Dierk Schaefers Blog

Ein lesenswerter Beitrag zum Erhalt der „Odenwaldschule“

Posted in Pädagogik by dierkschaefer on 18. Mai 2015

Hier nur das Resümee: »Eine Schule unter dem Namen Odenwaldschule kann im Interesse zukünftiger Schülergenerationen keine Genehmigung bekommen. … klar muss eigentlich auch sein, dass eine Schule dort nur nach einer ordentlichen Zäsur betrieben werden kann. … [Die] Expertise [der Betroffenen der Odenwaldschule] ist für andere Schulen und Einrichtungen extrem wertvoll, sie sollten aber nicht direkt „Odenwaldschule” machen wollen. … Falls und wenn dort Schule gemacht wird, dann muss dies eine Neugründung sein, die eine zwei- bis dreijährige Schliessung des Schulbetriebs und eine anständige Vorbereitung voraussetzt. … Letztlich steht diese offizielle Aufklärung immer noch am Anfang, sie hat eigentlich nie stattgefunden. Eine vor dem Abgrund, als Kontinuum gerettete Odenwaldschule macht diese Aufklärung unmöglich. Abseits vom unwiderruflich bestehenden Interesse und Anspruch der Betroffenen auf eine angemessene und schonungslose Aufklärung, wäre es gerade für die pädagogische Zunft, wie auch die Aufsichtsbehörden selbst, mehr noch aber für künftige Schülergenerationen insgesamt wichtig, dass wir durch eine offizielle Untersuchungskommission erschliessen, wie es zu Fehlentwicklungen dieses Ausmasses über einen solch langen Zeitraum – über Jahrzehnte – kommen konnte und welche Rolle die Behörden selbst dabei gespielt haben. Das ist nicht einmal ansatzweise geleistet.«[1]

[1] http://netzwerkb.org/2015/05/17/zur-rettung-der-odenwaldschule/

Die Reformer und Reformpädagogik

Posted in Geschichte, Gesellschaft, Kinderrechte, Kriminalität, Pädagogik, Soziologie by dierkschaefer on 1. Oktober 2014

Heute schreibt Heike Schmoll in der FAZ über Das Nest der Bildungsaristokraten. Da tauchen Namen auf, die in Zusammenhang mit dem heute gesendeten Film über die Odenwaldschule interessant sind.

  1. Hellmut Becker, bei Wiki lesen wir: »Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete am 9. August 2011, dass der Schulleiter der Odenwaldschule Gerold Becker unter dem persönlichen Schutz von Hellmut Becker stand. Hellmut Becker habe von den pädophilen Neigungen seines Schützlings gewusst und ihm dennoch zum Schulleiterposten verholfen. In der ZEIT vom 18. August 2011 wird von Robert Leicht dazu ausgeführt, dass Hellmut Becker den nicht mit ihm verwandten Gerold Becker zum Schulleiter gemacht habe, obwohl er wusste, dass dieser sich an seinem Patensohn vergangen hatte.«[1]
  2. Georg Picht, »Seine Mutter war Greda Picht, die Schwester von Ernst Robert Curtius, der auch Pichts Patenonkel war. Sein Vater Werner Picht war u. a. Abteilungsleiter im preußischen Kulturministerium und Publizist zu Themen der Erwachsenenbildung. Zum Freundeskreis der Familie zählten Albert Schweitzer, Eugen Rosenstock-Huessy und Charles Du Bos.«[2]
  3. Über Picht kommt man zum Birklehof in Hinterzarten, ein Musterbeispiel für Reform­pädagogik. Dort stößt man auch auf den Namen Hartmut von Hentig. Wiki schreibt »Im Zusammenhang mit den 2010 bekannt gewordenen Fällen sexuellen Missbrauchs an der Odenwaldschule war von Hentig als langjähriger enger Freund Gerold Beckers, des als Haupt­täter beschuldigten ehemaligen Leiters dieser Schule, öffentlicher Kritik ausgesetzt.[3] + [4]«

