Wir Insider wundern uns
„Die Geschichte der Heimkindheiten endlich konsequent aufarbeiten!“ fordert die „Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs zur Situation Betroffener der Heimerziehung in der Bundesrepublik und der DDR“[1], im Folgenden Rörigkommission genannt.
Nanu? Hat Frau Vollmer nicht am „Runden Tisch Heimerziehung“ die Aufarbeitung längst besorgt? So richtig begann es 2006 mit dem Buch „Schläge im Namen des Herrn“ [2]. 2008 wurde der Runde Tisch eingerichtet[3], ich selber habe dort bei der „2. Anhörung“ am 2. April 2009 referiert[4] und Verfahrensvorschläge vorgestellt.[5] Mein Blog hat sich in der Folgezeit hauptsächlich mit den Heimkindern beschäftigt, so auch andere Plattformen im Netz.[6] In der Folge begannen manche Heime ihre Vergangenheit in umfangreichen seriösen Studien aufarbeiten zu lassen. Hier seien nur zwei der vielen Publikationen von Hans-Walter Schmuhl und Ulrike Winkler genannt[7]. Dazu kommen noch die Berichte über die Ergebnisse des Runden Tisches von Prof. Kappeler, ein überaus kompetenter Fachmann, der vom Runden Tisch wohlweislich ausgegrenzt wurde.[8]
Was will die Kommission mehr?
Kann sein, dass auch sie mit den Ergebnissen des Runden Tisches nicht zufrieden ist. Da werden ihr viele, so auch ich, beipflichten. Der Runde Tisch hatte zwar auch ein paar wissenschaftliche Arbeiten in Auftrag gegeben, doch es handelte sich bei dem Runden Tisch um einen von Beginn an eingefädelten Betrug.[9] Dort wurden die ehemaligen Heimkinder gekonnt von Antje Vollmer über den Tisch gezogen.[10] In quasi mafiöser Verbindung konnten Staat und Kirchen das für sie Schlimmste verhindern: Eine echte Entschädigung und eine Anerkennung der Arbeit der Kinder in Fabriken und Landwirtschaft als Zwangsarbeit. Medikamententests an Kindern kamen nicht zur Sprache, für Säuglingsheime, Behinderteneinrichtungen und psychiatrische Unterbringungen zeigte man sich nicht zuständig. Durch ganz andere Problemlösungen im Ausland, zb gerichtliche Untersuchungsausschüsse ließ man sich nicht irritieren. Die Rechtsnachfolger der Misshandler traten in die Fußstapfen der Täter. Es hätte eine Lösung gegeben: Der Staat (die Länder und ihre Jugendämter) übernehmen die Verantwortung, zahlen Entschädigungen und refinanzieren sich bei den kirchlichen Einrichtungen. Hätte – aber genau das wollte man nicht.[11]
Wenn die Rörigkommission diese Fälle, ergänzt durch die hinzugekommenen Missbrauchsfälle, die damals kaum Thema waren, neu aufrollen will, muss sie die Erfahrungen der Heimkinder berücksichtigen: all die Untersuchungen haben für sie nichts gebracht. Ihre Berichte waren nur das Rohmaterial für Wissenschaftler, die damit ihr Geld verdienten und ihr Karriere beflügelten. Gewiss, sie gaben den Opfern Anerkennung, ihre Ergebnisse riefen bei den Rechtsnachfolgern „Betroffenheitsgestammel“[12] hervor, doch die waren damit glimpflich davongekommen und die Heimkinder fühlten sich abermals missbraucht. Wenn Herr Rörig mit seiner Kommission die Lage dieser Gruppe nachhaltig verbessern will, ist er herzlich willkommen. Das Beweismaterial liegt vor. Neue Untersuchungen sind unerwünscht. Sie würden nur als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gesehen. Auch schon lange fordern die Heimkinder für sich andere Lösungen als Alters- oder Pflegeheime. Alles längst bekannt.[13]
Es mag sein, dass die Kommission vornehmlich die Missbrauchsfälle sieht, weil sich bei ihr dieser Personenkreis gemeldet hat, der zuvor nicht so sehr im Blickpunkt stand. Das Meldeaufkommen nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle im Piusheim macht deutlich, dass dieser Bereich noch ein großes Dunkelfeld bergen dürfte. Ich weiß, dass wir in nächster Zeit noch einiges über klerikale Pädokriminalität hören werden einschließlich der wirtschaftlichen Nutzung der Missbrauchsopfer. Das wird noch spannend. Aber …
Aber das interessiert die Öffentlichkeit nur vorübergehend. Die Heimkinder fanden sogar persönliche Beachtung in ihrem jeweiligen Lokalblatt, das sich die Gelegenheit nicht entgehen ließ, Opfer aus der näheren Umgebung präsentieren zu können. Es ist den Medien nicht vorzuwerfen, dass sie immer eine neue Sau durch ihre Blätter jagen müssen, denn der Skandal von heute verdrängt den von gestern. Die Leute wollen im Grunde nichts wissen, sondern nur unterhalten werden – und das ist der eigentliche Skandal.
Wenn die Rörigkommission einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss mit all den erforderlichen Vollmachten durchsetzt, wenn diese Untersuchungen die Staatsanwaltschaften nötigen, die einschlägigen Archivakten in Jugendämtern, Kirchen, Klöstern und Jugendhilfeeinrichtungen zu beschlagnahmen, und das unabhängig von der Verjährungsfrage[14], dann dürfte sie auch Unterstützung von den Opfern erwarten.
Kurz zur Verjährung: Sie ist eigentlich dazu gedacht, Rechtsfrieden zu schaffen für Uraltfälle. Eine nicht befriedigende aber letztlich befriedende Lösung. Doch hier hilft sie nicht. Die Verbrechen an den ehemaligen Heimkindern, den Misshandelten und den Missbrauchten stellen das wohl größte Verbrechen in der bundesrepublikanischen Geschichte dar. Prof. Kappeler: „Mitten im Kern des eigenen Gesellschaftssystems geschieht solches Unrecht in unvorstellbaren Ausmaß und sämtliche – verfassungsrechtlich, staatsrechtlich, verwaltungsrechtlich! – vorhandenen Kontrollsysteme versagen; nicht zufällig!“[15] Die Zahl der Opfer ist kaum überschaubar, die „Qualität“ der Verbrechen reicht von deutlicher Benachteiligung und Ausbeutung bis hin zu Monstrositäten grundlegender Menschenrechtsverletzungen Hier kann nicht gesagt werden: „Schluss jetzt, Schwamm drüber.“ Wir werden – Verjährung hin oder her – keinen Rechtsfrieden bekommen, allenfalls Friedhofsruhe, wenn die Opfer gestorben sind – doch ihre Geschichten leben weiter.
Hinzu kommt, dass in vielen Fällen der Rechtsweg von Beginn an schuldhaft versperrt blieb: Wer sich über seine Misshandlungen beklagte, (sei es in der Einrichtung oder bei der Polizei, den Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft,) wurde nicht nur abgewimmelt, sondern zuweilen auch noch geprügelt, weil er „Lügen“ erzähle. Wer, mündig geworden, auspackte, wurde bedroht. Beispielhaft sei hier Alexander Markus Homes genannt. Sein Buch „Prügel vom lieben Gott“ erschien erstmals 1981, also vor inzwischen 39 Jahren. Und die Kirche versuchte, ihn mundtot zu machen.[16] 1999 erschien das Buch MUNDTOT.[17]von Jürgen Schubert, ein weiterer Pionier. Schließlich ist noch an Paul Brune zu erinnern. Es geht dabei nicht um das Unrecht während der Nazi-Zeit (er wurde in eine der Tötungsstationen der Kindereuthanasie eingewiesen), sondern um das in der Bundesrepublik.[18]
Mich würde auch interessieren, mit welchen Methoden die Organisatoren der Kinderbordell-Einrichtungen gearbeitet haben, um die Heimkinder für den Sexmarkt gefügig zu machen und wer abkassiert hat.
Aber: welche Bedeutung haben Opfer angesichts der mächtigeren Interessenvertreter?
Es ist gut, sehr geehrter Herr Rörig, dass Sie sich nun über die Missbrauchsfälle hinaus auf breiterer Front eingeschaltet haben. Schließlich umfasst das Spektrum missbräuchlicher Behandlung von Schutzbefohlenen weitaus mehr als nur den sexuellen Bereich; die menschliche Bosheit ist bodenlos.[19]
Wir sind nun einer neuen(?) Form des sexuellen Missbrauchs auf der Spur, der Bordellisierung von Heimkindern. Ansätze dazu gab es bereits in der Korntal-Sache; die konnten aber m.W. nicht ausreichend belegt werden. Nun hören wir von ähnlichen Vorwürfen aus Mallorca und aus dem Piusstift. Es wäre ein Fortschritt, wenn Sie in Sachen Piusstift Beweismaterial beschaffen könnten.
Eine andere Investigativgruppe ist mit ihren Recherchen schon weiter. Eine erste fundierte Anzeige läuft bereits. Doch wie Sie wissen sind Staatsanwälte weisungsgebunden und die Schutzlobby der Täter ist mächtig. Haben Sie einen Draht „nach oben“?
