Dierk Schaefers Blog

Ein Riß geht durch Deutschland – Erst jetzt?

Posted in BRD, Politik by dierkschaefer on 25. September 2017

Die Funktionseliten unseres Landes haben im Rausch der wirtschaftlichen Erfolge die Kollateralschäden übersehen, die der korrumpelhafte Erhalt und Ausbau ihrer Macht bewirkt hat. Sie sonnten sich im Lichte und sahen die im Dunkel nicht. Wer Einblick in prekäre Verhältnisse hat, wer trotz aller Großbauprojekte die marode Infrastruktur dieses Landes sieht, wundert sich nicht über die Quittung, die leider nicht nur die Funktionseliten, sondern wir alle mit dieser Wahl bekommen haben. Das Ressentiment der Modernisierungsverlierer hat den Wahlkampf bestimmt und die AfD in Sachsen an die Spitze getragen. Ohnehin: Es begann mit dem Anschluss des Ostens an die wirtschaftlichen Interessen der westdeutschen Konzerne, zuvor der Versicherungen. Es folgte der Auszug der leistungsbereiten jungen Generation in den Westen – zurück blieben die weniger fitten und die Alten, dafür haben wir ihnen die maroden Städte denkmalsgeschützt restauriert – doch wer will schon Statist im Freilichtmuseum sein? Überlagert wurde die innerdeutsche Entwicklung durch die Globalisierung. Das Prekariat der Welt produzierte billiger als das unsere. Wer nicht einmal Hungerlohnarbeit fand machte sich auf den Weg, denn unser Wohlstand überstrahlte die Gefahren. Damit war der Verteilungskampf um Geld und Aufmerksamkeit eröffnet. „Die kriegen alles in den Arsch geschoben!“ Das wurde angeheizt durch Sprüche von Besserverdienenden: „Hättste was ordentliches gelernt, bräuchteste keine drei Minijobs.“ Wer so abgefertigt wird, geht entweder gar nicht zur Wahl oder wählt Protest – meist rechts. Vorher hat er schon gesehen, wie Banken gerettet wurden – aber er nicht, gesehen, wie die Autoindustrie als kriminelle Vereinigung den Staat vorgeführt hat. Nur die Autoindustrie? Sofern er sich überhaupt noch politisch informiert, hat er auch gesehen, dass die Parteien Transparenz fürchten, wie der Teufel das Weihwasser.

Nicht nur die Infrastruktur dieses Landes ist marode, sondern auch seine politische und seine Sozialstruktur. Hoffentlich sind die verdientermaßen gebeutelten Funktionseliten jetzt lernfähig und fügen die auseinanderstrebenden Schichten wieder zusammen. Sonst siegt das Ressentiment. Es äußert sich beängstigent.

Das Magazin der Stuttgarter Staatstheater gibt in seiner Herbstausgabe einen Blick in den Abgrund frei: mordgesindel

Volk ohne Stauraum

Posted in Deutschland, Ethik, Gesellschaft, Leben, Moral, Nazivergangenheit, Politik, Recht, Soziologie, Staat by dierkschaefer on 5. September 2016

Wieso? Der Verkehrsfunk meldet doch immer kilometerlange Staus auf den Autobahnen. Jede Menge Stauraum. Richtig, aber hier geht es um den privaten Stauraum – und der reicht nicht aus.

Das mit der Mülltrennung und dem Gelben Sack war schwierig genug, doch das haben wir einigermaßen hingekriegt nach dem Motto: Raum ist in der kleinsten Küche.

Aber nun das: Haben Sie Platz für drei Six-Pack Mineralwasser pro Person? – jede Flasche mit 1,5 Liter. Bei einem Dreipersonenhaushalt sind das 9 Six-Packs, mehr als eine Lage auf der Discounterpalette. Ja, kann man auch stapeln. Doch dann wird’s schwierig. Der Vorrat soll umfänglich erhalten bleiben. Was Sie verbrauchen, müssen Sie nachladen, also die neuen Sixpacks immer nach unten. Doch der Wasservorrat allein reicht nicht. Wenn Sie noch nicht in der Zeitung gelesen haben, was Sie für den Notfall alles brauchen, um zwei Wochen zu überleben, dann fordern Sie doch beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe die Broschüre an: http://www.bbk.bund.de/SiteGlobals/Forms/Warenkorb/BBK/DE/Warenkorb_Formular.html?cart4256416=%2B1 . Dort erfahren Sie, was Sie alles brauchen, und das ist viel mehr, als reines Wasser. Und alles muss „umgewälzt“ werden: Erst das Alte verbrauchen und das Neue alt werden lassen. Aber wohin damit, wird nicht gesagt.

