Dierk Schaefers Blog

Heuchelei wirft der Kardinal der Gesellschaft vor

– nein, nicht der Gesellschaft Jesu, sondern uns allen. „Was in der Kirche an Missbrauch passiert ist, ist nichts anderes, als was in der Gesellschaft überhaupt geschieht,“ sagt er[1].

Sortieren wir mal:

Wer ist „die Gesellschaft“? Zunächst wir alle. Das kann er nicht gemeint haben. „Wir“ artikulieren uns normalerweise nicht, können nicht erkennbar heucheln. Also kann er den Einzelnen in der Gesellschaft keine Heuchelei vorwerfen. Die Gesellschaft äußert sich über ihre Medien, über die Gesetzgebung und die Rechtsanwendung. Er nenne mir also auch nur einen Fall von Missbrauch, der bekannt und nicht als Rechtsbruch, als Skandal gewertet wurde. Was an Missbrauchsfällen bekannt wird, wird als krimineller Akt behandelt.[2] Es sei denn, die Täter befinden sich unter dem Schutz der Kirche, die solche Fälle verschleppt, bis sie verjährt sind. Ja, es ist bekannt, dass in den Familien vielfach Missbrauch geschieht. Doch die erkannten Täter werden verurteilt. Wo ist da die Heuchelei, Herr Kardinal? Heucheln tun die Schuldigen, die unschuldig tun. So wie Sie Herr Kardinal für Ihre Institution.

Doch es kommt noch schlimmer: „Der eigentliche Skandal sei, dass sich die Kirchenvertreter in diesem Punkt nicht von der gesamten Gesellschaft unterschieden.“ So wird er zitiert. Nicht also der Missbrauch ist ein Skandal, sondern die Normalität der geweihten Vertreter dieser Kirche. Sie missbrauchen halt, es tun doch alle. Doch das macht sie gleich, die doch ungleich sind. Priester in den Fängen des Teufels?P1040677 d.jpg

Was bedeutet das?

Es geht um das Crimen sollicitationis[3], um die delictis gravioribus.[4] Da geht es zunächst um die Heiligkeit der Sakramente. Die ist wichtig, nicht so sehr die Missbrauchten. So ist für den Herrn Kardinal weniger der Missbrauch von Bedeutung, als der character indelebilis[5], hier das Weihesakrament. Dieses könnte beeinträchtigt sein, wenn der Geweihte nicht nur ein ganz normaler Sünder ist, sondern ein ganz spezieller, einer, dem der Mühlstein um den Hals gebührt.[6]

Meine erste Reaktion auf den Artikel im Spiegel war ein Tweet:

Auf die Frommen

lass ich nichts kommen,

doch die Bigotten,

gehören gesotten.

Wenn der Kardinal selber kein Missbraucher ist, so ist er ein Relativierer, ein Vertuscher. Er ist nicht fromm, er ist bigott.

Dass seine heilige Kirche selber sündig sein könnte, das passt wohl nicht in seine Weltan­schauung. Andere Bischöfe sind da weiter. Machtmissbrauch stecke in der DNA der Kirche, sagt der Hildesheimer Bischof[7], und vor ihm haben schon andere von einer sündhaften Kirche gesprochen.[8] Doch Walter Brandmüller[9] sitzt höher, im Vatikan. Am gründlichsten hat bisher wohl der Theologe Gregor Maria Hoff [10]die theologische Problematik beleuchtet. Er schreibt: „Der kirchliche Schutz galt bis in die Gegenwart nicht zuerst den Opfern, sondern der Kirche, präziser: dem klerikalen Stand, dem diejenigen angehören, die in der Kirche über die Aufklärung von Missbrauch zu entscheiden haben.“ Als ich mich im Studium mit dem Donatismus beschäftigte, hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ausgerechnet die Abwehr dieser „Ketzerei“ dazu führen könnte, dass missbrauchende Priester ihre Taten bagatellisieren können, weil ja „die Sakramente, insbesondere Taufe und Priesterweihe, unabhängig von der persönlichen Würdigkeit des Spendenden gültig seien.[11] Der Kardinal scheint an diesem Dogma seiner Kirche zu zweifeln.

