Dierk Schaefers Blog

Passend zum Missbrauchsgipfel liest man von Verjährung

Posted in Kinder, Kinderheime, Kinderrechte, kirchen, Kriminalität, Kriminologie, Kultur, Moral, News, Recht, Religion, Täter, Theologie by dierkschaefer on 26. Februar 2019

Ätschi bätschi, alles verjährt! Es war der Humanistische Pressedienst (hpd), der die Story genüsslich servierte. Ausgerechnet der!

»Im Fernsehen hat Kardinal Schönborn gegenüber der ehemaligen Nonne Doris Wagner behauptet, die Kirche verzichte im Falle von Gerichtsverfahren auf Verjährung. Dies ist unwahr, denn die Praxis der letzten Jahre zeigt: die Kirche hat in jedem einzelnen Fall Verjährung eingewendet, wenn ein Opfer sich an das Gericht wandte.«[1]

Die Rede ist von Österreich, dürfte aber auch allgemein gelten. Spezifisch österreichisch ist nur, dass die Klasnic-Kommission mitsamt ihrer Namensgeberin abgewatsch werden. Man lese den Artikel.

»„Im Zivilverfahren wird die Verjährung nur dann schlagend, wenn der Beklagte diese aktiv einwendet. Der Beklagte könnte natürlich darauf verzichten und den Einwand gar nicht erst erheben, was moralisch jedenfalls angebracht wäre, zumal die Straftaten zuvor erfolgreich vertuscht wurden“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Roman Schiessler, der die Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt juristisch berät.«

Recht hat er. Eine Kirche, deren Spitzenvertreter sich mit der Verjährungseinrede salvieren, hat nicht nur jedes Vertrauen verspielt, sondern jeden Anspruch auf Achtung verloren.

Was können nun die Kardinäle und Bischöfe tun, wenn sie reumütig aus Rom zurückgekehrt sind? Tätige Reue beweisen! Die Adressen haben sie ja noch. Sie können allen, die ihre Betroffenheit und Zeugenqualität durch einen Klageversuch belegt hatten, außergerichtlich und unisono– pi-mal-Daumen – 50.000,00 Euro zahlen[2]. Dann wird nicht alles wieder gut, aber es wird besser.50_bearbeitet-1.jpg

Dieser Kreis der zu Begünstigenden ist überschaubar. Der Ansturm, der danach kommen dürfte, ist problematischer. Hier wird man Zugangsregelungen brauchen. Doch die sollten von glaubhaft unabhängigen Persönlichkeiten definiert werden, unter Einbeziehung der Erfahrungen von Betroffenen, auch ihrer Mitwirkung. Die Klasnic-Kommission war anscheinend keine solche. Zudem man braucht Menschen in den Anlaufstellen, Menschen, keine Funktionäre, die zuhören können und wollen. Im Hinterkopf müssen sie den ungewöhnlichen Grundsatz haben: Nicht in dubio pro reo, sondern im Zweifel für den Menschen, der sich ihnen in ihren Augen glaubhaft als Opfer anvertraut hat.[3]

Es sind nicht nur die österreichischen Teilnehmer des Missbrauchsgipfels, die tätige Reue zeigen müssen. Das Problem ist leider ein weltweites – in den Kirchen. Zwar auch in anderen Bereichen, doch das sollte man nicht als Schutzschild vor sich hertragen.

Fußnoten

[1] Alle Zitate aus: https://hpd.de/artikel/kirche-verhindert-gericht-entschaedigungen-wegen-missbrauch-16528

[2] Die Summe liegt über den von der Klasnic-Kommission erreichten Zahlen. »In der Folge bleibt dann den Betroffenen nur noch der Gang zur Klasnic-Kommission, die bekanntermaßen nur lächerlich geringe Beträge von 5.000 bis 15.000 Euro aus der Handkassa (Stiftung) der Kirche zuspricht – es sind Almosen angesichts zerstörter Leben mit schwerwiegenden Folgewirkungen wie chronischer Krankheit, Sucht und Suizidversuchen.«

[3] Natürlich muss man diese Menschen bezahlen, wenn auch nicht fürstlich.

