Denk ich an Kirche in der Nacht …
wie es weitergeht, wissen Sie. Auch wenn da Kirche steht statt Deutschland.
Doch warum Kirche? Warum schreibe ich das? Noch dazu als Pfarrer.
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„Sind Sie Pfarrer?“ – Eine Hölle namens Linde.
Eintrag auf Antrag gelöscht. 16. Juli 2016
Ganz viel Licht und kaum Schatten: Friedrich Oberlin
Einen lesenswerten Artikel über Friedrich Oberlin[1] bringt die Zeit, zusammen mit einer Reflektion über den Gott der monotheistischen Religionen. Die Ambivalenz von Glaubenseifer kommt auch nicht zu kurz.[2]
Einige Auszüge:
»Friedrich Oberlin war seinen Dörflern in fast sechzig Jahren nahezu alles gewesen, sowohl Pfarrer als auch Lehrer in Ackerbau (die Kartoffeln, die später berühmten »Steintaler Roten« wurden bis nach Straßburg geliefert) und Viehzucht, in Pflanzen- und Weltkunde, in Hygiene und praktischer Medizin, in Handarbeit und Handwerk, Sitten-, Sozial- und Kreditwesen. Wer bei ihm heiraten wollte, musste je einen Obstbaum pflanzen, um erst einmal gesundes Obst ins Steintal zu bringen. Wege ließ er bauen, auch eine Brücke über die Breusch, den »pont de charité«, die Brücke der Barmherzigkeit. Den Eltern, für die der ungeregelt eintreffende Nachwuchs vorrangig eine Last und allenfalls nützlich war, wenn er mitarbeiten konnten, brachte er Achtung vor den Kindern bei (das Gegenstück zum 4. Gebot: »Du sollst Vater und Mutter ehren!«) und lehrte sie erkennen, dass die jungen Wesen Bildung brauchen, um später auch für die Eltern da sein zu können. In seiner energischen Erziehungsarbeit verlegte er sich stark auf den Anschauungsunterricht und war darin einer der Ersten. Und so gewannen seine Dörfer nach und nach einen bescheidenen Wohlstand.«
»Im Alter sagte sogar Oberlin: »Mit der Peitsche hätte ich sie damals gern in den Himmel treiben wollen.««
»In Wirklichkeit haben alle drei monotheistischen Religionen auch ihre finsteren Schattenseiten von Gewalt, Eroberung, Verfolgung. Es war eben lange sehr schwer, die allein selig machende Wahrheit (vermeintlich) zu besitzen – und sich gleichzeitig vorzustellen, gar zu dulden, dass andere Menschen anders denken und glauben. Erst Papst Johannes Paul II. hat den lapidaren Satz ausgesprochen: Der Glaube darf nie eine Rechtfertigung für Gewalt sein.«
»Der bildungswillige Zeitgenosse – ob er nun religiös gestimmt ist oder »nur« verstehen will, wie der unsichtbare Gott konkrete Menschen so erfassen kann, dass sie ihr Leben umstürzen und ihm widmen – liest vielleicht am besten einmal Büchners Novelle Lenz in der Studienausgabe, die auch den Rechenschaftsbericht von Oberlin enthält. Dann fährt er ins Steintal zu einem Besuch im Musée Oberlin – einfach, um anhand der Dokumente und Exponate zu staunen, wie der Glaube eines Menschen wenn nicht Berge, so doch ein Tal voller bettelarm vegetierender Menschen in ein besseres Leben versetzen kann, materiell, sozial, geistig – und vielleicht auch geistlich.«
[1] Johann Friedrich Oberlin war ein evangelischer Pfarrer, Pädagoge und Sozialreformer aus dem Elsass; in der Frühpädagogik gilt er als Vordenker von Friedrich Fröbel[1] und als einer der Väter des Kindergartens. https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Friedrich_Oberlin
[2] http://www.zeit.de/2007/50/OdE7-Gott Montag, 31. August 2015
Aus dem Bistum Trier
Meldung des Saarländischen Rundfunks
»(29.07.2014) In Lebach hat ein Pfarrer 2012 einem Jugendlichen Geld für eine sexuelle Handlung angeboten. Das Verfahren gegen den Pfarrer wurde im März 2014 wegen geringer Schuld gegen eine Zahlung von 6000 Euro eingestellt. Der Pfarrer hat die Geldauflage akzeptiert. Nun wurde auch seine Beurlaubung von Bistum wieder aufgehoben. Er darf wieder praktizieren, soll allerdings nicht in Lebach eingesetzt werden.«[1]
Lebach ist im Beritt des Trierer Bischofs Ackermann, Missbrauchsbeauftragter der deutschen Bischofskonferenz.