 

Doch gemach: Brandmüller feiert heute seinen 90sten Geburtstag. Ich gratuliere ihm und erteile ihm Absolution. Vielleicht ist er ja bereits dement und weiß nicht mehr so richtig einzuschätzen, was er sagt.

PS: Eine pikante Note erhält das Problem bei Alma Mahler und dem Priester Johannes Hollnsteiner. Sie „war von dem Gedanken, ein Verhältnis mit einem katholischen Priester zu haben, geradezu elektrisiert. Er kam ab Anfang 1933 fast täglich zu ihr und erklärte ihr, dass Keuschheit für einen Priester eher symbolisch ist, sie gelte nur in Verbindung mit dem Talar. Almas Tochter Anna erinnerte sich dass ihre Mutter aufgewühlt erzählt habe, „dass sie sich verliebt hat. Und dass es sie so aufregt, wenn sie den Mann – sie ist in die Messe gegangen – im Talar sieht. […] Und dann hat sie ihn gefragt, wie das nun also ist. Da hat er ihr erklärt, ja, das mit der Keuschheit, das ist immer nur währenddem man das anhat. Sonst ist es gar nicht notwendig“. [12]

Fußnoten

[1] http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/walter-brandmueller-kardinal-nennt-empoerung-ueber-missbrauch-in-der-kirche-heuchelei-a-1246364.html

[2] Dass zuweilen die Verurteilungen unzureichend erscheinen, steht auf einem anderen Blatt.

[3] Crimen Sollicitationis https://www.atheisten-info.at/downloads/delictis.pdf – Dort auch der „Satirische Song“ von Ska-P2 in deutscher Übersetzung:

Das Verbrechen der Anstiftung

Diener Gottes…….

Berührungen, Sakramente, Fellationen, Schwüre….

Ich lehre dich die Doktrin in Form von Erektion….

Kindesmissbrauch , Perversion und reiner Unart….

Unter meiner Soutane kannst du Gott begegnen….

[4] https://de.wikipedia.org/wiki/De_delictis_gravioribus und lustig: der Link http://www.vatican.va/archive/aas/documents/AAS%2093%20%5B2001%5D%20-%20ocr.pdf funktioniert nicht mehr. Doch das Netz vergisst nichts: https://web.archive.org/web/20100323010207/http://www.uni-tuebingen.de/uni/ukk/nomokanon/quellen/023.htm Notfalls ist die Datei auch bei mir zu finden. Dazu auch: Dierk Schäfer, Wir sind nicht mehr Papst: https://dierkschaefer.wordpress.com/2013/02/11/wir-sind-nicht-mehr-papst/

[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Character_indelebilis

[6] Wer soll den Mühlstein um den Hals kriegen – und dann ab mit ihm ins Meer? https://dierkschaefer.wordpress.com/2018/10/17/wer-soll-den-muehlstein-um-den-hals-kriegen-und-dann-ab-mit-ihm-ins-meer/

[7] https://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/wilmer-machtmissbrauch-steckt-in-dna-der-kirche

[8] https://dierkschaefer.wordpress.com/2013/09/17/strukturelle-sunde-und-schuld-der-kirche/ + https://dierkschaefer.wordpress.com/2018/09/30/die-theologische-bankrotterklaerung-eines-papstes/ + https://dierkschaefer.wordpress.com/2012/04/26/rede-gegenrede-antwort/ + https://dierkschaefer.wordpress.com/2011/09/11/11-september/

[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Brandm%C3%BCller

[10] Gregor Maria Hoff, Kirche zu, Problem tot, Theologische Reflexionen zum Missbrauchsproblem in der katholischen Kirche: Kursbuch 196, (ed. A. Nassehi, P. Felixberger), Religion, zum Teufel, S. 26 – 41

[11] https://de.wikipedia.org/wiki/Donatismus

[12] http://www.alma-mahler.at/deutsch/almas_life/hollnsteiner.html

Nein, sie schämen sich nicht

Posted in Kinder, Kirche, Kriminalität by dierkschaefer on 3. Juli 2015

Die Deutsche Bischofskonferenz hält sich in einem Missbrauchsfall zugute, »dass man die Eltern der betroffenen Kinder aufgefordert habe, einen Antrag auf Leidanerkenntnis zu stellen, obwohl das Verfahren in Südafrika eingestellt worden sei.«[1] Von Schuld oder wenigstens Verantwortung keine Rede.