Wenn dieser Kinderbordell-Fall demnächst, wie ich vermute, in die Medien kommt, müssten Sie mit Ihrem Material bereitstehen. Denn für „Kinderkram“ ist die Aufmerksamkeitsspanne des Publikums wie auch die der Politiker nicht so groß wie für Corona. Dann sollten Sie in Ihrer Funktion dafür sorgen können, dass ein Staatsanwalt mit seinem Team direkt ins Archiv marschiert, bevor dort die Akten vernichtet werden. Wie weit geht Ihre rechtliche Kompetenz? Sind Sie befugt, Klage zu erheben und werden Sie es tun?
Sollte Ihnen bei der Sichtung des Materials, das ich Ihnen jetzt präsentiert habe, der Kopf schwirren, empfehle ich zur Entspannung ein Kapitel aus den Aufzeichnungen des Heimkindes Dieter Schulz. „Von Auerbachs Keller in den Venusberg“.[20]
Fußnoten
[1] Stellungnahme vom 23. April 2020,https://www.aufarbeitungskommission.de/meldung-23-04-2020-stellungnahme-aufarbeitung-heimkindheiten/
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Schl%C3%A4ge_im_Namen_des_Herrn.Heimkinder waren vorher schon einmal Thema gewesen. https://dierkschaefer.wordpress.com/2017/02/02/wenn-der-richter-das-gelesen-haette-dann-haetten-sie-keine-zehn-jahre-gekriegt-x/ Fußnote 1.
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Runder_Tisch_Heimerziehung_in_den_50er_und_60er_Jahren
[4] https://dierkschaefer.files.wordpress.com/2009/04/runder-tisch-bericht-ds.pdf
[5] https://dierkschaefer.files.wordpress.com/2009/04/verfahrensvorschlage-rt.pdf
[6] Beispielhaft sei hier nur die umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit der Freien Arbeitsgruppe JHH aus Volmarstein genannt. http://www.gewalt-im-jhh.de/Grundung_der_Freien_Arbeitsgru/grundung_der_freien_arbeitsgru.html Nicht zu vergessen die stupende Aktivität von Martin Mitchell in Australien, ehemaliger Zwangsarbeiter im Moor von Freistatt bei Bethel. https://dierkschaefer.files.wordpress.com/2017/01/freistatt_kappeler.pdf
[7] Rezensionen: Himmelsthür:https://dierkschaefer.files.wordpress.com/2015/01/rezension-himmelsthc3bcr.pdf und Volmarstein: https://dierkschaefer.wordpress.com/2010/03/21/im-herzen-der-finsternis/
[8] http://gewalt-im-jhh.de/hp2/Kritischer_Ruckblick_2011.pdf Interessant ist, dass hier die Autoren eine mythisch-literarische Sprache verwenden: „Sie schreiben: »Öffnete man in den 1950er und 1960er Jahren die Tür zum Johanna-Helenen-Heim, so sah man in einen Abgrund der Willkür, der Zerstörung, der Gewalt, der Angst und der Einsamkeit. Man blickte in das ‚Herz der Finsternis‘« So heißt der Roman von Joseph Conrad, in dem er eine (fiktive) Expedition zum Oberlauf des Kongo, der Privatkolonie des belgischen Königs Leopold II beschreibt. Der „Freistaat Kongo“ stand außerhalb jeglichen Völkerrechts. Seine Bevölkerung wurde millionenfach zur Arbeit gezwungen, verstümmelt, versklavt, getötet. https://www.flickr.com/photos/dierkschaefer/6864476092/in/photolist-bss87h-bsAdtW-bstBdj-bFv4Nz-bFoukV-bFmU1D-brHiv7-bFmHZK-bFn3fv-bFn4MD-bss62f-bsAbz7-bsAeA5-bstGNY-bsAd8N-bstK9w-bFoDuR-bFmSHB-bFmPwD-bFmMWB/ Das Ganze unter dem „Deckmantel eines wortreichen humanitären Missionseifers“.
Auch ich griff – eher unbewusst – auf solch ein mythisch-literarisches Vorbild zurück, als ich meinem geplanten Essay über die Klerikale Pädokriminalität dieses Motto voranstellte:
„Willkommen im Reich des Bösen!
Lasst, die ihr reinkommt, alle Hoffnung fahren!
Ach so, nur zu Besuch …
Auch Kinder dabei? Nein? Schade.“
Hier regiert die Phantasie von de Sade, der nicht nur wegen seiner Phantasien viele Jahre seines Lebens eingekerkert war. https://www.flickr.com/photos/dierkschaefer/49821171961/in/dateposted-public/ Ein Schmankerl: de Sades Schädel von Dr. Ramon nach den Methoden der Phrenologie untersucht: „Sades Schädel glich in jeder Hinsicht dem eines Kirchenvaters.“ https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46407841.html
[9] https://dierkschaefer.wordpress.com/2015/01/03/der-runde-tisch-heimerziehung-ein-von-beginn-an-eingefadelter-betrug/
[10] https://dierkschaefer.wordpress.com/2011/01/31/der-runde-tisch-heimkinder-und-der-erfolg-der-politikerin-dr-antje-vollmer/
[11] Photo: https://www.flickr.com/photos/dierkschaefer/8409300786/in/photostream/
[12] Helmut Jacob, Volmarstein, prägte diesen zutreffenden Begriff.
[13] https://dierkschaefer.wordpress.com/2010/03/02/noch-einmal-ins-heim-von-den-letzten-dingen/
https://dierkschaefer.wordpress.com/2014/07/14/wer-will-ins-heim-ins-altenheim-vom-stephansstift/
[14] https://dierkschaefer.wordpress.com/2014/03/28/schindluder-mit-dem-heiligen/
[15] http://heimkinderopfer.blogspot.com/
[16] https://dierkschaefer.wordpress.com/2012/09/06/alexander-homes-ein-pionier/
https://dierkschaefer.wordpress.com/2014/11/27/prugel-vom-lieben-gott-neu-aufgelegt-2/
https://dierkschaefer.wordpress.com/2014/11/06/prugel-vom-lieben-gott-neu-aufgelegt/ dort: „Hintergrund“
https://dierkschaefer.wordpress.com/2013/09/22/man-hat-uns-die-religion-mit-prugeln-implantiert/
https://dierkschaefer.wordpress.com/2013/07/15/das-system-schlug-mit-wucht-zuruck/
Hier ein sehr erhellender Auszug aus dem Buch von Homes: https://dierkschaefer.wordpress.com/2013/07/13/wir-haben-den-kindern-immer-wieder-gesagt-dass-wir-sie-im-namen-von-jesus-christus-erziehen/
[17] http://www.heimkinder-ueberlebende.org/Nachkriegsbiographie_MUNDTOT_bei_Aachener_Juergen_Schubert.html
https://dierkschaefer.wordpress.com/2014/04/06/merkwurdig-die-vinzentinerinnen/
[18] https://dierkschaefer.wordpress.com/2010/12/26/der-fall-paul-brune/
https://www.lernzeit.de/lebensunwert-der-weg-des-paul-brune/
[19] 1 Weihnachtsfest mit 2 Diakonissen, https://dierkschaefer.wordpress.com/2017/12/21/1-weihnachtsfest-mit-2-diakonissen/
Sind es die Veterinärtheologen (Schweinepriester) oder ist das Ganze ein Saustall?
Kann man diese Kirche insgesamt als kriminell bezeichnen?
So fragt Frau Tkocz in Ihrem heutigen Kommentar. Sie ist ansonsten eher zurückhaltend, doch die Dokumentation „ Gottes missbrauchte Dienerinnen“ bei ARTE war wohl der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Ich gebe ihren Kommentar hier in vollem Wortlaut wieder.
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Heute kam in ARTE die Dokumentation „ Gottes missbrauchte Dienerinnen“. Das nächste Verbrechen nach dem Phädophilenskandal innerhalb der katholischen Kirche. Kann man wie es Herr Kronschnabel macht, diese Kirche gesamt als kriminell und hier jetzt als „Schweinezüchter“ bezeichnen? Sicherlich kann man es anders ausdrücken, jedoch bleibt trotzdem der Grundgedanke, diese Kirche durch und durch als ein krankes, kriminelles System zu bezeichnen, sehe ich auf jeden Fall auch so. Mit Männern an der Spitze, die als Vertreter der Moral selber die Moral so biegen wie sie diese in den jeweiligen Situationen brauchen. In der Dokumentation deutlich erkennbar , dass beispielsweise die Kirche gegen Abtreibung ist, aber wenn dann die vergewaltigte Nonne schwanger wird abtreiben soll. Eine andere Nonne auf Anweisung ihrer Oberin das Kind „Gott schenken soll“, es zur Adoption frei geben musste. Nichts weiter als Erpressung, denn wenn man den Anordnungen seines Ordens nicht folgt fliegt man raus. Nun diese Nonne folgte den Anweisungen der Oberin, flog trotzdem raus. Immerhin nahm sie sich einen Anwalt und bekam nach zwei Jahren ihr Kind zurück. Aber das ist eher eine Ausnahme und an den Händen dieser Priester klebt auch Blut, denn nicht jede Nonne überlebte einen Schwangerschaftsabbruch. Also da kommt was zusammen, Lügner, Betrüger, Vergewaltiger und auch Mörder ob direkt oder indirekt spielt keine Rolle.
