Dieulefit – Gott hat’s gemacht
Das total laisierte Frankreich mit seiner strikten Trennung von Kirche und Staat steckt voller Orte mit Namen von Heiligen. Wohl jeder kennt „Les Saintes Maries de la Mer“, ein Ortsname, der eine ganze Heiligenlegende erzählt.
Aber „Gott hat’s gemacht“? Da müssten doch jedem französischen Citoyen die Haare zu Berge stehen.
Mich hatte der Name schon lange gereizt.[1] In diesem Jahr habe ich bei Wikipedia nachgeschlagen, wurde noch neugieriger und bin auf der A 7 bei der Ausfahrt Montélimar/Dieulefit abgebogen und die ca. 30 km über D 540 bis in dieses Dorf im Département Drôme gefahren.
Eher durch Zufall fand ich einen Parkplatz gleich vorm Keramikmuseum. Da wollte ich hin, weil dort das Denkmal für die bewundernswerte Geschichte von Dieulefit steht: „Dieulefit – wo niemand Ausländer ist“. Von hinten sieht das Denkmal ganz bescheiden aus. Doch auch die Rückseite hat Symbolkraft: Lauter einzelne Bruchsteine, jeder steht für sich allein und zusammen bilden sie eine Abschirmung, einen Schutz.
Für wen? Für viele Menschen:
Sie erinnern an ihre Geschichte. Der Ort hatte damals, in den dreißiger und vierziger Jahren, etwa dreitausend Einwohner. Die Hälfte dieser Zahl, über 1500 Menschen fanden in der Gemeinde und ihrer Umgebung Zuflucht vor Verfolgung. Da kamen „spanische Republikaner, Resistants, Juden, von den Nazis oder Vichy-Verfolgte, zahlreiche Intellektuelle“.[2] All diesen gab man Schutz, versteckte und ernährte sie. Wir nennen sie im Amtsdeutsch „umF“ – unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Die wurden wie selbstverständlich in die Familie aufgenommen und gingen zur Schule. Wer sie brauchte bekam falsche Ausweise auf dem Bürgermeisteramt, auch Lebensmittelkarten wurden gefälscht.[3] „Das Internat beherbergte in jenen Jahren rund 100 Kinder, das waren doppelt so viele wie vor dem Krieg. Mehr als vier Jahre lang haben es die guten Feen von Beauvallon [die Schule] geschafft, diese Kinder von denen viele völlig mittellos waren, zu beschützen, zu ernähren, zu kleiden und einen einigermaßen normalen Schulbetrieb aufrecht zu erhalten.“
Die Einwohner von Dieulefit und Umgebung haben ihr Leben riskiert für den Schutz der Flüchtlinge, denn die Nazis hätten den ganzen Ort abgebrannt und seine Bewohner liquidiert, wenn sie davon gewusst hätten, zumal sich die Bewohner und auch die Flüchtlinge aktiv am Widerstand gegen die Besatzung beteiligt haben.[4] Alle im Ort hielten dicht. Niemand wurde verraten!
Woher der Mut?
„Dieulefit ist seit den Religionskriegen eine Hochburg der protestantischen Minderheit Frankreichs.“ „Nach Überzeugung des Historikers, Bernard Delpal, war für den erfolgreichen Rettungswiderstand die Tatsache wichtig, dass viele Schlüsselstellen im gesellschaftlichen Leben von Dieulefit damals von Mitgliedern der protestantischen Gemeinde eingenommen wurden.“ Die Hugenotten hatten ihre Verfolgungen nicht vergessen.
Es waren übrigens nicht ausschließlich eher unbedeutende Flüchtlinge. „Während der deutschen Besatzung gab es in Frankreich drei intellektuelle Zentren: Paris, Lyon und Dieulefit.“[5]
Wie geht die Gemeinde mit diesem Erbe um?
