In einem ganz „normalen“ Heim der evangelischen Diakonie…
»Ich war übrigens in keinem Kloster, keiner Sekte, sondern in einem ganz „normalen“ Heim der evangelischen Diakonie… « schreibt eine Kommentatorin zu einem Beitrag über Sex-and-crime im Kloster[1]. Es geht um die Methoden der Produktion von Abhängigkeit und Abschottung von anderen, konkurrierenden Einflüssen. Während in Klöstern und auch bei Scientology immerhin – bei aller Kritik – die Absicht zu erkennen ist, eine „neue“ Persönlichkeit zu formen, die innerhalb der Parallelwelt lebensfähig ist und Anerkennung, sogar Lebenserfüllung finden kann, war die Erziehung in manchen (vielen?) Kinderheimen kirchlicher und staatlicher Machart rein destruktiv. Viele dieser Kinder wurden systematisch so zugerichtet, daß viele von ihnen ihr Leben nur als zerstört ansehen können. Diese systematische Destruktion wird von der Öffentlichkeit so gut wie gar nicht wahrgenommen. Die hält sich lieber an Themen wie sexuellem Mißbrauch und Prügelexzessen auf. Die gab es zwar auch zuhauf, doch sie waren nur Mittel zum Zweck: Die Kinder für das Leben zu zerbrechen.
Es lohnt sich, beide Kommentare zum Blogbeitrag zu lesen, weil sie in aller Klarheit eine verbrecherische Erziehung in einer wahrhaft „totalen Institution“ beschreiben.[2]
[1] https://dierkschaefer.wordpress.com/2014/04/23/sex-and-crime-im-kloster/
[2] https://dierkschaefer.wordpress.com/2014/04/23/sex-and-crime-im-kloster/#comments
Die Welt ist voller Morden
Ein Photo aus dem 1. Weltkrieg wird im März 2013 innerhalb von knapp zwei Tagen 29 mal bei Flickr angeklickt. Das ist ungewöhnlich. Denn man sieht namenlose Soldaten, unspektakulär für die Aufnahme gruppiert.
Was ist daran interessant und wie kam das Photo zu Flickr?
Ich fand es in einem alten Familienalbum. Villers-la-Ville stand in schöner Handschrift auf der Rückseite, mehr nicht. Ein zweites Photo trug denselben Vermerk und von anderer Handschrift die Information Karl, 3. von links, 1915.
Karl war der Bruder meiner Großmutter, war Musiker und ist 1915 „gefallen“ – so der falsche Sprachgebrauch. Denn Karl stand nicht wieder auf, war also nicht nur gefallen. Auf dem kleinen Photo sitzt er noch fröhlich mit anderen Soldaten in einer Sitzschlange im Gras, Soldatenfreizeitspaß.
Auf dem großen Photo habe ich Karl unter den 33 Männern nicht herausgefunden, doch er wird dabei sein, sonst wäre das Photo nicht im Album. Insofern für mich eine beliebige Gruppenaufnahme, wie auch andere Gruppenaufnahmen im Album von damals. Aber der Hintergrund: Eine Kirchenruine verleiht dem Photo einen Hauch von wehmütiger Romantik, wie auf manchen Bildern von Caspar David Friedrich, eine Wehmut voller Morbidität http://www.flickr.com/photos/dierkschaefer/8575350968/in/photostream/ .
Morituri, die Todgeweihten; sie stehen vor passender Kulisse – und kaum einer wird lebend von der Front zurückgekehren, im Westen nichts Neues.
Unter dem Titel morituri in Villers-la-Ville 1915 stellte ich das Photo bei Flickr ein und fügte eine Strophe aus den „Wildgänsen“ hinzu:
„Wir sind wie ihr ein graues Heer
Und fahr’n in Kaisers Namen,
Und fahr’n wir ohne Wiederkehr,
Rauscht uns im Herbst ein Amen!
Morituri – Das Lied „Wildgänse rauschen durch die Nacht“ haben wir in meiner Jugendzeit oft und gern gesungen und dabei jeweils in der zweiten Hälfte der Strophen die Wehmut ausgekostet. – So ein Quatsch. Das Lied ist ein gesungenes Kriegerdenkmal und zudem pseudoreligiöser Kitsch, eine Verbindung, die viele Kriegerdenkmäler auszeichnet, Tod und Religion, Kriegspredigt, Todgeweihte vor Kirchenruine, das paßt.
Übrigens: Ein Kriegerdenkmal funktioniert auch ohne Religion, dann tritt an die Stelle nationales Pathos http://www.flickr.com/photos/dierkschaefer/6949557245/ und am schlimmsten ist die Kombination von beidem http://www.flickr.com/photos/dierkschaefer/3597633061/in/set-72157619532877956/ .
Ein paar Links:
de.wikipedia.org/wiki/Wildg%C3%A4nse_rauschen_durch_die_N…
de.wikipedia.org/wiki/Walter_Flex
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:0_Villers-la-Ville_050910_%2827%29.JPG .
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