Sie haben nichts hinzugelernt, sonst würden sie immerhin so tun, als ob sie sich schämen.

[1] http://www.publik-forum.de/Religion-Kirchen/missbrauch-hat-die-kirche-gelernt

Befragung katholischer Seelsorger: Spiritualität als Dreh- und Angelpunkte der Persönlichkeit; diese Leute sind engagierter, gesünder und zufriedener.

Posted in Kirche, Psychologie, Soziologie by dierkschaefer on 19. April 2015

»Die Spiritualität ist für unsere Gruppe einer der Dreh- und Angelpunkte ihrer eigenen Persönlichkeit, ihrer eigenen Existenz und ihrer Tätigkeit. Es ist eigentlich kein überraschendes Ergebnis, aber überraschend für uns ist, wie deutlich der Effekt ist, dass Personen, die eine Gotteserfahrung auch täglich machen, wo Gott in ihrem Leben eine Erfahrungsgröße ist, dass diejenigen, die dort stark sind, dass die engagierter sind, dass die auch gesünder sind, dass die zufriedener sind.«[1]

Ist doch schön, wenn’s auch den Arbeitgeber interessiert.

[1] http://www.deutschlandradiokultur.de/psychologie-sorge-um-die-seele-der-seelsorger.1278.de.html?dram:article_id=317514

Franziskus und die Schweizer Heimkinder

Posted in heimkinder, Kinderheime, Kinderrechte, Kirche, Kriminalität, Menschenrechte, Parteien, Politik by dierkschaefer on 25. März 2015

Wenn die Symbolhandlung[1] Folgen hat, könnten sich vielleicht nicht nur die Schweizer Behörden bewegen, sondern auch die katholischen Orden, die sich bisher  ordentlich zurückgehalten haben in der Frage der Entschädigung beschädigter Kinderbiographien.

[1] http://www.derbund.ch/schweiz/standard/Papst-empfaengt-Schweizer-Missbrauchsopfer/story/11243712

Vergebung für Täter hat eine lange Tradition,

Posted in Geschichte, Kirche, Kriminalität, Menschenrechte, Nazivergangenheit, Täter by dierkschaefer on 23. März 2015

»Die Dogmen lasten wie ein Alb auf uns Gläubigen.«

Posted in Kirche, Politik, Theologie by dierkschaefer on 19. März 2015

Die wohl deutlichste Kritik an der katholischen Kirche kommt von einem ihrer prominenten Mitglieder.

Der Ministerpräsident aus dem Schwäbischen darf wohl als gebildet gelten. Und dennoch hat er seine Kirche nicht verstanden, weiß nicht, was Katholizität ausmacht. Das muss man ihm nicht vorwerfen. Seine Kirche hat es offensichtlich nicht verstanden, ihm die Grundlagen – oder was sie dafür hält – zu vermitteln. Evangelischen gebildeten Zeitgenossen geht es kaum anders.

Da komme noch jemand und behaupte, Religionsunterricht sei Indoktrination. Wenn doch, dann zeigt sich deren Nutzlosigkeit.

»Dass die Kirche nicht zugeben könne, zu irren, könne Kretschmann am schwersten ertragen.

Das Problem seien nicht die Dogmen an sich, sondern dass die Kirche sie alle für richtig halte, sagte der Grünen-Politiker weiter.«[1]

Ja, soll sie denn sagen: April, April, Maria ist keine Jungfrau?

»„Auch wenn manche es noch nicht wahrhaben wollen: Die Zeiten sind vorbei, in denen die Hierarchie Debatten einfach für beendet erklären konnte“, sagte Kretschmann.«

Die Zeiten mögen vorbei sein, doch die Kirche hält sich nicht an den Geist der Zeiten gebunden. Das wissen wir seit dem Antimodernisten-Eid[2] der katholischen Kleriker.

»„Ich glaube einfach nur das, was ich glaube“, sagt der praktizierende Katholik, „anders kann ich nicht glauben“.«

Er hat ja soo Recht. Und gerade weil es so einfach (und plausibel) klingt, fällt mir dazu die fides implicita simplicium ein, auch Köhlerglaube[3] genannt: Ich glaube, was die Kirche glaubt. Das reicht, mehr muß man nicht glauben und auch nicht verstehen.

