“ sowieso angesprochen werden. „Hier hast du alle Rechte an der Pforte abgegeben; du bist eine Nummer von vielen; solltest du aufmucken dann hast du schon verloren.“ Dabei rasselte sie ununterbrochen mit Ihrem Schlüsselbund, mit einigen Schlüsseln daran, den sie um den Bauch an einem Gürtel trug. Jede Tür wurde mit einem Ihrer Schlüssel geöffnet, nachdem wir durchgegangen waren, wieder verschlossen. Es ging zu wie im Gefängnis.
Wie wir dann zur Gruppe kamen stellte ich fest, dass alle Sadisten so einen Schlüsselbund um den wohlgeformten Leib trugen. In der Folgezeit habe ich öfters Kontakt mit den Bunden im Gesicht und am Körper gehabt. Mir und auch bestimmt den anderen wurde des Öfteren mitgeteilt, wenn wir nicht spuren würden, gäbe es zwecks Erziehungsprogramm auch noch das Zuchthaus für Mädchen, die sich nicht belehren ließen.
Ich teilte den Nonnen direkt mit, dass ich schwanger war. Im Beisein von mehreren Nonnen wurde ich von einem Arzt untersucht der bestätigte die Schwangerschaft. Das hielt diese Leute aber nicht davon ab mich schwerste körperliche Arbeit verrichten zu lassen. So kam es zur Fehlgeburt auf der Heimtoilette.
Ich bekam es mit der Angst, rief eine Nonne die dann so reagierte. Sie spülte den Fötus in den Abort und sagte: „Sei froh das du den Balg los bist. Jetzt können wir ja endlich die Arbeiten aufnehmen und du brauchst dich nicht mehr darum zu drücken.“ Nach 14 Tagen Blutverlust entschied man sich dann doch mal zur Krankenhauseinweisung der Stadt Aachen zwecks einer Operation.
Danach nahm die Ausbeutung bis zur Entlassung Ihren Lauf.
Ich wurde in einem großen Raum wo nur Mädchen an manuellen Nähmaschinen saßen, angelernt im 8 Stunden Akkord sämtliche Oberbekleidung für Quelle, Schwab, und Neckermann zu nähen. Bis dahin kannte ich solche Arbeiten nicht. Aber nach vielen Folterungen z.B. Schläge von hinten (man saß ja an der Maschine) und ich flog mit voller Wucht auf das Obergestell. Man lernte schnell damit diese Kampagnen endlich aufhörten.
Die tausenden von Kleidung musste dann in Tüten eingeschweißt und in überdimensionalen Schrankkoffern über mehrere Etagen zur Pforte geschleppt werden, wo die Ware von den Versandhäusern abgeholt wurden. Für die Schokoladenfabrik Stollwerck aus Aachen [sic — Köln] haben wir ebenso im Heim gearbeitet. Die Firma brachte und holte die fertige Arbeit auch wieder ab. Wir haben auch hier wie überall den Rücken umsonst krumm gemacht. Gottes Lohn sollte uns reichen«.
»Für diesbetreffende Kontaktzwecke in Deutschland hat sich Erich Scheuch zur Verfügung gestellt. Erich Scheuch ist selbst „Heimkind“ in einem katholischen Kinderheim gewesen (und diese Frau, die selbst keinen Computer hat, hat ihm ihre Geschichte zur Weiterveröffentlichung im Internet aufgeschrieben ).
Erich Scheuch, 02241 33 40 23, 0163 – 721 96 90, erich.scheuch@edw-scheuch.de «
Ohne Fleiß kein Preis!
Der Beitrag der Kinder zu ihrer Erziehung: Kinderarbeit in Kinderheimen
In vielen Erziehungs- und sonstigen Heimen für Kinder und Jugendliche wurden die Insassen nicht nur zur Mithilfe in Haus und Garten herangezogen, sondern es handelte sich um veritable, wertschöpfende Arbeit von täglich mehr als vier Stunden, die den Kindern und Jugendlichen je nach Art der Arbeit hohe Konzentration und Kräfteeinsatz abverlangte.
Diese Arbeiten dienten entweder der Existenzsicherung der Heime, indem sie Personal einsparten (heiminterne Dienstleistungen) und/oder Nahrung und Kleidung für den Heimbedarf produziert wurde. Vielfach wurden wie in klassischer „Heimarbeit“ auch Aufträge für Wirtschaftsbetriebe außerhalb des Heims ausgeführt oder die Kinder (meist waren es Jugendliche) direkt nach außen verdingt, häufig in landwirtschaftliche Betriebe.
In der Regel wurden die Arbeitsleistungen weder entlohnt, noch wurden Sozialabgaben abgeführt – mit den hinreichend bekannten Folgen für die Rentenansprüche.
