Gott wird Kind! Unorthodoxe Gedanken eines Pfarrers zur Weihnachtsgeschichte

Gott wird Kind! Er wird „niedrig und gering“, er begibt sich schutzlos in die Gewalt der Menschen. Das ist der Kern der Weihnachtsgeschichte – was für ein Narrativ! Ein Narrativ? Es dürfte eines der wirkmächtigsten Narrative in der Geschichte der Menschheit sein.
Ein Narrativ, so lesen wir bei Wikipedia, ist eine sinnstiftende Erzählung, es transportiert Werte und Emotionen. Narrative sind keine beliebigen Geschichten, sondern etablierte Erzählungen, die mit einer Legitimität versehen sind. Sie mögen also erfunden sein, aber nicht frei erfunden und erst recht nicht „erstunken und erlogen“, wie manche Kritiker der Bibel pauschal bemängeln. Man möge mir die falsche Etymologie nachsehen: Nur Narren halten Narrative für Narretei. Psalm 53,2: „Es spricht der Narr in seinem Herzen: Es gibt keinen Gott“.
Doch der Reihe nach: Keiner von denen, die bei Jesu Geburt dabei waren, hat die Sensationsmeldung verbreitet: „Gott wird Kind!“. Die Nachricht kam erst postum, nach dem Tod des „Gottessohnes“. Wir müssen also vom Ende her denken, auch zu Weihnachten. Ohne Tod keine Auferstehung und keine Weihnachtsgeschichte.
Der Mensch Jesus, ein Wanderprediger, wurde von seiner Gefolgschaft nicht nur verehrt, sondern für den Sohn Gottes gehalten. Erst sein unfassbarer Verbrechertod am Kreuz und die Erfahrungen seiner Gefolgschaft, er sei noch immer gegenwärtig, ließ sie nachdenken, wie alles angefangen haben könnte. Und so verlängerten sie das im Entstehen befindliche Narrativ von seiner Auferstehung und seinem Wirken als Wanderprediger bis zu seinem Lebensbeginn. Das war logisch – und da es mit Gott zusammenhängt: theo-logisch, und dieses sehr subtil und durchdacht – unter Rückgriff auf Narrative aus dem jüdischen Testament; wir nennen es das alte und schlagen damit einen großen Bogen von einer alten Religionsgeschichte zu einer neuen. So machte es schon Matthäus sehr ausgeprägt. Auf die Probleme will ich hier nicht eingehen.
Das Lukasevangelium schafft eine gar nicht so neue Verknüpfung. Denn schon im „Alten“ Testament war die Geschichte Israels mit der übrigen Geschichte verbunden worden. Lukas verankert die Kindwerdung Gottes in der Profangeschichte: „…es begab sich aber zu der Zeit des Kaisers Augustus, … da Cyrenius Landpfleger in Syrien war…“ Damit ist zwar nichts bewiesen, doch das Narrativ wird geerdet und logisch nachgerüstet: Dem Leben Jesu wird mit der Geburtsgeschichte ein Anfang gegeben – und der steckt, welch Wunder, schon voller Wunder, und voller Theo-Logik.
Gott wird Kind – was bedeutet das? Aus „Herr Gott“ wird das Kind Gott und er zum Vater-Gott. Ein Mensch wird zur Gottes-Mutter. Das hatte bei dem Schürzenjäger Zeus/Jupiter noch keine theologische Bedeutung, sondern gehörte zu den göttlich-allzumenschlichen Eskapaden.
Für mich sind zwei theologische Erkenntnisse wesentlich:
Mit der Menschwerdung Gottes in der Zeit von Augustus und Cyrenius beginnt die Säkularisierung: Gott wird weltlich.
Mit der Kindwerdung Gottes haben wir eine Aufgabe: Schutzlose Kinder um Gottes Willen zu schützen und zu fördern. An Fördern war damals noch nicht zu denken. Kinder wuchsen einfach in das Leben ihrer Eltern und deren Umwelt hinein. Ein Traum heutiger Sozialromantiker: Erziehen? Nein, einfach wachsen lassen! – Wir sind dagegen realistischer: Erziehung und Förderung sind nötig. Aber Fördern wohin, zu was?
Prof. Jürgen Eilert (et al.) beschreiben unter dem sperrigen Titel „Operationalisierbarkeit des Eigenstandsschadens …“ unsere Aufgabe bei Kindern. Der Begriff Eigenstand ist genauso sperrig. Gemeint ist die Stärkung der Persönlichkeit des Kindes, das im Sinne des Grundgesetzes frei – eigenständig – seinen Platz in dieser Gesellschaft einnehmen und behaupten können soll: „Es geht um die schrittweise zu entwickelnde Fähigkeit des Menschen, überhaupt verantwortliche Entscheidungen im Sinne der Ausgestaltung seines Persönlichkeitsrechtes zu fällen.“ Dazu gehört der soziale Aspekt. Nämlich „die schrittweise zu entwickelnde Fähigkeit des Menschen, soziale Verantwortung für den Eigenstand und das Persönlichkeitsrecht anderer Menschen zu übernehmen.“
Auf dem Weg zu dieser Eigenständigkeit kann manches schiefgehen, wenn wir nicht aufpassen. Ein Baby ist, wie wir schon länger wissen, ein „Nesthocker“, eine „physiologische Frühgeburt“. Wichtige Anteile der Reifung finden außerhalb des bergenden Mutterleibes statt und benötigen die Geborgenheit in der Umwelt des Kindes. Dafür gibt es Zeitfenster. Wenn die nicht genutzt werden, schlimmer noch, wenn dann falsche Prägungen erfolgen, dann ist das Fenster zu und eine Nachreifung sehr aufwendig. Wir denken dabei an die Traumatisierungen in Kindheit und Jugend, aktuell an den sexuellen Missbrauch von Kindern.