Das will und kann Winfried Kretschmann nicht verstehen. Damit hat er Recht und seiner Kirche die Glaubwürdigkeit abgesprochen – hat es aber wohl nicht einmal gemerkt.

[1] Alle Zitate aus http://www.zeit.de/gesellschaft/2015-03/winfried-kretschmann-kirche-glaube/komplettansicht

[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Antimodernisteneid

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6hlerglaube

Das Thema Pflichtzölibat könnte einen kalt lassen, wenn er nicht …

Posted in Kirche, Menschenrechte, Religion, Weltanschauung by dierkschaefer on 18. März 2015

… wenn er nicht auch kriminogen wäre.

Ich hatte hier im Blog auf einen Film hingewiesen[1].

Dazu bekam ich Kommentare, doch ein Aspekt wurde nicht beachtet. Er sei hier angesprochen.

Im genannten Film[2] wird deutlich auch die seelische Not derer beschrieben, denen ein intimer Partner verwehrt ist, und dabei geht es nicht ausschließlich um Sex, vielleicht nicht einmal in der Hauptsache.

Es geht mir nicht darum, Mitleid mit den Tätern zu wecken; von Opfern kann man das am wenigsten erwarten. Aber wenn wir die Psychodynamik der Täter nicht verstehen, was nicht auf Verständnis hinauslaufen soll, dann bleiben wir hilflos dem Aufkommen neuer Täter ausgesetzt.

Zölibat – das Thema könnte einen kalt lassen, aber nur wenn uns die Opfer egal sind. Allerdings sind auch die Täter Opfer, sie sind Opfer eines Systems geworden sind, aus dem sie sich kaum lösen können.

Die katholische Kirche betont immer wieder beharrlich, der Zölibat spiele bei Missbrauch keine Rolle. Schließlich gebe es auch Missbrauch durch nicht-zölibatär lebende Menschen. Die Feststellung stimmt, doch sie ist unzureichend. Es gibt, und im Film wird das von einem Fachmann[3] eindrücklich dargelegt, auch den zölibatsbedingten Missbrauch.[4] Ich frage mich, warum die katholische Kirche dermaßen ängstlich an der Zwangsehe von Zölibat und Priesteramt festhält. Schließlich ist der Zölibat in der Entwicklung der Kirchen zwar recht früh, aber erst nach und nach verpflichtend geworden.[5] Petrus hatte eine Schwiegermutter.

Oder ist der Neid der alten Männer der tiefere Grund für das starre Festhalten am Pflichtzölibat für die jungen Priesterkandidaten?[6]

Der Zölibat ist auch vor harmlosen Anzüglichkeiten nicht geschützt. In meiner Schulzeit war ich für ein Marktforschungsinstitut tätig. Ich hatte für die Befragung die Adresse einer Frau in einem Dorf in der Hildesheimer Gegend bekommen. Das Dorf war unübersichtlich und ich fragte in der Kneipe nach. „Ach, die Frau Pfarrer!“ hieß es, man schmunzelte und beschrieb mir den Weg. Es war seine Haushälterin.

In einer schwäbischen Kleinstadt, so erzählte man mir, legte die kirchliche Jugendgruppe in der Nacht zum 1. Mai eine Sägemehlspur vom Haus des Vikars zu dem seiner Freundin.

Die Idee, einen zölibatsfreien Nachmittag pro Woche einzuführen, wäre nicht zielführend, könnte die alten Männer der Kirche aber vielleicht doch an die Wirklichkeit heranführen. Sie sind allerdings so alt, dass sie selber nichts mehr davon hätten.

Ich erinnere mich, dass ich in der ersten Stunde in den neuen Klassen der Polizeischüler auch regelmäßig gefragt wurde, was ich, als evangelischer Pfarrer, zum Zölibat sage. Die meisten waren gut ländlich-katholisch und im vollen Saft ihrer jungen Jahre. Sie konnten nicht verstehen, dass es Leute gibt, die freiwillig im Zölibat leben und dabei glücklich sind.[7]

Es geht, wie gesagt, nur um den Pflichtzölibat, aus dem niemand menschenwürdig aussteigen kann. Von den Zölibatspartnerinnen war hier noch gar keine Rede.

