Todessehnsüchtige junge Männer[1]
Sie lieben den Tod. Er soll sie groß machen und über ihre dürftige Existenz hinwegheben.

In der Erklärung der Motive von Amoktätern sind wir schon
weiter. Eine vermeintliche oder tatsächliche Kränkung ist der Ausgangspunkt
ihrer Rache, möglichst an denen, die sie für schuldig halten. Im Fall der
Amoktäter ist es meist ihre persönliche Umwelt: die Schule, in der sie versagt
haben.[3]
Die Kriminologin Britta Bannenberg nennt als Persönlichkeitsmerkmale[4]:
Täterpersönlichkeit 1
- Ängstliche stille Kinder
- Aufmerksamkeitsprobleme
- In der Grundschule bereits: Angst vor Gleichaltrigen, Lern- und Konzentrationsschwierigkeiten („Träumer“)
- Später „verstummt“, starren im Unterricht vor sich hin, Versetzungen aus Mitleid und als Belohnung für Wohlverhalten
Täterpersönlichkeit 2
- Rückzüglich, still, nicht aggressiv auffällig
- Verdacht oder Diagnose erheblicher Persönlichkeitsstörungen (narzisstische Persönlichkeitsstörung – depressive Phasen abgelöst von starken Hass- und Rachephantasien; Schwelgen in der Tatplanung)
- Die Täter wissen, dass etwas nicht mit ihnen stimmt (Hinweise, etwa Faltblatt …)
Täterpersönlichkeit 3
- Tagebücher, Aufzeichnungen, Äußerungen gegenüber Mitschülern, Gleichaltrigen …
- Einzelgänger – täuscht teilweise, da in der Schule zwingend Kontakt
- Äußerungen zu Suizid, Amok, großem Abgang … „ich werde es tun und nehme noch jemanden mit!“
Täterpersönlichkeit 4
- Unangemessene Kränkbarkeit – sie fühlen sich gemobbt, werden aber nicht gemobbt
- Hass, Ablehnung anderer, Rache – scheint nie nachvollziehbar und aufgesetzt
- Pubertäre Probleme vermischt mit grandiosen Ideen eigener Gewalt
- Zum Teil lange Tatplanung, Todeslisten, gedankliche Vorwegnahmen der Tathandlungen (die zum Teil auch ausgeführt werden) – sich steigernde Phasen
Täterpersönlichkeit 5
- Probleme im Umgang mit Mädchen und Sexualität – aus Schüchternheit und Wünschen nach Beziehungen wird Ablehnung und Hass
- Eltern wissen oder ahnen,
- dass ihr Sohn psychische Probleme hat, unternehmen aber nichts
- Lehrer bemerken Probleme nicht (unauffällige Schüler) oder sehen aus Hilflosigkeit über die schlechten Leistungen der verstummten Schüler hinweg
„Es scheint mir beim Phänomen Amok im Wesentlichen um Suizid
(Bilanz-Suizid) zu gehen, allerdings mit oft gezielt-aggressiv-tödlicher
„Mitnahme“ Anderer. Motiv oft: Vom nobody zum somebody![5]“
Die gilt nicht nur für Amoktäter,
sondern auch für
- die aktuellen Terrorangriffe [6]
- für Prominenten-Stalking mit Tötung
- für Kriegsbegeisterung
Bleiben wir bei den aktuellen Terrorangriffen mit vermeintlichen Feindbildern, vermeintlich, weil auf mehr oder weniger kollektiven Mythen aufsitzend. Die Täter sind nicht in erster Linie Antisemiten[7] oder Hasser des westlichen Lebensstils. Sie greifen nur die in ihrer Phantasiewelt gängigen Mythen und Schuldzuweisungen auf, um ihr Ungenügen und ihren Hass zu begründen.[8]
Helene Bubrowski und Constantin van Lijnden beschreiben «ein Radikalisierungsprogramm für erfolg- und orientierungslose junge Männer. … „Im Tod haben Mitglieder von Project Mayhem einen Namen“, heißt es im Film Fight Club, wo orientierungslose junge Männer sich unter Aufgabe ihrer Individualität für Zerstörungsaktionen gegen die Gesellschaft zusammenschließen, um ihrem Leben einen Sinn zu geben – wer dabei umkommt, den ehren die Verbliebenen, indem sie ihn wieder als Person anerkennen statt als bloße Nummer….