Photo: Dierk Schäfer

Österreich, du hast es besser – letztlich auch mit deiner Kirche.

Posted in Kirche, Medien, Religion, Weltanschauung by dierkschaefer on 16. März 2017

Ja, auch Österreich hatte seine Skandalbischöfe, hatte seine Missbrauchsskandale – und damit viel Präsenz „im Netz“.

Aber Österreich hat „kathpress“[1] – wir nur den „epd-pressedienst“[2]

Kathpress hat Geburtstag und uns wurde die Netzpräsenz vorgeführt.[3]

Ich will das gar nicht mit dem epd-pressedienst vergleichen, dachte aber an ein anderes Netzversagen unserer Kirche(n) und schrieb einen Kommentar:

 

»Unsere Kirchen sind – nicht nur bei der Präsenz im Netz – eher ein Trauerspiel. Sie sind eine Welt für sich. Allein der Kirchenjargon und die vielfach enge Vorstellungswelt!

Doch bleiben wir beim Thema Netz. Ich habe 15 Jahre als „Studienleiter“ an einer Evangelischen Akademie gearbeitet. Von Studien in der Regel keine Spur. Tagungsleiter waren wir. Bei uns wurde auch nicht „wissenschaftlich“ gearbeitet, wie einer der Direktoren wähnte. Wie denn auch! Wer die Differenziertheit von Wissenschaften auch nur ahnungsweise kennt, weiß, dass eine Akademie dazu weder die Manpower noch die Sachausstattung hat, auch nicht haben kann. Ein „Thinktank“ sollten wir sein. Pustekuchen! Jeder hatte sein Gärtlein für sich und verteidigte es.

Angetreten waren die kirchlichen Akademien mit der anspruchsvollen Aufgabe, öffentliche Themen „ins Licht des Evangeliums“ zu rücken und ein Podium für kontroverse gesellschaftliche Positionen zu bieten. Das hat punktuell auch gut geklappt. Doch die Zeiten, in denen die Politiker und sonstige gesellschaftliche Akteure einen Platz auf dem Podium einer Akademie zu schätzen wussten oder gar ein Referat hielten, sind – mit Ausnahmen – vorbei. Schließlich gibt es Talkshows zum Einnicken und die sozialen Medien. Mit Twitter erreicht man mehr Leute als über ein Referat in einer Akademie, für das die Teilnehmer viel Zeit und Geld mitbringen müssen.

Als es dann vornehmlich darum ging, den Hotelbetrieb der Akademie auszulasten, schlug ich meinem Akademiedirektor vor, eine Internetakademie zu gründen. Das hätte nicht nur die verpflichtende Koordination der Tagungsleiter erfordert (illusorisch), sondern auch die Aufteilung der gesellschaftsrelevanten Themenbereiche unter den Akademien bundesweit – also auch kirchenweit – noch illusorischer: „Schaue die Zertrennung an, / der sonst niemand wehren kann; / sammle, großer Menschenhirt, / alles, was sich hat verirrt. / Erbarm dich, Herr“.

Aber dermaßen gebündelt wären wir Kirchen auf Dauer ein kompetenter, aktueller Gesprächspartner und anerkannter Meinungsfaktor in der gesellschaftlichen Diskussion geworden. Mein Direktor hat müde abgewinkt. Ja, klar, aussichtslos. Und so dämmern wir unserer Bedeutungslosigkeit entgegen. Bald wird uns nicht einmal mehr der Wind ins Gesicht wehen – warum sollte er auch.«[4]

 

„Meine“ ehemaligen Heimkinder werden wohl eher zufrieden sein, dass die Kirche nicht nur bei ihnen versagt hat – dort allerdings gründlicher.

[1] https://www.kathpress.at/

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Evangelischer_Pressedienst

[3] http://www.theologiestudierende.de/2017/03/16/tritt-frisch-auf-tus-maul-auf/

[4] http://www.theologiestudierende.de/2017/03/16/tritt-frisch-auf-tus-maul-auf/#comment-56356

Glückliches Österreich!