Gott wird ein schutzloses Kind. Im Narrativ wurde die Szene passend ausgemalt: Der herzlose Wirt, die ärmlichen Hirten, aber dann auch der Chor der Engel und das „Fürchtet euch nicht!“ Die Könige mit ihrem Stern kamen später hinzu – alles gut theologisch. Und schließlich der ganze Weihnachtskitsch. Doch der Kern bleibt: Gott wird Kind und erdet sich – und wir haben hier auf Erden eine Aufgabe – für die Kinder. Das kann auch schiefgehen: „Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat‘s nicht ergriffen.“ (Jh 1;5).
Nachtrag
Ich habe jetzt ein Narrativ „aufgedröselt“. Ist es damit kaputt? Ich denke nein. Wir in meiner Familie pflegen und erzählen es weiter. Wir bauen die Krippe auf, lesen unseren mittlerweile erwachsenen Kindern die Weihnachtsgeschichte vor, wir „gehen auf Tournee“ mit „Bethlehem, Provence“ als „Szenische Lesung“ der südfranzösischen Weihnachtsgeschichte“, meist einbettet in einen Gottesdienst. Wenn genug Zeit ist, vergleiche ich im Gespräch mit den Zuhörern das Narrativ und die Erzählungen bei Lukas und Matthäus – da gibt es erhebliche Unterschiede. Wir stellen übrigens – ein anderes Narrativ – zum Nikolaustag unsere Stiefel vor die Terrassentür. Wir tauchen ganz bewusst in unsere Kindheitserinnerungen ein, wenn auch die Naivität weg ist: Das Narrativ erinnert an die Kindheit.
So ganz banal ist das Weihnachtsnarrativ nicht. Der geschmückte Weihnachtsbaum ist schön, aber ohne den Gedanken an einen Gott, der als Mensch geboren wurde und seinen Engel verkünden lässt: „Friede auf Erden den Menschen, die guten Willens sind“, ist das alles nur Brauchtum.
Damit bin ich schon wieder im Narrativ. Es ist „unkaputtbar“.
Zur Information zu Eilert (et al.): Ich habe den 29seitigen Essay der Autoren auf gut fünf Seiten „eingedampft“ – und die wenigen Sätze oben sind der Extrakt davon. Man lese nach:
Was tut ein weißer Hase im Internet?
„Es hatte bestimmt alles seine Ordnung“, schreibt Günter Scheidler. Doch das stimmt nicht. Nichts war in Ordnung. Seine Mutter hatte ihn nach seiner Geburt in die Obhut des Staates übergeben, unfähig und unwillig sich seiner anzunehmen. Sein Vater wusste nichts von seiner Geburt und so verbrachte er das erste halbe Jahr seines Lebens an dem Ort, an dem er das Licht der Welt erblickte. Später, im Kinderheim, wenn jedes Wochenende viele Kinder Besuch von Ihren Eltern bekamen, blieb er stets allein und niemand sagte ihm warum. Einmal, zu Weihnachten, bekam er einen Freund. Einen Hasen. Einen kleinen weißen Plüschhasen.
„Ich war plötzlich nicht mehr allein, dort am Ende der Welt, und wenn mich schon niemand dort besuchen kam, so hatte ich nun endlich jemanden, der mir immer zuhörte.“
Doch im März 1965 kam ein dunkler VW Käfer. „Es war kein Platz im Auto für meinen einzigen Freund, den kleinen weißen Hasen. Als wir an der großen schweren Eingangstür vorbeifuhren, drehte ich mich kurz um und sagte leise: „Keine Angst weißer Hase, ich bin bald wieder da“. Ich wusste nicht, dass ich mein Versprechen nicht halten werde. Das Auto brachte mich auf direktem Weg in die Hölle.“
Wer mit Heimkinderschicksalen vertraut ist, kann kaum noch erschüttert werden. Doch jedesmal läuft es mir eiskalt über den Rücken, wenn ich von eiskalt-sadistischen Erziehern lese und hätte gern ihr Psychogramm. Warum tickt ein Mensch so wie Schwester Elisabeth?