Was das menschliche Leid einiger Zölibatäre betrifft, auch das Leid von eventuellen Partnerinnen, so könnte einen der Pflichtzölibat kalt lassen, das sind erwachsene Menschen. Doch schon bei den „Priesterkindern“[8] hört mein Verständnis auf. Erst recht allerdings bei den kriminogenen Auswirkungen auf einige der Zölibatäre. Angesichts der Opferschicksale gehört der Pflichtzölibat gesetzlich verboten.

Ich weiß: Gut gebrüllt, aber ohne Erfolg. Unsere Bundeskanzlerin hat mit keiner Silbe öffentlich das Leid von jüdischen und muslimischen Jungen bei der Beschneidung bedacht. Sie wird sich mit den alten Männern der katholischen Kirche noch weniger anlegen wollen als mit den Vertretern des Judentums.

[1] https://dierkschaefer.wordpress.com/2015/03/17/schwarze-padagogik-demutigung-gewalt-und-missbrauch/

[2] http://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/ndr/Missbrauch-Kirche-das-Schweigen-der-Maenner-100.html Dazu auch: https://www.ndr.de/der_ndr/presse/mitteilungen/Mehr-paedophile-Kleriker-in-katholischer-Kirche-als-bisher-angenommen,pressemeldungndr15556.html

[3] Dr. Christoph J. Ahlers, Klinischer Sexualpsychologe, im Film u.a. ab 27:30, er wird auch vorgestellt in http://swrmediathek.de/player.htm?show=e06fa620-13d6-11e4-9668-0026b975f2e6

[4] Missbrauch hat auch andere Psychodynamiken im Hintergrund, beispielsweise das Machtmotiv. Doch hier geht es um zölibatsbedingten Missbrauch.

[5] Im Jahre 1022 ordnete Papst Benedikt VIII. auf der Synode von Pavia gemeinsam mit Kaiser Heinrich II. an, dass Geistliche künftig nicht mehr heiraten durften. Verstöße gegen den Zölibat wurden mit Kirchenstrafen belegt, und bereits verheirateten Geistlichen sollten Amt und Besitz entzogen werden. Als Begründung spielte vor allem die kultische Reinheit eine Rolle, da es für Priester üblich wurde, die Heilige Messe täglich zu zelebrieren. https://de.wikipedia.org/wiki/Z%C3%B6libat

[6] Doch hier spielen noch ganz andere Psychodynamiken eine Rolle, die eines ganzen Kollektivs, wie das in Tendenzvereinen leicht vorkommt.

[7] Ich kenne nicht nur einen evangelischen Kollegen, der mit seinem zölibatären Leben rundum zufrieden ist.

[8] http://de.wikipedia.org/wiki/Priesterkind#R.C3.B6misch-katholische_Kirche

Schwarze Pädagogik – Demütigung, Gewalt und Missbrauch

Posted in heimkinder, Justiz, Kinderrechte, Kirche, Kriminalität, Pädagogik by dierkschaefer on 17. März 2015

Die Kirche war und ist ein besonderes Biotop für Täter, aber auch sämtliche Einrichtungen, in denen Kinder, wenn auch nur zeitweise, in die unkontrollierte Obhut von Erwachsenen kommen. Prävention beginnt mit der Aufklärung dieser Erwachsenen und mit der Stärkung des Selbstbewußtseins der Kinder.

Das Video: Das Schweigen der Männer – Die katholische Kirche und der Kindesmissbrauch[1] zeigt das Grundproblem kindlicher Abhängigkeit, verschärft durch den Spezialfall der sakralen Überhöhung der Täter. Inzwischen wissen wir, dass auch Idole ohne sakralen Hintergrund ihre Position öffentlicher Anerkennung missbrauchen.

