Dierk Schaefers Blog

„Die Muslime als starkes Argument für den christlichen Religionsunterricht“

Nicht nur das, sondern auch für die theologischen Fakultäten. Was manche angesichts der Probleme mit islam(ist)ischer Enkulturation begreifen, hat auch bei den Christen gewirkt: Die weithin gelungene Zähmung von Religion, die eigentlich nicht gezähmt werden kann, weil Gottes Wille über menschlichen Gesetzen steht. Das will ich an dieser Stelle nicht vertiefen. Aber die Säkularisierung war wirkungsvoll und nun erhofft man mit einem solchen Prozess einem „aufgeklärten“ Euro-Islam den Weg bereiten zu können. Die Aufklärung hat bei den Kirchen recht lange gedauert.

Es ist geradezu belustigend zu sehen, wie dank des Islam Religionsunterricht für Leute akzeptabel wird, die ihn bisher verkannt haben. Da war von Indoktrinierung die Rede, noch dazu vom Staat finanziert.[1] Die meisten dieser Leute haben wohl nie einen Lehrplan für Religionsunterricht in der Hand gehabt. Selbst viele „Gebildete“ meinen, im Religions­unterricht werde doch nur die Bibel gelesen.

Nun schreibt die Süddeutsche, der der Titel dieses Posts entnommen ist, über den Religions­unterricht und wie er sich verändert habe.[2] Das ist einerseits informativ, andererseits eher oberflächlich, denn eine echte Kritik des Religions­unterrichtes findet nicht statt. Eher naiv wird referiert: Es hat sich ja auch sehr geändert, das Fach, sagen viele Religionslehrer selbstbewusst: Wir bringen in die Schule, was sonst keiner leisten kann. Wir unterrichten authentisch über unseren Glauben. Bei uns kommen die existenziellen Themen zur Sprache – und unser Unterricht dient der Persönlichkeits­ent­wicklung, bei der es nicht nur auf die Noten ankommt.

Religionsunterricht hat deutlich mehr zu sein als das, um im allgemeinen Bildungsplan seine Berechtigung zu finden.[3] Es wird Zeit, dass die Religionslehrer vermitteln, welche Bedeutung Religion[4] für den Zusammenhalt einer zivilisierten Gesellschaft haben kann und sollte. Am französi­schen Beispiel kann man sehen, was man versäumt, wenn man die religiöse Bindung von Menschen ignoriert und meint, mit einem laizistischen Staatskult könne eine pluralistische Gesellschaft zusammengehalten werden.[5]

[1] https://dierkschaefer.wordpress.com/2014/12/29/das-marchen-von-der-zwangsmissionierung-deutscher-kinder-im-staatlichen-religionsunterricht/

[2] http://www.sueddeutsche.de/bildung/schule-wie-sich-der-religionsunterricht-in-deutschland-veraendert-hat-1.2987758

[3] https://dierkschaefer.wordpress.com/2016/01/06/ohne-religionsgeschichte-wird-es-nicht-gehen/

[4] natürlich nicht nur die christliche

[5] https://dierkschaefer.wordpress.com/2015/01/28/laizismus-als-losung-vieler-probleme/

https://dierkschaefer.wordpress.com/2015/02/01/laizismus-als-losung-vieler-probleme-anscheinend-nicht-hatte-ich-argumentiert/

Laizismus als Lösung vieler Probleme?

Posted in Geschichte, Gesellschaft, Politik, Religion, Weltanschauung by dierkschaefer on 28. Januar 2015

Den Lesern meines Blog, die in der Verbannung der Religion die Lösung wesentlicher Probleme sehen, sei ein Artikel aus dem European ans Herz gelegt. Ans Herz ist nicht der richtige Ausdruck, denn Ihre Herzen tragen schwer an der Vergangenheit in kirchlichen Erziehungseinrichtungen. Das Versagen dieser Einrichtungen ist in manchen Facetten als Verbrechen zu werten, und zwar als systematisches, zum System „christlicher Liebestätigkeit“ gehörend. Nicht dazu gehören Sexualverbrechen, die gehen auf das Konto der jeweiligen Täter. Dafür gehört der systemimmanente Betrug am Runden Tisch dazu.

 

Bei allem Verständnis für generell antireligiöse Einstellungen, wie sie in den Kommentaren immer wieder zum Ausdruck kommen, sind die Folgen zu bedenken. Ja, ich weiß: Das geschieht den Kirchen recht, wenn sie ihre Privilegien verlieren usw – geschenkt.

Kürzlich twitterte ich: Der Laizismus ist auch nur eine Weltanschauung, gerade weil ich das französische Beispiel recht gut kenne, – und er hat dort versagt. Versagt, weil der verkrampfte Laiszismus meint, Religion in den Privatbereich ausgrenzen zu können. Mit dem Christentum hat es dort weitgehend geklappt. Merkwürdig ist nur, dass private christliche Bildungseinrichtungen in Frankreich sehr gut besucht sind, und zwar bereits bevor die muslimische Einwanderung begann, die Eltern also noch nicht darauf spekulieren konnten, dass ihre Kinder unbelastet durch Einwandererkinder auf ihrem Bildungsweg sein werden. Nun hat Frankreich, wie auch wir, eine Religion hinzu bekommen mit noch sehr virulentem Gewaltpotential[1] und Wegkärchern (Sarkozy) funktioniert nicht. Diese Religion muß in das Staatsgefüge eingebunden und damit auch gebunden werden. In Deutschland war das mit dem Christentum ein langer, mühseliger Prozess, der mit dem Islam steht auch uns noch bevor. Doch wir haben schon damit begonnen – auf der Blaupause der gesellschaftlichen Stellung des Christentums.