Auf dem Gelände der Anstalt, gab es ein Kriegerdenkmal mit vielen Namen von gefallenen Soldaten. „Es sah aus wie ein Friedhof, für uns war es ein Friedhof. Schwester Elisabeth wusste das. Beim letzten Spaziergang nahm sie mich zur Seite, zeigte auf den großen Stein und sagte zu mir „Und da kommst Du auch hin“. „Im Bewusstsein, dass man zu jeder Zeit willkürliche Bestrafungen erfuhr und dass das Leben eines Kindes hier keinen großen Wert zu haben schien, versuchte ich nicht aufzufallen und heil durch den Tag zu kommen.“
Heimwechsel: In der Kinderpsychiatrie musste ich mich nur vor den Schwestern, Pflegern und Ärzten fürchten. Hier musste ich jeden fürchten. „Du bist also der aus dem Irrenhaus“ sagte sie schließlich. Ich stand wie angewurzelt und wagte es nicht zu antworten. Sie drehte sich zu den sitzenden Kindern und sagte laut: ,Kinder, das ist der neue, von dem ich Euch erzählt habe. Er ist nicht ganz richtig im Kopf und kommt direkt aus dem Irrenhaus. Er wird nicht mit Euch zur Schule gehen, dafür ist er zu dumm, ihm werden hier auch keine Extrawürste gebraten. Schlimm dass so etwas bei uns aufgenommen wird, aber wir werden ihm schon zeigen wie wir hier mit solchen Kindern umgehen.’ Ein Raunen ging durch den Raum. Dann drehte sie sich zu mir und sagte genauso laut: ,Ich bin Schwester Therese. Mit Dir werde ich schon fertig. Jetzt geh und setz´ Dich in die letzte Reihe, wage es ja nicht albern zu sein.’“ Schwester Therese war schlimmer als Schwester Elisabeth. „Wie ein Pfarrer bei der Segnung legte Schwester Therese eine Hand, manchmal auch beide auf den Kopf des oder der Badenden, sprach ein schnelles ,Herr vergib ihm/ihr’ und tauchte dann mit aller Kraft den Kopf des Kindes unter Wasser. Manchmal einmal, manchmal mehrmals.“
Wie schon gesagt: Ich hätte gern ein Psychogramm.
Die ganze Geschichte von Günter Scheidler kann man nun online lesen.
http://guenter-scheidler.de/wp-content/uploads/2017/09/Weisser-Hase-Scheidler-van-Haaken.pdf
Und der weiße Hase? Verwandelt! Er taucht in anderer Farbe, aber weiterhin als wichtiger Freund eines Kindes, wieder auf im Buch von Marie-Aude Murail, Simpel. Eine Rezension dazu unter https://dierkschaefer.wordpress.com/2010/03/21/im-herzen-der-finsternis/ . Es ist die zweite der unter diesem Link zu findenden Rezensionen.
»Wenn der Richter das gelesen hätte, dann hätten Sie keine zehn Jahre gekriegt.« VIII
Dieter Schulz
Der Ausreis(ß)ende
oder
Eine Kindheit,
die keine Kindheit war
Achtes Kapitel
Berlin? In Leipzig lief’s besser.
Nicht weit von unserem Landeplatz entfernt verlief eine Landstrasse im Winkel wieder zur Autobahn. Allerdings jenseits der kontrollierten Brücke. Somit hatten wir diese Hürde schon mal genommen. Wohlgemut folgten wir der Landstrasse in Richtung Autobahn/Berlin. Auf dieser Landstrasse entfernten wir uns auch immer weiter aus dem Blickwinkel der Brücke. Das machte uns das Laufen noch leichter. Ja, die Autobahn würden wir an diesem Tage noch erreichen. Aber Berlin? Wir hätten es uns nicht einmal träumen lassen an diesem Tage auch noch Berlin zu erreichen.
Russisch fluchen muss man können
Uns überholte ein Autokonvoi bestückt mit russischen Soldaten. Ich winkte und rief ihnen zu uns doch ein Stück mitzunehmen. Sie winkten zwar freundlich zurück, weil Russen von Natur aus sehr kinderlieb sind, doch anhalten tat keines der Autos. Zum Teufel mit euch, dachte ich. Das rief ich dann auch dem letzten Wagen, einem Jeep, in Russisch hinterher.
