Dierk Schaefers Blog

Missbrauchsfall im Haus Maffei in Feldafing – Es war nicht nur ein Fall, es war nicht „nur“ Missbrauch, es war sadistische Kinderquälerei. Sendung: Kontrovers, im Bayerischen Fernsehen, Mittwoch, 16.06.2021, 21:15 h  

„Viele von Ihnen kennen die Leidensgeschichte meines Mannes,“ schreibt die Ehefrau eines Feldafing-Opfers in einem Mail. Ich kenne die Leidensgeschichte und gebe das Mail hier im vollen Wortlaut wieder. Hinzugefügt habe ich das Photo von einer Skulptur des Künstlers Eckhard Kowalke[1].

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„Sehr geehrte Damen und Herren,

der Einfachheit halber benutze ich heute nur diese Anrede, wohl wissend, dass einigen unter Ihnen eine andere Anrede zusteht. Dies bitte ich vorab zu entschuldigen.

Mit dem einen oder anderen von Ihnen hatte ich die letzten Jahre mehrfach oder mindestens einmal Kontakt. Es war nicht immer einfach, den Kontakt aufrecht zu erhalten, manchmal kam keine Antwort, ein anderes Mal Wochen oder Monate später.

Das liegt wohl an unserer Deutschen Bürokratie oder vielleicht auch an Desinteresse, weil es ja einen selbst nicht betrifft und ja noch so viel Zeit für eine Antwort ist und tätig werden, ach auch das hat doch Zeit…. …. dachten sich sicher viele und denken es immer noch, warum beeilen, vielleicht erledigt sich das „Problem“ von selbst.

Aber es gab auch Menschen denen eine Antwort sofort wichtig war, auch ohne vorläufiges Ergebnis, das hat mich und meinen Mann (der Betroffene) immer besonders gefreut.

Viele von Ihnen kennen die Leidensgeschichte meines Mannes, manche nur im Ansatz. Um nun den Menschen dahinter zu sehen und um die Bürokratie ruhen zu lassen, möchte ich dringlich auf folgende Fernsehsendung im Missbrauchsfall im Haus Maffei in Feldafing hinweisen. Diese findet statt:

Mittwoch, 16.06.2021

Bayerisches Fernsehen, Name der Sendung: Kontrovers

Uhrzeit:  21:15 Uhr.

Bemerken möchte ich noch, dass es meinem Mann (in der Sendung Frank Waldheim) und den anderen beiden Betroffenen unsagbar schwergefallen ist, die Aufzeichnung dieser Sendung durchzustehen, sie wollten aber, dass all die Menschen endlich erfahren wie es wirklich war und ihnen endlich nach langen Jahren des Leids geglaubt wird. Allen dreien Betroffenen ist dies am wichtigsten.

Hier hilft keine Entschuldigung egal von welcher Stelle, das erwarten sie nicht. Es muss geholfen werden und das sehr schnell. Keiner von den Opfern hat Zeit noch länger abzu­warten, sie benötigen jetzt Hilfe auch in Form einer mehr als angemessenen Entschädigung, die zwar das Leid nicht ungeschehen machen kann, aber den letzten Lebensabschnitt dieser Menschen erheblich verbessert.

Da werden einerseits Therapiekosten in Aussicht gestellt, um diese Kosten aber ganz schnell wieder zu streichen, weil sich herausstellt, dass eine Therapie ja nicht nur ein halbes Jahr dauert, sondern Jahre. Da stellt man das lieber um und machte daraus eine kleine Summe auf Anerkennung des Leids, es betrifft sage und schreibe DREI Personen! An anderer Stelle wird versprochen, dass in aller Kürze Hilfe erfolgt, an dieser Stelle wird „in Kürze“ wohl verwech­selt mit monatelanger Wartezeit. Wieder an anderer Stelle verweigert man den Betroffenen einfach weitere Hilfe.

Es wird dies und das versprochen. Es ist unmenschlich zu erwarten, dass die Opfer sich immer wieder von selbst bei Ihnen melden müssen, damit es vorangeht. Sie kommen sich wie arme „Bettelleute“ vor und ich finde das einfach würdelos im Hinblick auf das große Leid, das sie ihr Leben lang herumtragen und für das sie nichts können, denn sie waren unschuldige Kinder die u.a. unfassbar grausamen „Kirchendienern“ wehrlos ausgeliefert waren.

Die Warterei muss doch endlich ein Ende haben. Für was so viele Kommissionen und Aufarbeitungsstellen gründen? Das hilft Ihnen, nicht aber den armen Menschen. Tun Sie das ruhig, aber geben Sie endlich! Hilfe.

Keiner kann sich nur ansatzweise vorstellen wie es ist, ein Leben lang unter dem Missbrauch der Kirche und anderen Einrichtungen zu leiden. Und nicht nur die Betroffenen leiden, auch die Angehörigen.

Diese Lebensqualität ist keine.

Deshalb bitte ich Sie, sich die Sendung anzusehen, um zu sehen wie die Opfer wirklich leiden. Denn hier sehen Sie den „Menschen“, nicht unsere nüchterne Bürokratie.