Für diese Kinderarbeit und ihre Kollateralschäden werden regelmäßig zwei Rechtfertigungsgründe genannt.
1. Die Arbeitsbelastung sei vergleichbar der Mithilfe von Kindern und Jugendlichen der damaligen Zeit in elterlichen landwirtschaftlichen Betrieben, und die sei auch ohne Entlohnung und Sozialversicherung erbracht worden.
Zudem seien die Heime auf den Arbeitsertrag angewiesen gewesen.
Zur dieser Begründung ist schon viel geschrieben worden. Darum seien hier nur zwei Aspekte genannt. Wer im elterlichen Wirtschaftsbetrieb arbeitete, tat dies in einem als selbstverständlich verstandenem familiären Zusammengehörigkeitgefühl und im Bewußtsein, spätestens im Erbfall diesen Betrieb zu übernehmen oder ausgezahlt zu werden. Zudem, und dies ist der zweite Aspekt, geschah diese Arbeit in einem kommunikativen Miteinander, war also eine Form des normalen, oft auch fröhlichen Zusammenlebens. Für die Arbeit in den Heimen galt jedoch, wie vielfach berichtet wird, eine totale Überwachung mit striktem Schweigegebot. Ein ehemaliges Heimkind schreibt: »Die ständige Überwachung und nicht miteinander kommunizieren zu dürfen war belastend. … Und natürlich auch nur Arbeiten, die für das Selbstwert eines jungen Menschen nicht förderlich waren, sondern eher zur Verdummung beitrugen«.
Selbst wenn man akzeptiert, daß die damalige finanzielle Notlage der Heime die wirtschaftliche Ausbeutung der Arbeitsressourcen der Insassen erfordert hat, so entbindet dies nicht von der Verantwortung, Sozialabgaben nachzuzahlen. Immerhin blieb der Gewinn bei den Heimen, die sich teilweise zu beachtlichen Sozialkonzernen gemausert haben. Zudem müssen wir die Lücken in der Rentenbiographie der ehemaligen Heimkinder als gesellschaftliche Altlast betrachten, die bei allem Verständnis für die damalige Situation heute abzutragen ist, allerdings nicht als Sozial-Almosen, sondern als finanzielle Anerkennung für die damals erbrachten Leistungen. Die Heime und Firmen, die damals profitiert haben, müssen heute dafür aufkommen, erst wenn das nicht ausreicht die Versichertengemeinschaft.
2. Es habe sich um Arbeitstherapie gehandelt und diese sei ohnehin nicht versicherungspflichtig.
Um die zweite Form der Rechtfertigung ist es in der letzten Zeit stiller geworden. Das mag mit den Bildern zusammenhängen, die auch in den Heimarchiven überdauert haben, weil man sie lange Zeit als „normal“ ansah, mit denen man aber inzwischen nicht mehr verdeutlichen kann, was diese Art Arbeit mit Therapie zu tun gehabt haben soll: Stumpfsinnige Arbeiten, die jede Phantasie und Entwicklungsmöglichkeit der Kinder und Jugendlichen im Keim erstickt haben, ganz zu schweigen von der verbrauchten Zeit, die besser für schulische Förderung aufgewendet worden wäre. Diese Verbrechen an Kinderseelen werden noch augenfälliger, wenn wir die Bilder der „Moorsoldaten“ aus der Nach-Nazi-Zeit sehen.
Doch die Idee der Arbeitstherapie verdient eine enthüllende Betrachtung:
»Die Erziehung der Eingeborenen zur Arbeit« lautet ein Kapitel aus dem Buch „Weiße Väter“ von Pater Theodor Frey, ab 1910 Provinzial der Deutschen Provinz der Weißen Väter. »Das Ziel der Missionare ist, aus den Eingeborenen überzeugte Christen zu machen und sie in einem echt christlichen Leben zu bewahren. Eines der besten und wirksamsten Mittel, diesen Zweck zu erreichen, ist, die Neger zu ernster, geregelter Arbeit zu erziehen. … Schwarze, die ihr Leben in Trägheit zubringen, werden niemals Christen, die sittlich auf der Höhe stehen und unter Umständen den Mut haben, für ihre Überzeugung Opfer zu bringen. … Die Arbeitsamkeit ist eine gute Hüterin der Sittlichkeit und des Glaubens. … Die Religion muß den Neger zunächst zum Menschen machen, nur dann wird sie aus ihm einen brauchbaren Christen machen können.«
Es wird lohnend sein, den Verknüpfungen von Mission, Rettungshaus und Arbeitserziehung einmal nachzugehen und zu fragen, wie viele der dermaßen „kolonialisierten“ Heimkinder tatsächlich zur „Freiheit der Kinder Gottes“ erzogen wurden.
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