Quietsch!!! Da hielt der Wagen in einer Staubwolke gehüllt in etwa 20 Meter Entfernung an. Au weia! Ein Major kam auf uns zu. Mit Muffensausen schauten wir ihm entgegen. Oh Wunder. Der Typ sah gar nicht allzu böse aus seinem Uniformkragen hervor. Er wollte lediglich wissen, wer von uns in so perfektem Russisch fluchen konnte. Meine Kumpane mit ihrem Schulrussisch verstanden natürlich kein Wort von dem was der Offizier fragte. Am Ausdruck seiner Augen konnte ich ablesen, dass er gar nicht böse zu sein schien. Seine Stimmlage bestätigte dies noch. Deshalb gab ich mich ihm auch zu erkennen. Der Mann war richtig aus dem Häuschen vor Freude, soweit ab von seiner Heimat eine Jungenstimme in seiner Sprache zu hören. Ich erfuhr auch gleich, dass er einen etwa gleichaltrigen Sohn daheim hätte und ich ihn an diesen erinnere. Damals (1953) war es noch nicht gang und gäbe, dass die Offiziere ihre Familien mit nach Deutschland bringen durften. Als er in fließendem Russisch von mir erfuhr, dass wir nach Berlin wollten, lud er uns zu unserer Überraschung ein auf seinem Jeep mitzufahren. Er würde zwar nicht ganz nach Berlin reinfahren, aber wollte uns so weit als möglich mitnehmen. Wir bildeten das Schlusslicht des Konvois, den wir schnell wieder eingeholt hatten. Der Offizier und auch sein Fahrer waren Russen von dem Schlag wie ich sie liebte. Aufgeschlossen und amüsiert hörten sie sich meine wahre Geschichte der Flucht aus dem Heim an. Ich dachte gar nicht daran die beiden anzulügen. Als ich ihnen dann auch noch erzählt hatte, woher mein gutes Russisch stammte, nahm er mich sogar in seine Arme. Das bekräftigte mich noch mehr in meinem Vorhaben in den Westen zu gelangen und auch mal von meinem Vater so in die Arme genommen zu werden. Deshalb erzählte ich dem Offizier auch die Wahrheit, dass ich zu meinem Vater in den Westen wollte. Er nahm mich abermals ganz gerührt in seine Arme und wünschte mir viel Glück bei meinem Vorhaben. Dieser Offizier war nicht der erste Russe, der mir zeigte, dass unter der Uniform immer noch ein Mensch steckt. Ihn und auch den überwiegenden Teil der Russen habe ich seitdem mit ganz anderen Augen betrachtet. Viel später, auf meinen touristischen Moskaureisen, habe ich es immer wieder bestätigt bekommen. Und jetzt, nachdem ich schon im Laufe von 5 Jahren jedes Jahr in meine Geburts-Heimat/Königsberg fahre, habe ich dort viel mehr russische Freunde gefunden als ich sie je hier hatte.[1] Dank meiner Sprachkenntnisse habe ich einen tieferen Einblick in die russische Seele erhalten, als es so manchem Menschen zuteil wird. Ich kann/will dieses Volk nicht als meinen Feind betrachten. Irgendwo auf der Autobahnstrecke machte mich der Major auf einen Gedenkstein aufmerksam. Er war einem bekannten deutschen Autorennfahrer gewidmet der an dieser Stelle tödlich verunglückt war. Ich habe viele Jahre später, als wir Wessis uns auch auf der Autobahn tummeln konnten, versucht diesen Stein wieder ausfindig zu machen, weil er mich an diese, meine Kindheit erinnern sollte. Wurde er entfernt oder konnte ich mich nur nicht die genaue Stelle merken?
Für 20 Mark Ost gab’s im Westen nicht viel
Außer einem langen Händeschütteln, an die väterliche Brust drücken, gab der Major mir dann noch ganz verstohlen zusteckend 20 Mark und alles Gute mit auf den Weg. Von dort, wo der Konvoi dann abbog, konnten wir schon die Skyline von Berlin erkennen. Welch ein Gefühl. Wir wähnten uns schon in der Freiheit. Ich weiß heute nicht mehr genau wo unsere Füße zum ersten Mal Berliner Boden betraten. In drei oder vier Sprachen stand da aber auf Schildern geschrieben, dass man den Ost/Westsektor verließ bzw. betrat. Man möge mir verzeihen, aber inzwischen sind 52 Jahre ins Land gezogen. Da lassen genaue Erinnerungen schon etwas zu wünschen übrig. Ich habe nie ein Tagebuch geführt. All die Erinnerungen kommen frei aus meinem Gedächtnis, so wie ich es hier niederschreibe. Viele Erinnerungen sind nur noch blaß, schemenhaft vor meinen Augen. Andere haben sich (warum wohl?) tief bei mir eingeprägt. Ich weiß allerdings noch, dass unsere Ostmark in diesem Teil von Berlin nicht viel wert war. Zumindest nahm man die Ostmark überall an. Schnell hatten wir spitz bekommen, dass es für uns, hatten wir Hunger, günstiger war in den Ostsektor zu wechseln. Ebenso suchten und fanden wir bald einen Schlafplatz im Ostteil der Stadt. Vom Bahnhof Zoo an der Siegessäule vorbei das russische Ehrenmal links liegen lassend gingen wir durch das Brandenburger Tor. Ich kann es nicht beschwören, aber ich glaube, dass wir dabei unter den Linden heraus kamen. Diese, damals in Trümmern liegende Prachtstraße hat heutzutage für mich keinen Wiedererkennungswert mehr. Rechts vom Brandenburger Tor war damals schon eine riesige Baustelle. Dort lagen Unmengen von Marmorsteinen (?) in großen Blöcken, geschützt von reichlich Stroh dazwischen herum. Zwischen den Blöcken waren wir vor Sicht geschützt. Das Stroh selbst schützte uns wiederum vor der Nachtkälte. Die Zwischenräume der Marmorblöcke wirkten wie kleine Kammern, die uns dazu einluden dort zu übernachten.