[1] http://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/ndr/Missbrauch-Kirche-das-Schweigen-der-Maenner-100.html video-tgl-ab-20-uhr-100.h 16.03.15 | 44:05 Min. | Verfügbar bis 16.03.16, »Wie ehrlich meint es die katholische Kirche wirklich mit der Aufarbeitung? Wie groß ist das Ausmaß des Skandals? Die Autoren Birgit Wärnke und Sebastian Bellwinkel haben hinter die Mauern der katholischen Kirche geschaut.«

Sexualforscher: Katholische Kirche zieht Pädophile an

Posted in Kinderrechte, Kirche by dierkschaefer on 14. März 2015

»In der katholischen Kirche gibt es nach Einschätzung des Berliner Sexualpsychologen Christoph Ahlers auffällig viele Geistliche mit „problematischer Sexualpräferenz“. Das „Sexualitätsverbot“ der katholischen Kirche übe eine Anziehungskraft auf Pädophile aus, die sich mit einer Kirchenkarriere vor lästigen Fragen schützen wollten, sagte Ahlers in der NDR-Dokumentation „Das Schweigen der Männer“. Die Dokumentation zum Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche wird am 16. März (23.30 Uhr) im Ersten gesendet, wie der NDR am Donnerstag mitteilte.«[1]

[1] http://www.epd.de/zentralredaktion/epd-zentralredaktion/sexualforscher-katholische-kirche-zieht-p%C3%A4dophile

Neue Heimkinderstudie, im Auftrag der Caritas

Posted in Geschichte, Gesellschaft, heimkinder, Kinderrechte, Kirche, Kriminalität, Pädagogik, Religion, Soziologie by dierkschaefer on 8. Juli 2014

Begonnen hatte es mit einem Presseartikel der Stuttgarter Nachrichten[1], auf den ich im Blog hinwies[2]. Dann schickte ich an die einzige der im Presseartikel genannte Person ein Mail[3] und bekam Antwort, die ich hier samt meiner Erwiderung unverändert, aber ohne die Verbindungsdaten, veröffentliche.

 

Sehr geehrter Herr Schäfers,

als Projektleiterin der Studie „Heimkinderzeit in der katholischen Behindertenhilfe und Psychiatrie 1949-1975. Eine qualitative und quantitative Erfassung der Problemlage“ möchte ich Ihnen gerne auf ihre Mail vom 02. Juli 2014 an Frau Arnold antworten.

Sie nehmen Bezug auf den von Steve Pryzibilla verfassten Artikel, der am 30.Juni 2014 in den Stuttgarter Nachrichten erschienen ist. Herr Pryzbilla bezieht sich auf ein Interview mit Frau Arnold, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Koordinatorin  in der Studie tätig ist. Leider werden vom Interview und den weitergereichten Materialien wenig konkrete Information, bzw. zum Teil auch journalistisch sehr frei interpretierte Inhalte an den Leser/die Leserin weitergegeben.

Damit Sie sich ein umfassenderes Bild machen können, möchte ich Sie auf unserer Homepage mit genaueren Informationen hinweisen. Unter www.heimkinderstudie.de  finden Sie mehr zu Anlage, Auftraggeber und Ziel des Projektes.

Sie fragen auch nach der Notwendigkeit dieser Studie, hierzu ist zu betonen, das die Kinder und Jugendlichen, die in Einrichtungen der katholischen Behindertenhilfe im genannten Zeitraum gelebt haben selten berücksichtigt werden. Bei allen bisher durchgeführten Studien handelt es sich entweder um Mikrostudien einzelner Einrichtungen oder aber um eine andere Zielgruppe (Kinder und Jugendliche in Einrichtungen der Erziehungshilfe). Gerade die Kinder und Jugendlichen der damaligen Zeit, die in Einrichtungen der katholischen Behindertenhilfe lebten und zum Teil heute noch dort leben werden finden selten Gehör.

Ziel der Studie ist Aufarbeitung und Transparenz. Der Fachverband „Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V“ hat diese Studie in Auftrag gegeben, die Veröffentlichung der Ergebnisse ist vertraglich festgelegt und wird zu Projektende stattfinden.

