Dierk Schaefers Blog

Die westliche Wertegemeinschaft

Posted in Gesellschaft, Journalismus, Justiz, Medien, Menschenrechte by dierkschaefer on 15. Dezember 2014

Terrorismus ist die Kommunikationsform der „Unerhörten“, ist Terror von unten.

Staatlicher Terror ist die Antwort.[1] Wenn das Justizsystem als offene Kommunikationsform nicht ausreicht, bleibt die Folter als verdeckte Form der Kommunikation. Deren Ergebnisse lassen sich nutzen zur Legendenbildung, mit der eine Rückbindung an das Justizsystem erfolgt. Der Kommunikationskreislauf schließt sich, wenn die Legenden den Mainsteam der Publizistik bestimmen.

Wird der Terrorismus international, folgt ihm der Staatsterror und lässt einsperren und foltern, wo es auf die Landkarte passt. Werden Staatsterror und Folter nicht nur publik, sondern offiziell bekannt gemacht[2], ertönt unisono die Empörung der bis dahin Willigen, die davon nichts gewußt haben wollen, obwohl es die Spatzen schon lange von den Dächern pfiffen[3]. Die unausweichlich … drängende Frage nach dem tatsächlichen Inhalt der „Wertegemeinschaft“[4] wird wohl eine rhetorische bleiben.

Der subtile Staatsterror liegt in der internationalen Zusammenarbeit der Geheimdienste, der Prophylaxe durch das jeweilige Justizsystem und die Nutzung juristischer Grauzonen: Stichworte: Dissidenz[5], Antikommunismus[6].

Seine Klimax erreicht der prophylaktische Staatsterror, wenn er zum Krieg gegen … aufruft, war on terror[7], war on drugs[8], oder wenn er eine ganze Ära für den kalten Bürgerkrieg einleitet.[9]

 

Doch die Staatsterroristen brüsten sich weiterhin, sie hätten das nur Notwendige getan, ganz ohne Folter[10]. Wenn man Mr. Cheney mithilfe von waterboarding erfolgreich nach seinem geheimen Sexualleben befragen würde, hielte er es dann immer noch nicht für Folter?

[1] Dierk Schäfer, Terror / MACHT / Terrorismus – Legitimierung, Delegitimierung und die unerträgliche Reinheit der Herzen http://www.pfarrerverband.de/pfarrerblatt/dpb_print.php?id=3452.

[2] http://www.intelligence.senate.gov/study2014/sscistudy1.pdf

[3] http://www.tagesschau.de/ausland/cia-folter-reaktionen-103.html http://www.t-online.de/nachrichten/ausland/usa/id_72124740/angela-merkel-erschuettert-von-cia-folter-skandal.html http://web.de/magazine/politik/bericht-cia-folter/regierungen-weltweit-kritisieren-cia-foltermethoden-scharf-30271108

[4] »Und so bleibt unausweichlich die drängende Frage nach dem tatsächlichen Inhalt der „Wertegemeinschaft“, die Deutschland mit den USA teilen soll und die beide Partner offenbar ermächtigt, Rechtsbrüche anderer Länder jeweils nach politischer Opportunität anzuklagen. Welche Werte sind hier gemeint? Gehört die Rechtsstaatlichkeit dazu? Oder werden Rechtsbrüche und Menschenrechtsverletzungen nur gegenüber ausgewählten Ländern geahndet? Und – last but not least – welche Konsequenzen will die Bundesregierung ziehen, wenn die eigenen Werte derart massiv und offenkundig verletzt werden?« http://www.heise.de/tp/artikel/43/43588/2.html

[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Dissident

[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Antikommunismus

[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Krieg_gegen_den_Terror

[8] https://de.wikipedia.org/wiki/War_on_Drugs

[9] https://de.wikipedia.org/wiki/McCarthy-%C3%84ra

[10] »Cheney hob hervor, er würde jederzeit wieder so vorgehen wie nach den Anschlägen auf New York und Washington. Amerika habe Folter „sorgfältig vermieden“ und „erfolgreich“ das Richtige getan, „um die Bastarde zu fassen, die 3000 von uns am 11. September getötet hatten, und sicherzustellen, dass das nicht noch einmal passierte“.« http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/amerika/john-brennan-cia-direktor-gibt-fehler-zu-13315261.html

Angesichts des Grauens

Posted in Geschichte, Kriminalität, Psychologie, Religion, Weltanschauung by dierkschaefer on 19. November 2014

Die Vergangenheit ist gegenwärtig. Was wir aus den Geschichtsbüchern kennen, die unvorstellbaren Grausamkeiten im Zusammenhang mit religiösen Wahn, was wir aus nicht so ferner Vergangenheit vom Nazi-Wahn der Judenvernichtung wissen, wissen sollten, was wir in noch jüngster Erinnerung haben, die Greuel des Aufpralls der Völker auf dem Balkan, das erleben wir gerade als sprachlose Zuschauer des Todesfurors in Nah-Ost, aber auch anderswo.