Nur einmal hatten wir im Westen übernachtet. Dort hatten wir eine Obstverkaufsbude aufgebrochen, uns mit all den für uns völlig unbekannten Köstlichkeiten den Magen vollgestopft und auch gleich darin übernachtet. Was es da alles für Früchte gab. Die meisten davon kannten wir noch nicht einmal vom Biologieunterricht dem Namen nach. War ja auch klar, was es im Sozialistischen Staat nicht gab, dass existierte eben auch nicht. Orangen, die kannte man schon, Bananen auch. Wenn man sich auch nur sehr vage an den Geschmack erinnern konnte. Aber Blutorangen (erfuhr ich erst viel später wie die innen roten Orangen hießen), igitt, lieber nicht! Was der Bauer nicht kennt, das frisst er auch nicht, kann ich mich an ein Sprichwort meiner Mutter erinnern. Für Cola und Schokolade ging unser Geld schnell drauf. Wir standen mit sehnsüchtigen Blicken vorm Eingang des Zoologischen Gartens. Konnten uns aber den Eintritt nicht leisten.
Ein älterer, freundlicher Herr erkannte wohl unser Problem. Auch das wir aus dem Osten kommen mussten. Wegen der Kleidung, vor allem aber an unserem sächsischen Dialekt, wie er uns später erklärte, während er für uns die Eintrittskarten löste. Gott sei auch seiner Seele gnädig!
Vieles war aber auch hier noch im Argen. Von Bomben zerstört war man im Begriff diesen Zoo wieder auf Vordermann zu bringen. Ich liebte den Zoo.
Meine Liebe zum Zoo resultiert eigentlich daher, dass ich schon in Leipzig, zumindest während der Saison, fast jeden Sonntag im Zoo war.
Eine halbe Stunde Bedenkzeit, dann habe ich das Problem gelöst, sagte der 11jährige.
Ich verband meine Vorliebe natürlich mit kommerziellen Interessen. Hatten mich doch wieder einmal Russen zu dieser Liebe gebracht. Nämlich, als ich mal außerplanmäßig auch an einem Sonntagmorgen zum Hauptbahnhof gefahren war, wurde ich Zeuge wie ein Offizier mit ausgebreiteter Stadtkarte auf der Motorhaube eines Truppentransporters sich ziemlich hilflos an mehrere Passanten wandte. Doch diese verstanden wohl die russischen Fragen nicht, und gingen achselzuckend davon. Als Möchtegern-Pionier, der angehalten war jeden Tag eine Gute Tat zu begehen, bot ich mich dem Offizier an. Fragte ob ich ihm helfen könne. Überrascht darüber in gutem Russisch angesprochen zu werden, erfreut darüber, endlich verstanden zu werden und auch noch Hilfe zu bekommen, erklärte er mir, dass er mit seiner Kompanie einen Kulturtag hätte, aus Torgau kommen würde und gerne als erstes den Leipziger Zoo sowie andere Sehenswürdigkeiten in der Stadt besuchen möchte. Als ich begann ihm die Fahrtstrecke zu erklären fragte er mich, ob ich nicht Zeit und Lust hätte ganz einfach neben dem Chauffeur Platz zu nehmen, um ihm den Weg direkt zu zeigen. Da der Sonntag für meine Mutter der einzige Ruhetag in der Woche war, wo sie sich von ihrer Trümmerfrauentätigkeit mal entspannen konnte, sie keinen großen Wert darauf legte, von ihrem Sohn genervt zu werden, genoß ich viele Freiheiten. Dem Offizier gegenüber gab ich aber zu bedenken, dass er mir dafür das Geld für eine Rückfahrkarte geben müsse. Er schien regelrecht beleidigt zu sein deswegen angesprochen zu werden. „Wir bezahlen dir natürlich auch den Eintritt für den Zoobesuch! Und wenn du Zeit hast, gehst du mit uns zusammen essen, wenn du uns auch noch ein Restaurant zeigen kannst, wo wir alle 58 hinein passen!“
„Hurra“, schrie es in meinem Inneren. War doch damit der langweilige Sonntag gerettet, ich konnte zu dem Zeitpunkt ja noch garnicht ahnen, welche Folgen das für die weiteren Sonntage für mich haben sollte.
Genau gegenüber vom Zooeingang war ein riesiger Parkplatz, wo die drei LKW mit den Soldaten parken konnten.
Zunächst aber mussten die Soldaten in Reih und Glied antreten. So eine Art Appell mit Abzählen fand zunächst statt. Dann wurde ich gefragt wie viel Zeit wohl benötigt wurde, um einen Rundgang durch den Zoo zu bewerkstelligen. Zum ersten und bisher einzigen Male, wo ich in diesem Zoo war, anlässlich eines Klassenausflugs, hatte man uns drei Stunden bis zum Sammeln am Ausgang zugestanden. Dieser Richtwert schien mir angemessen, ihn auch dem Offizier nahe zu legen.
Dementsprechend gab der Offizier seinen drei Sergeanten Befehl. Einer der drei Sergeanten fragte dann noch, wo man danach essen könnte. Schließlich wäre es dann schon halbeins. Fragend schaute mich der Offizier an.