„Die Gemeinde hielt es lange Zeit nicht für angezeigt, an die „selbstverständliche“ Aufnahme der Flüchtlinge zu erinnern. Die meisten waren „anonyme“ Helfer/innen, eine Nennung einzelner Namen galt als unschicklich und ungerecht. Erst nachdem die israelische Gedenkstätte Yad Vashem einige Bewohner/innen als Gerechte unter den Völkern ausgezeichnet hatte[6], wurde 2008 im Rathaussaal eine Urkunde angebracht (Rue Justin Jouve). Es dauerte bis 2014, bis zum 70. Jahrestag der Befreiung der „Résistance civile et des résistants sans armes“ („dem zivilen Widerstand und den waffenlosen Widerständlern“) ein Denkmal errichtet wurde.“[7]
Nur Erinnerung?
„In den aktuellen Engagements der Bürger von Dieulefit finde man durchaus eine Resonanz der Vergangenheit, meint der Historiker Bernard Delpal und Marguerite Soubeyrans Enkeltochter weiß, dass es in Dieulefit auch heute Familien gibt, die bereit sind, illegal Ausländer ohne gültige Papiere zu beherbergen und zu verstecken.“ „Einmal im Monat veranstaltet ein sogenanntes Bürgerkollektiv eine Schweigerunde auf dem Hauptplatz der Stadt als Zeichen des Protestes gegen den Umgang mit Asylsuchenden im Land.“
Und der Name Gott hat’s gemacht? Die Laizisten können beruhigt sein. Es war nicht der Seigneur, der himmlische Gott, sondern ein irdischer. Madame le Maire, die Bürgermeisterin gab auf Anfrage Auskunft über den Namen: „Dieulefit. Im 12. Jahrhundert als Genesungs- und Erholungsort für heimkehrende Kreuzritter gegründet. Der Grundbesitzer stiftete den Boden für die Gründung der erforderlichen Gebäude. Im 13. Jahrhundert verschmolzen im Volk „Le Seigneur“ und „Dieu“, der ja auch „Seigneur“ genannt wird. Daraus wurde provençalisch: „Deo lou fe“, daraus „Dieu l’a fait“ und schließlich „Dieulefit“.
Doch an wen mögen die tapferen Bürger von Dieulefit gedacht haben? An einen Grundbesitzer aus dem 12. Jahrhundert? Doch wohl eher an Dieu, den Seigneur, dem sie folgten.
Papst Urban II [8] hatte einst mit seinem „Deus lo vult!“[9] zum Kreuzzug aufgerufen. Es ist schon eine Ironie der Geschichte, dass kriegsmüde Kreuzritter in „Dieu l’a fait“ ihre Leiden kurieren sollten.
Bei uns in Deutschland steht die Abwehr von Flüchtlingen hoch oben auf der Agenda. Erinnern wir an unsere Flüchtlinge nach ’45?
Lieber nicht. Das könnte zu mehr Menschlichkeit verpflichten.
Dafür haben wir jetzt einen „Heimatminister“, Dieser Seigneur wird’s schon richten.
Herr, schmeiß Herz ra!
Fußnoten
[1] Soweit nicht anders ausgewiesen sind viele Informationen in diesem Artikel der ausgezeichneten Sendung des Deutschlandfunks entnommen und nicht im Detail belegt. http://www.deutschlandfunk.de/dieulefit-refugium-in-zeiten-der-barbarei-spurensuche-in.media.44c3176f29c3cb3c7fa9e021c983a78d.pdf
[2] Namen auf http://www.ajpn.org/commune-Dieulefit-en-1939-1945-26114.html).
