Dierk Schaefers Blog

Prostitution – ein normales Geschäftsmodell?

Posted in Gesellschaft, Politik by dierkschaefer on 9. Juni 2015

Prostitution wird oft als das älteste Gewerbe bezeichnet. Das Geschäftsmodell „sexuelle Dienstleistungen“ ist dabei nicht immer als solches erkennbar. Mätressen sind nicht gemeint, auch nicht die ehrbaren Frauen, die bei der Eheschließung vorrangig an Versorgungssicher­heit gedacht haben. Sexuelle Gefälligkeiten zur Beförderung der Karriere werden nur strenge Moralapostel als Prostitution bezeichnen.

Was sind normale Geschäftsmodelle? Da finden wir Bäcker und Banker, Maurer und Makler, Jobber und Jongleure, Politiker und Poeten – ach, die Liste muß unvollständig bleiben.

Grundsätzlich gilt, dass der Staat in die Marktbeziehungen nur eingreifen darf, soweit es aus sachlicher, aber auch aus verwaltungstechnischer Notwendigkeit erforderlich ist, ohne darüber hinaus bestimmte Personen oder Branchen zu diskriminieren. Doch das geschieht weiterhin, indem für sexuelle Dienstleistungen besondere, diskriminierende Geschäftsbedingungen vorgeschrieben werden.

»Dagegen organisiert das Bündnis „Plattform Frankfurt 13. Juni“, das von Dona Carmen e.V. unterstützt wird, für den 13. Juni 2015 in Frankfurt/Main eine bundesweite, zentrale Protestaktion gegen das von Schwesig beabsichtigte „Prostituiertenschutzgesetz“ unter den Forderungen:

  • Freie berufliche Betätigung in der Prostitution!
  • Rechtliche Gleichstellung von Sexarbeit mit anderen Erwerbstätigkeiten!
  • Regulierung von Prostitutionsstätten nach § 14 Gewerbeordnung – Schluss mit Sonderrecht!
  • Anerkennung selbständiger Prostitution als freiberufliche Tätigkeit!«[1]

Ich habe den Abschlussbericht „Der Runde Tisch Prostitution Nordrhein-Westfalen“ gelesen und unterstütze die Forderungen der „Plattform Frankfurt 13. Juni“.

Hier der Abschlussbericht: prostitution RTP_Abschlussbericht

Ein weiterer Link: https://dierkschaefer.wordpress.com/2013/12/04/4774/

[1] http://www.donacarmen.de/pressemitteilung-schwesigs-prostituiertenkontrollgesetz-tritt-grundrechte-mit-fuessen/

Wer »das Geld für die lieben Kleinen zusammenvögelt, …«

Posted in Gesellschaft, Politik by dierkschaefer on 5. Februar 2015

»… weil der Mindestlohn nach Abzug der Kitagebühren kaum mehr für die Miete, geschweige denn für den Sportverein oder die Klassenfahrt reicht«, dem oder richtig: der ist mit dem Prostitutionsgesetz nicht geholfen, eher im Gegenteil.

Das schreibt logisch stringent Despina Castiglione im FAZ-Blog „Stützen der Gesellschaft“[1]. Die Stützen der Gesellschaft, soweit es sich um gewisse Damen handelt, benötigen Schutz und Aufklärung. Früher machte das der Loddel, nun der Staat.

Castiglione »deucht aber, dass es bei dem, was man sich für die Prostituierten jetzt ausgedacht hat, eben wieder nicht darum geht, die Sexdienstleistenden besser zu stellen. Die Kondompflicht für Freier ist ein Bonbon, mehr nicht, hingeworfen um sagen zu können: „Schaut, wir stärken die Dienstleistenden gegenüber den Freiern!“ Der Rest ist Kontrolle, Sonderbehandlung und Ausgrenzung aus dem normalen Wirtschaftsleben, ist Datensammelei und ganz sicher nicht das, was man als einen mutigen Schritt hin zu Normalisierung, Anerkennung und Entkriminalisierung -also schlicht heraus aus der Grauzone und hinein in die Gesellschaft, zu der wir eh gehören, bezeichnen hätte können.«

 

Wer zum Kundenkreis dieser Dienstleistenden gehört, wird nichts an dem neuen Gesetz auszusetzen haben. Die Machtverhältnisse bleiben erhalten. Business as usual.

