„Ehrenmord“ – Der Fall Sürücü
Gestern sendete der rrb eine Dokumentation[1] zum Fall Sürücü[2].
Der Fall wirft Fragen auf.
Reicht die bloße Existenz unserer Rechtsordnung einschließlich des Strafrechts aus, um Einwanderern bewußt zu machen, in welches Land sie gekommen sind?
Wir sehen im Film eine Szene des Innenhofs von Kreuzberg, in dem die Kinder Sürücü ihre Kindheit verbracht haben: Einwanderer (Frauen und Kinder) unter sich. Der Mörder lernte die ersten Deutschen erst im Knast näher kennen.
Angesichts solcher Verbrechen aus religiöser Gesinnung kann es keine „Holschuld“ der Einwanderer sein, sich um die „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ der deutschen Gesellschaft zu kümmern. Wir werden keine Säkularisierung muslimischer Einwanderer im Schnellverfahren bewirken können, doch sie sollen gesagt bekommen, was wir für das Zusammenleben mit ihnen erwarten. Wir brauchen ein freundliches verpflichtendes Kursprogramm für Einwanderer aus anderen Kulturen, um ihnen Entscheidungsfreiheit zu ermöglichen.
Die andere Frage war die nach dem Kind der Ermordeten. Im Film erfährt man nichts darüber, das Gesicht des Babies war verpixelt. Ich befürchete schon, es werde fern in der Türkei bei den Sürücüs aufwachsen müssen im Bewußtsein, eine Mutter zu haben, die Schande über die Familie gebracht hat. Doch das scheint nicht der Fall zu sein. Bei Wiki erfährt man mehr:
»Hatun Sürücüs Sohn Can lebt heute bei einer Pflegefamilie. Hatun Sürücüs Schwester Arzu Sürücü gab bekannt, dass sie das Sorgerecht für Can beantragen werde. Falls das Familiengericht den Antrag ablehne, solle der leibliche Vater, der in Istanbul lebt, das Sorgerecht erhalten. Politiker aller Fraktionen des Berliner Abgeordnetenhauses, wie Özcan Mutlu (Bündnis 90/Die Grünen), Giyasettin Sayan (Linkspartei.PDS), Berlins Jugendsenator Klaus Böger (SPD), Friedbert Pflüger (CDU), kritisierten die Absicht von Familie Sürücü, das Sorgerecht zu beantragen. Die Chancen dazu wurden von Juristen als sehr gering beurteilt. Am 20. Dezember 2006 hat das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg den Antrag der Schwester der Ermordeten auf das Sorgerecht für deren hinterbliebenen Sohn abgelehnt. Die Schwester Arzu Sürücü legte gegen diese Gerichtsentscheidung Beschwerde ein, die am 24. Juli 2007 vom Landgericht Berlin zurückgewiesen wurde.«
Hier erscheinen unser Rechtsstaat und seine Politiker auch einmal in positivem Licht.
[1] http://www.rbb-online.de/politik/beitrag/2015/02/Ehrenmord-Hatun-Sueruecue-Verlorene-Ehre-Deiss-Goll.html
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Hatun_S%C3%BCr%C3%BCc%C3%BC
Auf die Bedeutung von Parallelwelten und auf die des Sohnes der Ermordeten geht Necla Kelek ein. Es lohnt sich über den Fall hinaus, den Beitrag zu lesen.
Natürlich geht es um Leitkultur – na, und?
»Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der international geführten Debatte um „cultural defenses“. Zu erwägen ist, ob sich aus der kulturellen Biographie des Täters und seiner Beweggründe die Forderung nach Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen ergibt und welche Rolle den Religionsgrundrechten in Art. 4 Abs. 1, 2 GG im strafrechtlichen Kontext der Rechtfertigung und Entschuldigung zukommt. Praktisch wichtig ist die Frage, ob kulturelle und religiöse Tathintergründe als schuldmindernde Umstände einzustufen und strafmildernd zu berücksichtigen sind. Diesem Aspekt kommt bei der Auslegung des Merkmals „niedrige Beweggründe“ beim Mord (§ 211 StGB) in Fällen von Blutrache und sogenannter Ehrenmorde eine entscheidende Rolle zu.«[1]
Wenn political correctness Mordgehilfen produziert
Heute, in der Printausgabe der FAZ, berichtet Ahmad Mansour nicht nur über die „Ehrenmorde“, sondern auch über die Erziehung, die solche Täter hervorbringt. „Wir machen uns zum Komplizen der Täter“ klagt er und beklagt das forcierte Wegsehen. Es ist politisch nicht opportun, weil intolerant, fremde Kulturen zu konfrontieren.
Er hat recht. Anstatt daß wir die Anerkennung einer menschenrechtsbasierten Leitkultur einfordern, kneift das linke Spektrum und ermöglicht eine Leidkultur zulasten von Frauen und Kindern. Man errichtet Tabus und diffamiert eine problemorientierte Debatte. Mit dem Thema Beschneidung hatten wir das ja kürzlich vorgeführt bekommen. Hier kam noch der infame Vorwurf des Antisemitismus hinzu.
Ahmad Mansour arbeitet als Gruppenleiter am Projekt Heroes in Berlin mit: http://www.heroes-net.de/
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