Geht es eigentlich noch verkommender als Gott auch noch für seine Schandtaten und Verbrechen zu benutzen? So ein „Schweinepriester“, der seine Vergewaltigungen an den Nonnen auch noch für selbstverständlich hält, weil er das Werkzeug Jesus sei. So jedenfalls rechtfertigte er seine Vergewaltigungen gegenüber der Nonne.
Ich gehe gar nicht davon aus, dass die Kirche ständig leugnet um nicht zu zahlen, natürlich will sie es nicht, aber die Leugnung ist für die Kirche eine Überlebensstrategie, denn die Aufdeckung der gesamten Verbrechen und die dahinter liegenden Absichten würden wohl in Menschen Zweifel setzen, ob diese Kirche überhaupt einen Sinn macht, wenn also jene Menschen, die diese Kirche repräsentieren Verbrechen begehen, die so manchen „gewöhnlichen Verbrecher“ in den Schatten stellt. Diese Kirche ist nicht mit Gott, sondern mit ihren Vorstellungen von einer Lebensweise, die nach außen hin- uns also dem Volk- zeigen soll, wo wir moralisch zu stehen haben und sich nach innen derart kriminell, skrupellos, schweinisch über Leichen gehend verhält, dass man nicht mehr so wie hier schon oft auch geschrieben, davon ausgehen kann, dass es sich hier um Einzelfälle und/oder nur um einen kleinen Teil der Kirche handelt. Ich kann doch auch nicht akzeptieren, wenn ein Mensch beispielsweise sehr viel Gutes tut, aber ein Vergewaltiger ist sagen, Schwamm drüber er tut aber sonst doch sehr viel Gutes. Nein nicht „Schwamm drüber“, die Dokumentation hat sehr gut gezeigt, wie diese Kirche funktioniert, wie sie mit Verbrechen umgeht und der Papst nicht einmal bereit war öffentlich zwei ehemalige Nonnen zu empfangen. Es sollte heimlich hinter verschlossenen Türen passieren, was dann diese ehemaligen Nonnen abgelehnt haben, weil sie sich nicht noch einmal fremd bestimmen lassen wollten und auch nicht zulassen wollten, dass diese Verbrechen wieder unterm Tisch fallen und wenn das Oberhaupt dieser Kirche nicht in der Lage ist sowohl mit den Verbrechern als auch mit den Opfern angemessen umzugehen und weiter vertuschen will, ist er auch nicht besser wie seine Priesterverbrecher. Es ist schon so wie Herr Kronschnabel es ausdrückt, alles Schweinezüchter und warum soll man es auch anders ausdrücken. Diese Kirche hat es nicht verdient respektvoll behandelt zu werden. Ich finde es zwar bedauerlich, dass jene Menschen, die dieser Kirche angehören so von dieser Organisation betrogen werden, aber man muss schon unterscheiden zwischen Kirche und Glauben und Jesus- so er jetzt da mal in Rom wäre- würde sicherlich auch dort vor der Türe kotzen, denn hätte er heute diese Dokumentation gesehen wäre ihm auch schlecht geworden.
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Meine Antwort:
Danke, liebe Frau Tkocz, für Ihren Kommentar. Wenn jemand wie Sie so drastisch schreibt, ist eine Grenze überschritten. Die Verantwortlichen werden die Bedeutung nicht ermessen können, weil sie blind sind und die meisten immer noch nicht merken, dass sie nicht mehr mit dem Rücken zur Wand, sondern vor dem Abgrund stehen – ein Höllenabgrund. Doch wer glaubt noch an die Hölle? Bei Dante würden sie jedenfalls im tiefsten Kreis der Hölle landen. In der Kirche zu Weilheim/Teck kann man es sehen: https://www.flickr.com/photos/dierkschaefer/8652756424/in/album-72157633254631808/ .
Wenn die Seele zuckt: Trigger
Manche zucken zusammen, manche zucken aus. Doch beides ist wie ein Reflex: unwillkürlich, nicht abzubremsen.
Reflexe sind lebenswichtig. Wenn mein Finger einer Kerze zu nahe kommt, zucke ich blitzschnell zurück. Müsste der Reflexbogen über das Gehirn laufen, wäre der Weg zu lang und ich würde mich verbrennen. So etwas erledigt das Rückenmark-Segment viel schneller.[1] Soweit die Physiologie: Schmerzwahrnehmung und Schutzreaktion. Funktioniert auch bei Tieren.
Und die Psychologie? Hier geht es um die Erinnerung an Schmerzen und die Abwehrmaßnahmen gegen schmerzhafte Erinnerungen und deren beängstigende Wiederbelebung, um Trauma und Retraumatisierung.
Beispiel: Ein ehemaliges Heimkind berichtete mir, er sei bereits an seinem ersten Tag im Heim missbraucht worden; als Erwachsener umfassend psychotherapiert könne er nun frei über das Erlebte sprechen.
Aber kürzlich war er beim Arzt. Die Untersuchung auf krankhafte Vergrößerung der Prostata (Krebsgefahr) erfolgt rektal. Als ihn der Arzt dazu mit dem Finger penetrierte, habe er sich reflexhaft umgedreht und dem Arzt eine „geschmiert“. Natürlich, so sagte er, habe er sofort gewusst, wieso das passiert war, habe sich beim Arzt entschuldigt und ihm die Hintergründe erklärt. Der Arzt sei auch verständnisvoll gewesen. Er aber habe danach zwei weitere Sitzungen beim Psychotherapeuten gebraucht.
Reflexhaft. Solche Reflexauslöser kommen zuweilen unerwartet und können zu Problemen führen, die der Betroffene nicht immer erklären kann, manchmal nicht einmal sich selber. Dazu ein Blick auf den Ablauf von der Traumatisierung bis zur posttraumatischen Belastungsstörung. Ich benutze dafür das Modell der Traumazange von Dr. Besser, wie ich es bei seinen Vorträgen notiert habe; dazu die Erklärung von Prof. Resch, der den Vorgang der Traumatisierung beschreibt.
Ausgangspunkt ist eine Situation absoluter Hilflosigkeit, die zu einer Dissoziation führen kann – aber nicht muss. Auf jeden Fall bleibt das Geschehen nicht nur als „unangenehme Erinnerung“ im Gehirn gespeichert, sondern kann sich plötzlich und dramatisch aufdrängen und dieselbe Angstreaktion auslösen, wie in der ursprünglichen Bedrohung. Das kann die Erinnerung an das Keuchen des Täters sein, an seine Kleidung oder, nur scheinbar banal, an die Temperatur – alle Details können gespeichert sein, meist sind es nur einige. Was Dr. Besser salopp die „Tupper-Blackbox“ nennt ist nämlich nicht ganz so dicht, wie man es Tupper zutraut. Die Schutzfunktion ist hier nicht vollkommen. Zum einen ist der Schutz nicht sicher, zum anderen kann das „Verdrängen“ zu Störungen der Psyche führen, deren Ursache nicht so leicht zu erkennen ist[2], und drittens können Situationen auftreten, die der Umwelt nicht so leicht zu vermitteln sind – im obigen Fall hat das jedoch geklappt.
Zu den im Schaubild gezeigten Undichtigkeiten kommen Trigger als Auslöser der Erinnerungskaskade: die posttraumatische Stressreaktion – mit den soeben beschriebenen Problemen.
Hinzu tritt ein weiteres Problem, dass jedoch den Betroffenen nicht als solches erscheint, zumal solche Wahrnehmungsblockaden auch ohne vorgängige Traumatisierung vorkommen; dann sind sie den Vorurteilen zuzuordnen.
Dazu noch ein Schaubild.
Ich habe es im Laufe meines Berufslebens immer wieder ergänzt, um den komplexen Sachverhalt der sozialen Wahrnehmung abzubilden. Es ist entsprechend komplex – und immer noch nicht vollständig. Nicht erfasst habe ich bisher die traumabedingte Wahrnehmungsblockade, hier konkret das zum Teil aggressive Ausblenden aller Informationen, die ein differenziertes Bild zeichnen könnten von den Personen oder Institutionen, die in Zusammenhang mit der Traumatisierung gesehen werden.
Aus meiner persönlichen Geschichte: Ich konnte meiner Großmutter nie Argumente gegen die Todesstrafe nahebringen; zu sehr war sie zutiefst befriedigt darüber, dass die Mörder ihres Mannes 1936 auf der Guillotine endeten. Dieser Mord hatte sie lebenslänglich traumatisiert und die „gerechte Strafe“ hatte dem nicht abhelfen können.[3] Ich habe das alles erst viel später verstanden. Auch sehr spät habe ich verstanden, warum manche Psalmen von Hass geradezu triefen. Sie rufen keinen gnädigen Gott an, sondern den rächenden.[4]
Wenn nun im derzeit aktuellen Zusammenhang missbrauchte ehemalige Heimkinder aus kirchlichen Einrichtungen hasserfüllt sind wegen der an ihnen begangenen Verbrechen und der darauffolgenden Vertuschung, Relativierung und geheuchelten Betroffenheitsbekundungen, dann habe ich Verständnis für diesen Hass und verstehe auch, dass sie ‚Kirche’ nur unter ihrem Erfahrungshorizont wahrnehmen und verstehen wollen und können.