Und der Laizismus als Weltanschauung? Wer den glühenden Laizismus mancher französischer Lehrer kennt, der sieht sie als Weltanschauungsapostel, einer Weltanschauung, die den Staat patriotisch überhöht, einen Staat, der ganz bewusst und gezielt einen nationalen Erinnerungskult pflegt (und finanziert), und dabei alle problematischen geschichtlichen Ereignisse möglichst fernhält. Das ist wie mit der interessengeleiteten Kirchengeschichte, die Herrn Deschner ausblendet.

Aber Vorsicht beim Lesen des empfohlenen Artikels[2]! Der Autor ist – wie auch ich – Theologe.

Solche Leute können nur voreingenommen sein. Ihnen ist nicht über den Weg zu trauen.

[1] »Diese Anführer [gemeint sind radikale Islamisten ds] übertragen höchst unflexible und rückwärtsgewandte Eigenschaften ihres Glaubens in ein Europa, das immer noch die Narben aus Glaubenskriegen von vor einem halben Jahrtausend trägt. Das ist ein Kampf grundsätzlicher Gegensätze in einer Gegend, deren Bevölkerungszahlen schrumpfen, und viele durch Überlegungen den Glauben an den Glauben verloren haben – und nun werden sie mit der Vitalität, demographisch wie religiös, eines unendlichen Stroms von Einwanderern mit einem unerschütterlichen Glauben an den Glauben konfrontiert. Wer, wie Atlantic Monthly 2005, die Frage nach einem “Islamischen Europa” stellt, übertreibt nicht (Savage, 2004). Europas wirtschaftliche, politische und soziale Zukunft ist mittlerweile unauflösbar verknüpft mit der Vergangenheit von Süd-West Asien.« aus: Harm de Blij, The Power of Place, Oxford University Press, Oxford, New York 2009, Übersetzung Dierk Schäfer.

[2] http://www.theeuropean.de/steve-kennedy-henkel/9534-laizismus-als-modell-fuer-deutschland

Himmel, hilf!

Posted in Kirche, Religion by dierkschaefer on 20. Oktober 2014

Glaubwürdig wird die Geschichte nur durch ihn selbst. Joseph ist ein Freund unserer Familie. Durch einen Schüleraustausch meiner Frau haben wir ihn kennengelernt. Wie bei nicht wenigen Lehrern in Frankreich hat sein Laïzismus eine massiv antiklerikale Grundlage. Das macht die Glaubwürdigkeit der Geschichte aus und es spricht für seine Toleranz, dass er sie mir, einem Pfarrer erzählt hat. Und für mich selber sollte ich hinzufügen, dass ich nicht an ein Wunder in dieser wunderhaften Geschichte glaube.

Joseph wohnt in einem kleinen Dorf in Lothringen. Dort gelten die für Frankreichs Innenpolitik fundamentalen Gesetze aus dem Jahr 1905 nicht. Elsass-Lothringen hatte sich bei seiner Wiederangliederung gegen die Übernahme der strikten Trennung von Staat und Kirche erfolgreich gewehrt. Kein Laïzismus! Und so ist das Dorf von Joseph weiterhin gut katholisch. Man hält die kirchlichen Feiertage ein und besucht den Gottesdienst.

Heute, am Pfingstsonntag sägt Joseph sein Holz, mit der Motorsäge. Die macht Krach. Das ist sein Beitrag zum Gründungsjubiläum der Kirche. Ohne Regung lässt er die Kirchgänger an sich vorüberziehen, auch wenn sie ihn missbilligend ansehen. Er hat sogar ein gutes Gewissen dabei. Ein Werk der Nächstenliebe sei es gewesen, sagt er, denn er sägte das Holz für seine verwitwete Schwester und war damit der bessere Christ,[1] doch das hat er nicht gesagt

Er sägt so lange, bis die Säge ihren Dienst versagt und nach vergeblichen Versuchen nicht wieder anspringt. Also stapelt er gerade sein Holz, als die Gottesdienstbesucher nach der Kirche wieder an seinem Grundstück vorbeigehen. Sie schauen ihn, wie er meint, merkwürdig an, mit einer gewissen Scheu.

Verwandte, die im Gottesdienst waren, steckten es ihm bei nächster Gelegenheit. Er hatte die Messe mit seinem Lärm wirklich sehr gestört, den ganzen Gottesdienst über. Kurz vor dem Segen erwähnte der Pfarrer das Sägen. Im Gebet flocht er die Bitte ein, und bewahre uns vor diesem infernalischem Lärm. Genau in diesem Moment verstummte die Säge.

[1] Doch da ich ihm den Namen Joseph gegeben habe, fällt mir der diensteifrige Heilige Joseph vom Bad Wildunger Altar ein. Der hat sich auch ums Brennholz gekümmert: https://www.flickr.com/photos/dierkschaefer/6273027637/in/set-72157627961292072