Doch bald wird er [B.] sich dort buchstäblich einen Namen machen. Bald, wenn er erst genügend Juden ermordet hat und schließlich selbst getötet wird, werden die anderen Anons[9] wissen, wie er wirklich heißt, und werden ihm einen Platz einräumen neben den anderen „Heiligen“« [Doch er hats verkackt:] »Sein Plan zerrinnt ihm in den Händen, als er die Tür zu seinem Anschlagsziel, einer Synagoge in Halle, verschlossen findet und stattdessen zunächst wahllos eine Passantin und sodann einen Mann in einem Dönerladen erschießt. „ER VERSAUTS TOTAL, AA-AHHH Ist das unbeholfen“, schreibt ein „Anon“, der das Video live betrachtet, … „Oh man, das ist wie eine Slap-stick-Komödie“, meint ein anderer.« [10]
Bubrowski und van Lijnden erwähnen auch den sexuellen Aspekt. Auf B. warten, ähnlich wie auf die Märtyrer im islamischen Paradies, Frauen: »in seinem Manifest fabuliert er von sexuell gefügigen japanischen Animefiguren, die ihn nach seinem Tod in „Valhalla“ erwarten würden, sogenannten „Wai-fus“. Der Begriff ist eine Verballhornung des Englischen „Wife“ (Ehefrau) und bringt die ganze traurige Einsamkeit der Incels[11] auf einen Punkt: Die „Waifus“, an deren Seite sie sich imaginieren, sind in ihrer Vorstellung ein Leben lang treue, hingebungsvolle, „echte“ Frauen, von denen sie mit großen Augen angehimmelt werden, die es aber auch mit gönnerhafter Fürsorge zu behandeln gilt. So verklärt und aus der Zeit gefallen dieses Frauenbild wirkt, so verquer sind auch die Vorstellungen darüber, wie man sich die Gunst seiner „Wai-fu“ zu verdienen habe: Wie ein „echter Mann“ nämlich, im mutigen und siegreichen Kampf mit dem Feind, den Juden. Das alles mag vollkommen bizarr klingen, ist aber letztlich nur das Produkt von geringer Sozialkompetenz und niedrigem Selbstbewusstsein[12], die in digitalen Echokammern über Jahre verstärkt, mit frauen- und fremdenfeindlichen Vorstellungen angereichert und schließlich zur mörderischen Reife gebracht werden.«
Wie bei manchen School-shootings gibt es auch von diesen Hass-Tätern Manifeste, die sie hinterlassen oder schon vor der Tat ins Netz stellen. Oder sie zwingen uns neuerdings gar per Webcam beim Angriff die Tat mit ihren Augen zu sehen.
Im Hintergrund haben wir in der Regel jedoch sich selbst bedauernde
Individuen, die den großen Abgang planen. Den sollten wir ihnen nicht gönnen,
sondern in den Medien ihre Erbärmlichkeit in den Vordergrund stellen, in der
Hoffnung, dass dies mehr abschreckt als die ins Auge springende fürchterliche
„Großartigkeit“ ihrer Taten. Es sind im Grunde arme, gekränkte „Würstchen“, in
den Tod verliebt, der ihnen die Größe verleihen soll, die ihnen – wie sie
meinen – zusteht.
[1] Zweite, erweiterte Auflage
[2] Arnold Böcklin, Die Pest
[3] Amok als Form der Kommunikation
Finale Kommunikation / Schlussabrechnung
- Jugendliche – School-shoting
- Familientragödien
[4] Britta Bannenberg, Amoklauf – Kriminologische Erkenntnisse über ein spezielles Phänomen von Tötungsdelikten
[5] Ausführliche Literatur beim Verfasser
[6] Dazu sollte auch der „Todesflieger“ gezählt werden https://dierkschaefer.wordpress.com/2015/03/28/das-lachen-der-tater/ Dazu auch: https://dierkschaefer.wordpress.com/2015/03/24/manner-morden-lachelnd/
[7] Remko Leemhuis schreibt auf Twitter: Die Mutter des Terroristen von #Halle: „Er hat nichts gegen Juden in dem Sinne, er hat was gegen die Leute, die hinter der finanziellen Macht stehen. Wer hat das nicht?“
[8] Thomas-Theorem: „If men define situations as real, they are real in their consequences“
Wenn Menschen Situationen für real halten, dann sind sie in ihren Konsequenzen real. https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas-Theorem
[9] Anons, die noch Anonymen
[10] FAZ, 12.10.2019, S. 3
[11]»„Incels“ nennen sich dort Nutzer, die keine Frauen abbekommen, von „involuntary celibacy“, ungewolltes Zölibat. Zu ihren Merkmalen zählen weinerliches Selbstmitleid bei gleichzeitigem Selbsthass und ein unerfülltes Anspruchsdenken gegenüber Frauen, das schnell in Vergewaltigungs- oder Gewaltfantasien umschlägt.« FAZ, 12.10.2019, S. 3
[12] Dirk Lorenz schreibt auf Twitter: »Die Frage nach psychologischen Motiven stellt sich tatsächlich niemand, soweit ich das sehe. Dabei wurden im Haus des Täters mehrere Zettel mit der Aufschrift „Niete“ gefunden. Er selbst nannte sich in der Videoübertragung „Verlierer“. Think about it.«
Die westliche Wertegemeinschaft
Terrorismus ist die Kommunikationsform der „Unerhörten“, ist Terror von unten.