Bereits zu Beginn der Studie wurde von unserer Seite auch Kontakt zu ehemaligen Heimkindern aufgenommen. Dies geschah zum einen in direkten Gesprächen (z.B. auf der Berliner Tagung Menschenrechtsverletzungen in DDR-Heimen am 18./19.10.2013), aber auch per Brief und Mail. So wurde auf diesem Weg der Kontakt zu Vereinen/Initiativen ehemaliger Heimkinder gesucht, bspw. zum Förderverein Jugendhof Wolf e. V., zur begleitenden Arbeitsgruppe der Anlauf- und Beratungsstelle für Ex-Heimkinder in Rheinland-Pfalz, zu einer Initiative für Betroffene mit Behinderung, die in den 1950er und 1960er Jahren in Heimen der BRD gelebt haben, dem Verein Ehemaliger Heimkinder e.V., zum Arbeitskreis Fondsumsetzung Heimerziehung und zum Verein Ehemaliger Heimkinder Deutschland. Außerdem wurde Herr Schruth als Vertreter ehemaliger Heimkinder persönlich informiert und um Mithilfe bei der Vermittlung von möglichen AnsprechpartnerInnen gebeten. Auch wurde Kontakt zu Einzelpersonen aufgenommen, die bereits in den Medien aktiv waren und sind, dadurch viele Kontakte zu anderen Betroffenen haben, aber keiner speziellen Initiative zugeordnet werden können.

Ich hoffe ich konnte Ihnen der Sache dienliche Informationen geben. Falls Sie weitere Fragen haben können Sie sich gern direkt an mich wenden.

Mit freundlichen Grüßen

Annerose Siebert

 

Mein Antwortmail

Sehr geehrte Frau  Prof. Siebert,

 

für Ihre prompte Antwort danke ich herzlich. Sie haben natürlich Recht mit Ihrem Hinweis auf die eingeschränkte Tauglichkeit medialer Berichterstattung und haben mir dankenswerterweise den Link zum Projekt hinzugefügt (http://www.heimkinderstudie.de/ ).

Wenn ich jetzt darauf eingehe, so fühlen Sie sich bitte nicht genötigt, mir gegenüber die Studie zu rechtfertigen. Ich will trotzdem ein paar Aspekte ansprechen, weil die Leser meines Blogs, auch wenn nur eine Minderheit zu Ihrer Zielgruppe gehört, aus eigenem Erleben heraus am Thema Heimkinder und der öffentlichen wie wissenschaftlichen „Vergangenheitsbewältigung“ interessiert ist.

Daß vielen ehemaligen Heimkindern eine flächendeckende Studie der Untereinheit katholisch und behindert suspekt ist, wird Sie wohl nicht verwundern. Den meisten ist eine grundlegende wissenschaftliche Herangehensweise ohnehin fremd, denn man hatte sie heimseits allenfalls mit einer Bildung ausgestattet, die für einfache und damals schon vom Aussterben bedrohte Berufe befähigte.  Sie sehen ihre Heimvergangenheit hinreichend durch die Mikrostudien bestätigt und sehen auch, daß ihnen die wissenschaftliche „Adelung“ am Runden Tisch Heimerziehung (und auch am Runden Tisch Missbrauch) nichts gebracht hat, auch wenn der Runde Tisch selbst solche Expertisen in Auftrag gegeben hatte. Sie haben die Erfahrung gemacht, daß diese Art Wissenschaft l’art pour l’art ist, weil die Interessen der Mehrheit am Runden Tisch den ihren entgegengesetzt waren und durchgedrückt wurden. Am Runden Tisch saß auch Prof. Schruth, den Sie erwähnen. Der hat, als es darauf ankam, den Ergebnissen zugestimmt, und später, im Vortrag unter Fachkollegen, eine differenzierte und distanzierende Position eingenommen. Das hat bei den ehemalige Heimkindern nicht zum Vertrauen beigetragen, weder in die Person, noch in die Wissenschaft.

 

Nun haben Sie Drittmittel bekommen für die Untersuchung eines Teils von einer Betroffenengruppe, die am Runden Tisch nicht nur ausgelassen, sondern auch recht schnöde abgewiesen wurde.

Diese Drittmittel kommen von einer Seite, die auch am Runden Tisch vertreten war und dessen Verfahrensweise und das Ergebnis mit zu verantworten hat. Die ehemaligen Heimkinder sprechen von „Täterorganisationen“ und meinen damit nicht nur die in den Heimen erlittene Behandlung, sondern auch deren Verhalten am Runden Tisch. Sie fragen sich auch, warum für Wissenschaft Geld ausgegeben wird, während sie mit „Almosen“ abgespeist werden.

Nun gibt es für historische Vorkommnisse aufarbeitende  Wissenschaft keine „Verjährung“. Im Gegenteil: Je älter, desto besser, es sei denn, das Feld ist schon hinreichend beackert. Für die wissenschaftliche Bearbeitung der Vorkommnisse am Runden Tisch  werden wir also mindestens so lange warten müssen, bis die Verantwortlichen sich juristisch auf  Verjährung berufen können, besser noch, wenn sie das Zeitliche gesegnet haben.