Beinahe wäre ich bei dieser Frage überfordert gewesen. Klein Schulzi, gerade mal 11 Jahre alt, war pfiffig genug, den Frager um eine halbe Stunde Bedenkzeit zu bitten. Bis dahin wolle er das Problem gelöst haben.
Zunächst aber stellten sich die Soldaten brav an dem einen vorhandenen Kassenhäuschen an, um ihre Eintrittskarten zu kaufen. Meine ermäßigte Kinderkarte bezahlte der Kommandant dieser Truppe. Als letzter den Kartenabreißer passierend sagte dieser zu mir: „Anscheinend hat von euch noch keiner was davon gehört, dass es für Gruppen ab 10 Personen ermäßigte Billetts gibt, was?“ Ich schaute den Mann blöd an. „Na ja, nächstes Mal weißt du Bescheid! Sollte sich so was mal wieder ergeben, geht einer an die Kasse, gibt die Personenzahl an und bekommt bis zu 50% Ermäßigung!“ Diese Aussage brannte sich in meinem Hirn fest.
Eine ganz leise Ahnung hatte ich schon, wohin ich mich wenden musste, um die gesamte Truppe abfüttern zu können. Hatte sich doch jeder, der ein paar Groschen besaß, beim Klassenbesuch derzeit noch ein Eis gegönnt. Und dort, wo es das Eis gab, hatte ich ein Hinweisschild gesehen „Zum Restaurant“. Den Offizier, der nicht von meiner Seite wich, erklärte ich was ich vorhatte. Erfreut über meine Offensive begleitete er mich zu den Gaststättenbetrieben, die zum Zooareal gehörten. Die aushängende Speisekarte sagte mir, dass wir hier richtig sind. Schnell hatten wir jemanden gefunden der das Sagen hatte.
Natürlich wäre es kein Problem die 58 sowjetischen Freunde zu versorgen. Allerdings wäre es bei dieser doch sehr großen Personenzahl von Vorteil und würde reibungsloser und schneller ablaufen, wüsste man schon im Voraus, was die Herren denn essen wollten. Dafür hatte der Offizier natürlich volles Verständnis. Ich übersetzte ihm so gut ich konnte die deutsche Speisekarte. Kurzer Hand entschied er sich dafür, dass alle ein Schnitzel mit Gemüse und Kartoffeln bekommen sollten. Ein Getränk, wenn es bestellt wurde, auch ein Bier, wurde noch zugestanden. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass die Mannschaftsdienstgrade vollauf begeistert waren. Denn das Kasernenessen war ja nicht gerade das Gelbe vom Ei.
Wir holten dann auch ganz schnell die Truppe ein, die sich so langsam zu zerstreuen begann. Der Offizier gab zum Weitersagen durch, wo und wann gegessen wurde.
Als wäre es schon beschlossene Sache, dass ich auch weiterhin der Stadtführer sein sollte, erklärte mir der Oberleutnant, dass sie noch vorhätten das Georgi Dimitroff Museum, die russische Kirche und zu guterletzt auch noch das Völkerschlachtdenkmal zu besuchen. Meine Mutter hatte schon an vielen Ecken von Leipzig Trümmer beseitigt. So kannte ich mich ganz gut in der Stadt aus.
Außer in der russischen Kirche, die anlässlich der Völkerschlacht von Leipzig gebaut worden war, musste überall Eintritt gezahlt werden.
Schon beim Völkerschlachtdenkmal hatte ich gecheckt, dass so eine Stadtführung für mich von Vorteil sein könnte. Stand doch über der Kasse geschrieben, dass Gruppenkarten schon für die Hälfte des normalen Preises angeboten wurden.
Trümmerfrau? Der Kleine verdient mehr als seine Mutter
Da der Zeitplan schon etwas eng wurde, zeigte sich der Offizier hocherfreut, als ich ihm vorschlug mir die Gesamtsumme zu geben, so dass ich das mit dem Eintrittsgeld erledigen könne, während die Soldaten sich schon mal zum Aufstieg begeben könnten. Beim Kartenkauf blieben schon mal 29,50 Mark in meiner Tasche ohne dass sich die Russen groß geschädigt fühlen mussten. Ich stieg natürlich selbst auch die vielen Stufen zur Plattform in 91 Meter Höhe hinauf. Es dämmerte schon etwas an diesem Sommerabend, als die Stadtführung beendet war. Als sich die Soldaten wieder vollzählig bei den drei Lkw versammelt hatten, hielt die Starschiene[2] (Feldwebel) eine kurze Ansprache, nahm seine Mütze vom Kopf und jeder, aber auch jeder der Soldaten warf etwas Geld hinein.
Ganz in der Nähe von meinem Zuhause wurde ich abgesetzt. Nicht ohne mir nochmals eine große Dankesrede zuteil werden zu lassen.
Als ich, noch bevor ich Zuhause war, meine erworbenen Schätze durchzählte, erkannte ich, dass dies ein rundum gelungener Sonntag war. Schließlich hatte ich 96 Mark dabei verdient. Anderthalb Wochenlöhne meiner Mutter.