»Etwa 7000 Gewaltopfer sollen 300 Euro monatlich erhalten. Über die Aufteilung der Kosten wird noch mit Ländern und Kirche verhandelt.«[1] [2]

In Deutschland wären die Zahlen größer. Dennoch hätte man auch hier mit einer pauschalen Entschädigung zwar keine Gerechtigkeit, aber doch einen Rechtsfrieden schaffen können. Doch das Bestreben von Staat und Kirchen, möglichst billig aus einem Menschenrechts-Skandal herauszukommen, war größer. Erst Verleugnung, dann Vertuschung und dann der große Betrug am Runden Tisch unter der Führung von Antje Vollmer, die leider auch Pfarrerin ist. Der Imageschaden zuvörderst für die Kirchen ist immens. Doch die schlafen immer noch den Schlaf des vermeintlich Gerechten. Verjährung[3] ist doch eine feine Sache. Nur wird man dadurch nicht glaubwürdig.[4]

Betroffenheit kann man heucheln, glaubwürdig wird man erst, wenn man reletiv großzügig entschädigt. Gekonntes Problemmanagement sieht anders aus.

[1] http://diepresse.com/home/panorama/oesterreich/5179700/Ehemalige-Heimkinder-bekommen-Entschaedigung

[2] http://archiv.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=65570

[3] https://dierkschaefer.files.wordpress.com/2011/07/das-jc3bcngste-gericht2.pdf

[4] http://www.pfarrerverband.de/pfarrerblatt/archiv.php?a=show&id=2812

 

Misshandelte Heimkinder

Posted in Geschichte, Gesellschaft, Kinder, Kinderheime, Kinderrechte, Kriminalität, Recht by dierkschaefer on 10. Februar 2016

»Im Schnitt wurden bisher 17.000 Euro Unterstützung an die Opfer ausbezahlt.«

Das sind ganz andere Zahlen als bei uns.

http://www.krone.at/Wien/Misshandelte_Heimkinder_Wien_beendet_Hilfsprojekt-Bisher_52_Mio._Euro-Story-495501

Kritik an Verjährung bei Missbrauch in Heimen

Posted in Justiz, Kinderheime, kirchen, Staat by dierkschaefer on 17. September 2015

»„Der Umstand, dass etwas verjährt ist, schließt nicht aus, dass man neue Rechtsgrundlagen schafft, wenn man befindet, dass sonst nicht genug getan wurde. Das ist eine politische Frage“, sagt der ehemalige Präsident des Verwaltungsgerichtshofs und Professor für Rechtstheorie Clemens Jabloner Diese Einsicht hatte der Staat schließlich schon einmal – im Zuge der Restitution von NS-Raubgut in den Neunzigerjahren. „Wenn der Bund eine Lösung einer solchen Frage gefunden hat, sehe ich keinen Grund, warum das den Ländern oder der Kirche nicht möglich sein sollte“, sagt Weber – die meisten betroffenen Kinderheime waren kirchliche oder Landeseinrichtungen.

Woran sich die Debatte wohl vor allem spießt, ist Geld. Die Verfahren kämen Staat und Kirche teuer zu stehen – …«[1]

[1] http://derstandard.at/2000019685934/Missbrauch-in-Heimen-Rechtsexperten-kritisieren-Verjaehrung?ref=rec

Nicht die #Kinderrechte, sondern #Gewalt war Teil des Systems

Posted in Kinderheime, Kinderrechte, Kriminalität by dierkschaefer on 7. Juli 2015

So das Ergebnis einer wissenschaftlichen Untersuchung.

„Das System der Erziehungsheime hat gewaltvolle Erziehungspraktiken in all ihren Formen der körperlichen, psychischen und sexualisierten Gewalt erzeugt, toleriert und war zu ihrer Verhinderung nicht willens oder nicht imstande“[1]

[1] http://derstandard.at/2000018662110/Studie-belegt-System-von-Gewalt-und-Missbrauch-in-Heimen

Kennen Sie die Malaria-Therapie?