Doch auch das ist nicht alles.

Ihre Normalvorräte, durchschnittlich für etwa drei Tage ausreichend, wie man liest, Ihre Normalvorräte also lagern größtenteils im Kühlschrank und im Tiefkühlschrank. Stromausfall gehört zu den meisten Notfallszenarios. Also brauchen Sie ein Notstromaggregat. Das paßt notfalls in die Garage, wenn Sie eine haben. Doch der Dieselvorrat dafür darf dort nicht mit rein, selbst wenn Platz wäre. Von dieser sinnvollen Vorsichtsmaßnahme ist aber gar nicht die Rede. Denn dann würden die Leute merken, was für realitätsferne Ratschläge auf sie niederprasseln.

Wer soll das verstauen, wer hat so viel Platz?

Das Volk ohne Stauraum reicht bis hoch in die Mittelschicht hinein. Selbst in einem Häuschen à la Helmut Schmidt[1] dürfte kaum Platz für die erforderlichen Vorräte sein. Dann vielleicht doch die Garage? Wer keine eigene hat, also all die Menschen mit oder gar ohne Tiefgaragenstellplatz, ist genau so dumm dran, wie ein Obdachloser. Da wären sicherlich auch manche MdB betroffen. Wissen die das schon? Sie sollten eine Garage mit Notstromaggregat beantragen Wo: Beim Innenministerium, dort im Bundesamt … Wo? Ach Sie wissen ja schon, wer sich über uns lustig macht.

So steht es mit der Privatisierung staatlicher Aufgaben: Man ist selbst der Dumme.

Ganz dumm dran sind die ganz Armen – wie immer. Die sollen laut Sozialministerium wie jedermann die Zusatzkosten so nebenbei rausschwitzen. Nach Schätzungen für einen Dreipersonenhaushalt ein halber Tausender. Für uns Bessergestellte kein Problem – vom Raum abgesehen. Aber die auf das Existenzminimum reduzierten Sozialhilfeempfänger[2] können das nicht, selbst wenn sie die schon abgelaufenen Lebensmittel bei der Tafel einkaufen. Steckt hinter dieser ministeriellen Lösung vielleicht gar ein Endlösungsgedanke? Sind Sozialschmarotzer[3] nicht verzichtbar? Nach den Vorgaben werden sie eine länger anhaltende Katastrophenlage nicht überleben. Die können wir also abschreiben, das erleichtert uns anderen den Neustart nach der Katastrophe. Wir sind dann auch die Obdachlosen los, auch die Alten in den Heimen, weil das Heimbudjet solche Sonderausgaben nicht vorsieht.

Was tun?

Wer Sozialhilfe bezieht und Wohngeld, sollte bei seinem Sozialamt den Antrag stellen, den Flächenbedarf neu zu berechnen. Denn die zusätzlichen Quadratmeter für die nun heiß empfohlenen Vorräte sind bisher noch nicht berücksichtigt worden.

Ohnehin sollte dieser Bedarf in die Bauordnungen aufgenommen werden, ein Autostellplatz pro Wohnung ist ja auch drin.

 

Ein Vorschlag ohne großen Platz- und Finanzbedarf: Kinder kauft Kämme, ’s kommen lausige Zeiten.

[1] Strauss machte sich darüber lustig.

[2] https://www.jungewelt.de/2016/09-01/028.php + https://deutsch.rt.com/inland/40203-kein-notvorrat-fur-hartz-iv/

[3] Die Nazis sprachen von Ballastexistenzen https://de.wikipedia.org/wiki/Ballastexistenzen . Immerhin wissen wir nach dieser Sozialabsage nun, auf welchen Denkhorizont wir uns hinbewegen.