[3] „Die Gemeindesekretärin Jeanne Barnier stellte falsche Ausweise her.“ – und der Vichy-Bürgermeister wusste Bescheid. Zu Jeanne Barnier: http://www.ajpn.org/juste-Jeanne-Barnier-141.html
[4] „Dieulefit war eine wichtige Basis für Fallschirmabwürfe. Hier landeten sowohl Agenten, wie auch Material. Oben in Comps war das Gelände, wo viele wichtige Offiziere des Widerstands und Zivilpersonen mit dem Fallschirm gelandet sind.“ – „Der Protestantismus hier im Dauphiné ist ein Protestantismus, der den Israeliten, wie man die Juden damals nannte, nahe stand. Diese Nähe beruhte unter anderem auf ähnlichen historischen Erfahrungen. Schließlich handelt es sich um zwei verfolgte Minderheiten. Die Protestanten waren ja während der Religionskriege und unter Ludwig XIV. verfolgt worden. Das heißt, rund 2 Millionen Menschen hatten nach dem Widerruf des Edikts von Nantes keinerlei legalen Status mehr. Sie konnten fliehen und viele haben das getan, gingen nach Preußen. Die zweite Möglichkeit war, sich zu bekehren. Und die dritte Lösung war der bewaffnete Widerstand. Diese Tradition des bewaffneten Widerstands lebte während des 2. Weltkriegs neu auf. Es gab hier ein Netzwerk von Widerstandsgruppen mit sehr starken protestantischen Traditionen und als einzelne Pastoren zum Widerstand aufriefen, da stieß das bei den Protestanten hier auf offene Ohren.“
[5] so der Historiker, Pierre Vidal – Naquet, der als Jugendlicher mehrere Monate in der Stadt verbrachte.
[6] „Neun Einwohner/innen wurden als „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet: neben Jeanne Barnier und den Leiter/innen der zwei genannten Schulen die Landwirte Elie und Emilienne Abel, die Familienmitglieder von René Cassin schützten, und der Besitzer der Textilfirma von Dieulefit, Henri Morin, der Isaac Fabrikant aufnahm, dessen Eltern aus Belgien geflohen und 1942 nach Auschwitz deportiert worden waren.“ https://www.gedenkorte-europa.eu/content/list/406/
[7] https://www.gedenkorte-europa.eu/content/list/406/
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Urban_II. + https://www.flickr.com/photos/dierkschaefer/2560206821/in/photolist-4UeJhV + https://www.flickr.com/photos/dierkschaefer/6074437976/
[9] https://www.flickr.com/photos/dierkschaefer/6074437976/
alle Photos: dierk schäfer
Die „elegante“ Entsorgung der #Heimkinder-Ost
Die Thüringische Landeszeitung (TLZ) befragte den Soziologen Michael Hofmann von der Universität Jena über eine Studie zur sozialen und gesundheitlichen Lage ehemaliger DDR-Heimkinder in Thüringen[1] und ich berichtete darüber hier im Blog[2].
Nun gab es einen sehr fundierten Kommentar, der es lohnt, in einem eigenen Artikel zitiert zu werden.
Es wäre hilfreich, wenn Michael Hofmann darauf antworten würde.
Hier der Kommentar:
Zu Ihren Textbeitrag – „Zehntausende Schicksale: Soziologe aus Jena über Ex-DDR-Heimkinder in Thüringen“
Vom 10.05.2014 – 07:27 Uhr im Interview mit Soziologe Michael Hofmann von der Universität Jena über eine Studie zur sozialen und gesundheitlichen Lage ehemaliger DDR-Heimkinder in Thüringen, möchte ich folgendes richtig stellen.
Herr Hofmann –
Zu ihrer Antwort auf die Frage der TLZ: Landete man als renitentes Kind oder Jugendlicher tatsächlich schnell in einem Heim für Schwererziehbare?
Ihre Aussage laut TLZ:
„Nein. Denn was man inzwischen sagen kann, ist, dass die Eltern in der DDR in aller Regel dem Einweisungsbeschluss der Jugendhilfe zustimmten.“
Es gilt richtig zu stellen, dass es konsequent von den Jugendhilfen so gehandhabt wurde, dass die unangepassten Minderjährigen schnell, teilweise von heute auf morgen, in sogenannte Durchgangsheime eingesperrt wurden. Von der ersten Vorstellung bei der Jugendhilfe bis zum Heimeinweisungsbeschluss brauchten die Jugendhilfen zum Teil nicht mehr als 60 Minuten Gesprächsdauer. Darin war die Nötigung zur Einwilligung, die viele Eltern erfahren mussten, inbegriffen. Daher kann ein verallgemeinertes „Nein“ so nicht im Raum gestellt werden. Doch Gegenstand der Lebensbeeinträchtigung ist nicht die Beschlussfassung der Jugendhilfen, sondern die Verbrechen, denen die Minderjährigen in den Heimen erlagen. Daher spielt es keine Rolle, ob ein Jugendlicher aus einem zerrütteten Haushalt stammt. Die Frage die wirklich relevant ist, ist jene, ob bei Beschlussfassung die Jugendhilfen wussten, dass in den Heimen den Minderjährigen das Recht auf Bildung beschnitten ist. Denn dann hätten die Jugendhilfen die Heimeinweisung wegen Gefährdung des Kindeswohls gar nicht erst beschließen dürfen. Da die Minderjährigen gezwungen waren, an die heimischen Jugendhilfe Bericht zu erstatten, müssen die Jugendhilfen der DDR gewusst haben, dass den Kindern das Recht auf Bildung verwehrt wird. Daher dienten die Beschlüsse allesamt der Sachfremde und müssen kollektiv rehabilitiert, entschädigt und ausgeglichen werden. Dies verweigern bislang die Rehabilitierungskammern unter merkwürdigen Rechtsauslegungen, die vom Gesetzgeber so gesteuert werden, dass die meisten Rehabilitierungsanträge von minderjährigen Opfern abgelehnt werden.