Dass es auch anders geht, erfuhr ich erst gestern, als mir ein Kollege einen Link schickte.[5] Doch eine solche Einstellungsänderung ist erst möglich, wenn andere Erfahrungen versöhnlich stimmen. Das war hier der Fall, wäre aber unmöglich gewesen, wenn sich die Frau total gegen neue Erfahrungen mit der Kirche abgeschottet hätte.
Doch das kann man nicht einfordern. Wenn die Seele reflexhaft zuckt bei allem, was nach Kirche aussieht und sich sperrt gegen Wahrnehmungen, die der traumatischen widersprechen bzw. ein differenziertes Framing ermöglichen, die Einordnung in ein realistisches Bild, in dem beides seinen Platz hat, das furchterregende und das hoffnungsvolle, dann hat hier niemand Vorhaltungen zu machen, schon gar nicht vonseiten der „Täternachfolger“.
Doch schade ist das schon. Denn so verharrt das Opfer in seinem Opferzustand.
Fußnoten
[1] Als Reflexbogen wird in der Physiologie die kürzeste Verbindung zwischen Rezeptor und Effektor über die Nervenzellen eines bestimmten neuronalen Erregungskreises bezeichnet. Die Verschaltung vom afferenten auf das efferente Neuron erfolgt im einfachsten Fall auf spinaler Ebene über eine Synapse im Vorderhorn des Rückenmarks. Man spricht daher bei dieser Form eines Reflexes auch genauer von einem einfachen monosynaptischen Reflexbogen. https://de.wikipedia.org/wiki/Reflexbogen_(Physiologie)
[2] und zuweilen auch zu Fehldiagnosen führt.
[3] https://dierkschaefer.files.wordpress.com/2009/04/mordsache-unterberg1.pdf
[4] Was mir bisher überhaupt nicht deutlich war: Missbrauchte haben ein Recht nicht nur auf Zorn, sondern auch auf Hass. Dem darf man nicht moralisierend begegnen. Zum ersten Mal habe ich die fürchterlichen Hass-Bezeugungen in manchen Psalmen verstanden. https://dierkschaefer.wordpress.com/2016/01/25/damit-der-boden-wieder-traegt-seelsorge-nach-sexuellem-missbrauch/
[5] https://chrismon.evangelisch.de/artikel/2018/41359/sexueller-missbrauch-der-kirche
Ein höchstrichterliches Skandalurteil des EKD-Gerichtshofs, … 3. Juli 2013, https://dierkschaefer.wordpress.com/2013/07/03/ein-hochstrichterliches-skandalurteil-des-ekd-gerichtshofs/
Kinder als Versuchskaninchen
Arzneimittelstudien an Heimkindern kamen angeblich nur selten vor. Das sieht aber anders aus. Die Studie[1] nennt es „ein Versäumnis des Runden Tisches Heimkinder“ und fragt, „warum es der RTH abgelehnt hat, sich mit diesem Thema näher zu befassen.“
Als pauschale Antwort bietet sich an, dass der Runde Tisch unter Vorsitz von Antje Vollmer offensichtlich bemüht war, die Verantwortlichkeiten nicht ausufern zu lassen. Die staatlichen und kirchlichen Heime und ihre Schwarze Pädagogik[2] konnte man schlecht aussparen, dafür aber deren finanzielle Risiken gering halten. Doch für die Medikamentation waren nicht nur die verabreichenden Mitarbeiter der Einrichtungen verantwortlich, sondern große Firmen, die in den Heimen Versuchsreihen starten konnten,[3] Versuchsreihen, die von Medizinern geplant wurden, deren Berufsbiographien in zahlreichen Fällen bruchlos in die Zeit zurückreichten, in denen sie für NS-Verbrechen verantwortlich waren.[4] – Damit hätte man die Pharma-Firmen belastet. Das wollte Frau Vollmer wohl nicht.
Auch im Falle der Zwangsarbeit[5] hat sie abgeblockt und damit heute noch bestehende und renommierte Firmen unter ihren Schutzmantel[6] genommen. [7] [8]
Mir fallen keine unverfänglichen tiefer schürfenden Antworten auf die Frage ein, warum es der RTH abgelehnt hat, sich mit diesen Themen näher zu befassen.
Die Sache mit den Medikamententests an nichteinwilligungsfähigen Personen ist leider ein aktuelles Thema geworden.[9]
Fußnoten
[1] http://duepublico.uni-duisburg-essen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-42079/04_Wagner_Heime.pdf
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Pädagogik
[3] https://dierkschaefer.wordpress.com/2016/02/03/demenz-die-medikamente-dafuer-wurden-an-heimkindern-getestet/
[4] Die „Moderatorin“ des Runden Tisches, die den Begriff Zwangsarbeit nur für Nazi-Zwangsarbeit verwendet sehen wollte. Sie sah darüber hinweg, daß die „Arbeitstherapeuten“ in den Heimen vielfach ehemalige SA-Leute und die Gutachter einschlägig belastet waren. In den Heimen – kirchlich wie staatlich – hatten wir die Fortsetzung des Nazi-Systems. Frau Vollmer in ihrer grün-christlichen Bigotterie hat das nicht bekümmert. Sie sprach zwar von erzwungener Arbeit, bat jedoch die Profiteure nicht zur Kasse und sah völlig darüber hinweg, daß es Zwangsarbeit nicht nur für Jugendliche gab, sondern auch für Kinder. https://dierkschaefer.wordpress.com/2014/06/17/zwangsarbeit-in-ost-und-west-was-sind-die-unterschiede/
[5] https://dierkschaefer.wordpress.com/2012/05/05/zwangsarbeit-nicht-nur-fur-ikea/
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Schutzmantelmadonna
[7] Die Zwangsarbeit. Eine geringe Pauschalentschädigung als Rentenersatz gibt es, anders als in Irland, bei uns nur für Jugendliche, die Zwangsarbeit leisten mußten, wobei der Begriff Zwangsarbeit peinlichst vermieden wird. Es gibt keine Lohnnachzahlung, weder von den kirchlichen, noch von den staatlichen Einrichtungen, die von der Zwangsarbeit profitiert haben. Auch nicht von der Privatwirtschaft, die gut an den Kindern verdient hat. Es schien wohl nicht opportun, die Betriebe, darunter Firmen mit großer Bedeutung, zwangszuverpflichten. Zwangsarbeit ja, Zwangsentschädigung nein.
Und für die Zwangsarbeit von Kindern gibt es GAR NICHTS. https://dierkschaefer.wordpress.com/2013/07/09/er-ist-ein-priester-du-must-ihm-gehorchen/
[8] Antje Vollmer, Moderatorin des westdeutschen Runden Tisches für ehemalige Heimkinder, mied wie der Teufel das Weihwasser die Anwendung des Begriffs Zwangsarbeit auf die Ausbeutung der ehemaligen Heimkinder (West!) durch respektable Industriebetriebe und einzelne Bauern. Sie wollte den Begriff ausschließlich für die Zwangsarbeit für Nazi-Deutschland gelten lassen. Und so tauchten weder der Begriff noch der Sachverhalt im Abschlußbericht des Runden Tisches auf. Die Nutznießer der Zwangsarbeit wurden nicht nur nicht am Fonds beteiligt, sondern blieben unerwähnt. https://dierkschaefer.wordpress.com/2013/09/29/zwangsarbeit-ost-und-zwangsarbeit-west/
[9] https://dierkschaefer.wordpress.com/2016/05/25/medikamententests-und-nicht-einwilligungsfaehige-personen-ein-ideales-menschenmaterial/
Kein Wort über Prügelexzesse, kein Wort über sadistische Foltermethoden
… in der Erziehung von Kindern in kirchlichen Einrichtungen.
- Kein Wort über Vertuschung oder gar gerichtliche Drohungen gegen die Opfer.
- Kein Wort über die Leibfeindlichkeit, die bis heute Sexualität stigmatisiert, soweit sie nicht im Rahmen katholischer Sexualethik stattfindet.
Wohl Worte über das überforderte, fachlich nicht ausgebildete Personal der damaligen Zeit, aber …
- kein Wort zu deren katholisch konditionierten Lebensbedingungen, die vielfach von falschem Gehorsam und unterdrückten Sexualwünschen durchtränkt waren. Darum …
- kein Wort über Prügelnonnen, die Stöcke und Kleiderbügel auf dem Rücken der Heimkinder zerschlugen, …
- kein Wort über notgeile Priester und Mönche,
- kein Wort über Pädophilie.
- Kein Wort über die finanziellen Interessen, die dazu führten, normale Kinder für schwachsinnig zu erklären, damit Heimplätze in den Behinderteneinrichtungen belegt werden konnten.
- Kein Wort über Kinderarbeit.
Das war alles viel zu schmutzig, um es in den Mund zu nehmen.
