Dierk Schaefers Blog

Chaot oder Saubermann? Das #Kreuz mit #MartinSchulz

Fast hätte ich Martin Schulz bei der Europawahl meine Stimme gegeben. Nun hat er gefordert, Kreuze sollten aus dem öffentlichen Raum entfernt werden[1]. Ich weiß, daß viele Leser meines Blogs das begrüßen würden.

Dennoch bitte ich um Differenzierung.

Der weltanschaulich neutrale Staat hat tatsächlich dafür zu sorgen, daß Räume, die von den Bürgern aufgesucht werden müssen, wie Gerichtssäle und Schulen zum Beispiel, auch neutral zu halten sind. Hier haben Kreuze nichts zu suchen[2][3], weder als Symbol noch als Kruzifix.

Der öffentliche Raum, wenn ihn Herr Schulz überhaupt bedacht hat, ist größer. Sollte er auch die Entfernung christlicher Symbole von Kriegsdenkmälern und sonstigen Heldengedenkstätten gemeint haben, so hat der Gedanke ja durchaus etwas. Doch ich möchte ihn trotzdem sofort wieder verwerfen, denn das würde Christentum und Kirchen aus ihrer historischen Mitverantwortung entlassen.

Dann gibt es die Kreuze auf Kirchengebäuden, die nicht nur öffentlich sichtbar sind, sondern auch häufig im öffentlichen Eigentum stehen, es gibt Feldkreuze, Grabkreuze, Bergkreuze, Eiserne Kreuze, Kreuzigungsdarstellungen in öffentlichen Museen usw. usw. Auch Prozessionen über öffentliche Straßen gehören dazu.

Ob man es schätzt oder auch nicht: Die Tradition europäischer Länder ist ohne das Christentum und seine Symbole nicht zu verstehen – und an den Symbolen hat die Obrigkeit als Vertreter kräftig mitgewirkt bis hin zur inhaltlichen Gestaltung von Synoden. Dann ist die Kunst voller religiöser Symbole. Wie will Herr Schulz umgehen mit solchen Darstellungen in den Museen? Bei Bildern von Adam und Eva vor dem Sündenfall wurden ja von der Zensur Blattranken vor die Geschlechtsteile gemalt, doch das war früher einmal. Will Herr Schulz eine neue Spielart von Prüderie einführen? Einen Bildersturm entfachen?

Ich möchte jedoch keiner falschen Parteinahme geziehen werden. Ich fordere die Freiheit für religiöse Symbole auch für andere Religionen. Selbstverständlich sollen Moscheen auch Minarette haben dürfen und ich halte es für einen Skandal, daß für muslimische Gebetsräume oft nur in Industriegebieten Platz ist. Zwar sehe ich keine Bereicherung unserer Gesellschaft darin, daß Frauen verschleiert in der Öffentlichkeit auftreten, aber sie müssen es dürfen, auch am Arbeitsplatz, soweit nicht Sachgründe dagegen sprechen.

Doch ganz nebenbei: Die EU hält sich leider für Glühbirnen zuständig und hat wohl auch den SEPA- und IBAN-Wahn zu verantworten. Kompetenzen, die das Menschenrecht der Religionsfreiheit, auch das der Demonstrationsfreiheit einschränken, hat sie nicht.

Schulz hat mit seiner Äußerung eine bestimmte Klientel bedient und wird seine Ankündigung nicht durchsetzen können. Er hat aber deutlich gemacht, daß er Europa und seine Geschichte nicht verstanden hat und geschichtsverleugnend eine neue Weltanschauung will.

Er tat es rechtzeitig, denn ich hätte ihn gewählt.

 

[1]http://hpd.de/node/18597

www.kathpress.at/europawahl

http://www.kathweb.at/site/nachrichten/database/62375.html http://www.focus.de/politik/schulz-verleugnet-die-identitaet-europas-kruzifix-streit-schulz-will-kreuze-loswerden-union-ausser-sich_id_3854099.html

[2] Als Theologe bin ich ohnehin der Meinung, daß Kreuze nicht als Dekor mißbraucht werden sollten.

Als Psychologe halte ich es immerhin für überlegenswert, welche Auswirkungen die Darstellungen von Folter und Tod auf die Entwicklung von Kindern und deren Mentalität haben. Allerdings werden die klassischen Darstellungen der Märtyrer inzwischen getoppt von viel lebensechteren Darstellungen in den neuen Medien, bei denen man sich an den Hetzjagden auch noch vergnüglich beteiligen kann.

[3] In einem Fall hatte ein mir persönlich bekannter Mann die Entfernung eines Kreuzes im Gerichtssaal gefordert mit der Begründung, sein Fall beweise, daß das Gericht das Kreuz und die darauf basierende Religion nicht ernst nehme. Ich fand, daß der Mann Recht hatte und machte den Bischof auf diesen interessanten Fall aufmerksam. Doch Bischöfe antworten nicht auf unangenehme Impulse, auch wenn man mit ihnen befreundet ist.