Ihre Aussage laut TLZ:
„Spezialheime waren einfach nur strengere Erziehungsheime, in denen Schwererziehbare untergebracht waren. Der wesentliche Unterschied zu einem normalen Heim war die unterschiedliche Gewalterfahrung, die die Kinder und Jugendlichen in einem Spezialheim machten.“
Es gilt richtig zu stellen, dass die Opfer zu keiner Zeit behaupteten, dass in Spezialheimen oder Jugendwerkhöfen speziellere oder intensivere Führsorge stattfand. Die Opfer von Menschenrechtsverbrechen in Minderjährigkeit der DDR stammten überwiegend aus Spezialheimen, Jugendwerkhöfen und dem geschlossenen Jugendwerkhof Torgau. Es gab keine „Schwererziehbaren“ minderjährigen Opfer. Es gab nur Minderjährige Opfer, die der Norm der sozialistischen Jugendgesetze der DDR abwichen und ungepasst ihre Persönlichkeitsentwicklung selbst bestimmen wollten. Die Opfer haben zu keiner Zeit von der BRD gefordert, Normalkinderheime in die Frage nach dem Systemunrecht einzubeziehen. Systemunrecht bestand nur in Spezialheimen, Jugendwerkhöfen und in Torgau. Das mit Einbeziehen von Normalkinderheimen in die wissenschaftlichen Expertisen dient nur dazu, das Systemunrecht in Spezialheimen, Jugendwerkhöfen und in Torgau zu verschleiern und zu verharmlosen, damit die BRD das Systemunrecht nach Einheitsvertrag nicht zu entschädigen braucht. Wir Opfer fordern wissenschaftliche Expertisen die nur die Insassen von Spezialheimen, Jugendwerkhöfen und Torgau betreffen, damit das Systemunrecht klar und deutlich vor Augen geführt werden kann.