Natürlich war die Tagung für ehemalige Heimkinder der Behindertenhilfe und Psychiatrie und die interessierte Fachöffentlichkeit am 23. Juni 2016 in Berlin kein Hochamt für die Kirchenvertreter. Doch man folgte den eingefahrenen Gleisen:
- Keine Drastik,
- Verweis auf die damaligen Verhältnisse,
- auf allgemein tolerierte Gewalt in der Erziehung.
Immerhin wurde zugegeben, dass es auch damals andere fachliche Meinungen über Kindererziehung gab.
Natürlich wurde das „Nie wieder“ bemüht, um zugleich auf die heutige, völlig andere Situation in den Einrichtungen zu verweisen.
Kein Wort auch über die aktuelle Benachteiligung von Menschen mit Behinderung, für die nun weniger Mittel bereitgestellt werden, als für die ehemaligen Heimkinder aus den Erziehungsheimen – wobei ironischerweise der Fonds Heimerziehung als erstrebenswertes Ziel erscheint.
Peter Henselder hat Teile der Tagung in bewährter Art filmisch dokumentiert. Man muss ihm dankbar sein, denn er liefert ein Nischenprodukt, das die Öffentlich-Rechtlichen mangels hinreichender Einschaltquote meiden. Er liefert auch zwei Interviews in seiner unnachahmlichen eher hölzernen Befragungsart. Doch er gibt seinen Partnern nur Anlass, das schon im Vortrag Gesagte in aller Beschwichtigung zu wiederholen.
Er unterlässt es, nach den Knackpunkten zu fragen:
- Warum die Ungleichbehandlung?
- Warum so spät?
- Wer ist dafür verantwortlich?
Auf solche Interviews kann ich verzichten!
Letztlich ein déjà vu – wie beim der Affäre des Runden Tisches. Die katholische Tagung weckt in mir ungute Träume: https://dierkschaefer.wordpress.com/2011/09/01/traumhaft/
Evangelischerseits sieht das nicht besser aus: https://dierkschaefer.wordpress.com/2016/06/18/bundesverband-evangelische-behindertenhilfe-begruesst-errichtung-der-stiftung-anerkennung-und-hilfe/
Wer sich ein eigenes Urteil bilden will, hier die Links zu einigen Dokumenten der genannten Tagung:
https://www.youtube.com/channel/UC6FCy2mMqY3bxdvdIWnxX_g/videos?shelf_id=0&sort=dd&view=0
https://www.youtube.com/watch?v=AsOqREjzRx8
https://www.youtube.com/watch?v=7y2ypV-0aGw
https://www.youtube.com/watch?v=KBhwgyob1Ho
http://www.orden.de/dokumente/Presseordner/heimkinder_juni_2016/2016-Vortrag-Kard.Woelki_Tagung.pdf
https://www.youtube.com/watch?v=RFIj4Rejz-Y
https://www.youtube.com/watch?v=RF1R1F-UYXA
https://www.youtube.com/watch?v=qDqPSFdqZTA
https://www.youtube.com/watch?v=x93vCbnhwio
https://domforum.de/news/Gewaltx_Missbrauch_und_Leid_an_Behinderten_zwischen_1949_und_1975/
Ist es legitim, die Obszönitäten von Kronschnabel mit Bonhoeffer in Verbindung zu bringen?
Ja – aber warum?
Die Leser meines Blogs werden aufgemerkt haben, als ich erstmals und ohne weiteren Kommentar einen Text von Erich Kronschnabel auf die Ebene eines förmlichen Blog-Artikels gehoben habe. Lediglich von „Gossensprache“ schrieb ich warnend für empfindliche Gemüter.[1]
Die Obszönität ist bei Kronschnabel die Methode, mit der er die eigentlichen Obszönitäten geißelt: 1. Die Verbrechen an Kindern in kirchlichen Einrichtungen und 2. der Betrug und Heuchelei bei der Verweigerung einer realistischen Entschädigung.
Heinrich Bedford-Strohm, derzeit Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland schreibt über Bonhoeffer:
»Wer fromm ist, muss auch politisch sein: So wie bei Bonhoeffer lassen sich die Aufgaben der Kirche gegenüber Staat und Öffentlichkeit auch heute zusammenfassen. Die erste von Bonhoeffer genannte Aufgabe verstehen wir heute als Kultur der Einmischung. Wenn die Kirchen mit Denkschriften in die demokratische Zivilgesellschaft hineinsprechen, dann geht es genau um das, was Bonhoeffer als „Verantwortlichmachung des Staates“ bezeichnete. Die zweite Aufgabe, der diakonische Dienst an den Bedürftigen, bleibt ohnehin. Dass er heute geleistet wird, zeigt sich, wenn etwa Gemeinden mit großer öffentlicher Zustimmung für den Schutz von Flüchtlingen eintreten. Und die dritte Aufgabe? Was heißt dem Rad in die Speichen fallen? Für Bonhoeffer rückte dies zunehmend ins Zentrum seines Denkens und Handelns. Dass der Imperativ keineswegs nur in der Diktatur gilt, sondern auch in demokratischen Gesellschaften eine Option sein kann, zeigte schon in den frühen achtziger Jahren die Diskussion um gewaltfreien zivilen Ungehorsam gegen die Stationierung von Massenvernichtungswaffen.«[2]
Was hat das mit der Heimkinderfrage zu tun?
Es geht zunächst nicht um die Frage, ob man „dem Rad in die Speichen fallen“ soll. Dieser Wagen, von Staat und Kirchen gesteuert, hat längst seine Opfer hinter sich gelassen. Nun ist das dran, was Bedford-Strohm so kurzweg die zweite Aufgabe nennt: der diakonische Dienst an den Bedürftigen, der ohnehin bleibe. Das ist allzu simpel.
Hier setzt Kronschnabel ein und kommt, sprachlich völlig realistisch, auf die für die Kirchen unbequeme Gegenwart. Es geht eben nicht um Bonhoeffers „Verantwortlichmachung des Staates“, sondern um die der Kirche. Die aber kümmert sich lieber um die „kirchliche Außenpolitik“ und verdeckt damit die interne Fäulnis. Das mit dem Frieden und den Flüchtlingen ist ja richtig und wichtig, doch wenn’s nur zur Camouflage dienen soll, ist’s Heuchelei, naiv oder absichtlich.
Bonhoeffer kann man als Blutzeugen leicht auf den Denkmalsockel stellen, – gut für Sonntagsreden. Doch im Alltag gerät Bonhoeffer der Kirche zur Peinlichkeit. „Von guten Mächten wunderbar geborgen …“ Mir wird so kannibalisch wohl, wenn ich an diesen wohlfeil gebrauchten Trost denke, für den die Kirchen im Unterschied zu Bonhoeffer nicht habhaft einstehen wollen.[3]
Herrn Kronschnabel sei Dietrich Bonhoeffer an Herz gelegt[4] und der Gedanke, dass organisierte Mitmenschlichkeit über die gleichen Probleme stolpern kann, wie sie vielen Organisation eigen sind, die sich am Markt behaupten müssen. Die Organisation läuft und läuft und läuft – zuweilen bis ihre kriminellen Methoden publik werden – und sie läuft dennoch weiter. Oder glaubt irgendjemand, dass VW vom Markt verschwindet?
[1] https://dierkschaefer.wordpress.com/2016/06/27/wie-unfein-erich-spricht-klartext-ueber-die-diakonie-konzentriert-und-schlagkraeftig/
[2] http://www.zeit.de/2015/15/dietrich-bonhoeffer-todestag-protestantismus-widerstand/komplettansicht
[3] https://dierkschaefer.wordpress.com/2011/09/13/das-war-spitze-herr-ratsvorsitzender/
„Das Christentum führt offenbar zu Mißverständnissen, wenn man sich nicht klarer ausdrückt.“
So schrieb Uta Ranke-Heinemann. Ihre „Rezension“ des Filmes von Martin Scorsese, „Die letzte Versuchung Christi“, ist immer noch lesenswert[1], auch auf dem Hintergrund des immer wieder aufflammenden Streites um die Bedeutung des Kreuzestodes, ein Streit der Theologen, der aber auch viele „einfache“ Gläubige nicht unbeteiligt lässt. Für alle anderen ist es eher ein Streit um des Kaisers Bart. Sie müssen sich nicht daran beteiligen. Es geht um eine christlich-theologische Antwort auf den Zustand dieser Welt. Wer bei dieser Frage Gott oder Gottesvorstellungen beiseite lassen will, wird andere Antworten finden (müssen), es sei denn, er ist trotz dieses Zustandes der Welt satt und zufrieden.
Der Theologe Ottmar Fuchs bestreitet jede Sinnhaftigkeit des Leidens, wenn er schreibt: »Kein Schmerz ist den Himmel wert. Alles ist zu teuer erkauft und erlitten. Hier ist kein Einverständnis möglich, sondern nur das ›Empört Euch‹, der Aufstand gegen Gott«[2]
Ich finde diese Position theologisch stimmig, auch wenn mir sicher viele Theologen nicht zustimmen werden.