Zur Meldung drei Links:
- http://www.sr-online.de/sronline/nachrichten/panorama/trier_bistum_pfarrer_beurlaubung_aufgehoben100~print.html
- http://www.schafsbrief.de/archiv-bis-01-11-2012/
- http://www.volksfreund.de/nachrichten/region/rheinlandpfalz/rheinlandpfalz/Heute-im-Trierischen-Volksfreund-Sex-gegen-Geld-Priester-muss-6000-Euro-Strafe-zahlen;art806,3833130
[1] http://www.sr-online.de/sronline/sr3/uebersicht/sr_3_thema/initiative_schafsbrief_entscheidung_lebacher_pfarrer100.html Freitag, 1. August 2014
Zum ErGÖTZen
„Ambrosius, der Prediger, liegt hier.
In jedes Kind von Schönheit sich verlieben
verstund der Mann so gut als sein Brevier.
Die Billet-doux, in seiner Not geschrieben,
bestellete, durch jegliches Quartier
der Parochi, sein Küster Kasimir;
an einem Tag zuweilen über sieben.
Nur Antwort drauf ist immer ausgeblieben.
GOTT geb‘ ihm itzt das Paradies dafür.“[1]
Ein Denkmal in Worms erinnert an den Dichterpfarrer:
http://www.flickr.com/photos/dierkschaefer/3356456112/in/set-72157615322672846/
http://www.flickr.com/photos/dierkschaefer/4117346923/
[1] Johann Nikolaus Götz, zitiert nach: http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Nikolaus_G%C3%B6tz
Noch einmal: Lieber Herr Jacob!
Lieber Herr Jacob,
Recht haben Sie, wenn Sie schreiben: Aber hat die Kirche nicht die Aufgabe, ihre Botschaft für alle Verständlich zu übermitteln? Ein Pfarrer muss für alle Menschen verständlich sein.
Für die Predigt gilt das auf jeden Fall, denn sie soll und will die ganze Gemeinde erreichen. Das ist aber etwas, was in der Ausbildung zum Pfarrer zu kurz kommt. Schon mit dem Wechsel aufs Gymnasium wird man der Sprachwelt der „einfachen Leute“ entfremdet. Das Studium verstärkt die Entfremdung und bewirkt in vielen Fällen zudem eine Entfremdung von der Glaubenswelt der „einfachen Gläubigen“. Wir werden eher zu Universitätstheologen ausgebildet, denn zu Pfarrern. Das kann das praxisorientierte Vikariat nur bedingt beheben.
Luther trug wohl zeitlebens den damals üblichen Talar der Universitätslehrer, Vorbild des Pfarrertalars. Und so haben ganze Generationen von Pfarrern ihre steile Theologie Sonntag für Sonntag „Bauernköpfen“ gepredigt. Nicht umsonst gab es „Kirchenwecker“. Die „Frau Pfarrer“ besorgte die Woche über die praktische Seelsorge, während der Herr Pfarrer über seinen Büchern saß. Nun, das ist etwas klischeehaft dargestellt. Schließlich mußten die Pfarrer früherer Zeiten auch nebenbei ihre eigene Wirtschaft betreiben (Acker und Vieh) und waren dadurch der Lebenswelt ihrer Bauern wenigstens zeichenhaft verbunden.
Was für die Predigt gilt, muß nicht für kirchliche Verlautbarungen, wie z.B. Denkschriften gelten. Die dürfen und müssen differenzierter ausfallen als eine Predigt, was nicht heißt, daß Predigten nicht differenzieren sollen, allerdings auf einem anderen Niveau. Belustigend für mich ist allerdings, wie die Zeit manches Differenzierte einebnet. Ich quäle mich gerade durch Max Webers Protestantische Ethik und bin erstaunt bis überfordert zu sehen, welches theologische Filigran unsere Vorväter entfaltet haben. Das hatte zwar nachhaltige Auswirkungen, doch für das Gedankengebäude interessiert sich wohl kaum noch jemand. Webers These von der Verbindung des Calvinismus mit dem Kapitalismus wird zwar immer noch zitiert, doch ich möchte wetten, daß nur sehr selten die Lektüre des Originals dahinter steht.
Da sind wir wieder bei der Frage der Vermittlung komplizierter Erkenntnisse, fast hätte ich Kommunikationsprozeß geschrieben. Die Erkenntnisse müssen verständlich gemacht werden. In der heutigen Medienwelt geschieht das, indem man hauptsächlich das herausgreift, was Neuigkeitswert hat und darum zur Diskussion anreizt, besser noch, Widerspruch hervorruft, der wiederum auf Widerspruch stößt. Dabei sind nicht die Inhalte interessant, sondern die „Klickraten“: Wie viele Personen hat man aus der Reserve gelockt?
So geht es auch mit der neuen Denkschrift. Zwar werden sie nur wenige gelesen haben, doch die zusammenfassenden Thesen waren ausreichend für heftige Kontroversen, so daß der Ratsvorsitzende der EKD schon in Deckung geht. War ja nur ein Diskussionsanreiz.