Zurück zu Picht und zum Birklehof: »Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Schule am 7. Januar 1947 wieder eröffnet, auf Wunsch von Wendelstadt mit Georg Picht als Schulleiter. … 1955 trat Picht von der Schulleitung zurück, da die von ihm zu Beginn seiner Tätigkeit angekündigten 10 Jahre Schulleitung vorüber waren. Er wurde Vorstandsvorsitzender im Schulverein. … Als im Jahr 2010 Missbrauchsfälle an der Odenwaldschule im hessischen Heppenheim untersucht wurden, mit der der Birklehof in den 1940er- und 1950er-Jahren zusammen an einer Reform der Oberstufe gearbeitet hatte, unternahm die Leitung des Birklehofs ebenfalls Nachforschungen in diese Richtung. Dabei wurden Anschuldigungen gegen einen örtlichen Mediziner laut, der über Jahrzehnte Sprechstunden im Birklehof abgehalten hatte und dabei Mädchen und Jungen missbraucht haben soll. Daneben wurde von einem gewalttätigen Lehrer berichtet sowie von drei Lehrkräften, die infolge sexueller Belästigung in den 1950er-Jahren entlassen worden seien. … Die rund 160 im Internat lebenden Schüler kommen zu 40 % aus Baden-Württemberg, die übrigen aus allen Teilen Deutschlands und dem Ausland; dazu rund 70 externe Schüler aus den umliegenden Gemeinden. Das Schulgeld für die internen Schüler beträgt rund 2600 € pro Monat. Ähnlich der Schule Schloss Salem, aus der der Birklehof 1932 hervorging, bedingen die Kosten eine Zusammensetzung der Schülerschaft aus vorwiegend wohlhabenden Familien.«[5]

Und jetzt ganz zurück zum Artikel von Heike Schmoll, in dem uns die protestantische Bildungselite aus den Anfängen der Bundesrepublik begegnet: »Ihren späteren Mann Wer­ner Picht hatte Greda als Freund ihres Bruders Robert schon in Straßburg ken­nen­gelernt. Während ihrer Ehe berichtet Greda ihrem Mann freimütig über ihre außerehelichen Verhält­nisse, während er ihr als Soldat in Frankreich von einer jun­gen Geliebten erzählt und ihr rät, ihre Frei­heit nicht weniger auszukosten. Dieser Aufforderung hätte es kaum be­durft, denn offenbar sei Franz Rosen­zweigs Einschätzung vom „großen allge­meinen Liebensmanschepansche­ozean“ nicht völlig aus der Luft gegriffen gewe­sen. Im privaten Bereich seien solche of­fenen Beziehun­gen auch kein Problem, wohl aber, wenn sie auf Institutionen wie Internate mit Familienprinzip übertra­gen würden, gab Löwe-Bahners zu beden­ken«[6]. [Hervorhebung ds]

Soviel als Nachlese zu den Auserwählten und der anschließenden Diskussion bei Anne Will.

[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Hellmut_Becker

[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Picht

[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Hartmut_von_Hentig

[4] Der unterzeichnete eine mehr als problematische Todesanzeige für Gerold Becker: https://dierkschaefer.wordpress.com/2010/07/15/und-wandle-neu-belebt-und-jung-%E2%80%A6/

[5] http://de.wikipedia.org/wiki/Birklehof

[6] FAZ Mittwoch, 1. Oktober 2014, S. N 3, HEIKE SCHMOLL

Perverse Phantasien unter dem Deckmantel der reformierten Lehre

Posted in Geschichte, heimkinder, Kinderrechte, Kirche, Kriminalität, Pädagogik by dierkschaefer on 6. Juli 2014

Perverse Phantasien unter dem Deckmantel der reformierten Lehre

»Darum bekommen wir nun mit „Die Auserwählten“, fiktional auf den Punkt gebracht und dramaturgisch zugespitzt, eine – wenn auch nur vage, mehr wird nie möglich sein – Ahnung davon, welches Leid es verursacht, jenen ausgeliefert zu sein, die unter dem Deckmantel der reformierten Lehre ihre perversen Phantasien auslebten. [1]«

 

Der Film scheint interessant zu sein. Die Missbraucher an der Odenwaldschule hatten mit ihren Reformvorstellungen einen ideologischen Überbau, an den sie vielleicht sogar selbst geglaubt haben, soweit sie keine Zyniker waren.