Vor neun Jahren machte ich in diesem Zusammenhang eine Art theologisches Gedankenexperiment: gott denken
[1] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13531237.html
[2] Matthias Zeindler, Sühne für Gottes Zumutungen? – Zu einer neueren Diskussion um den Opfertod Jesu, Evang. Theol. 76. Jg., Heft 2, S. 101-110, zitiert nach http://www.degruyter.com/dg/viewarticle.fullcontentlink:pdfeventlink/$002fj$002fevth.2016.76.issue-2$002fevth-2016-0204$002fevth-2016-0204.pdf/evth-2016-0204.pdf?t:ac=j$002fevth.2016.76.issue-2$002fevth-2016-0204$002fevth-2016-0204.xml
Damit der Boden wieder trägt – Seelsorge nach sexuellem Missbrauch
Dieses Buch ist notwendig, schreiben die Autorinnen im Vorwort zu ihrem Buch Damit der Boden wieder trägt – Seelsorge nach sexuellem Missbrauch. Sie haben Recht damit. Ihre Begründung: Seelsorger/innen sind unsicher. Sie trauen sich die seelsorgliche Begleitung Traumatisierter oft nicht zu und reagieren hilf- und ratlos. Sie fürchten, dem Opfer sexueller Gewalt nicht gerecht werden zu können. Noch immer werden Opfer von sexueller Gewalt von der Seelsorge nicht wahrgenommen oder gar abgewehrt.
Die Autorinnen sind mutig. Schließlich sind die beiden großen Kirchen in Missbrauchsskandale verstrickt und machen dabei keine gute Figur. Die Frage ist, ob Missbrauchsgeschädigte überhaupt Zutrauen fassen zu Seelsorgerinnen[1], die im kirchlichen Dienst stehen. Zudem dürften Seelsorger die einzige Gruppe sein, die von ihrem beruflichen Selbstverständnis her bereit ist, missbrauchten Menschen unentgeldlich zuzuhören und hilfreiche Gespäche zu führen.[2] Die kostenfreie Zuwendung entbindet nicht von Anforderungen an die Professionalität der Gespräche. Die soll durch dieses Buch gefördert werden.
Die Autorinnen können offenbar auf große Erfahrung im seelsorglichen Umgang mit missbrauchten Menschen zurückblicken und aus diesen Erfahrungen schöpfen.
Die genannten Zielgruppen für dieses Buch sollten aber erweitert werden. Nicht nur Opfer von Missbrauch sollten es lesen (als Einschränkung wird auf mögliche Retraumatisierungen hingewiesen), nicht nur die Seelsorgerinnen, an die sich solche Menschen wenden, nein – und zuallerst, denke ich – sollten Kirchenleitungen das Buch lesen, angefangen vom Bischof persönlich und den Spitzen der Kirchenverwaltung bis zu den mit diesen Fragen beschäftigten Mitarbeitern. Doch sie werden es wohl nicht tun. Sonst könnten sie – endlich – die betroffenen Menschen verstehen und angemessen mit ihnen umgehen (lassen)[3].
Von diesen Menschen und den Umgang mit ihnen handelt das Buch. Aus eigenen Erfahrungen kann ich bestätigen: Dieses Buch ist notwendig. Auch habe ich viel Neues gelernt.
- Angesichts vielfachen sexuellen Missbrauchs, über die Zahlen könnte man streiten, muss „man“, nicht nur der Pfarrer im Gottesdienst, darauf gefasst sein, dass es unter den Zuhörerinnen kirchlicher, aber auch sonstwie öffentlicher Rede, missbrauchte Personen gibt, die auf der Suche nach Verständnis sind, aber zudem retraumatisierbar. Doch diese „Fallgruppe“ wird nicht erkannt und berücksichtigt.
Die Autorinnen zeigen Möglichkeiten auf, die missbrauchten Menschen Mut machen können, Vertrauen zu fassen und Seelsorge zu suchen. Den Seelsorgerinnen wird Mut gemacht, indem sie mit diesem Buch auf solche Begegnungen sachkundig vorbereitet werden. Die vielen Redundanzen sollten dafür sorgen, dass jeder am Schluss weiß, was Missbrauch bedeutet und wie Missbrauchten angemessen seelsorglich zu begegnen ist.
- Was mir bisher überhaupt nicht deutlich war: Missbrauchte haben ein Recht nicht nur auf Zorn, sondern auch auf Hass. Dem darf man nicht moralisierend begegnen. Zum ersten Mal habe ich die fürchterlichen Hass-Bezeugungen in manchen Psalmen verstanden. Auch die angewandte Form der biblischen Exegese[4] war mir neu – und hilfreich. Mein Theologiestudium liegt nun schon lange zurück, doch ich kann mir vorstellen, dass auch jüngere Kollegen hier etwas lernen können.
Hilfreich für die Seelsorge im kirchlichen Rahmen dürfte die nach Themen differenzierende Liste brauchbarer Bibelstellen im Anhang des Buches sein.
Nun zu den Opfern. Auch hier sollte man die Zielgruppe erweitern. Beim Lesen ging mir die ganze Zeit der Spruch von Jean Améry durch den Kopf: „Wer der Folter erlag, kann nicht mehr heimisch werden in der Welt.“ Zitiert wird er erst gegen Ende des Buches. Doch diese Erkenntnis ist charakteristisch auch für Missbrauchte und erweitert das Thema auf alle, die in einer überwältigenden Gewaltsituation in Todesängsten waren und diese nicht vergessen können, weil überall, oft unerwartet und auch unverstanden, Trigger das Trauma neu auslösen können[5]. In diesen Menschen ist etwas unwiderruflich zerbrochen: Das Grundvertrauen in die Zuverlässigkeit der (normalen) Welt. Für uns „Normalos“ ist das schwer vorstellbar und wir meinen, irgendwann müssten solche Erlebnisse doch einmal abgelegt und vergessen werden können. Diese Erwartung ist genau die Zumutung, die traumatisierte Menschen sofort auf Distanz gehen lässt. Nur sie haben zu entscheiden, was sie für überwunden halten können – und sie sind überrumpelt, wenn der nächste Trigger wieder funktioniert.
Das Buch behandelt zielgruppengemäß zwei Aspekte: Die psychische Situation der Missbrauchten und die Herausforderung der Seelsorgerinnen.[6] Die Seelsorger müssen ihre Grenzen erkennen, heißt es, sie müssen wissen, wann eine Psychotherapie erforderlich ist.
Ein dritter Aspekt wird nur angedeutet: Der forensische.
Das dürfte seinen Grund in der zu Recht geforderten Parteilichkeit haben. Die Seelsorgerin hat fest auf der Seite der missbrauchten Person zu stehen, sie darf keine Zweifel anmelden, niemanden entschuldigen, hat nicht einmal Erklärungen für den Missbrauch anzudeuten. Dies ist erforderlich, um das Vertrauen nicht zu stören oder gar zu zerstören. Obwohl ich auch Fälle kannte, in denen ein behaupteter Missbrauch nicht stattgefunden hatte, hat mir ein jahrelanger Briefwechsel mit einer missbrauchten jungen Frau gezeigt, wie wichtig Parteilichkeit für das Vertrauen ist, ein Vertrauen, das bis zur Übersendung der Tagebücher reichte. Dennoch müssen Seelsorgerinnen auch darauf vorbereitet sein, dass ein Missbrauchserlebnis auch suggeriert sein kann, zuweilen therapieinduziert als die logische Erklärung für bestimmte Diagnosen.
Der Seelsorger hat hier gewiss nicht zu explorieren. Auch ein vermeintlicher Missbrauch ruft seelische Not hervor. Doch zuweilen steht am Ende der Wunsch nach gerichtlicher Klärung, strafrechtlich wie auch zivilrechtlich mit dem Ziel von Entschädigung. Richterinnen sind keine Seelsorger. Sie achten auf die Verjährungsgrenzen, dann auf die Beweisbarkeit und Glaubwürdigkeit der Vorwürfe. Der angeforderte Gutachter geht, sofern er professionell arbeitet, von der „Nullhypothese“ aus: der Missbrauch habe nicht stattgefunden. Nun sucht er nach Gründen, um diese Hypothese zu widerlegen. Der Gutachter Max Steller sieht hauptsächlich zwei Ursachen für die falsche Wahrnehmung/Erinnerung vermeintlicher Opfer. Da ist a) die Suggestion, vornehmlich bei Kindern, und b) psychische Störungen, vornehmlich bei Personen, die schließlich dank Therapie oder eigener „Einsicht“ Missbrauch für die Ursache ihrer Störungen halten[7], schließlich gibt es c) Menschen, die keinen sexuellen Missbrauch erlebt haben, ihre Not aber so benennen, d.h. sex. Missbrauch ist die Chiffre für ihre reale Not, die aber andere Ursachen hat. Das Terrain ist also schwierig – und steckt voller Minen. Glücklicherweise ist die Überprüfung der Richtigkeit der Eigenaussagen des Opfers nicht Aufgabe der Seelsorge. Doch sollte das Opfer die Sache gerichtlich klären wollen, muss es vorbereitet werden. Zunächst auf die Enttäuschung, wenn der Fall verjährt sein sollte, dann auf den Richter, der nach Beweisen fragt oder nach einem Sachverständigen-Gutachten. Damit wird alles wieder aufgerollt – auch die Emotionen. Hält das Opfer das durch?