Menschen sind in der Lage, andere gefühllos abzuschlachten, aber im Hochgefühl zu den „Guten“ oder gar den „Gottgefälligen“ zu gehören.

 

Trotz der Aktualität des Geschehens vor unserem TV-Fenster müssen wir sehen, dass in historischer Perspektive solche kollektiven Eruptionen wohl zur episodischen Normalität gehören, so wie Vulkanausbrüche, Schlechtwetterperioden oder Epidemien. Dennoch immer die bange Frage: Was treibt Menschen dazu, dem anderen ein reißender Wolf zu werden, zu Menschen, die zuvor friedlich-zivil mit denen zusammenlebten, die sie nun massakrieren?

 

Erklärungen gibt es – nicht gerade viele – so aber doch einige[1]. Doch keine reicht aus. Wie beim Phänomen der Resilienz bleibt die Frage, warum Menschen mit gleichem Erziehungs- und Erlebenshintergrund sich so oder auch so entwickeln, zum friedlichen Bürger oder zum „Raubtier“, ja, warum manche beide Rollen offenbar gut vereinbaren können, den biederen Familienvater, der seine Kinder liebt und streichelt und den KZ-Kommandanten.

 

Ich beschäftige mich schon länger mit der Thematik[2] und meine, wir müßten über ein paar Aspekte neu nachdenken.

Da wäre zunächst der Begriff der Psychopathie[3]. Die Gefühlskälte und der Mangel an Empathie; sind sie angeboren oder „erlernt“? Oder ist ihre Ursache das Fehlen von Spiegelneuronen[4]?

In diesem Zusammenhang wäre nach der Bedeutung des Bindungsgeschehens[5] im Baby- und Kleinkindalter zu fragen. Sind bindungsgestörte Mütter, aber auch Väter die Ursache für eine Emotionsarmut, die bei „passender“ Gelegenheit ausgelebt wird, unterstützt zuweilen durch die endlich gefundene Geborgenheit in einer Gruppe, die mit gutem Gewissen und im Gehorsam gegenüber einer unbarmherzigen Gottheit oder Ideologie, alles erlaubt oder gar fordert?

Könnten wir auch das Funktionieren der Mafiosi damit erklären? – Und auch die Skrupellosigkeit des Wirtschaftsverbrechers?

 

Ist der Amok-Läufer dann nur der einsame Wolf, der auf eigene Faust und eigene Rechnung Rache nimmt an denen, die die innere Not des bindungs- und gefühllosen Narziß nicht erkannt und ernst genommen haben?

 

Wir müssen mehr wissen. Forschung tut not, um gegen die wiederkehrenden Epidemien der aktivierten menschlichen Kälte besser gefeit zu sein.

 

[1] Hervorgehoben seien nur die Debatte über die Rolle der Religion als Quelle von Gewalt: https://dierkschaefer.wordpress.com/2013/07/20/monotheismus-gewalt/ und die erhellenden, aber doch nur einiges erklärenden Artikel in der NZZ: http://www.nzz.ch/international/naher-osten-und-nordafrika/gottgefaellige-sadisten-1.18427581

http://www.nzz.ch/feuilleton/nur-wo-es-einen-gott-gibt-ist-alles-erlaubt-1.18377205

[2] Dierk Schäfer, Terror / MACHT / Terrorismus – Legitimierung, Delegitimierung und die unerträgliche Reinheit der Herzen http://www.pfarrerverband.de/pfarrerblatt/dpb_print.php?id=3452.

[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Psychopathie

[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Spiegelneuron

[5] http://de.wikipedia.org/wiki/Spiegelneuron

„Mord als Gottesdienst“

Posted in Menschenrechte, Psychologie, Religion, Soziologie, Theologie by dierkschaefer on 7. August 2014

„Mord als Gottesdienst“ quer durch alle Religionen, heute in der FAZ-print-Ausgabe[1].

 

Das Thema interessiert mich. Theologe der ich bin lege ich den Rest der Zeitung erst einmal zur Seite. Friedrich Wilhelm Graf, der Autor, ist kein Unbekannter. Erst kürzlich legte der emiritierte Münchner Professor für Systematische Thelogie sein Buch „Götter global“ vor, ein fulminanter Überblick über die weltweite Befindlichkeit von Religionen, geschrieben mit der Distanz, wie man sie von einem kritischen Wissenschaftler erwartet. Manche Leute meinen ja, Theologie sei keine Wissenschaft – und das ist ein Irrtum, auch von ansonsten gebildeten Zeitgenossen.