[1] Gespeichert und verdammt in alle Ewigkeit http://blogs.faz.net/stuetzen/2015/02/05/gespeichert-und-verdammt-alle-ewigkeit-4929/

Runder Tisch Prostitution

Posted in Gesellschaft, Politik by dierkschaefer on 7. November 2014

»Prostitution ist kein Beruf wie jeder andere. Wer ihn aber ausüben will, soll dies nach Auffassung der Landesregierung unter rechtsstaatlichen und menschenwürdigen Bedingungen tun können. Prostituierte sollen nicht an den Rand der Gesellschaft gedrängt und stigmatisiert sein, denn so laufen sie Gefahr, Opfer von Ausbeutung, Gewalt und sexuellem Missbrauch zu werden. Bisher hat allerdings das Prostitutionsgesetz die rechtliche und soziale Akzeptanz von Prostituierten nur teilweise erreicht.

Um in Nordrhein-Westfalen für weibliche und männliche Prostituierte zu einer Verbesserung der Situation zu kommen und Prostitution aus der gesellschaftlichen Grauzone heraus zu holen, hat die Landesregierung Anfang 2011 einen Runden Tisch Prostitution eingerichtet.[1]«

Wie man sieht, können Runde Tische durchaus positive, sachlich fundierte Ergebnisse hervorbringen. Nicht auszudenken, wenn Frau Vollmer den Vorsitz gehabt hätte.

[1] http://www.mgepa.nrw.de/emanzipation/frauen/frau_und_beruf/runder_tisch_prostitution/index.php

http://www.mgepa.nrw.de/mediapool/pdf/emanzipation/frauen/RTP_Abschlussbericht.pdf.

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Prostitution – Eine durch und durch scheinheilige Debatte[1]

Posted in Gesellschaft, Justiz by dierkschaefer on 4. Dezember 2013

Dann ist es also Aufgabe der Polizei, dafür zu sorgen, daß der Geschlechtsverkehr auf der Reeperbahn problemlos vonstatten gehen kann? Der Leiter der Davidswache stutzte etwas bei meiner Frage und bejahte sie dann.

Er hatte zuvor den damals wohl üblichen beruflichen Werdegang einer Prostitutierten geschildert, dazu die touristische Bedeutung des Hamburger Rotlichtviertels. Das war damals fast noch romantisch. Er hatte aber auch gesagt: Zu Beginn kann sie sich die Freier noch aussuchen, ist sie aber älter, muß sie mit jedem stinkigen Kerl auf die Matte. Das war dann weniger romantisch. Es hat uns auch nicht sonderlich überzeugt, daß die Polizei eher an Kundenschutz denkt, als an den Schutz der Damen.

Wer vorgestern den einschlägigen Artikel in der FAZ gelesen hat[2] weiß, daß der Schutz der Frauen weiterhin eine untergeordnete Rolle spielt. Da ist zwar von Armutsprostitution und von Menschenhandel die Rede. Doch im Hintergrund steht etwas anderes, denn diese Aspekte hätte man schon längst effektiv aufgreifen können. Doch Vorschläge, man könne doch jeder Frau (und jedem Mann), die ihren Schlepper oder Ausbeuter vor Gericht bringt, Zeugenschutz gewähren und eine befristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis geben, solche Vorschläge wurden als nicht praktikabel abgewiesen.

Nun sind die Probleme dank Ost-Zuzug explodiert. Die Prostituierten, von denen der Hamburger Revierführer sprach, scheint es nicht mehr zu geben, dafür illegal importiertes „Frischfleisch“, teils noch minderjährig und in die Branche mit Gewalt hineingezwungen. Das sind unhaltbare Zustände. Aber da man gegen das Milieu selbst anscheinend machtlos ist, will man die oft eher bürgerlichen „Freier“ belangen.