Ein wirklich weites Feld. Das Buch will Mut machen und helfen, es zu betreten, damit diese Menschen aus ihrer Isolation und ihren Selbstvorwürfen herausfinden.
Dazu ist es sehr gut geeignet.
Erika Kerstner / Barbara Haslbeck / Annette Buschmann, Damit der Boden wieder trägt – Seelsorge nach sexuellem Missbrauch, 1. Auflage 2016, 240 Seiten, ISBN: 978-3-7966-1693-8, erscheint im Februar 2016, 19,99 €
[1] Die Autorinnen benutzen fast durchgängig „gendergerechte“ Benennungen (Seelsorger/innen). Mich stört das beim Lesen ungemein. Um den Sachverhalt klarzustellen: Missbraucher sind zumeist männlich – es gibt auch Ausnahmen; die Opfer sind meist Kinder, weiblich oder männlich. Menschen, an die sich Missbrauchte wenden, dürften wohl eher weiblich sein. Da das im Ansatz ökumenische Buch aber durchgehend auf katholische Normalität rekurriert, kommt über das Beichtsakrament den Pfarrern, also Männern, eine Bedeutung zu, die man im evangelischen Raum kaum finden wird. Ich schreibe in dieser Rezension demnach abwechselnd von Seelsorgern und Seelsorgerinnen.
[2] Sicherlich gibt es auch außerhalb des kirchlichen Rahmens Einzelne und Gruppen, die für solche Menschen da sind. Vergleichsweise sehen wir das an der Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge. Hier stechen auch die Kirchen als Organisationen positiv heraus. Es ist allerdings leichter, Hilfe für Menschen anzubieten, die nicht kirchlich vorgeschädigt sind.
[3] Das gilt auch für den kirchlichen Umgang mit den gedemütigten, misshandelten und ausgebeuteten ehemaligen Heimkindern.
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Materialistische_Bibellekt%C3%BCre
[5] Von „Flashbacks“ berichten auch Unfallopfer und Notfallseelsorger.
[6] Dazu wird auch mehrfach die Rücksichtnahme auf die Institution Kirche, die Arbeitgeberin der Seelsorger genannt. Ich habe das zunächst für ein eher katholisches Problem gehalten; für mich als Protestanten ist die Kirche ein Ding von dieser Welt und darum eher und heftiger kritisierbar, als das für Katholiken denkbar ist. Doch das scheinbar loyale Wegducken meiner Kollegen, oder auch das Ausweichen wegen der Peinlichkeit, Missbrauch und Kirche zusammenzubringen und zu thematisieren, [Dierk Schäfer, Scham und Schande, Die Kirchen und die Heimkinderdebatte, https://dierkschaefer.files.wordpress.com/2010/05/essay-pfarrerblatt.pdf] hat mich an die Ökumenizität des Phänomens erinnert.
[7] mehr dazu: https://dierkschaefer.wordpress.com/2015/11/02/politisch-korrekt-ist-dieses-buch-ganz-und-gar-nicht/
»Hass ist eine menschliche Emotion scharfer und anhaltender Antipathie.«
»Ausgehend von der Fähigkeit zu intensiven negativen Gefühlen wird der Begriff auch im übertragenen Sinne verwendet und steht allgemein für die stärkste Form der Abwendung, Verachtung und Abneigung. Die Motive des Hassenden können teils unbewusst sein, lassen sich in der Regel jedoch bewusst machen.
Hass entsteht, wenn tiefe und lang andauernde Verletzungen nicht abgewehrt und/oder bestraft werden können. Hass ist somit eine Kombination aus Vernunft und Gefühl. Die Vernunft ruft nach dem Ende der Verletzung und nach einer Bestrafung des Quälenden. Laut Meyers Kleines Lexikon Psychologie ist das Gefühl des Hasses oft mit dem Wunsch verbunden, den Gehassten zu vernichten. Das Gefühl des Hassenden ist das des Ausgeliefertseins, der Gefangenschaft, der Wehrlosigkeit.«[1]
Auf meinen Blog-Beitrag zu den reißenden Wölfen[2] gab es Kommentare, auf die einzugehen ist. Es geht um Hass. Ich hatte geschrieben, dass Opfer ein Recht haben, ihre Peiniger zu hassen. Sie müssen sich nicht dem gesellschaftlichen Druck beugen, die vergangenen Erlebnisse „doch nun endlich“ ruhen zu lassen, oder gar zu vergeben.
Frau Tkocz fragt sich, »wann Hass aufhört, ob er tatsächlich aufhört, wenn seitens Tätern die Verbrechen anerkannt werden, eine finanzielle Entschädigung zur Zufriedenheit der Opfer gezahlt wird.« Hass kann sehr beständig und dauerhaft sein. Niemand hat ein Recht, dem Opfer den Hass auszureden oder zu verbieten. Er ist auch nicht abkaufbar.
Aber: Hass macht blind. Und er vergiftet das Leben,[3] auch wenn er zutiefst befriedigen mag.
Vom Hass sollte man die rücksichtslose Einforderung von Entschädigungen unterscheiden. Herr Kronschnabel hat das erfolgreich getan. Sein Hass, in diesem Fall eher seine grenzenlose Verachtung seiner Verhandlungspartner hat sie gefügig gemacht. Warum? Nun, sie waren von diesem Ton und dieser Härte überrumpelt. Erlaubte Aggression geht bei Kirchens von hinten durch die Brust ins Auge[4], nie direkt, das ist verpönt, wir sind ja alle Brüder, neuerdings Geschwister. Wer auftritt, wie Herr Kronschnabel, schafft eine peinliche Situation, insbesondere wenn er in der Sache recht hat. Die Peinlichkeit beendet man, indem man zahlt. Herrn Kronschnabel ist nichts peinlich und es ist ihm gleichgültig, was seine Gesprächspartner von ihm denken. Der Erfolg gibt ihm Recht – und die Rechtsnachfolger der Kinderschinder haben es nicht anders verdient, denn sie wollen sich um die Folgekosten drücken und waren am großen Betrug am Runden Tisch maßgeblich beteiligt. Diese Verhandlungsmethode mag hass-motiviert sein, ich nenne sie eher psychologische Kriegführung. Den bad-cop muss man spielen können.
Bei Herrn Kronschnabel handelt es sich um Hass, und er hat ein Recht darauf.
Dennoch darf ich darauf hinweisen, dass Hass blind macht, auch ihn. Er schreibt selber:
»Mag Hass den Blick für Vieles versperren« und gibt den Beleg:
Der einzelne Gläubige gehe ihn zwar nichts an, der sei nicht sein Feind, »aber er hat mein Mitleid«, also seine Verachtung. Warum? »Denn er ist zu schwach, um ohne diese Märchenfigur Gott zu leben.« Neben die Verachtung tritt die Blindheit.
Er weiß nichts von Märchen. Märchen sind zu Geschichten geronnene Volksweisheit, oft über menschliche Grundbedingungen. Man nehme als Beispiel nur Dornröschen[5]. Es gibt auch fürchterliche Märchen, die Vorurteile transportieren[6], richtige Hackepetergeschichten[7] oder auch pädagogische Märchen[8]. »Märchenbücher sind oft amüsant zu lesen«, schreibt Herr Kronschnabel. Wenn ich ihn nicht falsch interpretiere, hält er sie für überflüssig, wenigstens nicht ernstzunehmen. Da liegt er falsch.
Gott ist für ihn eine Märchenfigur. Auch da liegt er falsch. Gott kommt zwar auch in den Märchen vor und die „sozialistischen“ Staaten hielten es für wichtig, ihn aus den Märchen zu verbannen. Doch Gott ist größer, auch wenn er, so wie er in der Bibel dargestellt wird, problematisch ist. Herr Kronschnabel sieht nicht, dass es in der Bibel eine Reihe von Gottesvorstellungen gibt.[9] Für ihn ist Gott nicht greifbar – und genau das gehört zur „Natur“ Gottes. Gott ist nicht nur eine über Jahrhunderte entwickelte theologische Konstruktion, sondern sie bewirkt auch etwas, kann „Berge versetzen“. Falsch verstanden bewirkt sie auch die Demütigung von Kindern und erwachsenen Menschen, wird zur Ausbeutung benutzt, und zum Betrug. Das muss man den ehemaligen Heimkindern nicht erst sagen. Es geht hier und darf es nicht gehen, um eine Aufrechnung von guten und bösen Auswirkungen. Doch wenn Herr Kronschnabel schreibt: »Ich nenne Ihnen auch die Gründe für meinen Hass auf die Firma Kirche[10]: Es änderte sich seit 2 Jahrtausenden NICHTS, in deren Läden wird weiterhin lustig geschändet und geprügelt«, dann entwirft er ein Zerrbild, weil ihn der Hass blind gemacht hat. Was er schreibt, stimmt nicht, nicht in dieser Pauschalität. Fast allen meiner Kollegen wird damit Unrecht getan, auch wenn das Thema der ehemaligen Heimkinder in kirchlichen Einrichtungen und besonders des sexuellen Missbrauchs unbequem ist. Davon könnte auch ich ein Lied singen.