Da ich annahm, dass solche Kulturausgänge auch bei anderen Kasernen angesagt waren, hielt ich mich von da an jeden Sonntagmorgen vor dem Zoo auf. Und richtig, die meisten Gruppen fanden direkt bis zum Zoo. Meine Tipps, die ich geben konnte, die wurden von den Offizieren jedes Mal dankend angenommen. So kam es dann, dass ich f a s t jeden Sonntag so um das Zweifache eines Wochenlohnes meiner Mutter mit nach Hause brachte. Zumindest in der Sommersaison. Dass ich so ganz nebenbei den durstigen Soldaten während des Zoorundganges auch noch ein paar Taschenflaschen Wodka besorgte, soll nicht unerwähnt bleiben. – Nicht nur die Japaner fotografieren gerne. Viele der Soldaten hatten bei derartigen Ausflügen aus dem Kasernenalltag auch einen Fotoapparat dabei. Irgendwo in Russland müssten noch hunderte von Fotos herumliegen, wo ich samt den russischen Söhnen, Brüdern oder Ehemännern, die in Deutschland stationiert waren, abgebildet bin.
Aber nun wieder zurück nach Berlin.
Fußnoten
[1] Dies ist ein Einschub aus späterer Zeit. Schulze hatte tatsächlich in Ostpreußen russische Freunde gefunden und am liebsten wäre er dort hin gezogen. Königsberg als Sehnsuchtsort sozusagen. Ich plante sogar, Schulzes Erinnerungen unter dem Titel „Fluchtpunkt Königsberg“ zu veröffentlichen. Doch ihm war und ist klar, dass er mit seiner Akte nur ein Besuchervisum bekommen kann. Inzwischen ist er gebrechlich und ein Besuch bei den Freunden in Königsberg ist ihm nicht mehr möglich.
[2] Vorgesetztenfunktion, https://books.google.de/books?id=ytpPAAAAcAAJ&pg=PA333&lpg=PA333&dq=Starschienen&source=bl&ots=wq5bR1RFYm&sig=akZnJS00UNe-NMEj5OkckcvvkyA&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjqnOPXkv_QAhWlJMAKHXGUAF4Q6AEILTAC#v=onepage&q=Starschienen&f=false
Was gab’s bisher?
Editorische Vorbemerkung – https://dierkschaefer.wordpress.com/2016/06/25/wenn-der-richter-das-gelesen-haette-dann-haetten-sie-keine-zehn-jahre-gekriegt/
https://dierkschaefer.files.wordpress.com/2016/06/00-editorische-vorbemerkung.pdf
Kapitel 1, Die Ballade von den beschissenen Verhältnissen – oder – Du sollst wissen, lieber Leser: Andere sind auf noch ganz andere Weise kriminell – und überheblich.
https://dierkschaefer.files.wordpress.com/2016/07/01-erstes-kapitel.pdf
Kapitel 2, In Dönschten, am Arsch der Welt … ach Monika!
Kapitel 3, Weiter im Kreislauf: Heim, versaut werden, weglaufen, Lage verschlimmern.
https://dierkschaefer.files.wordpress.com/2016/09/03-weiter-im-kreislauf.pdf
Kapitel 4, 17. Juni 53: Denkwürdiger Beginn meiner Heimkarriere
04-beginn-meiner-heimkarriere-17-juni-53_2
Kapitel 5, von Heim zu Heim
Kapitel 6, Wieder gut im Geschäft mit den Russen
06-wieder-gut-im-geschaft-mit-den-russen
Kapitel 7, Lockender Westen
Kapitel 8, Berlin? In Leipzig lief’s besser.
Wie geht es weiter?
Kapitel 9, Aber nun wieder zurück nach Berlin
Kapitel 10, Bambule
https://dierkschaefer.wordpress.com/2017/01/09/wenn-der-richter-das-gelesen-haette-dann-haetten-sie-keine-zehn-jahre-gekriegt-viii/
PDF: 08-berlin-in-leipzig-liefs-besser
Was kam nach der Befreiung? Wir, die Kinder der Eingeborenen von „Trizonesien“
»Man redete, um nicht zu erzählen.«[1]
»Im Nachhinein denke ich, daß alle in der Nachkriegszeit solche Gespräche brauchten, denn die bei Verwandtenbesuchen waren ähnlich. Gespräche als Narkotikum. Sie lenkten von der tristen Realität ab, selbst wenn über die Fürchterlichkeiten der Vergangenheit gesprochen wurde. Doch soweit diese Fürchterlichkeiten nicht lange zurücklagen, betrafen sie nicht die der Nazizeit[2]. Da war nur die Rede von den Fliegeralarmen, von Bunkergeschichten oder von den Hamsterfahrten. Es war eine Gesellschaft aus Tätern, Tatgehilfen, Mitläufern und Mitwissern, zutiefst verkommen. Man redete, um nicht zu erzählen.[3] Dafür dröhnte aus dem Radio – und wir sangen mit – Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien[4]. Es war die Selbstbemitleidung und –exkulpierung einer Verbrechensgesellschaft,[5] und trotz rheinischer Fröhlichkeit eine bleierne Zeit«[6].