Prostitution, ihre gesellschaftliche Ächtung und Pönalisierung haben eine lange Geschichte. Nicht ohne Grund spricht man vom ältesten Gewerbe. Trotz der Ächtung haben die Herr-schaften jedoch die sexuellen Dienste seit alters her in Anspruch genommen. Auch im Alten Testament findet sich eine Episode, die belegt, daß es für einen Mann keine Schande war, eine Hure zu besuchen.[3] Und Konzilien hatten wie die Heere Prostituierte im Gefolge.[4]

Ergebnis der religiös begründeten Ächtung war, daß dieses Gewerbe in den Schmuddelbereich abgedrängt und ein kriminogenes Milieu geschaffen wurde.

Wir haben es jedoch mit einem dauerhaften Dienstleistungsmarkt zu tun, mit Angebot und Nachfrage. Dieser Markt, solange er im Graubereich bleibt, ist jedoch durch Regeln nicht zu bändigen. Die rechtliche Anerkennung als Dienstleistungsgewerbe hat allerdings die Probleme nicht beseitigen können.

Darum nun also die „Freier“. Die Argumente jedoch stimmen nicht, denn sie zielen auf die Hoffnung, man könne diesen Markt einfach verbieten. Wer sich an die Nachkriegszeit mit den Schwarzmärkten erinnert, weiß, daß das nicht klappen kann.

Zudem ist die Debatte scheinheilig. Sie nimmt nicht in den Blick, daß wir auch einen Sklavenmarkt für illegale Arbeiter haben, daß auch sonst manche Arbeitsverhältnisse zwar nicht aus bitterer Armut, aber doch ausschließlich wegen des Gelderwerbs zum Überleben eingegangen werden. Die Gesetzesvorschläge beschränken sich (noch) darauf, die wissentliche Nutzung von Zwangsprostitution zu bestrafen. Doch man blendet dabei die Lage der Arbeiterinnen in Bangladesh aus, die ohne angemessene Sicherheitsvorkehrungen und für einen Hungerlohn die billigen Textilartikel herstellen, die wir massenhaft kaufen. Doch Arme können nur verkaufen, wofür sie einen Markt finden. Seit dem Kardinal Frings in seiner Silvesterpredigt den Notmundraub rechtfertigte, haben außergewöhnliche Umstände auch Eingang in die Morallehre gefunden.[5]

Hier geht es aber um eine verengte Moral. Die Debatte wird nur scheinbar unter humanitären Aspekten geführt – und die Sozialarbeiterinnen warnen deutlich vor den geforderten Maßnahmen. Es geht letztlich nicht um gerechte Marktbedingungen, sondern um die Sakralisierung des weiblichen Körpers, wie wir sie aus der Marienverehrung kennen, diesmal nur in säkularisierter Form. Die „Verrichtungsboxen“, wie im FAZ-Artikel abgebildet, mögen zwar Sicherheit bieten, belassen das Gewerbe jedoch im abschreckend unästhetischen Schmuddelbereich. Hier sollte man sich bessere Lösungen einfallen lassen.

Da das Thema heikel ist und man leicht in ein falsches Licht kommen kann: Ich selber habe noch nie solche Dienstleistungen[6] in Anspruch genommen.


[3] 1. Mose; 38, 1 – 26

Prostitution – Zwang oder normaler Job?

Posted in Gesellschaft by dierkschaefer on 4. November 2013

Eine gute Zusammenstellung der derzeitigen Diskussion über Prostitution ist unter http://menschenhandelheute.net/2013/11/03/in-der-presse-appell-fur-und-gegen-prostitution/ zufinden mit den nötigen Differenzierungen.

 

Übrigens: #Zwangsprostitution ist genauso schlimm wie #Zwangszölibat.