Posted in heimkinder, Kinderrechte, Kriminalität, Menschenrechte, Psychologie, Therapie by dierkschaefer on 23. März 2015

»Bei weiteren Recherchen stießen wir auf die „Malariatherapie“, mit der in den 60er Jahren vorwiegend Heimkinder in der psychiatrischen Klinik in Wien „behandelt“ wurden. Psychiater infizierten Kinder mit Malariaerregern um ihnen „die Flausen aus dem Kopf zu treiben“. Zwei Wochen lang hatten die Kinder Fieberschübe bis zu 41 Grad. Als Flausen bezeichnete man die Ambitionen von jungen Leuten, die die gerne tanzen gingen oder junge Menschen, die Künstler werden wollten. Ihre Eltern wollten das nicht und folgten der Empfehlung von Psychologen, das Kind einer Fieberkur zu unterziehen.«[1]

[1] http://www.diezeitschrift.at/content/wenn-du-schlimm-bist-kommst-du-ins-heim

Zum Stand der Dinge in Österreich

Posted in heimkinder by dierkschaefer on 4. September 2014

»Die Verjährungsfrist von drei Jahren könnte hinfällig sein, wenn durch ein psychiatrisches Gutachten nachgewiesen wird, dass sich die Frau, – durch ihre Kindheits- und Jugenderlebnisse traumatisiert -, lange Zeit nicht an die Geschehnisse erinnern konnte. Die Frist würde dann ab dem Zeitpunkt laufen, an dem sich das Gewaltopfer der Traumatisierung bewusst wurde.

Gutachter ist der Innsbrucker Psychiater Salvatore Giacomuzzi. Seine Expertise hatte im Schadenersatzprozess gegen das Kloster Mehrerau, das ebenfalls Verjährung geltend machte, schließlich zu hohen Schadenersatzzahlungen geführt. Das Gutachten wird Monika Fitz auch detaillierte Befragungen vor Gericht ersparen. Ihre Gespräche mit dem Sachverständigen gelten als Einvernahme.

Die Haltung des Landes stößt bei Experten und Opposition auf Kritik. FPÖ-Parteichef Dieter Egger wünscht sich in einem offenen Brief an Landeshauptmann Markus Wallner mehr Sensibilität den Opfern gegenüber, denn Leid verjähre nie. Egger schlägt eine Kulanzlösung vor. Landesrätin Schmid lehnt diese ab. Kinder- und Jugendanwalt Michael Rauch rät dem Land, einen Vergleich nicht kategorisch abzulehnen. Die Steuerungsgruppe der Opferschutzkommission sollte sich prinzipiell mit der Frage von Klagen beschäftigen. Wallner hält Rauchs Vorschlag für „brauchbar“, auf Egger reagierte er nicht«.[1]

[1] http://derstandard.at/2000005124797/Heimkinder-Der-lange-Kampf-um-Entschaedigung

Betroffenheit und Versöhnung, nur Schlagworte

Posted in Geschichte, Gesellschaft, heimkinder, Kinderrechte by dierkschaefer on 16. August 2014

„Recht ist ständig gebeugt worden“

Der Historiker Horst Schreiber über die Fehler in der Aufarbeitung des Kinderheimskandals in Tirol.[1]

[1] http://kurier.at/chronik/oesterreich/recht-ist-staendig-gebeugt-worden/80.579.223

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Was gibt’s denn nun in Österreich?

Posted in heimkinder, Justiz, Kinderrechte, Kirche, Kriminalität by dierkschaefer on 19. November 2013

Eine Meldung, die viele Fragen hinterläßt. [1]

Wie kommen die ehemaligen Heimkinder zu einer Entschädigung?

Was muß beigebracht werden?

Wonach bemißt sich die Höhe der Entschädigung?

Daß es in österreichischen Heimen schlimm zuging, das wußten wir schon. Für zwanzig Euro können wir’s genauer wissen. Man hätte die Studie ja auch online stellen können.