Vielleicht möchte der eine oder andere mit ein paar persönlichen Worten auf meine email antworten.

DANKE!

Freundliche Grüße sendet Ihnen

Brigitte L. Ehefrau“


[1] Eckhard Kowalke …  Mit seinen teils schockierenden Kunstaktionen zu den geschändeten Kindern in den kirchlichen Heimen zwischen 1945 und 1975 hat er vor sechs Jahren Aufsehen erregt und die Aufarbeitung der Geschehnisse ins Rollen gebracht. https://www.art-kowalke.com/freistatt/

Du Arschloch, du Wichser!

Der Wortwechsel zwischen dem Münchner Amokläufer und dem Baggerfahrer Salbey[1] wird als Schlüsselszene bezeichnet. Warum?

Milde gesagt befremdet dieser Dialog den Bildungsbürger, allerdings eine aussterbende Spezies. Politisch korrekt wäre es gewesen, wenn ein Psychologe oder ein Notfallseelsorger Seelenmassage betrieben und den Täter zum Aufgeben bewegt hätte. Das wäre auch eher meine Herangehensweise gewesen. Ob erfolgreich weiß ich nicht.

Auch der Brutaldialog des Baggerfahrers Salbey war nicht risikofrei. Schließlich hatte der Täter – wie wir nun wissen – noch eine beachtliche Zahl von Patronen im Rucksack. Er hätte noch weiter durchdrehen können. Doch er ließ sich auf das Gespräch ein, was Fachleute immer als ersten Erfolg bewerten, und verlegte sich auf Begründungen und Entschuldigungen:

„Wegen euch wurde ich gemobbt!“

Herr Salbey lässt sich davon nicht beirren. Er fährt mit seinen Beschimpfungen fort, ohne auch nur ein einziges Argument zu bringen, ohne auf die psychische Lage des Täters, von ihm selbst offenbart, einzugehen. „Du Arschloch, du Wichser“.

Damit offenbart er dem Täter seine klägliche Situation. Der wollte sich an der Gesellschaft rächen und dabei groß rauskommen, insofern ein typischer Amoktäter. Dieser Narziss kriegt aber nun von einem einfachen Mann, vermutlich bildungsmäßig unter ihm, schonungslos den Spiegel vorgehalten. Du bist ein Loser, ein Nichts! Das bricht den psychischen Widerstand des Täters. Es wird die abgrundtiefe Verzweiflung gewesen sein und eben nicht die letzte großspurige Abschlusstat, als er sich in den Kopf schoss.

Wie gesagt, es hätte auch schiefgehen können.

Was lernen wir daraus?

Wir müssen den Tätern und damit auch allen potentiellen Tätern, die Aussicht auf eine Heldengloriole nehmen.

Wir selber, besonders die Medien, sollten nicht fasziniert life dem Ablauf folgen, sondern das Ergebnis am nächsten Tag abwarten. Eine Freundin erzählte, sie sei bis nachts um halbeins nicht vom Fernseher losgekommen. Warum? fragte ich, du wärest besser ins Bett gegangen.

Wir brauchen weder Täternamen noch Täterporträts. Die nutzen nur der Einschaltquote und damit dem, wenn auch negativen Personenkult.

Wir brauchen die schonungslose Aufdeckung der erbärmlichen Denk- und Wahrnehmungswelt der Täter. Sie sind Menschen, die mit ihrem Leben nicht zurechtkommen, nicht zurechtgekommen sind. Eigentlich verdienen sie Mitleid. Doch das ist schon verbraucht für ihre Opfer.

Falls die Täter überleben, gebührt ihnen ein gerechter Prozess – und danach eine Psychotherapie, die ihnen hilft, nach einem verpfuschten Leben einen bescheidenen Neustart hinzukriegen.

Wir brauchen aber insgesamt mehr Aufmerksamkeit für Menschen, die sich gekränkt fühlen, die zuweilen auch tatsächlich gekränkt wurden[2]. Wenn wir das ganz nüchtern und ohne Aufdeckungshysterie hinkriegen, wäre es der wichtigste Beitrag zur Prävention.

[1] http://www.focus.de/politik/videos/nach-toedlichen-schuessen-in-muenchen-ich-bin-deutscher-anwohner-filmte-streitgespraech-mit-einem-der-attentaeter_id_5755674.html

[2] http://m.welt.de/vermischtes/article149321704/Die-zerstoererische-Macht-der-Kraenkung.html

Franz-Peter Tebartz-van Elst – der Mann des Jahres

Posted in Gesellschaft, Kirche, Religion by dierkschaefer on 31. Oktober 2013

Franz-Peter Tebartz-van Elst[1] ist ein ausgesprochener Liebling der Medien und der Netzgemeinde. Wohl wie kein anderer Geistlicher seit Jahren hat er die Kirche wieder ins Bewußtsein der Öffentlichkeit gehoben. Als einfacher Ruhestandspfarrer auf dem Land kann ich da nur neidisch[2] werden, wenn es mir auch schwerfällt, diese Untugend einzugestehen.