Was Drittmittel vonseiten involvierter Institutionen bedeuten (können) sah man im Fall Pfeiffer/KfN, doch da werden Sie sich wohl besser abgesichert haben.

Nun zur Studie selbst: Die Eingrenzung auf katholische Personen mit Behinderung mag ja den knappen Drittmitteln geschuldet sein. Vielleicht wollte die Diakonie einfach nicht mitmachen. Die Behandlung des Personenkreises dürfte aber wohl den damals gültigen allgemeinen Bedingungen entsprechen. (Ob es von der Organisationsform abgesehen einen speziell katholischen Anteil gegeben hat, wäre wirklich interessant.) Nicht vergessen darf man dabei die erst kürzlich aufgetauchten Vorwürfe, daß in den von den Nazis „geräumten“ Heimen in der Nachkriegszeit Plätze zur Verfügung standen, die aus ökonomischen Gründen der Träger wieder belegt werden mussten, auch mit Hilfe von in der Nazizeit bewährten Gutachtern. (https://dierkschaefer.wordpress.com/2014/07/04/nachkriegskinder-als-frischfleisch-fur-die-psychiatrien/ ). Doch dies können Sie ja auch an einer eingeengten empirischen Stichprobe überprüfen.

Zur Stichprobe: Wünschenswert wäre natürlich eine randomisierte Stichprobe anhand der vollständigen Belegungslisten. Angeblich sind jedoch viele Akten vernichtet worden. Quod non est in actis ist auch wissenschaftlich schwer zugänglich. Doch soweit noch Akten vorhanden: Es dürfte fast unmöglich sein, den Verbleib der Personen über die Meldeämter zu ermitteln. Nicht nur der Datenschutz generell ist hier ein Hindernis, sondern auch speziell der Schutz vor Retraumatisierungen oder die Angst, in seinem Umfeld bloßgestellt werden zu können. Wenn dann noch dazu der Auftraggeber katholisch ist, mag das verstärkt dazu führen, sich lieber bedeckt zu halten. So bleiben lediglich die Personen, die sich schon geoutet haben oder bereit dazu sind, wenn sie von Ihrer Studie erfahren. Wenn überhaupt. Denn wohl nicht unbegründet wird immer wieder gesagt, daß diese Zielgruppen, ich meine jetzt sämtliche Heimkinder aus diesem Zeitraum, nicht in dem Maße „netzaffin“ sind, wie zu wünschen wäre. Einerseits mag das generell an der Altersgruppe liegen, andererseits speziell an der nicht erworbenen Fähigkeit, sich flexibel auf neue Kommunikationsmöglichkeiten  einzulassen und schließlich auch an der wirtschaftlichen Lage, die bei ehemaligen Bewohnern psychiatrischer Einrichtungen noch prekärer sein dürfte, als die der wirtschaftlich ohnehin schlecht ins Leben entlassenen „normalen“ Heimkinder.

Sie setzen also auf „Selbstmelder“ und auf Hinweise aus dem Umkreis Betroffener. Ihre Studie wird damit einen Bias (eine methodisch bedingte Schlagseite) bekommen und ob Sie den  in den Griff kriegen, bezweifele ich.

Noch einmal: Fühlen Sie sich bitte nicht genötigt, mir gegenüber die Studie zu rechtfertigen.

Ich bin aber auf Ihre Ergebnisse gespannt und würde mich freuen, wenn Sie mich im Rahmen Ihrer Öffentlichkeitsarbeit in Ihren Verteiler aufnehmen.

 

Mit freundlichem Gruß

 

Dierk Schäfer

 

[1] http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.studie-katholische-hochschule-freiburg-die-stillen-leiden-der-heimkinder.70d81fee-12d2-42a7-880e-686af1f04788.html

[2] https://dierkschaefer.wordpress.com/2014/06/30/heimkinder-systematisch-geschlagen-vergewaltigt-und-zur-zwangsarbeit-verdonnert/

[3] https://dierkschaefer.wordpress.com/2014/07/02/noch-ne-heimkinderstudie/