Staatlicher Terror ist die Antwort.[1] Wenn das Justizsystem als offene Kommunikationsform nicht ausreicht, bleibt die Folter als verdeckte Form der Kommunikation. Deren Ergebnisse lassen sich nutzen zur Legendenbildung, mit der eine Rückbindung an das Justizsystem erfolgt. Der Kommunikationskreislauf schließt sich, wenn die Legenden den Mainsteam der Publizistik bestimmen.
Wird der Terrorismus international, folgt ihm der Staatsterror und lässt einsperren und foltern, wo es auf die Landkarte passt. Werden Staatsterror und Folter nicht nur publik, sondern offiziell bekannt gemacht[2], ertönt unisono die Empörung der bis dahin Willigen, die davon nichts gewußt haben wollen, obwohl es die Spatzen schon lange von den Dächern pfiffen[3]. Die unausweichlich … drängende Frage nach dem tatsächlichen Inhalt der „Wertegemeinschaft“[4] wird wohl eine rhetorische bleiben.
Der subtile Staatsterror liegt in der internationalen Zusammenarbeit der Geheimdienste, der Prophylaxe durch das jeweilige Justizsystem und die Nutzung juristischer Grauzonen: Stichworte: Dissidenz[5], Antikommunismus[6].
Seine Klimax erreicht der prophylaktische Staatsterror, wenn er zum Krieg gegen … aufruft, war on terror[7], war on drugs[8], oder wenn er eine ganze Ära für den kalten Bürgerkrieg einleitet.[9]
Doch die Staatsterroristen brüsten sich weiterhin, sie hätten das nur Notwendige getan, ganz ohne Folter[10]. Wenn man Mr. Cheney mithilfe von waterboarding erfolgreich nach seinem geheimen Sexualleben befragen würde, hielte er es dann immer noch nicht für Folter?
[1] Dierk Schäfer, Terror / MACHT / Terrorismus – Legitimierung, Delegitimierung und die unerträgliche Reinheit der Herzen http://www.pfarrerverband.de/pfarrerblatt/dpb_print.php?id=3452.
[2] http://www.intelligence.senate.gov/study2014/sscistudy1.pdf
[3] http://www.tagesschau.de/ausland/cia-folter-reaktionen-103.html http://www.t-online.de/nachrichten/ausland/usa/id_72124740/angela-merkel-erschuettert-von-cia-folter-skandal.html http://web.de/magazine/politik/bericht-cia-folter/regierungen-weltweit-kritisieren-cia-foltermethoden-scharf-30271108
[4] »Und so bleibt unausweichlich die drängende Frage nach dem tatsächlichen Inhalt der „Wertegemeinschaft“, die Deutschland mit den USA teilen soll und die beide Partner offenbar ermächtigt, Rechtsbrüche anderer Länder jeweils nach politischer Opportunität anzuklagen. Welche Werte sind hier gemeint? Gehört die Rechtsstaatlichkeit dazu? Oder werden Rechtsbrüche und Menschenrechtsverletzungen nur gegenüber ausgewählten Ländern geahndet? Und – last but not least – welche Konsequenzen will die Bundesregierung ziehen, wenn die eigenen Werte derart massiv und offenkundig verletzt werden?« http://www.heise.de/tp/artikel/43/43588/2.html
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Dissident
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Antikommunismus
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Krieg_gegen_den_Terror
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/War_on_Drugs
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/McCarthy-%C3%84ra
[10] »Cheney hob hervor, er würde jederzeit wieder so vorgehen wie nach den Anschlägen auf New York und Washington. Amerika habe Folter „sorgfältig vermieden“ und „erfolgreich“ das Richtige getan, „um die Bastarde zu fassen, die 3000 von uns am 11. September getötet hatten, und sicherzustellen, dass das nicht noch einmal passierte“.« http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/amerika/john-brennan-cia-direktor-gibt-fehler-zu-13315261.html
1 comment