Ihre Aussage laut TLZ:
„Aber mit ihren einfachen Berufsabschlüssen blieb ihnen eine Etablierung in der Mitte der Gesellschaft meist dennoch verwehrt. Sie waren billige Arbeitskräfte, schon während ihrer Lehre in den Heimen und danach in der DDR. Die niedrige Qualifikation rächte sich zudem mit der Wende: Die ehemaligen Heimkinder waren die Ersten, die aus den Betrieben rausflogen.“
Es gilt richtig zu stellen, es gibt keine „einfachen“ Berufsabschlüsse und gab niemals welche. In den Jugendwerkhöfen gab es nur Zwangsarbeit. Diese Zwangsarbeit wurde mit der List der Täuschung der Minderjährigen und ihrer Eltern erreicht. Es musste ein „Lehrvertrag“ von den Minderjährigen unterschrieben werden, der zum Teilfacharbeiter führen konnte, wenn die Jugendlichen länger als 14 Monate inhaftiert waren. Dieser „Teilfacharbeiterbrief“ fand nach der Entlassung in der Lohnberücksichtigung keinerlei Anwendung. Sie erhielten nur den Lohn von ungelernten Kräften. Das erzwungene vermeintliche „Lehrverhältnis“ der Zwangsarbeit verstieß zudem gegen das Recht der freien Berufswahl, weil zumeist alternativlos Berufe in den Jugendwerkhöfen angeboten wurden und diese nach Gruppen, in die man gesteckt wurde, zugeteilt waren. Ist man in Gruppe 8 gesteckt worden, wurdest du Hilfstischler, in Gruppe 5 Hilfsgärtner oder in Gruppe 1 Hilfsmaurer. Ob ein Interesse für diese Tätigkeiten bestand, interessierte nicht. Unbeachtet bleibt auch die Bildungsfrage, weil die Inhaftierten zu meist aus den Bildungsweg gerissen wurden. Das Schulgesetz der DDR sah jedoch vor, dass wenn ein Lehrvertrag abgeschlossen wurde, den Minderjährigen es ermöglicht sein muss, den Schulabschluss nebenher abschließen zu können. Gegen dieses Gesetz verstießen über 90 % aller Jugendwerkhöfe und Spezialheime. Allein aus der Bildungsvorenthaltung entstehen den Opfern bei ihrer derzeitigen Lebenserwartung finanzielle Nachteile von 450 000,- Euro gegenüber dem Durchschnittsverdiensten der Deutschen Arbeitnehmer. Durch den Nachteil sind die Opfer politisch, beruflich und finanziell so weit benachteiligt, dass sie ihre sich in Zukunft bietenden Lebenschancen nicht nutzen können. Dies schränkt die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Opfer verfassungswidrig auf Lebenszeit ein. Hieraus entstehen den Opfern Rechte auf Entschädigung der erlittenen Verbrechen und Ausgleich der Folgeschäden. Bislang erhielten diese Opfer keine Entschädigung und keinen Ausgleich.
Ihre Aussage laut TLZ:
„Was hier geschehen ist, ist Staatsunrecht gewesen.“
Es gilt anzumerken, dass „Staatsunrecht“ der DDR nur Unrecht des SED-Regimes gewesen sein kann. Demnach muss das SED-Unrechtsbereinigungsgesetz greifen, das Teil des Einheitsvertrages ist. Dafür wurde ein Strafrehabilitierungsrecht geschaffen. Hier will der Bundesdeutsche Gesetzgeber aber nur Opfer politischer Willkür anerkennen, so dass die DDR-Jugendhilfebeschlüsse nicht rehabilitiert werden, weil darin nichts von politischer Willkür steht. Das Rehabilitierungsrecht sieht zu dem nicht vor, Minderjährige Opfer der alten BRD mit zu berücksichtigen, was die Gleichheit vor dem Gesetz widersprechen täte. Das herkömmliche Opferentschädigungsgesetz bietet nur Entschädigung für Schäden aus „Krankheiten“, die durch Bildungsvorenthaltung nicht entstehen. Das SGB VIII ist zeitlich begrenzt, da es nur für Bürger bis 26 Jahren anwendbar ist, um eventuell Bildung nachholen zu können. Den Opfern von Bildungsvorenthaltung fehlt daher ein Gesetz, um die Rechte aus Art. 39 der Kinderrechtskonvention einklagen zu können, um die Würde genesen zu lassen und wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden zu können. Zudem bräuchten die Länder eine Gesetzesgrundlage um überhaupt Entschädigen zu dürfen. Alle Versuche, den Bundestag zu solch Schaffung einer Gesetzesgrundlage zu bewegen, scheiterten bislang.