[1] Zitate aus: http://www.lebensraum-linden.de/inhalt/datei.php?id=OTAyMDAxMDUwOy07L3Vzci9sb2NhbC9odHRwZC92aHRkb2NzL2xpbmRlbi9saW5kZW4vbWVkaWVuL2Rva3VtZW50ZS8zX3Vuc2VyX3RheGlfdW5kX2RpZV9tb3Jkc2FjaGVfdW50ZXJiZXJnLnBkZg%3D%3D
[2] »Für später Geborene ist es kaum nachvollziehbar, worüber man alles nicht sprach, nicht einmal in den Familien. Stattdessen gab es – freilich nicht wenig – realen Stoff für Klagen (nicht heimkehrende Kriegsgefangene, Bombenterror, Flucht und dann Vertreibung, Hunger und Kälte, keine Informationen über den Verbleib von Gefallenen), begleitet von einem – den Besatzungsmächten bald auffallenden – übertriebenen Selbstmitleid und großem Unwillen, zur Kenntnis zu nehmen, wie viel Verbrechen, Leid und Elend das nationalsozialistische Deutschland ringsum und in der eigenen Mitte anderen zugefügt hatte«. http://de.wikipedia.org/wiki/Nachkriegszeit_nach_dem_Zweiten_Weltkrieg_in_Deutschland
[3] Als ich in den 90er Jahren mit meiner Mutter in Yad Vashem war, bekam sie einen Schwächeanfall – und sie hat mir nicht leidgetan. http://de.wikipedia.org/wiki/Yad_Vashem
[4] Es lohnt sich, den Link anzuklicken: http://de.wikipedia.org/wiki/Trizonesien-Song und Wir kommen alle, alle in den Himmel, weil wir so brav sind. http://www.rcaguilar.com/lieder/texte/allealle.htm Das war 1952, als die Bundesrepublik in die Europäische Verteidigungsgemeinschaft eintrat.
[5] Kinder waren brutaler und trieben den armen „Floh-am-Hacken“ mit dem Ruf Fliegeralarm durch die Straße. Ich habe es selbst gesehen – und zum Glück nicht mitgemacht. Michael Jürging, Wer war „Floh am Hacken“, http://www.lebensraum-linden.de/internet/page.php?site=902000496&typ=2&rubrik=902000001
Kompensation für den Verlust der Kindheit
»Survivors who were children during the war will be compensated for their “lost childhood.”«[1]
Ihre Kindheit verloren haben auch zahlreiche Kinder in staatlichen und vornehmlichen kirchlichen Erziehungseinrichtungen.
»„I hope that the German government will do historical justice on this issue and will work to develop a rapid and adequate compensation to those children, who today are grandparents, and ensure that they will receive what they deserve in order to live the rest of their lives in dignity.”«
Es gibt – so unangemessen es ist – Opferhierarchien. Opfer, für die internationaler Druck aufgebaut werden kann, sind in all ihrem Unglück doch etwass besser dran, als die anderen. So können die ehemaligen Heimkinder aus Deutschland von solcher prominenten Schützenhilfe nur träumen – und wachen mit dem Alptraum an Antje Vollmer auf.
Aber die Begründung trifft auch auf sie zu: They »„were deprived of a particularly important period of their lives in which they build their personalities and must be loved, protected and feel safe in their immediate environment. … „lifelong irreparable damage on the psychological and social level” was made to these survivors, who were also hurt in the field of education and culture and were exposed to severe trauma leading to disorders such as anxiety, insomnia or mental instability«.
[1] http://www.jpost.com/Jewish-World/Jewish-News/Holocaust-survivors-to-be-compensated-for-lost-childhood-314516
Eine Chance für die Kinderseele …
… heißt ein Artikel, den die heutige FAZ mal wieder nur für die Printleser spendiert.
Es geht um posttraumatische Belastungsstörung. Das Interesse der Forscher an solchen Leiden habe in den letzten Jahren merklich zugenommen. Man vermutet, daß Denn eine wachsende Zahl von Beobachtungen spricht dafür, daß Störungen wie Depressionen, körperlichen Beschwerden und Angsterkrankungen wahrscheinlich noch häufiger auf erschütternde Erfahrungen zurückgehen als bislang vermutet. Insbesondere in der Kindheit erlittene Traumata erhöhen das Risiko für psychische Erkrankungen. Die daraus resultierenden Depressionen scheinen andere neurobiologische Wurzeln zu haben als „herkömmliche“. »Verantwortlich dafür sind epigenetische und vermutlich dauerhafte chemische Veränderungen im genetischen Bauplan von FKBP5. Sie werden nur in der Kindheit in Gang gesetzt«. Eine Psychotherapie könne – auch im zeitlichen Abstand – helfen, im Gegensatz zu Medikamenten.
Aus ©-Gründen ist es mir leider nicht erlaubt, den eingescannten Artikel hier abzudrucken.
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