Dann ist es also Aufgabe der Polizei, dafür zu sorgen, daß der Geschlechtsverkehr auf der Reeperbahn problemlos vonstatten gehen kann? Der Leiter der Davidswache stutzte etwas bei meiner Frage und bejahte sie dann.
Er hatte zuvor den damals wohl üblichen beruflichen Werdegang einer Prostitutierten geschildert, dazu die touristische Bedeutung des Hamburger Rotlichtviertels. Das war damals fast noch romantisch. Er hatte aber auch gesagt: Zu Beginn kann sie sich die Freier noch aussuchen, ist sie aber älter, muß sie mit jedem stinkigen Kerl auf die Matte. Das war dann weniger romantisch. Es hat uns auch nicht sonderlich überzeugt, daß die Polizei eher an Kundenschutz denkt, als an den Schutz der Damen.
Wer vorgestern den einschlägigen Artikel in der FAZ gelesen hat[2] weiß, daß der Schutz der Frauen weiterhin eine untergeordnete Rolle spielt. Da ist zwar von Armutsprostitution und von Menschenhandel die Rede. Doch im Hintergrund steht etwas anderes, denn diese Aspekte hätte man schon längst effektiv aufgreifen können. Doch Vorschläge, man könne doch jeder Frau (und jedem Mann), die ihren Schlepper oder Ausbeuter vor Gericht bringt, Zeugenschutz gewähren und eine befristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis geben, solche Vorschläge wurden als nicht praktikabel abgewiesen.
Nun sind die Probleme dank Ost-Zuzug explodiert. Die Prostituierten, von denen der Hamburger Revierführer sprach, scheint es nicht mehr zu geben, dafür illegal importiertes „Frischfleisch“, teils noch minderjährig und in die Branche mit Gewalt hineingezwungen. Das sind unhaltbare Zustände. Aber da man gegen das Milieu selbst anscheinend machtlos ist, will man die oft eher bürgerlichen „Freier“ belangen.
Prostitution, ihre gesellschaftliche Ächtung und Pönalisierung haben eine lange Geschichte. Nicht ohne Grund spricht man vom ältesten Gewerbe. Trotz der Ächtung haben die Herr-schaften jedoch die sexuellen Dienste seit alters her in Anspruch genommen. Auch im Alten Testament findet sich eine Episode, die belegt, daß es für einen Mann keine Schande war, eine Hure zu besuchen.[3] Und Konzilien hatten wie die Heere Prostituierte im Gefolge.[4]
Ergebnis der religiös begründeten Ächtung war, daß dieses Gewerbe in den Schmuddelbereich abgedrängt und ein kriminogenes Milieu geschaffen wurde.
Wir haben es jedoch mit einem dauerhaften Dienstleistungsmarkt zu tun, mit Angebot und Nachfrage. Dieser Markt, solange er im Graubereich bleibt, ist jedoch durch Regeln nicht zu bändigen. Die rechtliche Anerkennung als Dienstleistungsgewerbe hat allerdings die Probleme nicht beseitigen können.
Darum nun also die „Freier“. Die Argumente jedoch stimmen nicht, denn sie zielen auf die Hoffnung, man könne diesen Markt einfach verbieten. Wer sich an die Nachkriegszeit mit den Schwarzmärkten erinnert, weiß, daß das nicht klappen kann.
Zudem ist die Debatte scheinheilig. Sie nimmt nicht in den Blick, daß wir auch einen Sklavenmarkt für illegale Arbeiter haben, daß auch sonst manche Arbeitsverhältnisse zwar nicht aus bitterer Armut, aber doch ausschließlich wegen des Gelderwerbs zum Überleben eingegangen werden. Die Gesetzesvorschläge beschränken sich (noch) darauf, die wissentliche Nutzung von Zwangsprostitution zu bestrafen. Doch man blendet dabei die Lage der Arbeiterinnen in Bangladesh aus, die ohne angemessene Sicherheitsvorkehrungen und für einen Hungerlohn die billigen Textilartikel herstellen, die wir massenhaft kaufen. Doch Arme können nur verkaufen, wofür sie einen Markt finden. Seit dem Kardinal Frings in seiner Silvesterpredigt den Notmundraub rechtfertigte, haben außergewöhnliche Umstände auch Eingang in die Morallehre gefunden.[5]
Hier geht es aber um eine verengte Moral. Die Debatte wird nur scheinbar unter humanitären Aspekten geführt – und die Sozialarbeiterinnen warnen deutlich vor den geforderten Maßnahmen. Es geht letztlich nicht um gerechte Marktbedingungen, sondern um die Sakralisierung des weiblichen Körpers, wie wir sie aus der Marienverehrung kennen, diesmal nur in säkularisierter Form. Die „Verrichtungsboxen“, wie im FAZ-Artikel abgebildet, mögen zwar Sicherheit bieten, belassen das Gewerbe jedoch im abschreckend unästhetischen Schmuddelbereich. Hier sollte man sich bessere Lösungen einfallen lassen.
Da das Thema heikel ist und man leicht in ein falsches Licht kommen kann: Ich selber habe noch nie solche Dienstleistungen[6] in Anspruch genommen.
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