Ich finde diesen Vorgang spannend und werde ihn vielleicht als Ausgangspunkt für einen Beitrag machen: Vom Elend des Protestantismus soll er heißen. Das Elend zu beschreiben, würde meine Fähigkeiten übersteigen – und auch mit Eingrenzung ist die Aufgabe groß genug, und ich hoffe, daß ich Zeit dafür finde.
»Eine geschiedene Ehe ist eine geordnete Sünde« …
… sagte Eduard Thurneysen[1], Professor für Praktische Theologie, in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts.
Ein solcher Spruch ist heutzutage befremdend, sind doch die Scheidungszahlen so radikal gestiegen wie das Sündenbewußtsein gesunken.
Doch gilt das ausnahmslos?
Jain!
Viele meinen, Pfarrer dürften sich eigentlich nicht scheiden lassen und erinnern an das Eheversprechen bis daß der Tod uns scheidet. Andererseits aber reichen die Scheidungsquoten evangelischer Pfarrer vermutlich an das Scheidungsverhalten der übrigen Bevölkerung heran – so genau wird das allerdings bisher nicht erhoben.[2]
Auch in anderen Verhaltensbereichen kann man ja erleben, daß Pfarrer verschärften moralischen Anforderungen genügen sollen. Sie sollen für alle beispielhaft sein, die dafür dann das Sündigen besorgen.
Da meinen manche, der Bundespräsident, ein Pfarrer, solle seine Familienverhältnisse „ordnen“, eine geschiedene Bischöfin sei nicht tragbar usw. usw. Ähnlich rigorose Anforderungen gelten für vorehelichen Geschlechtsverkehr, besonders im Pfarrhaus, oder gar gleichgeschlechtliche Liebe.
Doch bleiben wir bei der Ehe, zunächst bei der Ehe von Nicht-Pfarrern. Auch ich halte es für problematisch, angesichts der Scheidungshäufigkeit bei der Trauung die übliche liturgische Formel zu verwenden. Wir wissen doch, daß in der Hälfte aller Fälle nicht der Tod, sondern der Scheidungsrichter scheidet. Wie können wir guten Gewissens diese Realität, die ihre Gründe hat, ignorieren? Als Pfarrer, der fast sein ganzes Berufsleben mit Sonderaufgaben betraut war, habe ich nicht viele Trauungen[3] durchgeführt, aber immer gefragt, ob das Brautpaar diese Formel will. Zweimal erhielt ich zur Antwort: Nein. Wir wollen auf immer und ewig. Nun, wer meint, auch in diesen Angelegenheiten Verfügungen für die Zeit nach dem Tod treffen zu können, mag das tun. Doch es ist nun einmal so, daß in der Zeit des Honeymoons die Leute nicht ans Scheitern denken. In Frankreich allerdings werden Eheverträge geschlossen, die auch Regelungen für eine vorzeitige Beendigung der Ehe vorsehen.
Und nun zur Pfarrerehe und der Vorbildverpflichtung. Daß Pfarrerehen nicht unbedingt länger halten, als andere, würde ich nicht moralisch bewerten wollen. Da bei der Trauung in der Regel die Formel bis daß der Tod benutzt wird, ist in diesem Sinne eine Scheidung tatsächlich eine Sünde, aber eine geordnete. Da wir alle Sünder und auf Vergebung angewiesen sind, muß es auch für geschiedene Pfarrer einen – demütigen – Neuanfang geben, doch keine Demütigung durch andere, seien es Kirchenleitungen oder Gemeinden. Für die Vorbildwirkung scheint mir etwas anderes wichtiger: Wie geht die Scheidung vonstatten? Ist sie fair, gibt es so etwas wie ein – wenn auch mühsam erarbeitetes – Einverständnis, oder gab es ein Schlachtfeld mit lauter Blessierten oder gar einen Sieger auf der einen und einen wirtschaftlich und emotional am Boden zerstörten Verlierer auf der anderen? Hier darf man Anforderungen stellen, doch die sollten nicht nur für Pfarrersehen gelten, sondern ganz allgemein für den Umgang von Eheleuten miteinander.
Der Kirche ist vorzuwerfen, daß sie keine liturgische Begleitung für den Trennungs- und Scheidungsfall entwickelt hat. Sie diskriminiert damit Menschen, die ohnehin schon miteinander ihre liebe Not haben.[4]
[2] http://www.christundwelt.de/detail/artikel/ist-der-pfarrer-noch-vorbild/ Mittwoch, 5. Juni 2013
[3] Es ist übrigens ein Irrtum, daß Ehen in der Kirche geschlossen werden. Dafür ist das Standesamt da. Bei der Trauung bittet man um den Segen Gottes für diese Ehe. Daß in romantischer Verklärung Ehen im Himmel geschlossen werden, steht auf einem anderen Blatt.
[4] Wer als Pfarrer in dieser Weise Stellung bezieht, wird gefragt werden, ob er nicht in eigener Sache spricht. Das ist nicht der Fall. Meine Frau und ich sind seit langem und in erster Ehe verheiratet. Wir haben bei unserer Trauung ganz bewußt auf die Todesformel verzichtet.
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