Ihre Aussage laut TLZ:
„Die Thüringer Landesregierung hat sich sehr frühzeitig dem Thema zugewandt und sehr sensibel reagiert. Bei der Entstehung des Entschädigungsfonds nahm sie eine Vorreiterrolle ein. Es ist gut, wenn Unrecht nicht tatenlos zur Kenntnis genommen wird, sondern Antworten gegeben werden, wie man Nachteile aus diesem erlittenen Unrecht zumindest teilweise kompensieren kann.“
Es gilt richtig zu stellen, dass es zu keiner Zeit einen Entschädigungsfonds gibt oder gab! Es kann auch nicht für „gut“ geheißen werden, wenn Schäden aus „Unrecht“ „nur“ teilweise kompensiert werden. Vielmehr ist es ein erneutes Unrecht, das sich dem eigentlichen Unrecht dazugesellt, wenn man dem Unrecht als Staatsgewalt in gesetzgebender Form nicht in dem Maße entgegentritt, dass Bürgern des Staates in gerechter Weise befriedet werden, dass ihnen die Genesung der Würde und Wiedereingliederung in die Gesellschaft gelingt. Mit einer Teilkompension kann das nicht gelingen und einem Untätigbleiben der gesetzgeberischen Gewalt des Bundestages kann auch keine Gerechtigkeit hergestellt werden. Denn wenn es Unrecht gab muss Recht geschaffen werden. Recht braucht auch immer den Anspruch auf Recht. Das heißt nichts anderes, als die Schaffung von Entschädigungsgesetzen. Da es für minderjährige Opfer von Menschenrechtsverbrechen dieser Art keine passenden Gesetze in Deutschland existieren, benötigt Deutschland ein Minderjährigen-Opferentschädigungsgesetz, dass den Normen des Art. 39 der Kinderrechtskonventionen entspricht und für alle Bürger gilt, die als Minderjährige Opfer von Menschenrechtsverbrechen wurden. Dies verweigert der Bundestag bisher vehement. Zuletzt mit der Entscheidung über die Petition 3-17-11-84-045082 über die Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses BT-Drucksache 18/1098. Zudem versagt die Bundesregierung diesen Opfern das Recht auf Individualbeschwerde vor dem Komitee der UN -Kinderrechtskonvention in Genf, so dass die Opfer sich nicht einmal darüber beim zuständigen Menschenrechtskontrollorgan darüber beschweren können. Aus der Sicht der Opfer ein Verbrechen an ein Teil der eigenen Bürger Deutschlands, dass in seiner Art und Weise und Größenordnung die Anwendung des Rechtsbegriffs “Völkerrechtsverbrechen” erlaubt, weil es alle Kriterien für diese Definition erfüllt. Die Opfer hingegen befinden sich in einem Stadion ihrer Selbsterkenntnis, dass sie politisch, beruflich und finanziell benachteiligt, in dieser Gesellschaft Menschen zweiter Klasse sind. Ein Staat der zweierlei Klassifizierungen unter seinen Bürgern toleriert, galt einst als Schurkenstaat. Die Opfer könnten ein solches Verhalten Einzelner des Bundestages als Angriff auf die Grundordnung sehen und zur Abwehr gegen den Angriff vom Notstandsrecht Art. 20 Abs. 4 GG als Verfassungshilfe gebrauch machen. Dies wäre in der Geschichte der Bundesrepublik der erste Fall von Notstand, der jedoch durch die allgemeine Unzufriedenheit der Bürger Deutschlands als Initialzündung zur “Revolution” missverstanden werden könnte, um das Land in Zustände zu versetzen, wie es sie in der 68-iger Bewegung gab. Es ist durchaus vorstellbar, wenn die Bundesrepublik den Opfern weiterhin ihre Rechte vorenthält, dass ein solches Szenario bald Realität werden könnte. Möge Ursache und Wirkung dann Berücksichtigung finden, wenn die Verantwortlichen sich vor Gerichten stellen müssen. Denn die Verbrechen an den Opfern hatten und haben die BRD- Regierungen wegen ihrer vernachlässigten Aufsichtspflicht zu verantworten.
Mit freundlichen Grüßen Frankfurt am Main den, 11.05.2014
Robby Basler
Beiratsvorsitzender des DEMO e.V. (Die ehemals minderjährigen Opfer)
[1] Soziologe Michael Hofmann von der Universität Jena über eine Studie zur sozialen und gesundheitlichen Lage ehemaliger DDR-Heimkinder in Thüringen. http://www.tlz.de/startseite/detail/-/specific/Zehntausende-Schicksale-Soziologe-aus-Jena-ueber-Ex-DDR-Heimkinder-in-Thueringe-901805160
[2] https://dierkschaefer.wordpress.com/2014/05/11/ost-west-vergleich/
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