Wie steht des mit den kirchlichen Einrichtungen? Für die Gewalt gab es einen solchen Überbau, für die Demutserziehung auch. Beides spricht gegen den Überbau. Für den Missbrauch gab es jedoch keinen.

Wie vielleicht beides zusammenhängt, zumindest im Kopf der Täter, wäre die Frage. Doch die ist diffiziler und kaum spielfilmtauglich.

 

Noch einmal in den Odenwald.

  • In welcher Höhe ist die Odenwaldschule am Fonds für Mißbrauchsopfer beteiligt?
  • Was sagen die Ideologen der Reformpädagogik, die von gestern und die von heute, zu der Verbindung von „Reform“ und Mißbrauch? Die Traueranzeige[2], mit unterzeichnet vom Reformpädagogen Hartmut von Hentig[3] dürfte ja eher ein Grund sein, auf dieser Frage zu beharren.

 

[1] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/film-zum-missbrauchsskandal-an-der-odenwaldschule-13028071.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

[2] https://dierkschaefer.wordpress.com/2010/07/15/und-wandle-neu-belebt-und-jung-%E2%80%A6/

[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Hartmut_von_Hentig

Und wandle neu belebt und jung …

Posted in News, Pädagogik by dierkschaefer on 15. Juli 2010

Todesanzeigen werden normalerweise nicht kommentiert; doch sie sind eher eine Information für die Öffentlichkeit als nur Trauerarbeit der Hinterbliebenen.

Am 7. Juli starb der ehemalige Leiter der Odenwaldschule. Dieser Tod wurde bedauert und betrauert. Bedauert von vielen ehemaligen Schülern seiner Schule, denen es wichtig war, daß der Schulleiter persönlich Stellung nimmt zu den gegen ihn erhobenen Mißbrauchsvorwürfen.

Betrauert wurde dieser Tod, wenn man eine Traueranzeige als Ausdruck von Trauer nehmen darf, von den Unterzeichnern der Anzeige. So weit, so gut. Gut, weil es verständlich ist, daß für Familienangehörige und Freunde die persönliche Beziehung zum Verstorbenen und damit die Trauer im Vordergrund stehen.

Doch dieser Todesanzeige ist ein Motto vorangestellt, das man vielleicht der Familie zubilligen mag, nicht aber einem Unterzeichner, der als der Reformpädagoge Deutschlands gilt und der bis heute sich nicht angemessen zu den Mißständen an der Schule geäußert hat, die seinen Reformvorstellungen von Schule wohl am ehesten entsprach. Es wäre auch ein Wort zur Alltagstauglichkeit seiner Reformvorstellungen zu erwarten.

Das Motto ist „gut“ ausgesucht:

„Die Feinde, die bedrohen dich,

Das mehrt von Tag zu Tage sich;

Wie dir doch gar nicht graut!“

Das seh’ ich alles unentwegt,

Sie zerren an der Schlangenhaut,

Die längst ich abgelegt.

Und ist die nächste reif genug,

Abstreif’ ich die sogleich,

Und wandle neu belebt und jung

Im frischen Götterreich.

Goethe

Die Anzeige erschien am 12. Juli 2010 in der FAZ.

Mir scheint, mit dieser Anzeige wird den Opfern des Schulleiters noch eine lange Nase gedreht.

Antje Vollmer, Vorsitzende des Runden Tisches Heimerziehung

Posted in heimkinder, News by dierkschaefer on 3. April 2010

Antje Vollmer, Vorsitzende des Runden Tisches Heimerziehung, ist bereits im November 2002 von einem Lehrer der Odenwaldschule über die Missbrauchsvorwürfe gegen deren vormaligen Schulleiter Gerold Becker informiert worden. Ein Lehrer habe der Grünen-Politikerin in einem Brief den Missbrauch angezeigt, berichtete die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» (FAS) vorab.

mehr:

http://www.nh24.de/index.php?option=com_content&view=article&id=31179:zeitung-vollmer-erfuhr-2002-vom-missbrauch-an-odenwaldschule&catid=22:allgemein&Itemid=59 [Sonnabend, 3. April 2010]