Dierk Schaefers Blog

Ein Kulturdenkmal wird aufgefrischt: die Lutherbibel.

Posted in Geschichte, Kultur, Theologie by dierkschaefer on 17. September 2015

Die kulturelle Bedeutung der lutherschen Bibelübersetzung hat sich ergeben, weil die Sprache stimmig war: Sie wurde überall verstanden, denn Luther wählte »nicht einen der zahlreichen deutschen Dialekte …, sondern die sächsische Kanzleisprache, die weithin in Deutschland verstanden wurde«[1], und sie kam aus dem Volk. »“Man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gasse, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen auf das Maul sehen, wie sie reden und danach dolmetschen“«. Die Gebildeten besannen sich ihrer Muttersprache und übernahmen die Sprache der Lutherbibel.

So hat dieser Sprach-Schatz die deutschsprachige Kultur geprägt. »Die Lutherbibel wurde das Bildungsbuch der Schulen in den evangelischen Fürstentümern und Städten bis 1800, erläutert Hövelmann. „Mit der Lutherbibel lernte man das Lesen und die deutsche Sprache.“ Ihre Formulierungen wandelten sich zu Redewendungen, etwa „Hochmut kommt vor dem Fall“ (Sprüche 16,18), „Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“ (Prediger 10,8), „Ihr sollt eure Perlen nicht vor die Säue werfen“ (Matthäus 7,6), „ein Herz und eine Seele sein“ (Apostelgeschichte 4,32). Die biblische Weihnachtsgeschichte sei nahezu jedem Deutschen in ihrem Lutherton im Ohr: „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging“ (Lukas 2,1).«

Doch wir erleben einen Kulturbruch. Die Redensarten und Sprachbilder werden immer weniger verstanden, wie auch die Literaturklassiker immer weniger in den Schulen vermittelt werden. Schade.

Doch Luther wollte wohl kein Schatzbuch der deutschen Sprache schaffen, sondern den von der Kirche abhängigen Gläubigen einen unmittelbaren Zugang zu Gott eröffnen. »Luthers theologische Erkenntnis: Gott offenbart sich in der Bibel selbst. Man braucht nicht die Kirche, um ein persönliches Verhältnis zu Gott zu bekommen. Jeder Gläubige hat durch die Bibel direkten Zugang zu Gott.«

Selbst wenn man der Kritik von Karl Marx[2] etwas abgewinnen kann, so bleibt doch als Verdienst der Reformation, dass sie uns von der Vormundschaft der Kirche befreit hat. Wer mit Marx meint, Luther habe das Herz an die Kette gelegt, der hat die Hauptbotschaft nicht verstanden: Wir, jeder von uns ist unmittelbar zu Gott[3] – in Freiheit und Verantwortung.

[1] alle Zitate aus: http://www.ekd.de/aktuell/edi_2015_09_16_revision_lutherbibel.html

[2] Karl Marx sah das in seiner Einleitung Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie kritisch: »Luther hat allerdings die Knechtschaft aus Devotion besiegt, weil er die Knechtschaft aus Überzeugung an ihre Stelle gesetzt hat. Er hat den Glauben an die Autorität gebrochen, weil er die Autorität des Glaubens restauriert hat. Er hat die Pfaffen in Laien verwandelt, weil er die Laien in Pfaffen verwandelt hat. Er hat den Menschen von der äußeren Religiosität befreit, weil er die Religiosität zum inneren Menschen gemacht hat. Er hat den Leib von der Kette emanzipiert, weil er das Herz an die Kette gelegt.«

[3] http://gutenberg.spiegel.de/buch/uber-die-epochen-der-neueren-geschichte-3020/1

Nachtrag: Schön hat er das gesagt, der EKD-Vorsitzende: https://www.facebook.com/notes/heinrich-bedford-strohm/die-bedeutung-der-bibel%C3%BCbersetzung-martin-luthers-f%C3%BCr-die-moderne/962846303778238

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