 

Doch genug der lasterhaften Häme[3]. Wie steht es mit dem „Wirken“ dieses Mannes, was hat er bewirkt?

Er hat nicht nur den Kirchenfeinden Munition geliefert und oberflächliche Religionskritiker bestätigt. Zudem hat er Menschen verunsichert, die bis jetzt, salopp gesagt, „brav katholisch“ waren. Der „Aufstand“ im Bistum belegt das. Und er hat wohl mehr Menschen zum Kirchenaustritt angeregt, als das jemals eine Person aus dem geistlichen Stand geschafft hat.[4] Was „Kirche“, welche auch immer, derzeit tut, wird nun durch die Limburger Skandalbrille gesehen. Besonders wenn die Kirche baut, ist sie nun großer Aufmerksamkeit sicher.

Woher hat sie wohl das Geld dafür, wieviel hat sie überhaupt, darf sie das haben, sollte sie nicht glaubwürdiger in Sack und Asche gehen, alles den Armen geben? Und wenn sie schon baut, welcher Baustandard wird ihr zugestanden? Ist das nicht alles zu teuer, gar zu luxuriös, warum steckt sie ihre Mitarbeiter, die ja skandalöserweise ohnehin nicht streiken dürfen, nicht einfach in Bürocontainer?

Die Diskussion hat längst unterstes Stammtischniveau erreicht, dank eines selbstverliebten Bischofs, dem es gelang, die wenigen Kontrollmechanismen seiner Macht auszuschalten und der wie ein Schulbub versuchte, sich mit Lügen zu retten.

In unserer Gesellschaft ist die Kirche, wenn man von der weltanschaulichen Ausrichtung absieht, eine Großorganisation wie andere auch. Sie lebt, wie auch die Parteien und die Gewerkschaften, im Spagat von Anspruch und Wirklichkeit, zwischen Glaubwürdigkeit und Unglaubhaftigkeit. Zollitsch sprach sogar von der sündhaften Kirche. Es hilft nun nicht, auf die Sünden anderer zu verweisen, auch wenn der Limburger Skandal zeitweise der Elbphilharmonie und dem Berliner Flughafen die Show gestohlen hat. Wo die Kirche unglaubwürdig wird, muß das schon wegen ihres eigenen Anspruchs schonungslos diskutiert werden. Ich habe leider den Eindruck, daß es der Kirche an dafür kompetentem und glaubwürdigem Führungspersonal mangelt, und das nicht erst seit dem Heimkinder- und dem Mißbrauchsskandal.

Bleiben wir bei kirchlichen Bauvorhaben und der Limburger Skandalbrille. Die Münchner Abendzeitung berichtet über den Neubau des Bistums[5]. Wenn andere Firmen, auch die öffentliche Verwaltung, bauen, um ihre verstreuten Abteilungen und Büros in einem Gebäude zusammenzufassen, gilt das als erforderliche Sanierungsmaßnahme. Auch daß die Kosten letztendlich über den Planzahlen liegen, läßt sich meist schadlos erklären, wenn die Differenz im üblichen Rahmen bleibt. Dank Tebartz wird dieses Bauvorhaben nun nicht nur beachtet, sondern generell verurteilt. Wie kann die Kirche nur und überhaupt … siehe oben. Das Churchbashing ist im Mainstream angekommen. Da würde es auch nicht helfen, Franz-Peter zu teeren und zu federn, um ihn dann dem johlenden Mob zu überlassen. Herr, schmeiß Hirn ’ra!, kann ich auf schwäbisch dazu nur sagen.

Ob übrigens der Neubau des Ordinariats Rottenburg-Stuttgart überhaupt nötig war, kann ich nicht beurteilen. Ich habe ihn nur ausgiebig photographiert[6], weil ich den architektonischen Rückgriff auf das Mittelalter höchst befremdlich finde für eine Organisation, die sich nicht in eine Festung zurückziehen sollte.

 

An der aktuellen Diskussion ist immerhin sinnvoll, daß die Kirche sich nun auch um ihre internen Baustellen kümmern muß, wenn sie dem öffentlichen Druck dieser Gesellschaft standhalten will. Die Zeiten kirchlicher Unschuld, wenn es sie den je gab, sind vorbei. Church business as usual, wie ich auf einem Londoner Bauschild las, geht nicht mehr. Dafür hat der Limburger Bischofs gesorgt und das mit einer medialen Resonanz, die auch die evangelische Kirche in Mitleidenschaft gezogen hat[7].

 

PS: Ich bin übrigens der Meinung, daß es eine Schande ist, nur in Industriegebieten Platz für Moscheen auszuweisen. Sie gehören inzwischen, wie die Kirchen immer noch, in die Mitte der Gesellschaft. Entgegen der Politik der Kirchenleitungen meine ich, daß man auch einige der inzwischen überzähligen Kirchen entsprechend umwidmen sollte.


[4] Von „Übertritten“ oder gar der Reformation ganzer Kirchen abgesehen.