BILD bringt ein „Photo der Schande“[1]
Eigentlich tut man so etwas nicht. Manche werden das für pietätlos halten.
Wenn ein solches Photo in erster Linie nur der Auflagensteigerung dient, mag der Vorwurf stimmen. Doch man sollte sich vor oberflächlichen Moralisierungen hüten.
Erinnern wir uns: Manche Photos, bei denen der Kameramann auf das Elend „draufgehalten“ hat, wurden zu „Orten der Erinnerung“[2] in unserem kulturellen Gedächtnis. „Spätestens seit dem Vietnamkrieg wird Fotografien nicht mehr nur ein dokumentarischer Wert und die Vermittlung von Authentizität zugesprochen, sondern auch die Fähigkeit, »das wahre Gesicht des Krieges« zu zeigen und dieses für die Ewigkeit zu konservieren. Es gibt also Fotos, die zu Ikonen wurden.“[3] »Photographs are the swiftest keys to memory; they unlock events and eras and feelings in the blink of an eye« schrieb Vicky Goldberg über das berühmte Photo des „Napalmmädchens von Trang Bang“[4], aufgenommen vom AP-Fotografen Nick Ut im Jahr 1972.[5] Das gilt auch für das Photo von der Hinrichtung in Saigon. Der Photograph Eddie Adams gewann im Jahr 1969 damit den Pulitzerpreis.
Die Ambivalenz der Bewertung solcher Publikationen wird deutlich durch die Diskussionen in den Medien und in der Politik.[6]
Ich nehme nicht an, dass sich das von BILD publizierte Photo zur „Ikone“ entwickelt. Es kommt nach der öffentlichen Wirkung des Vorfalls und seiner Aufnahme durch die Politik,[7] stellt also nur eine Art „Nachklapp“ dar und könnte die Reaktion auslösen: Das war nun nicht mehr nötig, dient doch nur dem Voyeurismus.
Bei mir führte das Photo von den im LKW erstickten Flüchtlingen zu einer anderen Assoziation: Die Gas-Wagen der Nazis. Was beim Tod der Flüchtlinge im Schlepper-LKW wohl nur ein unbedachter Unfall war, ist bei den Nazis Zweck des Transports gewesen und es gab sogar einen Verbesserungsvorschlag. Für mich ist das BILD-Photo auch die Visualisierung von Nazi-Verbrechen.Verbesserungsvorschlag für Gas-Wagen
[1] http://www.bild.de/news/inland/fluechtling/das-foto-der-schande-42368726.bild.html
[2] Ein Begriff von Pierre Nora
[3] Stephan Schwingeler, Dorothée Weber, Das wahre Gesicht des Krieges: Die Hinrichtung in Saigon von Eddie Adams, Das Entstehen einer Ikone vor dem Hintergrund ihrer Publikationsgeschichte in den Printmedien http://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/kb/article/view/9883
[4] aufgenommen vom AP-Fotografen Nick Ut im Jahr 1972, Zitat von Vicky Goldberg aus Schwingeler/Weber, Anmerkung 3
[5] http://www.faz.net/medien/bildergalerien/das-bild-des-napalm-maedchens-eine-ikone-der-fotografie-wird-40-jahre-alt-11774773.html http://www.google.de/imgres?imgurl=http%3A%2F%2Fwww.fototv.de%2Fdateien%2Ffilme%2Fxxl%2F1824-nick-ut_2000_kbit_hd.jpg&imgrefurl=https%3A%2F%2Fwww.fototv.de%2Fnick-ut&h=405&w=721&tbnid=cr91pC5zWsByqM%3A&docid=fTBIUHjJyIiEIM&ei=nCbhVcbFFYGpsAHZoLuoCw&tbm=isch&iact=rc&uact=3&dur=5666&page=1&start=0&ndsp=25&ved=0CD4QrQMwCmoVChMIxoOdu6zNxwIVgRQsCh1Z0A61
[6] In Deutschland erschien das Foto von Eddie Adams im Stern und löste in den anderen aus. Am 9./10. März 1968 erschien in der Süddeutschen Zeitung eine Meldung zu diesem Thema. Dort ist zu lesen, dass die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften den Antrag des Familienministeriums abgelehnt habe, die Ausgabe des Stern vom 18. Februar 1968 zu indizieren. Nach Auffassung des Ministeriums hätte die Bilderfolge von der Erschießung in Saigon eine verrohende Wirkung haben können. Quelle: Anmerkung 3
[7] http://www.focus.de/politik/ausland/drama-in-oesterreich-bis-zu-50-fluechtlinge-in-abgestelltem-schlepper-lkw-erstickt_id_4906873.html
Wer zu früh stirbt, den bestraft der Heimfond
Für eine Beerdigung will der Heimfond-LVR-Köln nicht zahlen: der Verstorbene hat sie nicht bestellt.
Dumm gelaufen. Dem Verstorbenen wird es wohl nichts mehr ausmachen, doch die Verwalter des Fonds stehen jetzt dumm da. Pietätlosigkeit ist ein Makel. Doch diese Sorte Mensch hat ein dickes Fell. Wer bürokratisch korrekt handelt, hat sich nichts vorzuwerfen und lässt Vorwürfe folglich von sich abprallen.
»Als ehemaligem Heimkind stand Hermann-Josef Humeny Geld aus dem Hilfsfonds Heimerziehung zu. 9500 Euro waren ihm bewilligt worden. Nun ist er gestorben. Das Geld darf nicht für seine Bestattung verwendet werden.«[1]
Der im Artikel genannte Uve Werner mailt ergänzend:
»In diesem Artikel wurde nicht erwähnt, das der Verstorbene auch eine Vereinbarung über 11.000 Euro Rentennachzahlung (für Kinderarbeit) abgeschlossen hat, welche ebenfalls nicht zur Anwendung kommt, falls nicht noch irgendwelche Angehörige ausfindig gemacht werden. Uns ging es auch hauptsächlich darum, das zumindest die 9.500 Euro aus der Bedarfsliste, jetzt für eine würdige Beerdigung eingesetzt werden können, … [damit] ihm die Würde zuteil wird, welche ihm zu Lebzeiten genommen wurde.«
[1] http://www.rp-online.de/nrw/staedte/moenchengladbach/feilschen-um-ein-wuerdiges-begraebnis-aid-1.5070602
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