Religion und Gewalt ist seit den Selbstmordattentaten junger Islamisten ein Thema auch unterschiedlichster Publikationsorgane und somit populär geworden. Doch Graf macht deutlich, daß dies eine unsachgemäße Verengung des Blickwinkels ist. Er meint alle Religionen, z.B. auch den bei uns meist als friedfertig eingestuften Buddhismus. Graf läßt in diesem Artikel leider die Säkularreligionen aus, auf die er im erwähnten Buch durchaus eingeht. Da wären zu nennen der Patriotismus, der Vernunftglaube der französischen Revolution, der deutschgläubige Nazismus, der Marxismus – leider ist die Aufzählung unvollständig und wir wissen nicht, was uns in der Zukunft noch an ideologischer Verblendung mit Gewaltauswirkung erwartet. Ich denke, Graf würde hier zustimmen, doch im Artikel fokussiert er auf Religion als Quelle von Gewalt.

Was macht Religion so gefährlich? Nach Graf ist es – kurz gesagt – die Unterstellung, Gott sei allmächtig, und diese Allmacht ist instrumentalisierbar. Der Gläubige meint an ihr teilzuhaben und handelt somit in höherem Auftrag. Er überschreitet die Grenzen, die hier und jetzt gelten. Unter dem Blick seines Gottes, den der Gläubige annimmt, sind diese Grenzen „falsche, sündhafte aufzuhebende Regelwerke, die souverän zu ignorieren nur mutige Glaubenstat ist.“

„Religiöse Symbolsprachen“, schreibt Graf, „stiften kos­mische Ordnung durch elementare Grundunterscheidungen: Schöpfer und Geschöpf, Himmel und Erde, Ewigkeit und Zeit, Jenseits und Diesseits.“ Oft würden diese Unterscheidungen „mit Vorstellungen ver­knüpft, dass der innere, gottgewollte Ordo des Kosmos durch den sündhaften Menschen gestört wurde, der sich in narzisstischer Selbstbezüglichkeit den guten Schöpfungsordnungen widersetzt“. Wenn aber die erlebte Welt „als eine ver­derbte Gegenwelt zur wahren, gottgewoll­ten Ordnung erlitten wird, entsteht für die Schöpfungsfrommen der Zwang, die Welt, so wie sie leider ist, auf die ideale und ursprüngliche Ordnung Gottes hin zu überwinden. Gewaltbereitschaft für Gott, genauer: für den je eigenen Gott, ist der Versuch, die erlittene kognitive Disso­nanz zwischen den bösen, sündhaften Verhältnissen und der geglaubten Gottes­ordnung durch kämpferisches Glaubens­zeugnis zu überwinden“.

Die psychologische Theorie von der kognitiven Dissonanzminderung begegnet uns meist in der Form, daß bei auftretenden Spannungen zwischen Wissen und Verhalten oft nicht das Verhalten geändert wird, sondern das Wissen und seine Bedeutung. So raucht der Raucher weiter und nimmt das Wissen um die Schädlichkeit seines Tuns nicht so ernst. Das ist bei den verbohrten Weltverbesserern gleich welcher Couleur anders. Sie sind furiose Heilsbringer, koste es, was es wolle. Die Welt stimmt nicht mit ihren Vorstellungen überein? Um so schlimmer für die Welt. – Das gilt, wie gesagt, für alle Ideologen, die über Leichen gehen, nicht nur für die religiösen.

 

Am Schluß des Artikels steht eine Notiz über Friedrich Wil­helm Graf. Er „ist emeritierter Pro­fessor für Syste­matische Theolo­gie und Ethik an der Universität München. Poin­tiert nimmt er immer wieder zu Debatten Stellung, in denen es um Religion in der säkularen Gesell­schaft, um das Verhältnis von Staat und Kirche oder um innerprotestan­tische Auseinandersetzungen geht. Mit feuilletonistischer Verve begeg­nete er auch dem neuen, publizis­tisch aktiven Atheismus, wie er von Richard Dawkins oder Christopher Hitchens vertreten wird“. Überschrieben ist diese Notiz mit „Der Götterbote“. Hoffentlich kann Graf Spaß verstehen.

[1] Hier kann leider nicht der ganze Artikel referiert werden. Ich hoffe, die FAZ ist so großzügig, ihn auch digital zugänglich zu machen. Nun auch digital:

: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/religion-und-gewalt-mord-als-gottesdienst-13084596.html

Die religiösen Komponenten von Terror und Terrorismus

Posted in Gesellschaft, Kriminalität, Politik, Religion, Soziologie, Theologie by dierkschaefer on 18. September 2013

»Wenn wir von psychopathologischen Fällen fehlender Empathie absehen, ist die religiöse Komponente die Bedingung dafür, Verbrechen mit gutem Gewissen, mit einer unerträglichen Reinheit der Herzen zu begehen«.[1]


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