Im Buch, das ich rezensieren will, fand ich mich wieder:
»Wer aus der oft vorhandenen Ausgrenzung der Opfer und der vermeintlichen Gleichgültigkeit ihnen gegenüber ausschert und sich an ihrer Seite positioniert, riskiert die Ausgrenzung aus seiner Gruppe. Die Gruppe ist sich einig darin, dass Gleichgültigkeit oder aggressive Abwehr gegenüber den Opfern ein angemessener Umgang mit ihnen ist. Die Ausgrenzung der Seelsorger/innen kann offen ausgesprochen werden als verächtliche Äußerung über „die“ Opfer. Häufiger wird sie sich in einer unausgesprochen abwehrenden Atmosphäre äußern: Niemand unter den Kolleg/innen fragt nach, wie sich die Arbeit mit Missbrauchsopfern gestaltet; niemand will von den Belastungen, aber auch der tiefen Freude in der seelsorglichen Begleitung von Missbrauchsopfern hören. Dieser Arbeitsbereich wird aus dem Gespräch einfach ausgeklammert.«
Na und?, kann ich da nur sagen. Damit kann ich leben.
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Hass
[2] https://dierkschaefer.wordpress.com/2016/01/07/in-wirklichkeit-aber-sind-sie-reissende-woelfe/
[3] http://www.lebenshilfe-abc.de/hass.html
[4] http://universal_lexikon.deacademic.com/316646/Von_hinten_durch_die_Brust_%28ins_Auge%29
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Dornr%C3%B6schen#Interpretation
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Jude_im_Dorn
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Fitchers_Vogel
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Der_alte_Gro%C3%9Fvater_und_der_Enkel Das Märchen ist so oberflächlich, dass es keiner Interpretation bedarf.
[9] Das wird er nicht wissen können, denn darauf wird in der Kirche kaum hingewiesen.
[10] Wie steht es mit dem Hass auf die staatlichen Einrichtungen und deren Rechtsnachfolgern?
Für die Justiz ist es frustrierend, wenn Einigungen außerhalb des Rechts getroffen werden.
Wer „Die Richter Gottes – Die geheimen Prozesse der Kirche“[1] gesehen hat, muss diese Einschätzung, nur frustrierend, für pure Untertreibung halten.[2] Der Umgang der – in diesem Fall – katholischen Kirche ist empörend. Sie entzieht wie dokumentiert einen Straftäter der Justiz des Staates. Ein vielfacher Missbraucher kommt glimpflich davon.
„Ehrengerichte“ und Schiedsgerichtsbarkeit gibt es auch in anderen Branchen und Bereichen. Für Beamte ist fallweise ein Disziplinarverfahren mit Konsequenzen verbunden, die gravierender sind als das Urteil im vorausgegangenen Gerichtsprozess.
Man muss also genauer hinschauen. »Es gebe keine Gründe von Verfassungsrang, die ein „globales Verbot“ von religiöser Schiedsgerichtsbarkeit rechtfertigten. Vielmehr sei im Einzelfall darzulegen, dass tatsächlich Strafgesetze verletzt oder Grundrechte negiert würden. Oder es müsse nachgewiesen werden, dass Betroffene sich nicht wirklich freiwillig einem geistlichen Gericht unterworfen hätten.«[3]
Bleiben wir zunächst beim ersten Teil der Aussage. Kirchliche Gerichtsbarkeit ist grundgesetzlich pauschal verankert: Art. 137, (3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde. Da steht nichts von der Mitwirkungspflicht bei staatlich erforderlicher Strafverfolgung. Missbrauch ist allerdings ein „Offizialdelikt“[4]. Bewegen sich die „Richter Gottes“ in diesem Fall noch innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes? Eine Anzeigepflicht gibt es für solche Fälle nicht.[5] Allerdings sollte eine Körperschaft öffentlichen Rechts sich nicht der Strafvereitelung[6] schuldig machen. Hier sind Konsequenzen erforderlich. Doch wo bleibt der Ankläger?
Der fehlt auch beim Thema der Freiwilligkeit, sich einem kirchlichen Gerichtsverfahren zu stellen. Der Fernsehbeitrag über die Richter Gottes arbeitet mit zwei gegensätzlichen Fallgruppen. Einerseits das Vertuschungsverfahren zum Schutz des Ansehens der Kirche, der auch ein Schutz des Täters ist. Andererseits werden die Verfahren gezeigt, denen sich kirchlich Bedienstete unterwerfen. Sie leben im Konkubinat, einer kirchlich nicht anerkannten Ehe. Dies führt zur Kündigung, es sei denn, die erste erste Ehe wird „annulliert“, für nicht stattgefunden erklärt. Dafür gibt es ein umfangreiches Verfahren vor dem Kirchengericht, bei dem die Antragsteller sich auch hochnotpeinlichen Fragen stellen müssen, Fragen auch, die bei einem weltlichen Gericht nicht zugelassen wären. Gewiss, sie selber haben das Verfahren beantragt. Doch war das freiwillig? Ihr Job hängt davon ab. Der Job ist häufig einer, in dem die Kirche am Markt übergroß vertreten ist, also Marktmacht hat. Finanziert werden diese Jobs allerdings überwiegend mit öffentlichen Geldern, dazu zähle ich auch Gelder von Krankenversicherungen.
Mir fehlt in beiden Fällen der öffentliche Aufschrei vonseiten der im Staat Verantwortlichen, und die Konsequenzen, die zu ziehen sind, wenn man Parallelwelten wenigstens rechtlich in die Welt unseres Grundgesetzes einbinden will.
An anderer, vergleichbarer Stelle haben wir einen solchen Aufschrei. Da geht es um die Parallelwelt islamischen Rechts. Es geht um „Friedensrichter“ auch „Scharia-Richter“ genannt. »Für die Justiz ist es frustrierend, wenn Einigungen außerhalb des Rechts getroffen werden. …islamische Paralleljustiz [gefährde] unseren Rechtsstaat«[7]. »In den meisten deutschen Großstädten seien einzelne Stadtviertel „dem Rechts- und Gewaltmonopol des Staates schon abhanden gekommen“«[8] heißt es in Blick auf die Vermittler nach muslimischem Recht.
Ja, da werden Täter der Strafjustiz entzogen[9], was ja auch nicht haltbar sein sollte. Ohne dieser Paralleljustiz das Wort reden zu wollen: In unserem Rechtssystem spielt das Opfer einer Straftat nur die Rolle des Zeugen. Es wird vom Gericht gebraucht und benutzt, um den Strafanspruch des Staates durchzusetzen. Es mag sein, dass ein Urteil das Rechtsempfinden auch des Opfers befriedet, vielleicht sogar Rachegedanken befriedigt. Doch ansonsten geht es leer aus: Täter im Knast, Opfer allein auf sich gestellt.
Das sieht bei den Friedensrichtern anders aus: »dann kommt es dazu, dass in der Regel eine Kompensation bezahlt wird, zwischen Zehn- bis Vierzigtausend Euro, je nach Schwere der Verletzung – da gibt es richtige Taxen in diesem Markt. Und dann ist die Geschäftsgrundlage aller dieser Schlichtungen, dass das Opfer seine Aussagen im weiteren Verlauf des Prozesses, insbesondere in der Hauptverhandlung, entweder nicht wiederholt, sich nicht erinnern kann, oder aber Verletzungen bagatellisiert.«[10]
Wer Paralleljustiz beseitigen will, sollte auch den Opfern geben, was ihnen zusteht. Die muslimische Justiz scheint mir in diesem Punkt menschlicher als die der katholischen Kirche.
[1] http://www.ardmediathek.de/tv/Reportage-Dokumentation/Die-Story-im-Ersten-Richter-Gottes-Die/Das-Erste/Video?documentId=31942350&bcastId=799280
[2] http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-05/friedensrichter-islam-justiz/komplettansicht
[3] https://www.uni-muenster.de/Religion-und-Politik/aktuelles/2012/okt/PM_Muslimische_Friedensrichter_lassen_sich_nicht_verbieten.html
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Offizialdelikt_%28Deutschland%29
[5] Anzeigepflicht bezeichnet … die Pflicht zur Anzeige von bestimmten Verbrechen …. Nach § 138 StGB kann bestraft werden, wer von dem Vorhaben oder der Ausführung von Landesverrat, Mord, Totschlag, Raub und Menschenraub oder eines gemeingefährlichen Verbrechens glaubhaft Kenntnis hat und dies nicht anzeigt. Diese Kenntnis muss zu einer Zeit erfolgt sein, in der die Verhütung des Verbrechens möglich ist. https://de.wikipedia.org/wiki/Anzeigepflicht
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Strafvereitelung
[7] http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-05/friedensrichter-islam-justiz/komplettansicht
[8] http://www.fnp.de/rhein-main/Muslimische-Friedensrichter-unterlaufen-Hessens-Justiz;art801,828049
[9] http://www.deutschlandfunk.de/muslimische-friedensrichter-zwischen-scharia-und-deutschem.1310.de.html?dram:article_id=194485
[10] http://www.deutschlandfunk.de/muslimische-friedensrichter-zwischen-scharia-und-deutschem.1310.de.html?dram:article_id=194485
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